Moterus, Nikolaus

Moterus, Nikolaus; Pfarrer [1584 – 1622] Moterus war Pfarrer in Rossdorf[1] (Landgrafschaft Hessen-Darmstadt) und hat anschauliche Schilderungen des Einfalls Mansfeldscher Truppen in der Landgrafschaft hinterlassen, so den umfangreichen Schadensbericht über die systematische Plünderung seines Pfarrhofes vom 2./3.11.1621: „In des pfarrers eigen haus, scheuer und ställe haben sie gestellt 15 pferd. Diesen 41 pferden haben sie all haber und heu im pfarrhof geholet. Den haber haben sie ihnen nit mit simmern oder kümpfen uf diese pferd darmessen lassen, sondern sie selbsten mit ganzen säcken und manen ihnen uf dem boden zugemessen und gefasset. Da hat niemand uf die bühn oder bodem gucken dürfen. Es ist ihnen fast alles preis und gemein gewesen. Sie haben auch andern, so nit im pfarrhof gelegen, haber vons pfarrers bühn zugemessen. Und ob sie wohl haber und heu zur genüge gehabt, haben sie doch im pfarrhof, da es an streustroh gemangelt, 20 garben gersten unausgedroschen, wie denn auch 20 unausgedroschener garben wicken vorgelegt und untergestreuet. Auch haben sie mutwilliglich 4 faßbodem von 4 fünfohmigen fässern [ca. 780 Liter; BW] samt einem neuen pflug und etlichen fensterladen verbrannt. Diese reuter alle samt ihnen zugehörigen jungen und bärnhäutern, so zu obgesetzten 41 pferden gehört, haben alle aus dem pfarrhof speis und trank gefordert und bekommen, und wenn man denen, so drunten im gaden gelegen, nit bald ufgetischet, wann sie etwas gefordert, haben sie grimmiglich gedrohet, sie wollten dem pfaffen das gaden anzünden und wegbrennen. 2 ohm weniger [ca. 312 Liter; BW] weniger 5 viertel [ca. 40 Liter; BW] köstlichen überrheinischen wein haben sie ausgesoffen, ehe dann der commißwein und bier ist kommen. Vom commißwein ist in pfarrhof nit mehr kommen als zwei maß [ca. 4 Liter; BW], 8 maß bier [ca. 16 Liter; BW], 14 brot. – Diesen wein hatte ich mir zum labtrunk zu Darmstadt[2] beim kupferschmied, 14 tag ehe das kriegsvolk kam, abholen lassen, das fuder vor 130 gld., daran wollte ich mich diesen winter über in meinem alter erqicken. Die weil ich aber sonst keinen firnen wein mehr hatte und dies ein edeler lieblicher trunk war, haben sie hievon nit wöllen weichen, bis das faß ufm bodem stunde. Die zween oberste, so im pfarrhof lagen – ein jeder, wie sie sagten, war ein oberster über 500 – , verehrten von diesem wein den andern obersten, so nit im pfarrhof lagen; dann sie trugen den wein aus dem keller einander zu mit kannen, flaschen und zweimäßigen häfen. Sie haben über 8 maß neuen nit getrunken, dann der war ihnen zu sauer. Im keller haben sie funden 21 alter, wohl ausgezeitigter käs, ein jeder uf 3 pfund wiegend; diese haben sie zum teil verzehrt, die andern mitgenommen. Einen käs von 11 pfund, so von lauter ungerahmter milch war gemacht, hat ihm der ein oberste vor sich inpacken lassen und mitgenommen. 4 maß ungeschmelzte und geschmelzte butter vertan. 2 pfund licht, 50 eier, 6 pfund insleth [Unschlitt für gezogene Lichter] haben sie im keller funden und mitgenommen. Ein schönes feistes saugkalb, das allzeit hätt 5 gld. golten, haben sie geschlacht und mitgenommen. Allen firne dörrfleisch von 4 seiten der besten dicksten specke samt 28 der besten herzriemen von dörrem rindfleisch haben sie teils verkocht, andernteils mitgenommen. Ein zentner der schönsten quetschen haben sie gessen, das mehrerteil mitgenommen. 3 malter [480 Liter] nüsse mit weggeführt. 1 malter gebacken und große ochsenbirn, da ein kumpf voll 18 albus gegolten; 1 malter gebacken klein birn, da der kumpf 13 albus gilt; 1/2 malter birn- und apfelschnitz verwüst und mitgeführt. Hierzu haben sie genommen 6 mehlsäck, darein sie das gestohlen gut gefaßt. Man hat ihnen müssen das mehl aus den säcken leeren, wo nit so haben sie die federn aus den betten geschütt und das geraubt gut drein getan. Im pfarrhof haben sie in der küchen 3 glasfenster und in der badstuben 2 glasfenster ausgeschlagen und verderbt. Ach gott, was soll ich klagen und sagen, das beißet und guälet mich sehr übel: in meinem mauer- oder biengarten unten im dorf haben sie 9 bienstöck voller wachs und honigs jämmerlich verderbt. Löcher haben sie in die erd gegraben, die bienfaß drüber gelegt, die bienen mit feuer erstickt und erstrembt [betäubt], den honig im dorf rumher getragen und einer dem andern vons pfaffen honig, wie sie sagten, mitgeteilt. Die kirch und sacristeikammer haben sie wie Türken ufgebrochen und alles, was sie unten und oben darin bekommen, weggeraubet. Sonderlich haben sie in der kirchen geraubet an töpfen, tuchwerk, an kram und leintüchern, an mäntel, weiberröcken und anderm geschmeid uf die 1 1/2 hundert gld. wert, meinen beeden söhnen Johanni und Tobiae. Meim einen sohn 2 schöne junge pferd weggeritten: summarum, im ganzen dorf haben sie niemand größeren schaden zugefügt, als eben dem pfarrer und seinen kindern, und wenn ihnen im pfarrhof nit alles, was sie begehrten, wäre bald und willig gegeben worden, o wie schrecklich hätten sie drinnen gehauset ! Wie sich die bösen buben mit drohworten haben verlauten lassen, nämlich wenn sie den sacramentischen lutherischen pfaffen nur hätten, so wollten sie ihn in tausend stück zerhauen und ufhängen; das werden die zeugen, die es von ihnen gehört haben, sonderlich eine witwe, unsere hebamme. Die tücher, darin der oberst im pfarrhof gelegen, hat er mit sich genommen samt einem brottuch, daroben gessen, auch etlichn zinnene schüssel und blechen flaschen, bettziegen, schleier, handtücher, der kinder kleiderlein alle mit sich genommen aus der pfarrstuben. Sie haben im keller alles durchwühlet und durchgraben und geld gesucht, so genau, daß sie auch in der kirchen in allen ecken und winkeln gesucht, auch den taufstein eröffnet, tücher davon genommen und im taufwasser geld gesucht. Belangend mich: als ich vernommen, daß sie den anschlag gemacht, sie wolten mich gelds halber peinigen, habe ich mich den morgen hora I. [um ein Uhr] im verborgenen gehalten, und ob sie wohl fleißig nach mir gefragt, auch mich gesucht, hat mich der getreue gott wunderbarlich von ihrem wüten durch sein engel errettet. Dann ich bin unter ihnen gewesen so nahe, daß ich sie, so bei mir vorüber gingen, wenn ich gewollt, hätte greifen können; noch hat mich gott beschützt und ohne zweifel sie verblendet, daß sie mich nit haben sehen können, wiewohl ich sie gesehen. Einer aus diesen grimmigen leuten hat mich den morgen hora II. [um zwei Uhr] im garten am pfarrhaus bekommen in sein hand und mir zween pitschierring [Siegelringe] samt einem wenigen geld aus den hosensäckeln geraubt. Aber wie wunderlich mich gott der herr von diesem grimmigen buben, da er mich wollte dringen, ich sollte ihm noch etliche reichsthaler holen und an den ort bringen und liefern, erlöset und aus seiner hand errett hat, dasselbig umverständlich zu melden und zu schreiben nähme zu viel zeit. Gott sei in ewigkeit gelobt, ich bin ihnen diesmal entronnen. Nota: am vergangnen samstag den 17. Novembris sollen 7 Spinolische reiter den frommen alten pfarrer zu Spitzen-Altheim[3] gefangen, uf sein eigen pferd gesetzt, ihm die füß unter des pferds bauch zusammen gezogen, die händ uf den rücken gebunden, ihm einen langen spitzen hut mit einem dicken busch federn ufgesetzt und weggeführt haben. Und als sie gegen Bovenhausen [Babenhausen[4]] uf die heid kommen, ihn vom pferd rabgeworfen, die hüft eingeschlagen und beinah zum tod bereit, daß man ihn halb tot uf Bovenhausen geführt. Item sie sollen ihn uf 50 Reichsthaler ranzioniert und zum eid, daß er das geld entweder gegen Ostheim[5] oder Stockstad[6] inwendig 3 tagen liefern sollte, gedrungen haben; wo nit, sie wollten sie wiederkommen, ihn mit seinem weib holen, den pfarrhof samt mehr häusern anstecken etc. Das ist ein gemein rede; obs also sei, wird die zeit geben. Nun geht das gemein geschrei, diese haben sich hören lassen, sie wollten des nächsten den lutherischen alten pfaffen zu Rosdorf auch ausheben. Was soll ich nun tun ? wo soll ich gedenken ? wo soll ich hinfliehen ? ich kann großen schreckens halber nicht mehr fortkommen. Ich will mich in des allmächtigen gottes und seiner heiligen engel protektion, tutel [Hut], schutz und schirm begeben, der machs mit mir, wie er will, hie bin ich in meinem beruf“.[7]

Auch Offiziere waren an diesen Verbrechen beteiligt,[8] ungeachtet der Tatsache, dass sich die Grafschaft Erbach[9] trotz ihrer pfälzischen Vasallität neutral verhalten hatte und daher die Anwendung des „jus belli“ nicht einmal vorgegeben werden konnte, wie Moterus berichtet: „Nota: es ist heut das geschrei von Reinheim[10] hierhero kommen, es sollten die Bayerischen dem grafen von Erbach zu zweien unterschiedlichen malen in ein dorf, Beyerfelden [Beerfelden[11]] genannt, gefallen sein und übel drin gehauset, sonderlich den pfarrer des orts übel gemartert, ihm die hüft eingeschlagen und seines männlichen glieds beraubt und mit spott gesagt haben, er sollte hinfurt nit mehr singen: ‚Erhalt uns, herr, bei deinem wort‘ usw., welcher auch in solcher großen marter sein geist geduldig ufgeben und Christum bis in sein tod gepreiset. Den caplan des orts sollen sie mit seim weib nackt ausgezogen haben und die beide gezwungen, also nackend miteinander zu tanzen etc“.[12]

[1] Roßdorf [Kr. Hanau]; HHSD IV, S. 387.

[2] Darmstadt; HHSD IV, S. 79ff.

[3] Altheim, heute Ortsteil von Münster [LK Darmstadt-Dieburg].

[4] Babenhausen [Kr. Dieburg]; HHSD VII, S. 55f.

[5] Ostheim, heute Ortsteil von Butzbach [Wetteraukreis].

[6] Stockstadt a. Rhein [LK Groß-Gerau].

[7] HERRMANN, Aus tiefster Not, S. 32ff.

[8] KUNZ; LIZALEK, Südhessische Chroniken, S. 170ff.

[9] Erbach [Rheingaukr.]; HHSD IV, S. 111f.

[10] Reinheim [Kr. Dieburg]; HHSD IV, S. 372.

[11] Beerfelden [Kr. Erbach]; HHSD IV, S. 40.

[12] Bericht des Roßdorfer Pfarrers Nikolaus Moterus, 1621 XI 21, an Ludwig v. Hessen-Darmstadt: HERRMANN, Aus tiefster Not, S. 30f.

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