Oldenburg [Ohlenburg], Ludwig

Oldenburg [Ohlenburg], Ludwig; Rittmeister [ – ] Oldenburg stand als Kapitänleutnant (später Rittmeister] im kaiserlichen Regiment Philipp Ludwig von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Wiesenburg [1620-1689].

„Für wie unsicher die Einwohner Holzmindens[1] ihre Lage selbst sechs Jahre nach dem ‚Goslarer Accord’[2] halten mußten, zeigt ein Vorfall aus dem letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges. Noch einmal – immerhin nun zum letzten Mal – riskieren sie, daß eine vorüberziehende Armee der Stadt brutale Gewalt antut. Ganz unversehens werden sie werden sie an eine Aktion erinnert, an der sie zwei Jahre zuvor, sogar unter Waffen, mitgewirkt hatten.

Im Juli 1646 regierte Caspar Lampe als Bürgermeister die Stadt, als ‚Zweiter’ stand Hans Helling neben ihm. Der junge Lampe war uns als Schütze aus verletzter Familienehre begegnet, später als Bauschreiber, Notar und Stadtschreiber. 1648 nennt er sich einen ‚alten, abgelebten Mann’, bleibt aber noch jahrelang, mindestens bis 1654, Bürgermeister.

Auch 1646 streiften immer noch Trupps von kaiserlichen Soldaten durch das wolfenbüttelsche Gebiet östlich der Weser. Dabei kam es im Amt Forst[3] am 8. Juli 1646 zu einer ‚rencontre’, einer kriegerischen Begegnung zwischen, zwischen Soldaten des Regiments eines Herzogs von Holstein mit schwedischen Reitern. Die Kaiserlichen kommandierte ein Kapitänleutnant (später Rittmeister) Ludwig Oldenburg (oder ‚Ohlenburg’). Die wohl kleine schwedische Truppe[4] unter dem Kommando eines Kornetts ritt durchs Land, um die ‚Schwedenkontribution’ einzusammeln. Oldenburg hatte es offenbar auf die schwedische Kasse abgesehen; vielleicht war Verrat im Spiel. Es gelang ihm auch zunächst, die Schweden zu überwältigen.

Der aktuelle Amtsverwalter zu Forst, Conrad Wettberger, sah und nutzte nun die Gelegenheit, durch Eilboten an die Nachbarn Alarm zu schlagen. Er wird Sorge getragen haben, daß die Schweden eine verlorene Kontribution von neuem einfordern könnten. Vielleicht nicht jeder der Beteiligten, doch zumindest er muß die Soldaten des Kaisers für ‚eine herrenlose streifende Parthey’, also für Räuber gehalten haben. Deren gab es zur Genüge; sie hatten sich längst zur Landplage entwickelt.

Des Amtmanns Ruf nach Hilfe hatte den ungut-guten Erfolg, daß sich bevernsche[5] Bauern bewaffneten und nach Forst eilten. In Holzminden ließ Caspar Lampe in aller Eile die Kirchenglocken läuten, und tatsächlich ergriffen eine Reihe von Holzmindenern die Waffen. Der bürgerlich-bäuerlichen Hilfstruppe muß man einigen Respekt zollen: Denn sie schaffte es zunächst, die Truppe um Oldenburg gefangen zu nehmen und nach Forst zu führen. Dabei wird diesen Soldaten auch das erbeutete Geld wieder abgenommen worden sein. Das kommt schließlich Holzminden noch teuer zu stehen.

Die Holzmindener oder ihr Oberhaupt, Caspar Lampe, unterließen es anscheinend, in Forst mitzuteilen, daß ihnen, zumindest dem Bürgermeister, der gefangene Offizier eigentlich bekannt war. So wurde nun dieser Mann als Schnapphahn behandelt, fühlte sich aber zu Recht als Soldat einer kriegführenden Armee auf zulässigem Beutezuge. Aber etwas anderes kam noch hinzu und machte die Sache viel schlimmer. Erst die Verknüpfung mit einer sehr alten geschichtlichen Nachricht im ‚Holzmindischen Wochenblatt’ von 1789 macht das deutlich. Nur dort ist überliefert, daß der Holzmindener Rat noch einen Schutzbrief (‚Salva Guardia’) vom 2. April 1646 besaß. Das Datum liegt wenige Wochen vor der ‚rencontre’ bei Forst. Und diesen Schutzbrief hatte der Herzog Philipp Ludwig in seinem Hauptquartier in Höxter[6] der Stadt Holzminden ausgestellt: der Kommandeur der Leute um Oldenburg !

Die Bewachung der Gefangenen in Forst war vermutlich unzureichend. Vielleicht auch hatten sie den Bewachern ihre Identität drohend dargelegt. Es heißt jedenfalls, daß sie ‚entrinnen’ konnten. [ – ] Es kann sein, daß Oldenburg schon bald nach diesem ‚Entrinnen’ der Stadt Holzminden mit Rache gedroht und hohe Geldforderungen gestellt hat. Auf solche Forderungen hätte die Bürgerschaft sich ‚eingelassen’, dabei zu handeln versucht (‚in etwas deliberiret’) und sich schließlich auf ein ‚Erträgliches’ geeinigt. – So sind Andeutungen in einer Klage beim Herzog zu verstehen, mit der sich im Februar 1648 Bürgermeister Lampe gegen Teile seiner Gemeinde wehrte. Unzufriedene, ‚aufsässige’ Bürger beschuldigten ihn, ‚bey der Gemeine als ein Schelm [!] gehandelt’ zu haben. Sie meinten damit den Moment, als er seine Bürger zum bewaffneten Einsatz nach Forst schickte. Die Gruppe unzufriedener Bürger hatte ihn aufgefordert, aus dem ‚Ratsstuhl’ zu weichen, was er in seiner Klage als Aufwiegelung gegen die ordnungsgemäße Autorität des Bürgermeisters bezeichnet. Ganz im Sinne zeitgemäßer Autoritätsvorstellungen hatte Herzog August den Bürgern bei Strafe verboten, sich nochmals eines solchen Angriffs zu unterstehen. Die Bürger dürften höchstens auf dem allgemeinen Klagewege – über Justizkanzlei oder Hofgericht – vorgehen. [ – ]

Die bürgerliche Unzufriedenheit wird zum aufwühlenden Schrecken, als im Herbst 1648 – zur Zeit des großen Friedensschlusses – kaiserliche Truppeneinheiten unter dem Befehl des Generalfeldmarschalls Lamboy unmittelbar Holzminden gegenüber im Dorf Stahle[7] ein Lager aufgeschlagen. Zu ihnen gehört das Regiment von Holstein. Der Herzog von Holstein war Vorgesetzter Oldenburgs. …

Nach Olxheimbs[8] Bericht lag das Regiment schon von 1643 bis Herbst 1644 und von neuem ab Januar 1645 bis 1646 in Höxter: dies wäre die Zeit des Kommandounternehmens bei Forst. Nach demselben Bericht müssen einige Reiterkompanien desselben Regiments wieder den kaiserlichen Truppen in Höxter zugeordnet worden und bis 1650 dort geblieben sein.

Bürgermeister Caspar Lampe sendet einen Boten über die Weser, um wegen einer ‚Salva Guardia’ für die Stand zu verhandeln. Gleichzeitig ermahnt er ‚die gesambte Bürger zur Standthafftigkeit und bestendig beysamen zu pleiben’ und ‚durchaus nicht zu weichen’. Beruhigend soll er seinen Bürgern erklärt haben, in diesem ‚Holsteinischen handel’ stecke keine ‚Hals-Sache’. Hinterher wird er jedoch beschuldigt, ‚mit den ersten von uns’ nach Bevern ausgewichen zu sein, als das Regiment sein Lager bezog.

Von jenseits der Weser ist zu vernehmen, der damalige Umgang mit dem jetzigen Rittmeister Oldenburg werde im kaiserlichen Lager als höchster angetaner Schimpf betrachtet. Die Einheit oder ihre Führung droht mit Ausplünderung, Raub und Brand und stellt eine unerhört hohe Geldforderung.

Eine Aussage des Holzmindener (General-)Superintendenten Christian Winichius liegt dem Aktenbündel ‚Rat und Gemeine contra C. Lampe’ bei und liefert ein genaues Datum: Am 12. Oktober 1648 wird er nämlich als Seelsorger in das katholische Lager auf der stahlischen Weserseite gerufen und nutzt das seinerseits als Bittgang für die Stadt. Vermutlich ein Kriegsgericht – oder ein einzelner Richter, ein Militärprofoß – hatte dort aus nicht bekannten Gründen einen Menschen zum Tode verurteilt. Das war Nolte Ebbecke aus dem nahegelegenen Merxhausen[9] im Solling, wahrscheinlich ein Protestant. Winichius sollte ihm auf Bitten des Verurteilten das Heilige Abendmahl reichen, was er auch tat. Die Hinrichtung war bereits auf den folgenden Tag festgesetzt.

Der Geistliche berichtet nichts weiter über das Schicksal des Delinquenten. Vielmehr läßt er erkennen, daß er nach seinem seelsorgerischen Tun mit einer Prinzessin von Holstein[10] über die Forderungen ihres Mannes verhandelte. Er vernimmt dabei, dieser sei durch die ‚losen Händel’ in 700 Taler Schaden gekommen und wolle sich partout rächen. Unüberhörbar handelt es sich für die Stadt noch einmal, zehn Tage vor den Unterschriften in Münster[11] und Osnabrück,[12] um eine ‚Brandschatzung’, die Erpressung einer hohen Summe mit dem Druckmittel der militärischen Exekution.

Winichius fleht, bittet, bettelt. Schließlich läßt der Herzog von Holstein mitteilen, man solle ihm doch erst einmal mit 400 Reichstalern ‚an die Hand’ gehen. Widrigenfalls wolle er umgehend einige seiner Soldaten abkommandieren. … ! Angesichts der eindeutigen Verteilung von Macht hat Holzminden letzten Endes gezahlt. Das Geld ist damit gewissermaßen als die letzte ‚Kriegskontribution’ der kleinen Stadt zu bezeichnen. Mit der Zahlung aus Holzminden war auch noch einmal eine ‚Salva Guardia’ verbunden – dies nun ersichtlich ebenfalls die letzte. Ihrem Datum nach schließt sie die Affäre, die sich sehr bedrohlich entwickelt hatte, mit einem ‚Papier’ ab: Feldmarschall Lamboy unterschrieb sie in seinem Hauptquartier – Albaxen[13] ! – am 22. Oktober 1648. (Auch dies wäre uns ohne die Überlieferung im ‚Holzmindischen Wochenblatt’ von 1789 nicht mehr greifbar geworden.) In einer Art Endaufrechnung wurde später die Summe von 1.086 Reichstalern genannt, die Caspar Lampes Ruf zu den Waffen die Bürger gekostet habe. In der Summe stehen 100 Taler für ein überlassenes Pferd und an Ausgaben für zahllose Botengänge – dies ein Beweis für heftiges Verhandeln. Auf juristischem Wege wurde 1651 erreicht, daß die ‚Bevernschen’ mit einem Anteil von 150 Talern den Schaden zu mindern hatten. Trotz der auffälligen Klage – ‚Rat (!) und Gemeine’ gegen den ersten Bürgermeister – verblieb Caspar Lampe, wie gesagt, noch etwa sechs Jahre in seinem Amt“.[14]

[1] Holzminden [LK Holzminden]; HHSD II, S. 240f.

[2] Vgl. dazu REIMANN, Der Goslarer Frieden.

[3] Forst, heute Ortsteil von Bevern [LK Holzminden].

[4] Sehr wahrscheinlich handelte es sich um Soldaten aus dem Korps => Königsmarck [„Miniaturen“].

[5] Bevern [Kr. Holzminden]; HHSD II, S. 46f.

[6] Höxter [LK Höxter]; HHSD III, S. 346ff.

[7] Stahle, heute Stadtteil von Höxter [LK Höxter].

[8] Olxheimb, Leiden, S. 80-95.

[9] Merxhausen, heute Ortsteil von Bad Emstal [LK Kassel].

[10] Katharina, geb. Gräfin zu Waldeck [1612-1649], verwitwete Gräfin zur Lippe.

[11] Münster; HHSD III, S. 537ff.

[12] Osnabrück; HHSD II, S. 364ff.

[13] Albaxen, heute Stadtteil von Höxter [LK Höxter].

[14] KIECKBUSCH, Von Ackerleuten, S. 309ff.

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