Spiegel, N

Spiegel, N; Major [ – ] Spiegel stand als Major[1] in schwedischen Diensten.[2]

Aus Löwenberg[3] wird berichtet: „Am 4. Juli [1639; BW] quartierte sich der Oberst[4] Spiegel vom Pfuhlischen[5] Regiment[6] mit 60 Mann ein, blieb bis zum 19. d. M. und ließ in einem Privathause evangelisch predigen. Den 26. trieben 14 schwedische Reuter von der Viehweide 50 Rinder weg, und erschossen einen Bürger, doch löste man dieses Vieh um 40 Thaler wieder ein.

In den ersten Tagen des Septembers kam Major Spiegel[7] mit Fußgängern und Reutern; worauf am 5. Septbr. nicht nur in der Pfarrkirche evangelisch gepredigt, sondern auch wieder Geistliche dieser Confession bestellt werden mußten. Auch die vertriebnen oder geflüchteten Bürger kehrten zum Theil mit ihren Sachen zurück und freuten sich friedlicher Zeit. Leider nicht länger, als bis 1640 den 25. Febr., wo die Schweden in einem Gefecht mit den Kaiserl. 8 Mann einbüßten, und Spiegel sofort Anstalt machte, sich in der Stadt halten zu können. er ließ deshalb 350 vorstädtische Gebäude, theils niederreißen, theils abbrennen und am 13. April traf dieses Loos auch die Begräbnißkirche und das Spital St. Jakob. Nebenbei verübte dieser Mann Gewaltthätigkeiten, die sein Dasein in den Jahrbüchern Löwenbergs greuelhaft bekunden. Alle Bäume um die Stadt mußten umgehauen werden, und nur auf Bitten eines Mädchens blieben ihrer fünf in einem Garten vor dem Goldberger Thore, dem Wachekretscham gegenüber unversehrt, und sollen noch stehen. Aber auch das Gelderpressen verstand und handhabte Spiegel meisterhaft, und tausende von der Stadt und vom Lande flossen in seinen Beutel. […] Am 16. Juli mißlang durch Verrath ein Anschlag der Kaiserlichen, die Stadt zu überrumpeln. Von itzt an hauseten Spiegel und seine Offiziere auf das empörendste. Ohne die 50 Rtl. wöchentl. Tafelgelder[8] für seine Person, ohne die 20 Rtl. welche Woche für Woche nach Lehnhaus[9] an den Obrist Davoggi[10] gezahlt werden mußten, kostete der Bürgerschaft ihre Besatzung monatlich 650 Rtl. Spiegel schlug vor, wenn man seine Soldaten kleiden wolle, sollten diese in den Zwingerbasteien kasernirt werden. Die Bürgerschaft froh ihre unbescheidenen Gäste ausquartirt zu wissen, schoß sogleich 200 Rtl. zusammen, Spiegel nahm diese Summe, hielt aber nicht Wort, die Mannschaft blieb wie vor in den Bürgerhäusern und wirthschaftete mit zügelloser Frechheit. Die bis zur Verzweiflung beängstigten Bürger liefen nun entweder davon oder verwüsteten eigenhändig ihre Häuser, wovon die Soldaten dann das Gesparre[11] entweder verbrannten oder verkauften.

Am 21. Septbr. zündete ein Trupp Schweden von Lähn[12] kommend, das Schubartsche Gut vordem Laubaner-Thore an. Major Spiegel ließ den Wallgraben bewässern, und um die Stadt Schanzen[13] anlegen, durch jene Handlung füllten sich die Keller mit Wasser, und diese verursachte neuen Aufwand, den unglücklichen ganz verarmten Bürgern unerträglich. Jedoch Spiegel blieb unempfindlich und erpresste von denselben Bier, Salz und Schanzgeräthe.

1642 am 5. Febr. begann nun eine förmliche Belagerung der Stadt, welche von den Kaiserlichen beschossen ward. Spiegel verlangte Kapitulation und erhielt vom Herzoge Franz Albrecht[14] am 16. Febr. freien Abzug, wobei jedoch die Stadt ihre Glocken noch mit 200 Rtl. auslösen mußte. Indessen verschaffte dieser Wechsel der Einquartierung, Löwenberg keinen Vortheil. Der Herzog versprach zwar die kirchlichen und obrigkeitlichen Anstalten ungeändert zu lassen, aber sein Versprechen blieb unerfüllt, denn es nahmen die gewöhnlichen Religionsbedrückungen bald wieder ihren Anfang und die Auflagen der Bürger kein Ende. Eilf Wochen dauerte die Einquartierung, und brachte den größten Theil der Einwohner an den Bettelstab“.[15]

Herbst berichtet in seiner Chronik von Greiffenberg:[16] „Den 16. Febr. [1642; BW] hat der Schwed. Major Spiegel, welcher sehr viel Orthe wegbrennen laßen, die Stadt Löwenberg, worin er lange Zeit gelegen, dem Kaÿl: General Hertzog Frantz Albrecht durch accord[17] übergeben, hat sich nicht länger als etwan 6 Stunden gehalten“.[18]

[1] Major: Der Major war im Dreißigjährigen Krieg der Oberwachtmeister des Regiments (zunächst nur in der Infanterie). Er sorgte für die Ausführung der Anordnungen und Befehle des Obristen und Obristleutnants. Im Frieden leitete er die Ausbildung der Soldaten, sorgte für die Instandhaltung ihrer Waffen, hatte die Aufsicht über die Munition und war verantwortlich für die Regimentsverwaltung. Im Krieg sorgte der Major für Ordnung auf dem Marsch und im Lager, beaufsichtigte die Wach- und Patrouillendienste und stellte die Regimenter in Schlachtordnung. Zudem hatte er den Vorsitz im Kriegs- und Standgericht.

[2] schwedische Armee: Trotz des Anteils an ausländischen Söldnern (ca. 85 %; nach GEYSO, Beiträge II, S. 150, Anm., soll Banérs Armee 1625 bereits aus über 90 % Nichtschweden bestanden haben) als „schwedisch-finnische Armee“ bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen der „Royal-Armee“, die v. Gustav II. Adolf selbst geführt wurde, u. den v. den Feldmarschällen seiner Konföderierten geführten „bastanten“ Armeen erscheint angesichts der Operationen der letzteren überflüssig. Nach LUNDKVIST, Kriegsfinanzierung, S. 384, betrug der Mannschaftsbestand (nach altem Stil) im Juni 1630 38.100, Sept. 1631 22.900, Dez. 1631 83.200, Febr./März 1632 108.500, Nov. 1632 149.200 Mann; das war die größte paneuropäische Armee vor Napoleon. Schwedischstämmige stellten in dieser Armee einen nur geringen Anteil der Obristen. So waren z. B. unter den 67 Generälen und Obristen der im Juni 1637 bei Torgau liegenden Regimenter nur 12 Schweden; die anderen waren Deutsche, Finnen, Livländern, Böhmen, Schotten, Iren, Niederländern und Wallonen; GENTZSCH, Der Dreißigjährige Krieg, S. 208. Vgl. die Unterredung eines Pastors mit einem einquartierten „schwedischen“ Kapitän, Mügeln (1642); FIEDLER, Müglische Ehren- und Gedachtnis-Seule, S. 208f.: „In dem nun bald dieses bald jenes geredet wird / spricht der Capitain zu mir: Herr Pastor, wie gefället euch der Schwedische Krieg ? Ich antwortet: Der Krieg möge Schwedisch / Türkisch oder Tartarisch seyn / so köndte er mir nicht sonderlich gefallen / ich für meine Person betete und hette zu beten / Gott gieb Fried in deinem Lande. Sind aber die Schweden nicht rechte Soldaten / sagte der Capitain / treten sie den Keyser und das ganze Römische Reich nicht recht auff die Füsse ? Habt ihr sie nicht anietzo im Lande ? Für Leipzig liegen sie / das werden sie bald einbekommen / wer wird hernach Herr im Lande seyn als die Schweden ? Ich fragte darauff den Capitain / ob er ein Schwede / oder aus welchem Lande er were ? Ich bin ein Märcker / sagte der Capitain. Ich fragte den andern Reuter / der war bey Dreßden her / der dritte bey Erffurt zu Hause / etc. und war keiner unter ihnen / der Schweden die Zeit ihres Lebens mit einem Auge gesehen hette. So haben die Schweden gut kriegen / sagte ich / wenn ihr Deutschen hierzu die Köpffe und die Fäuste her leihet / und lasset sie den Namen und die Herrschafft haben. Sie sahen einander an und schwiegen stille“.

Zur Fehleinschätzung der schwedischen Armee (1642): FEIL, Die Schweden in Oesterreich, S. 355, zitiert [siehe VD17 12:191579K] den Jesuiten Anton Zeiler (1642): „Copey Antwort-Schreibens / So von Herrn Pater Antoni Zeylern Jesuiten zur Newstadt in under Oesterreich / an einen Land-Herrn auß Mähren / welcher deß Schwedischen Einfalls wegen / nach Wien entwichen / den 28 Junii An. 1642. ergangen : Darauß zu sehen: I. Wessen man sich bey diesem harten und langwürigen Krieg in Teutschland / vornemlich zutrösten habe / Insonderheit aber / und für das II. Was die rechte und gründliche Ursach seye / warumb man bißher zu keinem Frieden mehr gelangen können“. a. a. O.: „Es heisst: die Schweden bestünden bloss aus 5 bis 6000 zerrissenen Bettelbuben; denen sich 12 bis 15000 deutsche Rebellen beigesellt. Da sie aus Schweden selbst jährlich höchstens 2 bis 3000 Mann ‚mit Marter und Zwang’ erhalten, so gleiche diese Hilfe einem geharnischten Manne, der auf einem Krebs reitet. Im Ganzen sei es ein zusammengerafftes, loses Gesindel, ein ‚disreputirliches kahles Volk’, welches bei gutem Erfolge Gott lobe, beim schlimmen aber um sein Erbarmen flehe“. Im Mai 1645 beklagte Torstensson, dass er kaum noch 500 eigentliche Schweden bei sich habe, die er trotz Aufforderung nicht zurückschicken könne; DUDÍK, Schweden in Böhmen und Mähren, S. 160.

[3] Löwenberg [Lwówek Śląski]; HHSSchl, S. 296ff.

[4] Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt.

[5] Adam v. Pfuel [Pfull, Pfuhls, Phuell, Pfuell, Pfuhl] [1604-5.2.1659 Helfta], schwedischer Generalleutnant.

[6] Regiment: Größte Einheit im Heer: Für die Aufstellung eines Regiments waren allein für Werbegelder, Laufgelder, den ersten Sold und die Ausrüstung 1631 bereits ca. 135.000 fl. notwendig. Zum Teil wurden die Kosten dadurch aufgebracht, dass der Obrist Verträge mit Hauptleuten abschloss, die ihrerseits unter Androhung einer Geldstrafe eine bestimmte Anzahl von Söldnern aufbringen mussten. Die Hauptleute warben daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. Wegen der z. T. immensen Aufstellungskosten kam es vor, dass Obristen die Teilnahme an den Kämpfen mitten in der Schlacht verweigerten, um ihr Regiment nicht aufs Spiel zu setzen. Der jährliche Unterhalt eines Fußregiments von 3.000 Mann Soll-Stärke wurde mit 400- 450.000 fl., eines Reiterregiments von 1.200 Mann mit 260.-300.000 fl. angesetzt. Zu den Soldaufwendungen für die bayerischen Regimenter vgl. GOETZ, Kriegskosten Bayerns, S. 120ff.; KAPSER, Kriegsorganisation, S. 277ff. Ein Regiment zu Fuß umfasste de facto bei den Kaiserlichen zwischen 650 und 1.100, ein Regiment zu Pferd zwischen 320 und 440, bei den Schweden ein Regiment zu Fuß zwischen 480 und 1.000 (offiziell 1.200 Mann), zu Pferd zwischen 400 und 580 Mann, bei den Bayerischen 1 Regiment zu Fuß zwischen 1.250 und 2.350, 1 Regiment zu Roß zwischen 460 und 875 Mann. Das Regiment wurde vom Obristen aufgestellt, von dem Vorgänger übernommen und oft vom seinem Obristleutnant geführt. Über die Ist-Stärke eines Regiments lassen sich selten genaue Angaben finden. Das kurbrandenburgische Regiment Carl Joachim v. Karberg [Kerberg] sollte 1638 sollte auf 600 Mann gebracht werden, es kam aber nie auf 200. Karberg wurde der Prozess gemacht, er wurde verhaftet und kassiert; OELSNITZ, Geschichte, S. 64. Als 1644 der kaiserliche Generalwachtmeister Johann Wilhelm v. Hunolstein die Stärke der in Böhmen stehenden Regimenter feststellen sollte, zählte er 3.950 Mann, die Obristen hatten 6.685 Mann angegeben. REBITSCH, Gallas, S. 211; BOCKHORST, Westfälische Adlige.

[7] Vgl. auch SUTORIUS, Die Geschichte von Löwenberg, S. 254ff.

[8] Tafelgeld: Geld, das einem Offizier zur Bestreitung seiner Tafel und in anderer Bedeutung zur Führung seines Hofstaats angewiesen und bestimmt war, das die betreffende Stadt zusätzlich zu tragen hatte.

[9] Lehnhaus [Wleński Gródek; Kr. Löwenberg]; HHSSchl, S. 273f.

[10] Mattias de [di] Vacchi Freiherr v. Adelsvogel(-berg) [de Vaggi von Adelsberg, Davoggi, DeWagky, Dewagky, Waghi, Waggi, Dewaggi, de Wogghi, de Wagi, Awacki, Dowatzki (Donatzki, Domatzki)] [ -1655], kaiserlicher Obrist.

[11] Gesparre: Balkenwerk, Gebälk eines Hauses.

[12] Lähn [LK Lwówek Śląski].

[13] Schanze: geschlossenes, auf dem Feld angelegtes Erdwerk, zur Belagerung und zur Verteidigung. Schanzgräber waren für die Anlage von Belagerungs- und Verteidigungswerken zuständige Arbeiter (Schanzbauern), die im Tross des Heeres mitzogen und dem Schanzmeister unterstanden. Sie waren weitgehend verachtete Menschen, die in der sozialen Hierarchie der Heere nur wenig über den Prostituierten standen und schlecht bezahlt wurden. Auch verurteilte Straftäter wurden zu Schanzarbeiten herangezogen. Diese „Condemnatio ad opera publica“, die Verurteilung zu Schanzarbeiten, war als Todesstrafe in absehbarer Zeit gedacht. Bürger und Geistliche der besetzten Städte sowie Klosteruntertanen, die zu diesen Arbeiten verpflichtet bzw. dafür ausgelost wurden, empfanden diese schwere Arbeit als ehrenrührig und entzogen sich ihr durch die Flucht. Zum Teil wurden Kinder ab 12 Jahren zu dieser schweren Arbeit eingesetzt, ganze Schulklassen dazu getrieben. Vgl. auch die Beschreibung der Drangsalierung der Bürger Iglaus 1647 bei STERLY, Drangsale. Um seine eigenen Truppen zu schonen, zwang Johann von Götz bei der Belagerung der Feste Marienberg (Würzburg) eine große Anzahl von Bauern der Umgebung, Schanzarbeiten zu verrichten, ‚vnd die Stücke, die Er mit Pferden nicht dahin bringen konnte, hinauffzuziehen: Worüber dan viele todt geblieben, vnd daher die Bauren aller orten sich häuffig absentiret vnd verlauffen‘ (CHEMNITZ, Königlich Schwedichen […] II, S. 581). Auch eingeflüchtete Bauern wurden zu diesen schweren Arbeiten gezwungen. Im schwedischen Heer wurden dazu bevorzugt die ohnehin sozial deklassierten Finnen eingesetzt (vgl. auch TOEPPEN, Hoppes Chronik, S. 77). Reichskanzler Oxenstierna hatte auch den Frankfurtern die Verpflichtung der Bettler zum Festungs- bzw. Schanzenbau empfohlen. Im 17. Jahrhundert wurden zunehmend auch Soldaten durch die Aufnahme der Schanzpflicht in die Artikelbriefe für Schanzarbeiten herangezogen; ein Versuch der Fürsten, ein bisher ungenutztes Reservoir an billigen Arbeitskräften zu erschließen, eine Reaktion auf die neuen militärischen Erfordernisse (Belagerungs- und Grabenkrieg, Ausbreitung der Festungen) und Ausdruck des fürstlichen Willens, die Soldaten körperlich, geistig und sittlich zu disziplinieren (vgl. BURSCHEL, Söldner, S. 138, 255).

[14] Franz Albrecht Herzog v. Sachsen-Lauenburg [10.11.1598 Lauenburg-10.6.1642 Schweidnitz], kaiserlich-kursächsischer Feldmarschall.

[15] FISCHER; STUCKART (Hg.), Zeitgeschichte, S. 90f.

[16] Greiffenberg i. Schl. [Gryfów Śląski, Kr. Löwenberg]; HHSSchl, S. 148f.

[17] Akkord: Übergabe, Vergleich, Vertrag: Vergleichsvereinbarungen über die Übergabebedingungen bei Aufgabe einer Stadt oder Festung sowie bei Festsetzung der Kontributionen und Einquartierungen durch die Besatzungsmacht. Angesichts der Schwierigkeiten, eine Stadt oder Festung mit militärischer Gewalt einzunehmen, versuchte die militärische Führung zunächst, über die Androhung von Gewalt zum Erfolg zu gelangen. Ergab sich eine Stadt oder Festung daraufhin ‚freiwillig‘, so wurden ihr gemilderte Bedingungen (wie die Verschonung von Plünderungen) zugebilligt. Garnisonen zogen in der Regel gegen die Verpflichtung ab, die nächsten sechs Monate keine Kriegsdienste beim Gegner zu leisten. Zumeist wurden diese Akkorde vom Gegner unter den verschiedensten Vorwänden bzw. durch die Undiszipliniertheit ihrer Truppen nicht eingehalten.

[18] HERBST, Geschichte, S. 29.

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