Hochtritt, N; Obristwachtmeister [ – ] Hochtritt stand 1636/1637 als Obristwachtmeister in kursächsischen Diensten.
„Banér war vom Wittstocker[1] Siegesfeld nach Hessen gezogen und hatte sich dann in dem starken Erfurt[2] seinen Hochsitz gebaut, um von dort aus Thüringen und weiterhin Kursachsen als schwedische Domäne zu regieren. Es schwebte ihm wohl der Gedanke eines Sonderfürstentums vor, wie es die Idee Bernhards von Weimar am Oberrhein schuf.
Die sächsische Heeresleitung bereitete sich auf das Anrücken der Schweden von Erfurt her vor. Am 5. November [1636; BW] erhielt der Rat die Botschaft, daß der Oberst Joachim von Schleinitz Befehl erhalten habe, mit hundert Klitzingschen Dragonern, hundert Reitern vom Regiment des Herzogs Franz Karl [v. Sachsen-Lauenburg; BW] und mit den bürgerlichen Wachen ‚Stadt und Paß eventuell zu manutenieren“. Als Antwort setzte der Rat die üblichen Jeremiaden auf und bezeugte die Unmöglichkeit, sovielen Soldaten in einer Stadt Quartier zu machen, in der 213 Häuser infizieret, ausgestorben, wüst und leer stünden. Der Kurfürst ließ das unbeachtet und verfügte am 18. Dezember: ‚Weil den einkommenden Zeitungen nach der Feind wieder zurückgehen und allbereits zu Erfurt sein soll, so haben wir euch hiermit ermahnen und befehligen wollen, dass ihr euer Gewehr fertig haltet, uffn Notfall mit dem Kommandanten umbtretet und euch nicht eben von einer bloßen Partie schrecken lasset, denn, so wir vernehmen werden, dass der ganze Schwall gegen euch andringet, wollen wir euch weiter bescheiden“. Es findet sich in der Tat die Abschrift einer genauen Naumburger[3] Wachtordnung vom 19. Dezember. Darin ist die Ringmauer in fünf Abschnitte geteilt, die vom Herrentore bis zum Salztore, vom Salztore bis zum Viehtore, von da bis zum Jakobstore, dann bis zum Marientore und endlich wieder bis zum Herrentore reichen. Jedes Revier ist einem Hauptmann und einem Leutnant oder Fähndrich zugewiesen, die mit ihren Kompagnien die Posten zu stellen haben; und unter ihr Kommando treten auch die Bürgerwachen – 42 Mann aus dem Herrenviertel, 31 aus dem Salzviertel, 38 aus dem Neuviertel, 66 aus dem Viehviertel, 49 aus dem Jakobsviertel, 85 aus dem Marienviertel. Der Rat hatte auch drei Stück Geschütze im Zwinger aufstellen lassen. Und so schien denn die Stadt diesmal gegen die Schwedengefahr gerüstet zu sein.
Das Weihnachtsfest kam. Meister Simon, der Stadtpfeifer, fragte an, wie es diesmal mit dem Trompetenblasen in der heiligen Nacht nach der Christmette gehalten werden sollte. Der Rat entschied: ‚Er soll mit Zinken[4] und Posaunen, wie es sonst geschehen, uffm Turm die Weihnachtslieder ‚Vom Himmel hoch da komm’ ich her’, ‚Gelobet seistu, Jesus Christi’ abblasen, weil es Gott zu Ehren geschieht, aber die Drompeten einstellen’. Zur unangenehmen Weihnachtsüberraschung fand ein sonderbares Papier Einlaß, dass am 25. Dezember datiert war. Es war ein Patent Banérs aus Mühlhausen[5] an die Räte und alle Behörden und die Ritterschaft des Kurfürstentums: ‚Demnach Gott, der allmächtige Herr und Herrscher, als ein gerechter Richter und Vergelter aller redlichen Dienste nach seiner unerforschlichen Weisheit und wunderbaren Güte die wohlbegründete Sache und die gerechten Waffen der Königlichen Majestät und Krone Schweden nun eine geraume Zeit hero sichtbarlich gesegnet und gebenedeit, indem er derselben nicht einen Partikular-Sieg nach dem andern, sondern auch eine Haupt-Victoria in der General-Feldschlacht bei Wittstock unlängst verliehen und geschenkt und die Lande ringsum unterwürfig gemacht hat, also ist es sonnenklar zu sehen, welchergestalt der Herr mit uns gewesen. …Unsere gerechte Sache und die Konservation aller Evangelischen und die Wiederbringung eines allgemeinen christlichen Friedens ist der alleinige Zweck unseres Krieges. … Und dazu ist die Besetzung des Kurfürstentums unumgänglich. … Ich tue zu wissen, daß ich wohl entschlossen bin, obgleich ich nach Kriegsbrauch euch als Feinde zu überziehen und zu traktieren Recht und Macht habe, doch euch an Ehre, Hab und Gut ruhiglich zu schützen. … Ihr sollt eure Kommissare, die Land und Leute kennen, zu mir schicken, auf deren Rat meinen Regimentern die Quartiere assigniert und die Verpflegungen richtig angesetzt werden sollen. So wird auch der Plünderung vorgebaut. … Ihr werdet meine Bescheidenheit und gute intention loben und gutheißen, und so will ich vor all dem Unheil und unnützer Prozedur entschuldigt sein’. Aus Banérs Worten klang der fürsorgliche Ton eines klugen Administrators. Es mochte auch sein, dass er mit seinem verbindlichen Auftreten den Kurfürsten wieder auf die Seite der Schweden zu ziehen gedachte, um mit dessen Gefügigkeit den Endkrieg von Sachsen ins kaiserliche Böhmen zu tra-gen. Aber Johann Georg blieb auch jetzt noch habsburgisch befangen. Und man merkte ihm seinen Ärger an, wenn er am 27. Dezember aus Torgau[6] an den Rat schrieb: ‚Absonderlich begehren wir zu wissen und befehlen ernstlich, ihr wollet nach bester Möglichkeit inquirieren und uns berichten, wer des Banérs Patent in des Bürgers Haus gebracht hat, wer es am ersten inne worden und wo derjenige hinkommen, so es also von sich aus oder ins Haus geworfen’. Ein Protokoll gab sofort Aufschluß. Ein Bote, Hans Krause, hatte es an Herrn Johann Hambrock gebracht und hatte begeh-ret, solches beileibe nicht der Wache, sondern dem Rate zu übergeben. Der Ratsherr Haubold Römer aber hatte es in der Ratsstube vorgelegt, und dann war es doch dem Kommandanten zugestellt.
Zur selben Zeit war ein anderes Schreiben Banérs eingelaufen. Der General forderte 100 Eimer Bier, 24 000 Pfund Brot und die dazu gehörigen Victualien. Die Ratsherren antworteten nicht, aber sie ließen den Kopf tief sinken. Die militärische Streitkraft des sächsischen Kommandanten war auf die Hülfe einer wenig kriegsentschlossenen Bürger-schaft angewiesen. Und der Landesherr versäumte es nicht, immer und immer wieder den Rat ausdrücklich an seine mannhafte chursächsische Ehre zu ermahnen. ‚Wir wissen zwar, daß Naumburg für keine Festung zu halten’, schrieb er am 27. Dezember, ‚aber es ist unser expresser Wille, daß ihr euch keiner Feindespartei devovieren,[7] derselben die Stadt öffnen und mit Geld und Proviant an die Hand geben sollt. Ich hoffe, daß euch der Feind nicht mit der ganzen force beziehen wird. Aber auch dann sollt ihr eure Pflicht und Treue in acht nehmen, sonsten es nicht unrevanchiert bleiben soll !’ Der Oberstleutnant ließ die Mauern und Türme flicken, so gut es ging, und die Ratszimmerleute mußten spanische Reiter bauen und in den Zwinger legen. Die Bürger sahen, es wurde ernst, und manch einer suchte die Sicherheit einer anderen Stadt. Am 28. Dezember erfuhr der Rat, daß der Stadtrichter sich wegen der Schweden von dannen gemacht hatte; es mußte ein Vicerichter ernannt werden.
Am 29. Dezember ward es zur Gewißheit: Hannibal ante portas ! Banér mit 5000 Reitern und 2 Regimentern Infanterie ! Er setzte die leichten Vortruppen gegen den Galgenberg an. Zugleich – die Schweden konnten den Weg jetzt schon zur Genüge – führte er sein Korps durchs Spitaltor in die Domstadt und weiter bis vors Herrentor. Indes er sein Logia-ment in der Dompropstei nahm und seine Offiziere es sich in den Kurien bequem machten und die Soldaten sich über die Freiheit, die Vorstadt, das Georgenamt und die nächsten Dörfer verteilten, ihre Beute sicher, die drüben im Schutze ihrer Ringmauern geduckt lag, wiederholte es sich nun zum dritten Male, daß die arme Stadt Naumburg sich zwischen zwei Fronten eingeklemmt sah. Der Rat versammelte sich und harrte in Bangen. Der Kommandant hatte ihn zuerst eingeschüchtert, wie er da ritterlich vor den Herren gestanden und gerufen hatte, daß es heiligste Pflicht der Bürger sei, in Not und Tod für ihre Stadt sich zur Wehr zu setzen. Dann aber vernahmen die Zitternden, daß der entschlossene Offizier einen schwedischen Parlamentär höhnend heimgeschickt habe. Und schließlich sandten sie aus eigenem Ermessen eine Deputation hinüber zum schwedischen Feldobersten und kapitulierten und verhießen, die sächsische Garnison zu entwaffnen und die Schlüssel auszuliefern. … So meldet das Protokoll in kurzen Sätzen den Vorgang, und am Schlusse fügt es hinzu: ‚Der Oberstleutnant hat sich dazu verstanden und es schriftlich von sich gegeben’. Der Rat zog es vor, Schweigen über ein paar peinliche Stunden zu legen, in denen draußen sich das Schauspiel des 29. Dezember mit leidenschaftlichem Dialog vollzog und Spieler und Gegenspieler auf stürmischem Prospekt lebendige Form gewannen. Wir wissen aber davon, weil uns der Zufall ein Schriftstück in die Hand gibt, das über die Lücke der Naumburger Akten glücklich hinweghilft. Im Archiv der Stadt Laucha[8] a. d. Unstrut liegt die Abschrift einer Rechtfertigung, die der kurfürstliche Kommandant nach der Übergabe der Stadt Naumburg aufgesetzt hat, um seine soldatische Ehre vor dem Landesherrn rein zu halten. Die Schrift ist im Lauchaer Gasthofe protokollartig in siebenunddreißig Artikeln abgefaßt und zwar mit der Zeugenschaft des Oberstwachtmeisters Hochtritt, des Hauptmanns Christoph Rudolph, des Leutnants Georg Bennewitz, des Bürgermeisters Lorenz Vogel und des Ratsherren Christoph Koppe. Der Kommandant nennt hier seinen Namen nicht selbst, aber wir wissen aus einer Naumburger Notiz, daß er Lorenz Ambrosius hieß. Aus seinen militärisch-sachlichen Aussagen entwickelt sich die Gestalt eines kouragischen Offiziers mit soldatischem Ehrgefühl. Und so sind die Dinge gelaufen: Es kommt die Meldung, dass schwedische Truppen sich am Galgenberge zeigen. Der Kommandant ermahnt die Bürger ernstlich, mit Fleiß in die Zwinger zum Gewehr zu gehen. Ein schwedischer Trompeter verlangt vom Kommandanten die Übergabe der Stadt, sonsten die Schweden das Kind im Mutterleibe nicht verschonen wollen. Der Bescheid des Kommandanten lautet, Ihro Kurfürstliche Durchlaucht hätten für ihn keine Null dahin gesetzt. … Der Kommandant eilt jetzt aufs Rathaus, ermahnt den Rat, er möchte den Bürgern mit gutem Exempel vorangehen; die jungen Bürger sollten antreten, sich wie redliche Leute halten, ihren Eid und ihre Pflicht gegen den Landesherrn in acht nehmen. Wäre keine Möglichkeit, sich zu halten, so wolle er, der Kommandant, einen Akkord treffen, daß die Stadt keine Plünderung zu besorgen brauche. … Der Kommandant weist seine kurfürstliche Order vor, die ihm befiehlt, die Bürger mit Gewalt zum Fechten zu treiben. … Er lässt sich mit Drohworten gegen den Rat vernehmen und ruft: ‚Ehe ich Schimpf einlegen soll, will ich lieber eine Tonne Pulver unter das Rathaus setzen und mich nebenst dem Rat sprengen !’ … Einige Bürger lassen sich gutwillig auf Posten schicken. … Unterdessen ist der Feind drüben in die Freiheit einmarschiert. …. Der Kommandant inspiziert die Wachen im Zwinger. Da kommen zwei Bürger vom Dom her ans Herrentor gelaufen und rufen herüber, Banér habe sie geschickt, und er wolle die Stadt in Brand stecken, wenn sie nicht kapituliere. … Jetzt revoltieren die Bürgerwachen im Zwinger und werfen die Gewehre weg. … Der Kommandant wird zu den Ratspersonen beschieden, die unter der Führung des Bürgermeisters Dr. Bernhard Behr und eines Priesters am Herrentore versammelt sind. Sie muten ihm zu, die Stadt aufzugeben, und wollen ihm durch einen Revers bezeugen, daß er sich mit seinen Offizieren und Soldaten redlich gehalten habe. Der Kom-mandant erwidert, noch hätte der Feind gar nicht attackiert, noch wäre kein Schuß in die Stadt gefallen. … Er will seine Ehre nicht verscherzen; er ermahnt die Bürger noch einmal zum pflichtgemäßen Widerstande, erinnert sie an die Befehle des Kurfürsten und verheißt abermals, daß er im äußersten Falle durch einen Akkord mit Banér die Plünderung von der Stadt abwenden werde. … Aus der Bürgerschaft wird ihm entgegengerufen, man werde ihm und seinen Offizieren und Soldaten die Hälse brechen und die Fahne zerreißen, wenn er länger widerstehen wolle. Der Rat mutet ihm zu, an Banér wegen eines ehrenhaften Akkords einen Unterhändler zu schicken. Er weigert sich wiederum. Einer seiner Offiziere sieht, daß drüben von der Freiheit her etzliche Schweden sich dem Tore nähern; er will Feuer auf sie geben, aber der Priester springt auf ihn zu und faßt ihm in das Gewehr. …Der Kommandant erkennt, daß bei dieser aufrührerischen Haltung der Bürgerschaft der Feind drinnen größer als draußen ist, und daß an eine ernstliche Verteidigung Naumburgs jetzt nicht mehr gedacht werden kann. Er willigt ein, daß eine städtische Deputation zu Banér geht. … Sie kehrt zurück, und der Rat bescheidet nun den Kommandanten aufs Rathaus. Es wird ihm eröffnet, der General begehre von ihm, daß er die Schlüssel den Bürgern überantworte, die Posten quittiere und mit seinen Soldaten auf gute Diskretion abziehe. … Er traut diesen Versicherungen des Rates nicht und will nun allein mit Banér verhandeln. Da stürzen die Bürger in die Ratsstube mit Gewehr und brennenden Lunten und rufen: ‚Schlüssel her ! Schlüssel her ! oder wir brechen euch den Hals !’ Dessen ungeachtet verharrt der Kommandant bei seiner Weigerung. … Da rennt eine Schar von dreißig oder vierzig Bürgern draußen über die Straße in das Losament des Kommandanten. Sie schlagen die Schildwache weg, stoßen den Regimentsschulzen mit ihren Musketen zur Seite und nehmen die Schlüssel mit Gewalt. … Nun muß sich der Kommandant gegenüber dem Dr. Behr bereit erklären, den Akkord einzugehen. Die Bürger besetzen die Posten, öffnen die Tore, präsentieren dem Feinde die Schlüssel. Der Kommandant wird mit seinen Offizieren auf dem Rathause in Arrest gesetzt. … Das war der Schluß des 29. Dezembers. Die Ratsherren haben die pflichttreuen Männer nicht in den Vertrag mit den Schweden aufgenommen. Man internierte sie in den Bürgerhäusern, und sie haben sich da über die karge Kost beklagen müssen. Erst später durften sie ihren alten Fahnen zu ziehen. Das kriegerische Bürgeraufgebot hatte also nach dem Berichte des Kommandanten seine chursächsische Pflicht und Treue leichthin beiseite geworfen“.[9]
[1] Wittstock [Kr. Ostprignitz/Wittstock]; HHSD X, S. 394ff.
[2] Erfurt; HHSD IX, S. 100ff.
[3] Naumburg [Kr. Naumburg]; HHSD XI, S. 341ff.
[4] Zink: vom Mittelalter her bis ins 18. Jh. gebräuchliche Blasinstrumente aus Horn oder aus mit Leder überzogenem Horn GRIMM; GRIMM, DWB Bd. 31, Sp. 1409, 37: „zink, älter zinke, m., f., zinke, f., ein blasinstrument aus holz mit tonlöchern, aber mit kesselmundstück, in der [31,1413] instrumentalmusik des 17. jhs. beliebtes instrument für hochliegende melodiestimmen, auch für tiefere tonlagen gebaut; nach dem ital. cornetto auch kornett genannt“.
[5] Mühlhausen [Unstrut-Hainich-Kreis]; HHSD IX, S. 286ff.
[6] Torgau [Kr. Torgau]; HHSD XI, S. 467ff.
[7] devovieren: preisgeben, sich ergeben.
[8] Laucha [Kr. Querfurt/Nebra]; HHSD XI, S. 269.
[9] BORKOWSKY, Schweden, S. 76ff.