„Lumpus“, N

„Lumpus“, N; Soldat [ – ] „Obrist Lumpus“ wird in Grimmelshausens „Der seltsame Springinsfeld“ erwähnt. Möglicherweise handelt es um eine reale Figur, zumal Grimmelshausen als Regimentsschreiber auch Holtz und sein Regiment persönlich kannte.

„Wer bei der kurbayerischen Armada unter dem Holtzischen Regiment zu Fuß bekannt gewesen ist, der wird ohn Zweifel den sogenannten Obristen Lumpus entweder gesehen, oder doch wenigst viel von ihm gehöret haben; er war bei besagtem Regiment ein Musketierer, und kurz vorm Friedensschluß trug er eine Pike, wie ich ihn denn in solchem Stand und zwar sehr übel bekleidet, also daß ihm das Hemd hinten und vorne zu den Hosen heraushing, unter währendem Stillstand der Waffen bei selbigem Regiment selbst gesehen; diesem geriet in dem Treffen vor Herbsthausen[1] [5.5.1645; BW] in einem Fäßlein voller französischer Dublonen eine solche Beut in die Hände, daß er selbige schwerlich ertragen, weniger zählen, und noch weniger aus ihrer Zahl die Substanz seines damaligen Reichtums wissen und rechnen konnte !

Was tat dieser liederliche Lumpus aber, da er den übermäßigen Anfall seines großen Glücks nicht erkannte ? Er verfügte sich in eine Stadt und Festung [Ingolstadt;[2] BW] der Bayern, über welche ehemals der große Gustavus Adolphus die Zähne zusammengebissen, daß er sie nach so viel erhaltenen herrlichen Siegen ungewonnen mußte liegen lassen; daselbst staffierte er sich heraus wie ein Freiherr und lebte täglich wie ein Prinz, der jährlich etliche Millionen zu verzehren hat; er hielt zween Kutscher, zween Lakaien, zween Pagen, ein Kammerdiener in schöner Liberei, und nachdem er sich auch mit einer Kutschen und sechs schönen Pferden versehen, reiste er auch in die Hauptstadt desselbigen Landes über die Donau hinüber, allwo er in der besten Herberge einkehrte, die Zeit mit Essen, Trinken und täglichem Spazierenfahren zubrachte, und sich selbst mit einem neuen Namen, nämlich den Obristen Lumpus nannte; solches herrliche Leben währete ungefähr sechs Wochen, in welcher Zeit sein eigner und rechter Obrister, der General von Holtz, auch dorthin kam und eben in derselben Herberg einkehrte, weil er ein sonderbares lustigs Zimmer darin hatte, in welchem er bei seiner Hinkunft zu logieren pflegte; der Wirt sagte ihm gleich, daß ein fremder Kavalier sein gewöhnlich Logement einhätte, welchem er zu weichen nicht zumuten dürfte, weil er ein ansehnlich Stück Geld bei ihm verzehrte; dieser tapfere General war auch viel zu diskret solches zu gestatten; demnach ihm aber besser als dem großen Atlante sowohl alle Weg und Steg, Wälder und Felder, Berge und Täler, Päß und Wasserflüsse, als auch alle adeligen Familien des Römischen Reiches bekannt waren, also fragte er nur nach dieses Kavaliers Namen; als er aber verstand, daß er sich den Obristen Lumpus nannte, und sich weder eines alten adeligen Geschlechts noch eines Soldaten von Fortun von solchem Namen zu erinnern wußte, bekam er ein Begierde, mit diesem Herrn zu konversiern und sich mit ihm bekannt zu machen; er fragte den Wirt um seine Qualitäten, und da er verstand, daß er zwar sehr gesellig, eines lustigen Humeurs, gleichsam die Freigebigkeit selber, doch aber von wenig Worten wäre, wurde seine Begierde desto größer; derowegen verfügte er mit dem Wirt, des Lumpi Konsens zu erhalten, daß er denselben Abend mit ihm über einer Tafel speisen möchte.

Der Herr Obriste Lumpus ließ sich solches wohl gefallen, und bei dem Konfekt in einer Schüssel 500 neue französische Pistolen und eine goldene Kette von 100 Dukaten auftragen. ‚Mit diesem Traktament‘, sagte er zu seinem Obristen, ‚wollen Euer Excellenz vorliebnehmen und meiner dabei im besten gedenken‘. Der von Holtz verwundert‘ sich über dies Anerbieten und antwortet‘, daß er nicht wisse, womit er ein solch Präsent um den Herrn Obristen verdienet oder inskünftig würde verdienen können, derowegen wollte ihm nicht gebühren, solches anzunehmen, aber Lumpus bat hingegen, er wollte ihn nicht verschmähen; er hoffte, würde sich die Zeit bald ereignen, in der Ihr Excellenz selbst erkennen würden, daß er diese Verehrung zu tun obligiert sei, und alsdann verhoffe er hinwiederum von seiner Excellenz eine Gnad zu erhalten, die zwar keinen Pfennig kosten würde, daraus er aber erkennen könnte, daß er diese Schenkung nit übel angelegt. Gleichwie nun dergleichen goldene Streich viel seltener ausschlagen, als jemanden versetzt werden, also wehrete sich auch der von Holtz nicht länger, sondern akzeptierte beides Ketten und Gold (weil es Lumpus überein so haben wollte) mit courtoisen Promessen, solches auf begebende Fäll zu remeritiern.

Nach seiner Abreis verschwendete Lumpus immerfort, er passierte nie bei einer Wacht vorüber, da er nicht der Soldateska, die ihm zu Ehrn im Gewehr stand, ein Dutzend oder wenigst ein halb Dutzend Taler zuwarf, und also machte ers überall wo er Gelegenheit hatte, sich als ein reicher Herr zu erzeigen; alle Tag hatte er Gäst und zahlte auch alle Tag den Wirt aus, ohne daß er ihm jemals den geringsten Heller abgebrochen oder über eine allzu teure Rechnung sich beschwert hätte; gleichwie aber ein Brunnen bald zu erschöpfen, also wurde er auch mit seiner Barschaft bald fertig, und zwar, wie ich schon erwähnet, in sechs Wochen; drauf versilbert er Kutschen und Pferd; das ging auch bald hindurch; endlich mußten seine stattlichen Kleider samt dem weißen Zeug daran, das jagte er alles durch die Gurgel; und da seine Diener sahen, daß es auf der Neige war, nahmen sie nacheinander ihren Abschied, welchen er auch gern passiern ließ; zuletzt, da er nichts mehr hatte, als wie er ging und stand, nämlich in einem schlechten Kleid, ohne einigen Heller oder Pfennig, schenkte ihm der Wirt fünfzig Reichstaler (weil er soviel Geld bei ihm verzehret hatte) auf den Weg; er aber wich nicht, bis solche auch allerdings wiederum verzehret waren. Der Wirt, entweder daß er sich vei ihm wohl begraset, oder ihn übernommen und sich deswegen ein Gewissen macht‘, oder anderer Unsachen halber, gab ihm wieder 25 Reichstaler, mit Bitt, sich damit seines Wegs zu machen; aber er ging nicht, bis er selbe auch verzehret hatte; und als er nun fertig war, schenkte ihm der Wirt wiederum zahn Reichstaler zum Zehrpfennig auf den Weg; er aber antwortet‘, weil es Zehrgeld sein sollte, so wollte ers lieber bei ihm als bei einem andern verzehrn, hörete auch nit auf, bis solche wuiederum bis auf den letzten Heller hindurch waren, worüber sich der Wirt mit wunderlichen Gedanken ängstigte und ihm gleichwohl noch fünf Reichstaler gab, sich damit fortzumachen; und den er zuvor ‚Ihr Gnaden‘ genannt und anfänglich untertänlich willkommen geheißen, den mußte er damals duzen, wollte er anders seiner los werden; denn als er sah, daß er auch diese letzteren fünf Reichstaler verzehren wollte, verbot er seinem Gesinde, daß sie ihm weder eins noch ander dafür geben sollten; da er nun solchergestalt gezwungen, dasselbe Wirtshaus zu quittiern, siehe, da ging er in ein anders, und verlöschte in demselbigen das noch übrige kleine Fünklein seines großen Schatzes vollends mit Bier.

Folgends kam er wiederum bei Heilbronn[3] zu seinem Regiment, allwo er alsobald in die Eisen geschlossen und ihm vom Hängen gesagt worden, weil er bei acht Wochen lang ohne Erlaubnis vom Regiment verblieben war; wollte nun der gute Obriste Lumpus seiner Band und Eisen wie auch der Gefahr des Stricks entübrigt sein, so mußte er sich wohl seinem Obristen, den er deswegen stattlich verehret, offenbaren, welcher ihn auch alsobald von beiden befreien ließ, doch mit einem großen Verweis, daß er so viel Gelds so unnützlich verschwendet, worauf er anders nicht antwortet‘, als daß er zu seiner Entschuldigung sagte, er hätt alle sein Tag nicht mehrers gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zumut wäre, der alles genug hätte, und solches hätte er auf solche Weis durch seine Beut erfahren müssen‘ „.[4]

[1] Herbsthausen [Bad Mergentheim, Main-Tauber-Kreis]; HHSD VI, S. 330.

[2] Ingolstadt; HHSD VII, S. 326ff.

[3] Heilbronn [Stadtkr.]; HHSD VI, S. 315ff.

[4] KELLETAT, Simplicianische Schriften, S. 174ff.

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