Wurmbrand [Wurmbrandt], Melchior Freiherr von; Obrist [ – 1637] Wurmbrand, Ritter des Johanniter-Ordens, der aus der österreichischen Linie derer von Wurmbrand-Stuppach stammte und die berühmten schwedischen Lederkanonen[1] erfand, stand 1620 noch in den Diensten der oberösterreichischen Stände, bevor er 1621-1622 als Obrist in den Diensten des Söldnerführers Ernst von Mansfeld trat.[2]
Jakob Balthasar von Schlammersdorff hatte sich nach der Schlacht am Weißen Berg[3] zu Mansfeld nach Pilsen[4] durchgeschlagen, kam von dort aus am 4.12.1620 nach Amberg[5] zurück und wurde zu dem aus Prag geflohenen Friedrich V. von der Pfalz[6] entsandt. Er soll auf der Suche nach Friedrich V. am 9.1.1621 bei grimmiger Kälte, welche die Brunnen und sogar den Bosporus bei Istanbul zufrieren ließ, von Amberg über Breslau,[7] Küstrin[8] nach Wolfenbüttel,[9] wo er am 8.2.1621 auf Friedrich V. traf, und wieder zurück nach Amberg geritten sein. Schlammersdorff wurde zusammen mit Philipp Reinhard von Solms und Peblis mit der Defension der Oberen Pfalz beauftragt. Er erhielt auch die Erlaubnis zur Anwerbung von 1.000 Mann zu Fuß und bezog eine Dienstwohnung in Amberg. Auf der schwarzen Liste des Münchner Rates und zum neuem Landrichter in Neunburg vorm Wald[10] ernannten Dr. Leuker (18.12. 1623) stand auch Schlammersdorff, der 1623 einen Aufstand in der Oberen Pfalz und in Böhmen zu organisieren versuchte. Der oberpfälzische Adel warb Soldaten für ihn an; an der Grenze wurden sie in Bereitschaft gehalten. Waffen und Munition wurden in Nürnberg,[11] dem Bankplatz Mansfelds, angekauft und in den Landhäusern Nürnberger Patrizier hinterlegt. Bei passender Zeit sollten sie in die Obere Pfalz gebracht werden. Die endgültige Bezahlung sollte aus der Landschaftskasse erfolgen. Bei Beginn des Aufstandes sollten Böhmen in die Obere Pfalz einfallen und die Landbevölkerung in jene Ortschaften flüchten lassen, die mit bayerischen Truppen besetzt waren. Dann sollten des Nachts die Soldaten überfallen und getötet werden. Gleichzeitig wollten Schlammersdorff und Mansfelds Obrist von Wurmbrand mit den angeworbenen Söldnern und die Grenze gehen und sich zunächst Waldsassens[12] bemächtigen. Das Kommando der Truppen in der Oberen Pfalz sollte Peblis übernehmen, das Landvolk sollte Neumarkt,[13] Sallern,[14] Cham[15] und Pleystein[16] besetzen. Als Führer der Pleysteiner sollte der ebenfalls auf Leukers, Maximilians I. von Bayern Vertrautem, schwarzer Liste stehende Wolf von Wildenstein fungieren. Scheitern sollte dieser Plan jedoch an der Niederlage Christians von Braunschweig bei Stadtlohn,[17] der fehlenden Unterstützung Mansfelds für den „tollen Halberstädter“ und der Unzuverlässigkeit ihres Verbündeten Bethlen Gábor.
1624 warb Wurmbrand ein Infanterieregiment an, das in der Nähe von Riga[18] lag. 1627 trat er in schwedische Dienste.
„Das feindliche friedländische[19] Regiment bestand nicht lange; doch standen sich im Verlaufe des dreißigjährigen Krieges die Unterthanen bei der Gewalt der Freunde wahrlich nicht besser. – Nach dem Abzuge der Wallensteiner nahmen sich die Beamten von Stargard[20] der Comthurei [Nemerow;[21] BW] an. Kaum hatte aber der König Gustav Adolph von Schweden in Deutschland festen Fuß gefaßt, als er am 7. Novbr. 1630 zu Stralsund[22] die Comthurei – dem Obristen Melchior Wurmbrand schenkte), weil es königlich sei, Verdienste zu belohnen, und weil Wurmbrand seiner Comthurei von des Königs Feinden beraubt sei! Wurmbrand war freilich Johanniter=Ritter und auf die Comthurei Werben[23] investirt worden; er hatte aber niemals den Anwartschaftsbrief (primarias preces) ausgelöset, noch beim Wechsel der Heermeister Confirmation nachgesucht: Wurmbrand hatte also so wenig Ansprüche auf den Besitz der Comthurei Nemerow, da der Comthur Graf v. Stolberg noch lebte, als der König von Schweden ein Recht, Güter in Meklenburg zu verschenken. Wurmbrand erschien erst am 2. April 1632 zu Nemerow, ließ den Bürgermeister D. Krauthof von Neubrandenburg kommen, zeigte diesem die Schenkungs=Acte des Königs von Schweden vor und forderte Gehorsam gegen dieselbe, d. h. die Ueberweisung der Comthurei, indem er meinte, der König habe durch seine siegreichen Waffen Meklenburg erobert, also nach Kriegsrecht Fug und Recht zur Verschenkung gehabt, um so mehr, da der König den Herzogen und den Ständen von Meklenburg wieder zu ihren Rechten verholfen habe. Auf erstatteten Bericht gaben die Herzoge eine abschlägige Antwort, hinzufügend, daß sie dem Obersten eine viel bessere Recompense gerne gönnten, diese Schenkung auch schnurstracks gegen die geschlossene Allianz gehe. Der Graf von Stolberg wandte sich an den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, der für ihn beim Könige Fürbitte that und dem Grafen das Vorschreiben zur persönlichen Einantwortung übermittelte. Auch an den Canzler Oxenstierna[24] wandte sich der Graf. Da starb der König. Jetzt ward Wurmbrand noch halsstarriger und der Graf von Stolberg erklärte gegen die Herzoge, daß er sein Recht bis auf den letzten Blutstropfen vertheidigen werde. Erst am 15 Junii 1634 wurden auf Vermittelung des schwedischen Reichs=Canzlers beide Partheien zu Mainz dahin verglichen, daß der „Herr Melchior Wurmbrand, Freiherr zu Juleta, Ritter, der Königl. Majestät zu Schweden und des evangelischen Bundes bestallter Obrister, Commandant zu Donauwerth[25] und Lauingen“[26] auf geschehene Vertröstung dem Grafen von Stolberg die Comthurei wieder abtrat. Und doch machte im Jahr 1636 Wurmbrand wiederholte Ansprüche auf die Comthurei! Doch es kam noch schlimmer. Schon im Jahr 1635 hatte der Oberst Forbes die Comthurei geplündert; darauf hatte der Oberst Douglas sie gebrandschatzt, der Oberst Plato alles Vieh ohne Ausnahme wegtreiben lassen, und endlich nahmen die Einquartirungen und Requisitionen kein Ende. Als aber des General=Majors Pfuel 3 Compagnien Reuter von Wrangels Heer die Comthurei gänzlich erschöpft hatten und mit Forderungen nicht abließen, da flehte der Amtsschreiber Ulrich Preuss den Herzog Adolph Friederich am 30. Junii 1637 „um Gottes Barmherzigkeit willen“ um Beistand an. Und der Herzog konnte nichts weiter antworten: „können aber bei uns nicht absehen, wodurch solch Uebel noch zur Zeit abzuwenden, zumal Wir für Augen selbst ansehen müssen, daß Unsere und Unsers jungen Vettern und Pflegesohns Aemter und Unterthanen ebenergestalt auf den äußersten Grad erschöpft und zu Grunde gerichtet werden“, – mit dem Hinzufügen, wenn er Mittel an die Hand zu geben wisse, wodurch der Comthurei geholfen werden könne, der Herzog sich gerne gnädig erzeigen wolle“.[27]
Von 1632 bis 1634 erhielt er als schwedische Donation das Gebiet von Ottobeuren.[28] Der Besitz währte aber nur bis zur Schlacht bei Nördlingen[29] am 5./6.9.1634. Zudem besaß er noch Besitzungen in Julita[30] sowie Blumenberg.[31] Wurmbrand fiel nach der Schlacht in der Nähe von Neresheim[32] in die Hände der Kroaten. „Diese banden ihn mit einem Strick, führten ihn spottweise unter dem Titel eines ‚Abtes von Ottobeuern'[33] zur Schau herum, versetzten ihm viele Wunden und spalteten am Ende sein Haupt“.[34]
[1] Lederkanonen: „Die lederne Kanone war eine Erfindung von Freiherr Melchior von Wurmbrand-Stuppach. Er verkaufte die Idee an den Schwedischen König Karl II. Gustav. 1623 gab dieser Wurmbrand das Gut Juleta in Södermanland zusammen mit einer Reihe von Eisenwerken, damit er Kanonen für die Schwedische Armee produzieren konnte. Nachdem die Produktion in Gang gebracht war, verpachtete Wurmbrand das Werk an Jakob De la Gardie. Ihren ersten Einsatz hatten die Kanonen 1627 vor Wormditt. Die lederne Kanone bestand aus einem Kupferrohr, das mit eisernen Ringen, Leinen, Tauwerk und Leder verstärkt wurde. Die seiner Zeit gebräuchlichen Geschütze waren zu schwerfällig, um mit der beweglichen Kavallerie mitkommen zu können. Die neue Kanone wog nur 50 kg (90 Pfund) und konnte von 2 Personen getragen werden. Sie war etwa 1,20 m lang und hatte ein Kaliber von 8 cm. Während des Polenfeldzuges zeigten sich gravierende Nachteile, so konnten nur 10 bis 12 Schuss abgefeuert werden. Dann musste die Kanone auskühlen. So war die Art nur drei Jahre im Einsatz und wurde am Ende des Feldzuges ausgemustert“. [wikipedia]
[2] Vgl. die Erwähnungen bei KRÜSSMANN, Ernst von Mansfeld.
[3] 8.11.1620: Maximilian I. von Bayern schlägt das böhmische Ständeheer unter Christian I. von Anhalt. Friedrich V. von der Pfalz geht nach Den Haag in die Niederlande. Vgl. KREBS, Schlacht.
[4] Pilsen [Plzeň]; HHSBöhm, S. 444ff.
[5] Amberg; HHSD VII, S. 20ff.
[6] Vgl. WOLF, Winterkönig; BILHÖFER, Nicht gegen Ehre und Gewissen; http://www.hdbg.de/winterkoenig/tilly.
[7] Breslau [Wroclaw]; HHSSchl, S. 38ff.
[8] Küstrin [Kostrzyn]; HHSD X, S. 441ff.
[9] Wolfenbüttel; HHSD II, S. 503ff.
[10] Neunburg vorm Wald [LK Schwandorf]; HHSD VII, S. 507f.
[11] Nürnberg; HHSD VII, S. 530ff.
[12] Waldsassen [LK Tirschenreuth]; HHSD VII, S. 785ff.
[13] Neumarkt i. d. OPf.; HHSD VII, S. 505f.
[14] Sallern, heute Stadtteil von Regensburg.
[15] Cham [LK Cham]; HHSD VII, S. 124ff.
[16] Pleystein [LK Vohenstrauß]; HHSD VII, S. 589f.
[17] Stadtlohn; HHSD III, S. 69ff.
[18] Riga [Lettland].
[19] Vgl. REBITSCH, Wallenstein; MORTIMER, Wallenstein; SCHUBERTH; REICHEL, Die blut’ge Affair’.
[20] Stargard [Szczeciński]; HHSD XII, S. 276ff.
[21] Klein Nemerow [Mecklenburgische Seenplatte].
[22] Stralsund [Kr. Stralsund]; HHSD XII, S. 292ff.
[23] Werben (Elbe) [LK Stendal].
[24] Vgl. BRENDLE, Reichserzkanzler.
[25] Donauwörth [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 147ff.
[26] Lauingen (Donau) [LK Dillingen/Donau]; HHSD VII, S. 396f.
[27] LISCH, Geschichte der Johanniter-Comthureien Nemerow und Gardow, S. 63f.
[28] Ottobeuren [LK Memmingen]; HHSD VII, S. 567f.
[29] Schlacht bei Nördlingen am 5./6.9.1634 zwischen den kaiserlich-ligistischen Truppen unter Ferdinand (III.) von Ungarn und spanischen Kontingenten unter dem Kardinal-Infanten Fernando auf der einen Seite und dem schwedischen Heer unter Feldmarschall Gustav Horn, der in eine 7 Jahre dauernde Gefangenschaft geriet, und Bernhard von Weimar auf der anderen. Die Schwedisch-Weimarischen verloren nicht allein die Schlacht, etwa 8.000-10.000 Tote und 3.000-4.000 Verwundete – auf kaiserlicher Seite waren es 1.200 Tote und 1.200 Verwundete – , sondern mit ihr auch den Einfluss in ganz Süddeutschland, während der französische Einfluss zunahm. Vgl. die ausführliche Darstellung bei ENGERISSER; HRNČIŘĺK, Nördlingen 1634 (die detaillierteste Darstellung der Schlacht); STRUCK, Schlacht, WENG, Schlacht. Vgl. den lat. Bericht »Pugna et victoria ad Nordlingam«, der den protestantischen Ständen zuging; Staatsarchiv Bamberg B 48/145, fol. 74 (Abschrift). Zur französischen Sicht vgl. den Avis Richelieus, 1634 IX 11; HARTMANN, Papiers de Richelieu, Nr. 288.
[30] Julita [heute Gem. Katrineholm; Södermans län, Schweden].
[31] Blumenberg [Florimont, Dép. Territoire de Belfort].
[32] Neresheim [Ostalbkr.]; HHSD VI, S. 556f.
[33] Ottobeuren [LK Memmingen]; HHSD VII, S. 567f.
[34] HEILMANN, Kriegsgeschichte Bd. 2, S. 466.