Wöllnitz, N

Wöllnitz, N; Hauptmann [ – ] Wöllnitz stand 1640 als Hauptmann[1] der Artillerie in kursächsischen Diensten.

„Als Baner[2] im J. 1638 Sachsen und Böhmen mit seinem verwüstenden Zuge erschreckte, fiel auch Tetschen[3] durch Accord in die Hände der Schweden,[4] die es mit Besatzung belegten. Im Anfang des J. 1640 wendete aber das bis dahin Baner günstige Kriegsglück ihm den Rücken, er ward aus Böhmen verdrängt und nur in Töplitz[5] und Tetschen hielten sich noch die Schweden. Als diese in Böhmen einrückten, war ihnen eine große Anzahl böhmischer Exulanten[6] gefolgt, die unter ihrem Schutz in die Heimath zurückkehrten, und jetzt beim Abzug schlossen sie sich ihnen, ein beschwerliches Anhängsel, wieder mit Weib und Kind, an. Das Schloß und Städtchen Tetschen hielt der Oberstleutnant[7] Johann Koppy[8] mit etwa 200 Mann besetzt: Hierher flüchteten sich dann auch gegen 100 Exulanten mit Frauen und Kindern, unter ihnen der Freiherr von Opperßdorf.[9]

Wahrscheinlich in Voraussicht der kommenden Ereignisse, hatte Koppy aber auch den Decan[10] aus Leitmeritz,[11] einen andern Dechanten nebst noch 9 katholischen Geistlichen und mehrere angesehene Personen aus der Umgegend nach Tetschen geführt, wo er sie, um sich ihrer nöthigen Falls als Geißeln zu bedienen, gefangen festhielt. Am 2. April 1640 rückte der kaiserliche Oberst[12] von Rübeland[13] mit 150 Dragonern[14] vor Tetschen; es gelang ihm nach kurzem Scharmützel,[15] das Stadtthor aufzuhauen, in das Städtchen zu dringen und 40 schwedische Musketiere[16] gefangen zu nehmen. Auf das Schloß, wo die Gefangenen saßen, zog sich nun Koppy zurück, dahin flüchteten sich auch die Exulanten. Durch das wilde Kriegsgetümmel zieht sich aber eine romantische Episode. Koppy, der tapfere Degen, heatte sein Herz an eine junge Schöne verloren, die seine Gefühle erwiedernd, ihm muthig auf seinen Kriegszügen folgte und auch jetzt sich mit ihm in der Burg einschloß. Hübsch und jung war das Fräulein, das erkennen die Berichte, auf die wir unsere Erzählung begründen, ausdrücklich an, weß Namens und Ursprungs aber sie gewesen, vermögen wir, da unsere Unterlagen darüber keine Auskunft ertheilen, nicht anzugeben: vielleicht war sie eine Verwandte des Frh. von Opperßdorf, der wiederholt in den Berichten benannt wird, wenigstens deutet der Umstand, daß das hübsche Kind mehrfach und mit einer besondern Wichtigkeit erwähnt wird, darauf hin, daß das Mädchen nicht von ganz geringer Herkunft und in der Gegend wohl bekannt war. Sein Liebchen im Arm, mit etwa 150 tapfern Soldaten, war Koppy entschlossen, sich bis aufs Aeußerste zu verteidigen, in der Hoffnung, daß die Schweden, bei tapferer Ausdauer, ihn entsetzen würden.

Das Schloß bestand damals aus drei, durch Befestigungen mit einander verbundenen, aber in sich abgeschlossenen festen Gebäuden: zunächst der Stadt lag, von einem unten ausgemauerten Erdwalle nebst Graben mit Zugbrücke und Pallisaden mi angehängten Sturmlaufbäumen geschützt, das vordere Schloß, das einen großen und mehrere kleine Thürme hatte: zwei ‚Hagelbüchsen[17] waren defensiv auf das Thor gerichtet’, ein tiefer Felsengraben mit einer zweiten Zugbrücke trennte es von dem äußern Schloß, welches einen geschloßnen Hof hatte. Hinter diesem, auf dem steilen Felsen nach der Elbe zu, lag das alte Schloß, ein großer, mit Schindeln gedeckter Bau: hier wurden die Exulanten, die Frauen und Kinder untergebracht. Diese beiden letztern Gebäude, das äußere und das alte Schloß, sind, wie Schaller (Topographie des K. Böhmen, Th. 5, S. 194) bemerkt, bei dem Neubau, den Maximilian Graf von Thun 1674 begann, nach Abtragung des äußern Schlosses, zu dem jetzigen großartigen Gebäude vereinigt wurden.

Oberst von Rübeland, nach dem er, wie gedacht am 2. April 1640 mit seinen Dragonern sich des Städtchens bemächtigt, überzeugte sich bald, daß er ohne Geschütz das Schloß nicht erobern könne. Er verlangte daher ‚2 bis 3 gute Stücke,[18] die er in der Stadt aufstellen wolle, und 200 Musketiere, wo er denn das Haus binnen 5 bis 6 Tagen nehmen könne’. In Dresden,[19] wohin sich Rübeland durch einen Eilboten mit dem Gesuch um Geschütz gewendet, beeilte man sich, seinem Wunsche zu entsprechen, und schon am 3. April gingen von da mehrere Falconets[20] mit der erforderlichen Artilleriemannschaft unter dem Hauptmann Wöllnitz zu Schiffe ab, die am 5. April in Tetschen eintrafen.

Der Oberst von Rübeland hatte sich inmittelst in der Nacht auf dem dem Schloß gegenüber und mit diesem in gleicher Höhe liegenden Berge, Schnees und Regens ungeachtet, mit Schanzkörben[21] festgesetzt, so daß niemand, wie er meinte, aus dem Schloß herauskonnte. Der Versuch, ‚auf dem Graben zu approchiren’,[22] mißlang aber, da die Belagerer nicht genug Erde fanden und das von ihnen versuchte Avanciren mit Wagen und Bretern durch die Schweden, die ‚stark ausschossen’, gehindert ward. Die Schweden ‚klopften’ indessen stark, wahrscheinlich verrammelten sie das Thor. Vor dem ersten Anlauf geschützt, beschloß Koppy seine Vermählung zu feiern und ließ am 4. April den Obersten von Rübeland durch zwei Trommelschläger[23]  ersuchen, er möchte ihm zum Hochzeitsfeste einige Victualien und Spielleute hereinsenden, eine Aufforderung, welcher der galante Rübeland auch nachkam, indem er ihm ein Lamm und einen Auerhahn mit der Zusicherung, Confect und Spielleute sollten nachfolgen und er werde selbst sein Hochzeitsgast sein, zusendete. Er fügte dem Geschenk auch einen abgefangenen Brief Baners bei, worin dieser an Koppy schrieb, da die Exulanten von den Kaiserlichen nicht festgehalten würden, möge er auch die gefangenen Geistlichen entlassen. Am Morgen nach der Hochzeit wurde das junge Ehepaar aber auf eine unerfreuliche Weise gestört, denn der zugesagte Confect und die Musik folgten in lästiger Gestalt nach.

Der Hauptmann Wöllnitz hatte in der Nacht seine Geschütze auf der Höhe hinter dem Schlosse aufgepflanzt und bewarf am 6. April das Schloß mit Feuerkugeln[24] und Granaten:[25] hierbei zersprang ein 64 Pf.-Mörser,[26] indem eine Granate in ihm platzte, es ward aber niemand dabei beschädigt. Wöllnitz fand sich aber dadurch veranlaßt, durch einen Eilboten noch 3 bis 4 halbe Carthaunen[27] von Dresden sich auszubitten. An demselben Tage kamen noch 200 kaiserliche Dragoner an, und der Oberst Rübeland machte nun den Versuch, mit Sturmleitern die Zugbrücke zu ersteigen und niederzubringen, um so in den Vorhof zu kommen, was aber mißlang. Am 7. April wurden wieder Feuerkugeln ins Schloß geworfen, aber ohne viel Erfolg, da die Schweden schnell mit dem Löschen zur Hand waren.

Koppy kam inmittelst der Weisung Baners, die gefangenen Geistlichen zu entlassen, insoweit nach, daß er 9 derselben in Freiheit setzte: die Dechanten behielt er aber noch zurück, und einen Schreiber ließ er, warum ist nicht zu ersehn, vom Felsen herabstürzen, so daß der Unglückliche einen schrecklichen Tod fand. Oberst von Rübeland schreibt hierüber an den Commandanten zu Pirna, den Obersten v. Liebenau:[28] ‚es sei zu verspüren, daß der Commandant Coppi ums Spadi[29] oder gar Bastoni[30] habe, weil er so crudel und halb desperat procediren, die doch ehrliche Leute gleichsam sonder einige Verschon und nur geringen Verdachts last über das Haus herunter todt werfen, gestalt ers dem Herrn von Miltitz und etlichen selbsten wollen thun lassen, jedoch auf vorbitt letzlich auf dem strick schimpflich herunter lassen fahren, seinen Schreiber aber einen lang getreuen Diener unbewuster Ursachen halber mit Hals und Kopf über das Haus und Felsen heruntergeworfen und todt geschmettert hat, solchen heut die Nacht lassen wegnehmen umb zu begraben und wie sag, so gebraucht er sich in dem Hauße solches grobes commando und scheint samb were er verwirrt und soll wegen solchen proceder gleichsam schon im Haus bei den Soldaten ein großer disgust und widerwillen sein. Benebst so trauert und weinet seine neue schöne Dame continue, wünschet hätte nie ja gesagt. Die armen 9 herausgelassenen Geistlichen danken Gott, daß sie heraus sein, wollten die 2 Herrn Dechanten wären auch dabei. Wir haben nun zwei Nacht hero abbrochiret auf 3 Orten über die Mülwiesen, auf den Schnecken etc., so daß niemand anders als über das Haus herunter steigen muß’.

Rübeland lud zugleich den Oberst v. Liebenau ein, ‚das alte Osterlamb mit zu verzehren, ein Faß guter Oestreicher, Vögel oder Auerhähner seien aufgehalten, gute Gesellschaft werde auch nicht mangeln. So nehmen wir’, schließt er dann seinen Brief, ‚dabei einen Spaß mit diesem was dem Bräutigamb und Braut auf dem Schloß leidt sollen wird. Der Graf von Thun[31] mag dazu denken oder sagen was er will: wollte wünschen, könntens ganz in die Luft fliegen machen, alle die Nester so dem gemeinen Wesen mehr schaden als nutzen bringen, sonderlich was dergleichen Herrn zugehörig, die es also balden verlieren laßen und hart wiedergewinnen, auch sie darzu noch einige Assistenz nicht zu prästiren, beigedenken, kann nicht 20 Pauernleut haben zu einiger Beihülfe etc.’

Nach einem lebhaften Scharmützel mit den Belagerten, wobei die Belagerer 5 Verwundete hatten, gelang es den letztern in den äußeren Graben unter der Zugbrücke ‚wo die  Schweden ihnen mit Steinwerfen und Schießen nicht mehr schaden konnten’, zu gelangen, und Rübeland ließ nun den Commandanten durch einen Trommelschläger auffordern, das Schloß zu übergeben. Koppy nahm denselben ins Schloß, behielt ihn zwei Stunden bei sich, ließ dann aber die Antwort erthelen, ‚dass, wenn der Oberst sich des vordern Schlosses bemächtigen möge, wornach er ohnehin wenig frage, er sich im alten Schloß erst recht wehren  wolle, da er lieber durch die Hand eines redlichen Cavaliers denn des Henkers Hand umkomme, so er solches Haus übergeben sollte, ohne größere Noth denn diese jetzige’.

Die Belagerten machten übrigens verschiedene Versuche, sich mit dem schwedischen Corps, welches unter dem General Stalhantsch[32] in der Oberlausitz stand, in Vernehmen zu setzen. Ein Bote, den sie abgesendet, gelangte auch am 12. April glücklich nach Zittau und überbrachte einen Brief Koppys, worin dieser dringend bat, man möge ihm zu Hülfe kommen, da er schon viel Verlust erlitten und keine Medicamente mehr habe. Der Bürgermeister von Zittau,[33] der von diesem Schreiben Kenntniß erlangte, meldete seinen Inhalt nach Dresden. Von dort hatte man neues Geschütz zu Wasser abgesendet, welches nebst 10 Ctr. Pulver am 12. April in Tetschen ankam. 300 Musketiere aber, welche Graf v. Schlick[34] zugesagt, blieben aus, weil man die Truppen gegen die Schweden in der Oberlausitz brauchte.

In der Nacht vom 14-15. April ließen die Schweden abermals einen Knaben von 13 Jahren an einem Strick von dem vordern Schloß nach der Hofmühle zu herab. Er sollte einen Brief Koppys einem böhmischen Exulanten Fünfkirchen in Schandau[35] zur Weiterbeförderung übergeben und hatte die Weisung erhalten, wenn er die Antwort habe, sich wieder an dem Orte, von dem er herabgelassen worden, einzufinden und sich der Schildwache, die Achtung geben werde, bemerklich zu machen. Der Knabe ward aber mit dem Briefe in Schandau, bei einem Bürger Andreas Starcke, zu dem er sich begeben, gefangen. In dem Schreiben fragte Koppy, wie es eigentlich mit den Exulanten gehalten werde: man sollte es ihm berichten, er wolle dann auch die Dechanten, die er noch gefangen halte, loslassen: er klagte wiederholt über den Mangel von Arzneimitteln, ‚die Geschädigten müssten sich so gut sie könnten, selbst verbinden’. Der Knabe gab übrigens an, es seien noch etwa 100 Soldaten im Schloß, Mehl sei nicht viel vorräthig, wohl aber Korn, was man in 4 Handmühlen mahle: Holz, Wasser und Salz sei genug vorhanden.

Das Außenbleiben einer Verstärkung an Musketieren verhinderte inmittelst den ernstlichen Angriff auf das Schloß: die Belagerer begnügten sich damit, sich zu verschanzen und von Zeit zu Zeit ‚Regenkugeln’[36] auf das mit Schindeln gedeckte allte Schloß zu werfen, weil, wie Wöllnitz schreibt, da Regenfeuer[37] auf den Dächern am ersten hafte, doch gelang es nicht, dasselbe in Brand zu stecken.

Der Decan von Leitmeritz, welcher nebst seinem Leidensgefährten am 21. April endlich von Koppy freigelassen ward, erzählte, daß durch die Granaten an 30 Personen verwundet und 3 getödtet worden, und daß ‚die Knechte schon das Gewehr strecken wollen, aber der Commandant gedroht, er werde den Anfänger arquebusiren[38] lassen’.

Graf Rudolf Colloredo,[39] an den sich Rübeland ebenfalls um Unterstützung mit Infanterie gewendet, antwortete vertröstend und bemerkte, ‚daß sich der Herr Oberst alda verbauet, und noch verbauet und noch verbauen will, so thut der Herr Alß ein wütziger Soldat, denn das verbauen ist die sicherste Wehr’.

Endlich traf am 27. April die von Graf Schlick abgesendete Verstärkung ein, und am 28. April ward nun einige Stunden ‚mit Stücken und Mörsern gespielet’[40] und dann ein Trommelschläger mit nochmaliger Aufforderung zur Uebergabe vorgeschickt, dem aber Koppy die Antwort gab, ‚er wisse dem Herrn Obristen nichts anderes denn Kraut, Loth[41] und die Spitze vom Degen zu Diensten’, den Trommler aber bedeutete er, er solle sich packen, sonst wolle er ihn niederschießen. Nun ward das vordere Schloß wieder einige Stunden beschossen und mit etwa 100 Kugeln ein großes Stück Eckmauer, ein großer und ein kleiner Thurm so wie das große Oberdach der Zugbrücke zerstört und eine Bresche[42] eröffnet: beim Einfallen der Mauer kamen 3 Schweden ums Leben, die mit herunter stürzten. Jetzt ward gestürmt und die Bresche von den Belagerern ohne Verlust erstiegen. Die Schweden hatten aber ein Gewölbe mit Holz angefüllt und zündeten es an, so daß die Stürmenden wieder zurück mußten. Es wurden nun noch einige Wände, die im Wege standen, eingeschossen, allein als die Bresche sodann wieder erstiegen ward, zündeten die Schweden das in einem andern Gewölbe aufgehäufte Holz an.

Die Bresche ward zwar von den Belagerern zwei Stunden, mit Verlust von 4 Verwundeten, gehalten, allein, da man das Feuer, obwohl jeder Soldat eine Kanne Wasser mit auf die Bresche nehmen mußte, nicht zu löschen vermochte, war man genöthigt, abermals zurückzueichen. Das Feuer ergriff die Gebäude im vordern Schloß und scheint diese ganz verzehrt zu haben. Die Schweden hatten sich während dem in das äußere Schloß zurückgezogen und fuhren fort, von dort auf die Belagerer, die, nachdem das Feuer erloschen, die Brandstätte am 29. April besetzten, zu schießen. Als der Oberst v. Rübeland am 29. April Abends nach 11 Ihr, um zu recognosciren, sich an den Graben, der das äußere Schloß von dem vordern trennte, begab, ward er an der Zugbrücke, die er niederreißen lassen, von einem Schuß getroffen, der ihm die Röhre des rechten Fußes über dem Knöchel zerschmetterte: er ließ daher den Oberst von Liebenau in Pirna[43] um schleunige Absendung eines guten Arztes mit den nöthigen Mitteln ersuchen.

Von Dresden schickte man den Leibmedicus mit ‚köstlichen[44] Medicamenten’ ab, der auch Rübeland im Laufe einiger Wochen glücklich herstellte. Oberst von Liebenau, der herbeigeeilt war und das Commando nach Rübelands Verwundung übernommen hatte, ließ nun das Feuer nach dem äußern Schloß richten, wodurch die Flanken und die innere Brücke beschädigt wurden. Am 2. Mai früh 3 Uhr ward wegen eines heftigen Nebels ein Sturm unternommen, der vollständig gelang. Ohne allen Verlust erstiegen die Belagerer das äußere Schloß und nahmen die Besatzung, die aus 6 Rottknechten,[45] 4 Unteroffizieren und einem Leutnant,[46] dem Bruder des Commandanten, bestand, gefangen. Der schwedische Oberstleutnant wollte aber sich immer noch nicht ergeben und entschloß sich erst am 4. Mai, da seine Leute nicht mehr fechten wollten, zu Capitulation: er hatte noch 80 Mann, wovon ein großer Theil verwundet war, 8 Unter- und Oberoffiziere bei sich. Die Besatzung erlangte nebst den Exulanten freien Abzug nach niedergelegtem Gewehr; nur die, welche bei der kaiserlichen oder Reichsarmee gedient, mußten zurückbleiben“.[47]

Am 6.7.1640 schrieb Erzherzog Leopold Wilhelm[48] aus Neustadt a. d. Saale[49] an Rudolf Graf Colloredo und legte das Gesuch der Stadt Tetschen um Loskauf des ehemaligen Bürgermeisters M. Lindtner und weiterer vier Bürger vor, die wegen Nichtbezahlung von 2.000 ungarischen Dukaten, die der schwedische Kriegskommissar[50] widerrechtlich der Stadt auferlegte hatte, von den Schweden abgeführt worden waren. Leopold Wilhelm schlug Colloredo vor, die Geiseln gegen den bei der Einnahme Tetschens gefangen genommenen und in Prag eingekerkerten Koppey auszutauschen.[51]

[1] Hauptmann: Der Hauptmann (schwed. Kapten) war ein vom Obristen eingesetzter Oberbefehlshaber eines Fähnleins der Infanterie, das er meist unter Androhung einer Geldstrafe auf eigene Kosten geworben und ausgerüstet hatte. Der Hauptmann warb daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. In der Kompanie-Stärke wurden sogenannte „Passevolants“ mitgerechnet, nichtexistente Söldner, deren Sold ihm zustand, wenn er Deserteure und verstorbene Soldaten ersetzen musste. Der monatliche Sold eines Hauptmanns betrug 160 fl. (Nach der Umbenennung des Fähnleins in Kompanie wurde er als Kapitän bezeichnet.) Der Hauptmann war verantwortlich für Werbung und Soldzahlung, für Disziplin, Ausrüstung und Verpflegung sowie für die Ernennung der untergebenen Führer. Er musste die standesgemäße Heirat seiner Untergebenen bewilligen. Oft war er in erster Linie für die materielle Versorgung der Truppe zuständig, und die eigentlich militärischen Aufgaben wurden von seinem Stellvertreter, dem Kapitänleutnant, übernommen. Der Hauptmann marschierte an der Spitze des Fähnleins, im Zug abwechselnd an der Spitze bzw. am Ende. Bei Eilmärschen hatte er zusammen mit einem Leutnant am Ende zu marschieren, um die Soldaten nachzutreiben und auch Desertionen zu verhindern. Er kontrollierte auch die Feldscher und die Feldapotheke. Er besaß Rechenschafts- und Meldepflicht gegenüber dem Obristen, dem Obristleutnant und dem Major. Dem Hauptmann der Infanterie entsprach der Rittmeister der Kavallerie. Junge Adlige traten oft als Hauptleute in die Armee ein. Jedoch muss man wohl davon ausgehen, dass nicht alle Offizierschargen in gleichem Umfang an diesen lukrativen Geschäften beteiligt waren. Die bei DAMBOER, Krise, S. 150, dargestellte „Schatzkammer“ eines Hauptmanns ist nicht unbedingt typisch.

[2] Johan Banér [Bannier, Panier, Panner] [23.6./3.7.1596 Djursholm-20.5.1641 Halberstadt], schwedischer Feldmarschall.

[3] Tetschen [Děčín]; HHSBöhm, S. 610ff.

[4] schwedische Armee: Trotz des Anteils an ausländischen Söldnern (ca. 85 %; nach GEYSO, Beiträge II, S. 150, Anm., soll Banérs Armee 1625 bereits aus über 90 % Nichtschweden bestanden haben) als „schwedisch-finnische Armee“ bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen der „Royal-Armee“, die v. Gustav II. Adolf selbst geführt wurde, u. den v. den Feldmarschällen seiner Konföderierten geführten „bastanten“ Armeen erscheint angesichts der Operationen der letzteren überflüssig. Nach LUNDKVIST, Kriegsfinanzierung, S. 384, betrug der Mannschaftsbestand (nach altem Stil) im Juni 1630 38.100, Sept. 1631 22.900, Dez. 1631 83.200, Febr./März 1632 108.500, Nov. 1632 149.200 Mann; das war die größte paneuropäische Armee vor Napoleon. Schwedischstämmige stellten in dieser Armee einen nur geringen Anteil der Obristen. So waren z. B. unter den 67 Generälen und Obristen der im Juni 1637 bei Torgau liegenden Regimenter nur 12 Schweden; die anderen waren Deutsche, Finnen, Livländern, Böhmen, Schotten, Iren, Niederländern und Wallonen; GENTZSCH, Der Dreißigjährige Krieg, S. 208. Vgl. die Unterredung eines Pastors mit einem einquartierten „schwedischen“ Kapitän, Mügeln (1642); FIEDLER, Müglische Ehren- und Gedachtnis-Seule, S. 208f.: „In dem nun bald dieses bald jenes geredet wird / spricht der Capitain zu mir: Herr Pastor, wie gefället euch der Schwedische Krieg ? Ich antwortet: Der Krieg möge Schwedisch / Türkisch oder Tartarisch seyn / so köndte er mir nicht sonderlich gefallen / ich für meine Person betete und hette zu beten / Gott gieb Fried in deinem Lande. Sind aber die Schweden nicht rechte Soldaten / sagte der Capitain / treten sie den Keyser und das ganze Römische Reich nicht recht auff die Füsse ? Habt ihr sie nicht anietzo im Lande ? Für Leipzig liegen sie / das werden sie bald einbekommen / wer wird hernach Herr im Lande seyn als die Schweden ? Ich fragte darauff den Capitain / ob er ein Schwede / oder aus welchem Lande er were ? Ich bin ein Märcker / sagte der Capitain. Ich fragte den andern Reuter / der war bey Dreßden her / der dritte bey Erffurt zu Hause / etc. und war keiner unter ihnen / der Schweden die Zeit ihres Lebens mit einem Auge gesehen hette. So haben die Schweden gut kriegen / sagte ich / wenn ihr Deutschen hierzu die Köpffe und die Fäuste her leihet / und lasset sie den Namen und die Herrschafft haben. Sie sahen einander an und schwiegen stille“.

Zur Fehleinschätzung der schwedischen Armee (1642): FEIL, Die Schweden in Oesterreich, S. 355, zitiert [siehe VD17 12:191579K] den Jesuiten Anton Zeiler (1642): „Copey Antwort-Schreibens / So von Herrn Pater Antoni Zeylern Jesuiten zur Newstadt in under Oesterreich / an einen Land-Herrn auß Mähren / welcher deß Schwedischen Einfalls wegen / nach Wien entwichen/ den 28 Junii An. 1642. ergangen : Darauß zu sehen: I. Wessen man sich bey diesem harten und langwürigen Krieg in Teutschland / vornemlich zutrösten habe / Insonderheit aber / und für das II. Was die rechte und gründliche Ursach seye / warumb man bißher zu keinem Frieden mehr gelangen können“. a. a. O.: „Es heisst: die Schweden bestünden bloss aus 5 bis 6000 zerrissenen Betellbuben; denen sich 12 bis 15000 deutsche Rebellen beigesellt. Da sie aus Schweden selbst jährlich höchstens 2 bis 3000 Mann ‚mit Marter und Zwang’ erhalten, so gleiche diese Hilfe einem geharnischten Manne, der auf einem Krebs reitet. Im Ganzen sei es ein zusammengerafftes, loses Gesindel, ein ‚disreputirliches kahles Volk’, welches bei gutem Erfolge Gott lobe, beim schlimmen aber um sein Erbarmen flehe“.

[5] Teplitz [Teplice]; HHSBöhm, S. 604ff.

[6] Exulant: Glaubensflüchtling, Vertriebener; aus Böhmen, Mähren und Schlesien im 30jährigen Krieg vertriebene Protestanten.

[7] Obristleutnant: Der Obristleutnant war der Stellvertreter des Obristen, der dessen Kompetenzen auch bei dessen häufiger, von den Kriegsherrn immer wieder kritisierten Abwesenheit – bedingt durch Minderjährigkeit, Krankheit, Badekuren, persönliche Geschäfte, Wallfahrten oder Aufenthalt in der nächsten Stadt, vor allem bei Ausbruch von Lagerseuchen – besaß. Meist trat der Obristleutnant als militärischer Subunternehmer auf, der dem Obristen Soldaten und die dazu gehörigen Offiziere zur Verfügung stellte. Verlangt waren in der Regel, dass er die nötige Autorität, aber auch Härte gegenüber den Regimentsoffizieren und Soldaten bewies und für die Verteilung des Soldes sorgte, falls dieser eintraf. Auch die Ergänzung des Regiments und die Anwerbung von Fachleuten oblagen ihm. Zu den weiteren Aufgaben gehörten Exerzieren, Bekleidungsbeschaffung, Garnisons- und Logieraufsicht, Überwachung der Marschordnung, Verproviantierung etc. Der Profos hatte die Aufgabe, hereingebrachte Lebensmittel dem Obristleutnant zu bringen, der die Preise für die Marketender festlegte. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, waren umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen notwendig. Nicht selten lag die eigentliche Führung des Regiments in der Verantwortung eines fähigen Obristleutnants, der im Monat je nach Truppengattung zwischen 120 und 150 fl. bezog. Voraussetzung war allerdings in der bayerischen Armee die richtige Religionszugehörigkeit. Maximilian hatte Tilly den Ersatz der unkatholischen Offiziere befohlen; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Dreißigjähriger Krieg Akten 236, fol. 39′ (Ausfertigung): Maximilian I. an Tilly, München, 1629 XI 04: … „wann man dergleich officiren nit in allen fällen, wie es die unuorsehen notdurfft erfordert, gebrauchen khan und darff: alß werdet ihr euch angelegen sein lassen, wie die uncatholischen officiri, sowol undere diesem alß anderen regimentern nach unnd nach sovil muglich abgeschoben unnd ihre stellen mit catholischen qualificirten subiectis ersezt werden konnde“. Der Obristleutnant war zumeist auch Hauptmann einer Kompanie, so dass er bei Einquartierung en und Garnisonsdienst zwei Quartiere und damit auch entsprechende Verpflegung und Bezahlung beanspruchte oder es zumindest versuchte. Von Piccolomini stammt angeblich der Ausspruch (1642): „Ein teutscher tauge für mehrers nicht alß die Oberstleutnantstell“. HÖBELT, „Wallsteinisch spielen“, S. 285.

[8] Johann [Hans Franciscus] v. Koppey [Koppy, Coppy, Copy, Copi, Copie] [ – nach 1663], schwedischer Obristleutnant, Obrist.

[9] Johann Otto Freiherr von Oppersdorff [1584-1647]

[10] Dekan, Dechant: Der Dekan war der Vorsteher des Domkapitels bzw. Stiftskapitels, der auch als Haupt der gesamten Diözese galt. Verpflichtend waren für ihn die Priesterweihe und die Residenzpflicht an der Domkirche. Er leitete die innerkirchlichen Angelegenheiten und war zuständig für die Einhaltung der allgemeinen Disziplin und der gottesdienstlichen Verpflichtungen. Er sorgte für die Einberufung des Domkapitels zu der wöchentlichen Sitzung sowie die Tagesordnung und nahm den Vorsitz ein. Zudem übte er die Jurisdiktion im Stift aus. Gewählt wurde der Dekan vom Bischof oder Domkapitel. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts wurde die Stellung des Dekans durch den Offizial jedoch eingeschränkt.

[11] Leitmeritz [Litoměřice]; HHSBöhm, S. 324ff.

[12] Obrist: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S. 388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Dazu beanspruchte er auch die Verpflegung. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide. Zum Teil führte er auch seine Familie mit sich, so dass bei Einquartierungen wie etwa in Schweinfurt schon einmal drei Häuser „durch- und zusammen gebrochen“ wurden, um Raum zu schaffen; MÜHLICH; HAHN, Chronik Bd. 3, S. 504. II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.

[13] Johann Christoph Freiherr v. der Ruebland [Rübländer, Rübeland, Rübelant, Rubland] [ -1655], kaiserlicher Obrist.

[14] Dragoner (frz. dragon): leichter Reiter, der auch zu Fuß focht, benannt nach den mit Drachenkopf (dragon) verzierten Reiterpistolen, nach KEITH, Pike and Shot Tactics, S. 24, aus dem Holländischen „dragen“ bzw. „tragen“. „Arbeiter zu Pferd“ hat man sie genannt. Der Dragoner war im Prinzip ein berittener Musketier (der zum Gefecht absaß), da das Pferd zu schlecht war, um mit der Kavallerie ins Gefecht reiten zu können. Berneck, Geschichte der Kriegskunst, S. 136. Auch äußerlich war der Dragoner nicht vom Infanteristen zu unterscheiden. Zudem verfügte in der schwedischen Armee 1631/32 etwa nur die Hälfte der Dragoner überhaupt über ein Pferd. Oft saßen daher zwei Dragoner auf einem Pferd. Falls überhaupt beritten, wurden die Dragoner als Vorhut eingesetzt, um die Vormarschwege zu räumen und zu sichern. Teilweise führten die Dragoner am Sattelknopf kleine Äxte mit, um Hindernisse entfernen oder sich auch zeitweise selbst verteidigen zu können. Zum Teil wurden unberittene Dragoner-Einheiten im Kampf auch als Musketiere eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte auch Sicherung und Deckung von Konvois, Patrouillen, Angriffe aus dem Hinterhalt, Bildung der Vor- und Nachhut. Ausführlich dargestellt bei ENGERISSER, Von Kronach, S. 468ff., FLIEGER, Die Schlacht, S. 123ff.  Eine Designation vom 13.7.1643 über die Verwendung des Werbegeldes bzw. die Abrechnung für einen Dragoner stellt 44 Gulden 55 Kreuzer in Rechnung. Vgl. WALLHAUSEN, Kriegs-Kunst zu Pferd. Zu den Waffen vgl. auch http://www.engerisser.de/Bewaffnung/Bewaffnung.html.

[15] Scharmützel: Unter Scharmützel (ital. „scaramuccia“, Geplänkel, Plänkelei, Treffen) verstand man eines der vielen kleineren Gefechte oder Handgemenge, aus denen dieser Krieg bestand. Kleinere Armeeeinheiten oder Streifkorps, z. T. auch größere Verbände von bewaffneten Bauern (vgl. Harzschützen), traten hier in einen zeitlich wie örtlich begrenzten Kampf ein. Auch Schlachten wurden zumeist mit Scharmützeln oder Plänkeleien eröffnet. Scharmützel waren in der Regel gekennzeichnet durch äußerste Brutalität. Allerdings konnten sie auch Auslöser eines größeren Treffens, einer Schlacht oder eines Krieges werden. Oft wurden Vor- oder Nachhut von Heeren durch Kroaten angegriffen, die in diesem kleinen Krieg bevorzugt eingesetzt wurden. Zum Teil kam es auch wegen der fehlenden Uniformierung zu verlustreichen Kämpfen mit eigenen Einheiten. oder „neutralen“ Einheiten. Am 15.1.1648 traf die kursächsische Besatzung Annabergs auf eine kaiserliche Streifschar, die man für Schweden hielt: „Beym Stillstand im Lande und instehenden Frieden ist doch im Gebürge beym Städtlein Thum ein seltzamer Scharmützel vorgegangen / indem dem 15. Jan. der in Annaberg liegende Obrist-Wachtmeister / Rudolph von Neitschütz / mit seinen zwo Compagnien auff den so genannten blinden Valentin / einen Kayserl. Rittmeister / welcher eine Raub-Parthie geführet / getroffen / daß bey diesem verwegenen Unternehmen unterderschiedliche geblieben und viel blessiret worden / auch in dieser scharffen Rencontre noch mehr auffgerieben werden sollen / wo nicht angeregter blinder Valten und Rittmeister Hanß Ernst einander erkennet und darauff beyderseits Partheyen von einander abgeführet hätten […]. Und dieser Thumische Scharmützel heisset catachrestice [seit der antiken Rhetorik unlogischer Gebrauch eines verwandten statt des nicht vorhandenen Ausdrucks] die Thumer Schlacht / wie Ihn weyland der gemeine Mann genennet hat“. MELTZER, Historia, S. 1363; ARNOLD, Annaberg, S. 283f.; GROHMANN, Obererzgebirge, S. 208. Der Erzgebirgschronist LEHMANN, Kriegschronik, S. 169f., datiert diesen Vorgang allerdings auf 1647: „Bey dem armistitio zwischen Chur-Saxen und denen Schwedischen wahr auch außbedinget worden, daß der Churfürst die streiffende rotten einfangen und sie verfolgen solte; das befahle der Churfürst allen Seinen regiementern in lande, und musten auch die 2 Compagnien, so auf den Annenberg, die Straßen bereiten und denen Mausparthien wehren. Nun wahr der keyßerliche leutenandt, insgemein der blinde Valtin [Valten Hanke; BW] genandt, mit 80 Pferden, meist Freyreutern auß Lignitz nach Erfurt und Eisenach gegangen den 12. Januarii, hatte bey Eckersberg die leipziger Fuhrleute, welche eine wagenburg gemacht und sich gewehret, theils uberwaltiget, 10 Personen todt geschoßen und 20 beschedigt, dargegen 2 tode gelaßen und ezliche beschedigte mitgenommen, darmit kam er biß nach Burckersdorf ins gebirg, griff do wieder die Leipziger fuhr an auß den gebirg. Alß solches die 2 Compagnien uff den Annenberg untter den Obrist-Wachmeister Rudolph von Neidschiz gehöret, sindt sie Churfürstlichen Befehl zue folge ihm entgegengezogen, derselben auf freyen felde bey den Städtlein Thum auf einer höhe angetroffen. Rittmeister Landtmann [Langmann] nimmt einen Cornet mit 20 Pferden zu sich, jagt voran und fragt, warumb er als freundt in Meißen so raube und streiffe, und weil der Valten kein gut word giebet, greyffen Sie beyde zum gewehr, Landtmann trift den Valten in arm, Valten aber schießt Landtmann auch wundt und den Cornet todt, seine reuter schneiden die beuten und Säcke voll sammet und seiden von Pferden und schoßen Sich mit den Churfürstlichen eine Virtelstunde herumb, daß von Churfürstlichen der Ritmeister (bekam 3 schöße), 1 leutenandt, 1 Cornet und 5 reuter tödtlich, 7 beschedigt. Der blinde Valten hatte 16 beschedigte, ließ 5 reuter und seine beute hinder sich und ging eilendt in Böhmen. Das ist geschehen den 15. Januar Freytag nach den 1. Sontag Epiphanias. Die keyßerlichen waren meist feste [durch magische Praktiken kugelfest, BW] sonst würden sie mehr eingebüst haben. Der Cornet wurde den 3. Februar zum Annenberg in die kirche begraben“.

[16] Musketier: Fußsoldat, der die Muskete führte. Die Muskete war die klassische Feuerwaffe der Infanterie. Sie war ein Gewehr mit Luntenschloss, bei dem das Zündkraut auf der Pulverpfanne durch den Abzugsbügel und den Abzugshahn mit der eingesetzten Lunte entzündet wurde. Die Muskete hatte eine Schussweite bis zu 250 m. Wegen ihres Gewichts (7-10 kg) stützte man die Muskete auf Gabeln und legte sie mit dem Kolben an die Schulter. Nach einem Schuss wichen die Musketiere in den Haufen der Pikeniere zurück, um nachladen zu können. Nach 1630 wurden die Waffen leichter (ca. 5 kg) und die Musketiere zu einer höheren Feuergeschwindigkeit gedrillt; die Schussfolge betrug dann 1 bis 2 Schuss pro Minute (vgl. BUßMANN; SCHILLING, 1648, Bd .1, S. 89). Die zielfähige Schussweite betrug ca. 300 Meter, auf 100 Meter soll die Kugel die damals übliche Panzerung durchschlagen haben. Die Treffsicherheit soll bei 75 Metern Entfernung noch 50 % betragen haben. Die Aufhaltewirkung war im Nahbereich sehr hoch, die Getroffenen sollen sich förmlich überschlagen haben. Je nach Entfernung sollen jedoch im Normalfall nur 5-7% aller abgegebenen Schüsse eine Wirkung im Ziel gehabt haben. Vgl. WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß. Zudem rissen sie auf etwa 10 Meter Entfernung etwa dreimal so große Wundhöhlen wie moderne Infanteriegeschosse. Ausführlich beschrieben wird deren Handhabung bei ENGERISSER, Von Kronach nach Nördlingen, S. 544ff. Eine einfache Muskete kostete etwa 3 ¼ Gulden, die qualitativ besseren Suhler Waffen das Doppelte, so dass seine Ausrüstung nicht so kostenintensiv war. Die Muskete löste das Handrohr ab. Die ab 1630 im thüringischen Suhl gefertigte schwedische Muskete war etwa 140 cm lang bei einer Lauflänge von 102 cm und wog etwa 4,5 – 4,7 kg bei einem Kaliber von zumeist 19,7 mm. Sie konnte bereits ohne Stützgabel geschossen werden, wenngleich man diese noch länger zum Lade- und Zielvorgang benutzte. Die Zerstörung Suhls durch Isolanos Kroaten am 16./26.10.1634 geschah wohl auch in der Absicht, die Produktionsstätten und Lieferbetriebe dem Bedarf der schwedischen Armee endgültig zu entziehen. BRNARDÍC, Imperial Armies I. Für den Nahkampf trug er ein Seitengewehr – Kurzsäbel oder Degen – und schlug mit dem Kolben seiner Muskete zu. In aller Regel kämpfte er jedoch als Schütze aus der Ferne. Deshalb trug er keine Panzerung, schon ein leichter Helm war selten. Eine einfache Muskete kostete etwa 3 ¼ Gulden, die qualitativ besseren Suhler Waffen das Doppelte, so dass seine Ausrüstung nicht so kostenintensiv war. Im Notfall wurden die Musketiere auch als Dragoner verwendet, die aber zum Kampf absaßen. MAHR, Monro, S. 15: „Der Musketier schoß mit der Luntenschloßmuskete, die wegen ihres Gewichtes [etwa 5 kg] auf eine Gewehrgabel gelegt werden mußte. Die Waffe wurde im Stehen geladen, indem man den Inhalt der am Bandelier hängenden hölzernen Pulverkapseln, der sog. Apostel, in den Lauf schüttete und dann das Geschoß mit dem Ladestock hineinstieß. Verschossen wurden Bleikugeln, sog. Rollkugeln, die einen geringeren Durchmesser als das Kaliber des Laufes hatten, damit man sie auch bei Verschmutzung des Laufes durch die Rückstände der Pulvergase noch einführen und mit Stoff oder Papier verdämmen konnte. Da die Treffgenauigkeit dieser Musketen mit glattem Lauf auf die übliche Kampfentfernung von maximal 150 Metern unter 20 Prozent lag, wurde Salvenschießen bevorzugt. Die Verbände waren dabei in sog. Treffen aufgestellt. Dies waren Linien zu drei Gliedern, wobei das zweite Treffen etwa 50 Schritt, das dritte 100 Schritt hinter der Bataille, d. h. der Schlachtlinie des ersten Treffens, zu stehen kamen, so daß sie diese bei Bedarf rasch verstärken konnten. Gefeuert wurde gliedweise mit zeitlichem Abstand, damit für die einzelnen Glieder Zeit zum Laden bestand. Ein gut geübter Musketier konnte in drei Minuten zwei Schuß abgeben. Die Bleigeschosse bis zu 2 cm Kaliber verformten sich beim Aufprall auf den Körper leicht, und es entstanden schwere Fleischwunden. In den Kämpfen leisteten Feldscherer erste Hilfe; doch insgesamt blieb die medizinische Versorgung der Verwundeten mangelhaft. Selbst Streifschüsse führten oft aufgrund der Infektion mit Tetanus zum Tode, erst recht dann schwere Verletzungen“. Der Hildesheimer Arzt und Chronist Dr. Jordan berichtet den einzigen bisher bekannten Fall (1634), dass sich unter den Gefallenen eines Scharmützels auch ein weiblicher Musketier in Männerkleidern gefunden habe. SCHLOTTER; SCHNEIDER; UBBELOHDE, Acta, S. 194. Allerdings heißt es schon bei Stanislaus Hohenspach (1577), zit. bei BAUMANN, Landsknechte, S. 77: „Gemeiniglich hat man 300 Mann unter dem Fenlein, ist 60 Glied alleda stellt man welsche Marketender, Huren und Buben in Landsknechtskleyder ein, muß alles gut seyn, gilt jedes ein Mann, wann schon das Ding, so in den Latz gehörig, zerspalten ist, gibet es doch einen Landsknecht“. Bei Bedarf wurden selbst Kinder schon als Musketiere eingesetzt (1632); so der Benediktiner-Abt Gaisser; STEMMLER, Tagebuch Bd. 1, S. 181f.; WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß; BRNARDÍC, Imperial Armies I, S. 33ff.; Vgl. KEITH, Pike and Shot Tactics;  EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 59ff.

[17] Hagelbüchse: Geschütz, das Hagel zu 10 Pfd. verschoss, klein gehacktes oder gesprungenes Blei, Eisen und Nägel, auch die Kartätschenfüllung, was auf kürzere Entfernung fürchterliche Wunden riss. Vgl. auch die zeitgenössische Darstellung anlässlich der Belagerung Nördlingens 1634 durch die Kaiserlichen; KESSLER, Belagerung, S. 38: „Das große Hagelgeschütz hat man mit Hagelsteinen, Hufnägeln und Klötzblei bei 1.000 Stück an der Zahl, welches in einem Fäßlein hineingeschoben worden, auf eine neu gemachte und mit Erde ausgefüllte Brücke gestellt und gegen die erwartete Bresche in Stellung gebracht. Desgleichen hat man auf dem Wall 3 Hagelgeschütze mit viel Musketenkugeln voll eingefüllt, geladen und gerichtet zu dem Ende, wenn es zum Einbruch komme, daß man sie losgehen lassen wolle. Das große Hagelgeschütz, das einige hundert auf einen Schuß hinweggenommen hätte, ist also […] scharf geladen worden“.

[18] Stück: Man unterschied Kartaunen [Belagerungsgeschütz mit einer Rohrlänge des 18-19-fachen Rohrkalibers [17,5 – 19 cm], verschoss 40 oder 48 Pfund Eisen, Rohrgewicht: 60-70 Zentner, Gesamtgewicht: 95-105 Zentner, zum Vorspann nötig waren bis zu 32 Pferde: 20-24 Pferde zogen auf einem Rüstwagen das Rohr, 4-8 Pferde die Lafette]; Dreiviertelkartaune: langläufiges Geschütz mit großer Reichweite, Rohrlänge 16-17faches Kaliber, schoss 36 Pfund Eisen. Vgl. MIETH, Artilleria Recentior Praxis; halbe Kartaunen [langläufiges Geschütz mit großer Reichweite, Rohrlänge 32-34-faches Kaliber (10,5-11,5 cm), schoss 8-10 Pfund Eisen. Das Rohrgewicht betrug 22-30 Zentner, das Gesamtgewicht 34-48 Zentner. Als Vorspann wurden 10-16 Pferde benötigt].

Viertelkartaune: „ein stück, welches 12 pfund eisen treibt, 36 zentner wiegt, und 24 kaliber lang ist. man hält diese stücke in den vestungen für die allerbequemste“ [GRIMM; GRIMM, DWB]. Meist als Feldschlange bezeichnet wurde auch die „Halbe Schlange“: langläufiges Geschütz mit großer Reichweite, Rohrlänge 32-34-faches Kaliber (10,5-11,5 cm), schoss 8-10 Pfund Eisen. Das Rohrgewicht betrug 22-30 Zentner, das Gesamtgewicht 34-48 Zentner. Als Vorspann wurden 10-16 Pferde benötigt; die „Quartierschlange“: 40-36-faches Kaliber (6,5-9 cm), Rohrgewicht: 12-24 Zentner, Gesamtgewicht: 18-36 Zentner, Vorspann: 6-12 Pferde; Falkone: 39-faches Kaliber Rohrgewicht: 14-20 Zentner, Gesamtgewicht: 22-30 Zentner, Vorspann: 6-8 Pferde; Haubitze als Steilfeuergeschütz, 10-faches Kaliber (12-15 cm), zumeist zum Verschießen von gehacktem Blei, Eisenstücken („Hagel“) bzw. Nägeln verwendet; Mörser als Steilfeuergeschütz zum Werfen von Brand- und Sprengkugeln (Bomben). Angaben nach ENGERISSER, Von Kronach nach Nördlingen, S. 575 ff. Pro Tag konnten etwa 50 Schuss abgegeben werden. „Vom Nürnberger Stückegießer Leonhard Loewe ist die Rechnung für die Herstellung zweier jeweils 75 Zentner schwerer Belagerungsgeschütze erhalten, die auf den heutigen Wert hochgerechnet werden kann. An Material- und Lohnkosten verlangte Loewe 2.643 Gulden, das sind ca. 105.000 bis 132.000 Euro. Das Material und der Feuerwerker-Lohn für den Abschuss einer einzigen 24-pfündigen Eisenkugel aus diesen ‚Halben [?; BW] Kartaunen’ kosteten fünf Reichstaler – mehr als die monatliche Besoldung eines Fußsoldaten“. EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 81; SCHREIBER, Beschreibung, bzw. Anleitung, 3. Kapitel.

[19] Dresden; HHSD VIII, S. 66ff.

[20] Falkonett: leichtes Feldgeschütz, das von einem Pferd gezogen werden konnte. Das Falkonett verschoss 3-pfündige Eisengeschosse bei einem Kaliber von 7, 2 cm. Es wurde bevorzugt gegen lebende Ziele eingesetzt.

[21] Schanzkörbe: Aus Weidengeflecht hergestellte hohe Körbe, die mit Erde gefüllt vor Geschützstellungen und Schanzen zur Deckung der Soldaten gegen feindliches Feuer aufgestellt wurden. Die Herstellung dieser Körbe, zwangsweise wurden auch Bürger und Bauern herangezogen, leitete ebenso wie den Schanzenbau der so genannte Schanzmeister.

[22] Approchen: Approchen ist die Bezeichnung für die Laufgräben (Annäherungswege) bei der militärischen Belagerung von Festungen. Das Wort ist eine Eindeutschung des französischen Verbes s’approcher, sich nähern. Es handelt sich um eine Anlage, die der Angreifer einer Festung anlegen musste, bevor die Festung erstürmt werden konnte. Mit Hilfe einer Erdwalze (Sappe) konnte sich der Angreifer an die Festungsmauern heranarbeiten, um sie durch ein anschließendes Unterminieren zum Einsturz zu bringen. Mit Hilfe der Approchen konnte der Angreifer das Vorgelände gedeckt überschreiten. Sappen wurden von den zu den ingenieurtechnischen Truppen gehörenden Sappeuren angelegt, die über besondere Ausrüstung wie z.B. Schanzkörbe verfügten oder den typischen, breitkrempigen Eisenhelm zum Schutz vor Geschossen, welche die Verteidiger von oben abschossen. Bei mittelalterlichen Burgbelagerungen wurden Sappen häufig eingesetzt, um das Mauerwerk der belagerten Festung aufzubrechen und die Mauer so weit auszuhöhlen, dass sie, evtl. durch Verbrennen des Stützgebälks, zum Einsturz gebracht werden konnte. Die Approchen bestanden aus einem Graben von etwa 2,5 m Sohlenbreite und etwa 1,25 m Tiefe, der bis zur 3. Parallele im Zickzack geführt auf der der Festung zugekehrten Seite mit einer etwa 1 m hohen Erdschüttung versehen war. Die einzelnen Approchenzüge legte man vor den einspringenden Winkeln der Festungswerke an und führte die einzelnen Schläge so, dass ihre Verlängerung mindestens 50 m vor dem weitest vorspringenden Festungswerk vorbeischlug. Jeder vorwärtige Schlag wurde bogenförmig über den rückwärtig hinaus nach hinten verlängert, was man Haken oder Crochet nannte. Diese Haken dienten als Ausweichstellen und der Aufstellung kleinerer Wachposten. Die zickzackförmigen Approchen wurden als einzelne Sappen ausgeführt. In geringerer Entfernung zur Festung, etwa von der zweiten Parallele an, kam die vom Sappeur mit Wälzkorb und sonstigem Hilfsgerät auszuführende völlige Sappe, später (ab etwa 1870) die einfache Erdwalze zur Anwendung. In nächster Nähe zur Festung, etwa vom Fuß des Glacis ab, hätten die Zickzacks allzu spitzwinklig werden müssen, um gegen bestreichendes Feuer geschützt zu sein. Man ging deshalb auf dieser Strecke von der Anwendung der Zickzacks ab und führte hier die Approchen derartig in gerader Richtung auf die Saillants der Angriffsfront weiter, dass sie durch Traversierung (Traversensappe, Würfelsappe) gegen bestreichendes Feuer geschützt wurden. Die Anlage von Approchen seitens der Angreifer wurde von den Verteidigern durch die langjährige Anpflanzung von tiefwurzelnden Pflanzen auf dem Glacis der Festung erschwert. [wikipedia]

[23] Trommelschläger: Trommler (Tambour) wurden bei den Armeen auch als Boten eingesetzt, deren Aufgabe darin bestand, im feindlichen Lager als Kundschafter zu fungieren.

[24] Feuerkugel: mit Brandsatz versehenes, aus Mörsern abgefeuertes Geschoss mit Spreng-, Brand- und Leuchtwirkung, das von Mörsern im Steilfeuer über die Stadtmauer geschossen werden konnte.

[25] Granatkugel: eiserne Sprengkugel als „eine spezielle form der granate älteren gebrauchs, die auch in der feuerwerkskunst verwendet wurde“ [GRIMM; GRIMM, DWB]. => Handgranaten: runde, mit Pulver gefüllte Eisenkugeln, die mit einer Lunte gezündet wurden. Granaten können, als selten erhaltene Beispiele damaliger Feuerwerkerkunst, noch heute in den Kunstsammlungen der Veste Coburg besichtigt werden. Während die Handgranaten aus runden, mit Pulver gefüllten Eisenkugeln bestanden und mit einer Lunte gezündet wurden, gab es auch schon Fallgranaten, die beim Aufschlag mittels eines Reibungszünders explodierten. Granadiere waren ursprünglich Soldaten, die Handgranaten gegen den Feind schleuderten. Bereits 1631 wurden sie bei der Eroberung Frankfurt a. d. Oder von den Iren eingesetzt; MAHR, Monro, S. 112. Als Generalmajor Lars Kagge 1634 in Regensburg belagert wurde, forderte er zu dieser gefährlichen Tätigkeit – ihre Splitter konnten bis zu 50 Schritte gefährlich werden – Freiwillige gegen höheren Sold auf und wurde so der Schöpfer der Granadiere. Chemnitz, S. 467, beschreibt bei dieser Gelegenheit erstmalig den Einsatz von Handgranaten: ‚Gebrauchte sich [der Gen. Maj. Kagg] hierunter zuforderst der handgranaten, den Feind in confusion zubringen, nachgehends, wann solches geschehen, der Kurtzen wehren [Helmbarten] zum niedermetzeln. Wobey er jennige, so die handgranaten zu erst geworffen, mit einer gewissen recompens [nach Heilmann 2 Reichstaler] zu einer so gefährlichen action angefrischet‘. ENGERISSER, Von Kronach, S. 277.

[26] Mörser, Mortier (frz.): Steilfeuergeschütz zum Werfen von Brand- oder Sprengkugeln (Bomben) mit einem Kugelgewicht zwischen 25 Pfund (1/16 Mörser) und mehreren Zentnern (ganzer Mörser, Kaliber 5-15 Zoll).

[27] Kartaune, halbe: langläufiges Geschütz mit großer Reichweite, Rohrlänge 22-faches Kaliber (15 cm), schoß 24 Pfund Eisen. Das Rohrgewicht betrug 40-45 Zentner, das Gesamtgewicht 70-74 Zentner. Als Vorspann wurden 20-25 Pferde benötigt. ENGERISSER, Von Nördlingen, S. 579. Das Material und der Feuerwerker-Lohn für den Abschuss einer einzigen 24-pfündigen Eisenkugel aus den „Halben Kartaunen“ kostete fünf Reichstaler – mehr als die monatliche Besoldung eines Fußsoldaten“. EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 81

[28] Johann Siegmund v. Liebenau [1607-14.9.1671], kursächsischer Obristleutnant. Vgl. UHLMANN, Johann Siegmund v. Liebenau.

[29] Spada: Schwert, Degen, Klinge.

[30] Bastone: Stock, Stab; möglicherweise Prügel gemeint..

[31] Christoph Simon Graf v. Thun [1615-14.11.1643], kaiserlicher Obrist.

[32] Torsten Stålhandske [Stolhanscha, Stahlhandschuh, Stahlhanndtschuch, Stalhans, Stallhans, Stalhansch, Stallhuschl, Stalhanß, Stallhaus] [1594 Porvoo/Borgå (Finnland)-21.4./1.5.1644 Haderslev/Nordschleswig], schwedischer Generalmajor.

Johan Stalman [ – ], schwedischer Hof- und Kriegsrat.

[33] Zittau [LK Görlitz]; HHSD VIII, S. 371ff.

[34] Heinrich v. Schlick [Schlik], Graf zu Bassano [Passaun] u. Weißkirchen [1580-5.1.1650 Wien], kaiserlicher Feldmarschall, Hofkriegsrat.

[35] Bad Schandau [LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge]; HHSD VIII, S. 16f.

[36] Regenkugel: bey den Kriegsfeuerwerkern eine Art von Feuerkugel, welche in den Approchen und an Orten, wo Holz und Stroh liegt, viel Schaden verursacht. Sie ist mit geschmolzenem Zeuge, Handgranaten und Schlägen gefüllt, und breitet das Feuer weit umher. Doch gibt es verschiedene Arten derselben, wie aus nachstehender Beschreibung erhellet“ [KRÜNITZ].

[37] Reichsvogt: Im Deutschen Reich bis 1806 setzte der König zur Verwaltung von Gebieten mit Krongütern und der Ausübung seiner dortigen Gerichtsbarkeit Reichsvögte ein. Den Mittelpunkt bildeten die Reichsstädte als Königspfalzen. Nach dem Erstarken der Städte und Territorien wurden die Reichsvogteien meist zu Land- und Stadtvogteien und wurden dann von den Reichsstädten übernommen.

[38] archibusieren: zur Strafe mit einer Arkebuse erschießen, im Militärrecht als Strafe für untere Dienstränge (z. B. Art. 43 des schwedischen Militärrechts) vorgesehen, noch nach dem Dreißigjährigen Krieg üblich; GÖRLICH, Geschichte, S. 501. HERBST berichtet in seiner Chronik von Greiffenberg: „1649 den 3. Novemb. seiner Diebereÿ auf dem Markte Archibusiret, und nieder geschoßen, und weill er die ersten 2 Schüße nicht recht troffen worden, stund er wieder auf, und hätte sich lieber loß gemacht ward aber also balde wieder vor den Kopff geschoßen, und alßo hingerichtet“. HERBST, Chronik, S. 50. Gefangene Soldaten, die sich nicht unterstecken lassen wollten, wurden ebenfalls arkebusiert. Vgl. SEMLER, Tagebücher, S. 174 (1634), S. 359 (1638). GÜTHEN; SCHAUBACH, Poligraphia Meiningensis, S. 268 [1642]: „In solcher Zeit hat ein Reuter einen armen Taglöhner, Linhard Schleichern, auff dem Unter-Rasen über seiner Arbeit mit vielen Hieben und Stichen dergestalt ohne einige gegebene Ursach verwundet, daß er vor tod herein getragen worden, gleichwol durch Gottes Gnad und angewänden Fleiß der Wund-Aertzte wieder zu recht gebracht, der Reuter aber ist, andern zum Abscheu, auff dem Marckt allhier archibusiret worden“. Die Arkebuse (später Karabiner genannt) war ein kurzes Gewehr, eine Waffe für leichte Kugeln, die in freiem Anschlag verwendbar war; bei der Infanterie als Handrohr, Büchse oder Arkebuse, bei der Kavallerie als Karabiner oder Faustrohr (Pistole mit Radschloss). Sie erhielt ihren Namen vom hakenförmigen Hahn der Luntenklemme, der das Pulver in der Zündpfanne entzündete.

[39] Rudolf [Rudolfo] Graf Colloredo [Coloredo, Coloreto, Coleredo, Colredo, Kolloredo]-Waldsee [Wallsee] [2.11.1585 Budweis-24.2.1657 Prag], kaiserlicher Feldmarschall.

[40] spielen [mit den Stücken]: Einsatz, Abfeuern (der Feldgeschütze) als Terminus technicus: „mit den Geschützen spielen“, um die Moral des Gegners zu schwächen.

[41] Kraut und Lot: Pulver und Blei.

[42] Bresche, brescia, bresica: durch Geschützfeuer erreichte Sturmlücke in der Stadtmauer. Die damals angewandte Methode, eine Mauerbresche zu schießen, sah so aus, daß man eine Geschützbatterie frontal auf die zu brechende Mauer richtete und zwei kleinere Batterien im Winkel von ca. 30-45 Grad zu beiden Seiten anlegte, durch welche die gelockerte Mauersubstanz zusätzlich herausgehebelt wurde. [ENGERISSER]

[43] Pirna; HHSD VIII, S. 276ff.

[44] köstlich: teuer.

[45] Rottknecht: Führer einer militärischen Rotte, rangmäßig unter dem Rottmeister stehend.

[46] Leutnant: Der Leutnant war der Stellvertreter eines Befehlshabers, insbesondere des Rittmeisters oder des Hauptmanns. Wenn auch nicht ohne Mitwissen des Hauptmannes oder Rittmeisters, hatte der Leutnant den unmittelbarsten Kontakt zur Kompanie. Er verdiente je nach Truppengattung monatlich 35-60 fl.

[47] WEBER, Das Schloß Tetschen während des 30jährigen Krieges 1631 u. f., S. 46ff.

[48] Leopold Wilhelm Erzherzog v. Österreich [5.1.1614 Wiener Neustadt-20.11.1662 Wien], kaiserlicher Feldherr. Vgl. die ausgezeichnete Dissertation von SCHREIBER, Leopold Wilhelm; BRANDHUBER, Leopold Wilhelm; DEMEL, Leopold Wilhelm.

[49] Bad Neustadt/Saale [LK Rhön-Grabfeld], HHSD VII, S. 59f.

[50] Kriegskommissar: Bevollmächtigter des Kriegsherrn zur Eintreibung von Kriegssteuern (Kontribution). Als Quartierkommissarius legte er darüber hinaus die Einquartierungen der Soldaten fest. (Der Quartiermeister bzw. Fourier sorgte dann für deren praktische Umsetzung; vgl. s. v. „Fourier“.) Der „Musterkommissarius“ führte in landesherrlichem Auftrag die Musterungen durch und überwachte die Zusammensetzung des Heeres. Musterkommissare waren bei gemeinen Soldaten wie Offizieren gleichermaßen verhasst, da sie Manipulationen und Betrügereien auf den Musterplätzen zu unterbinden suchten: Söldner erschlichen sich vielfach Sold, indem sie sich unter verändertem Namen mehrfach mustern ließen, Offiziere führten zuweilen mehr Männer in den Soldlisten, als tatsächlich vorhanden waren, um die eigene Tasche mit den überschüssigen Löhnungen zu füllen (vgl. BURSCHEL, Söldner, S. 120ff.). Auch hatten sie die Abdankungen und die Zusammenlegung und Neuformierung kleiner Einheiten zu überwachen. Der Anteil der Kontributionsgelder an den Einkünften der Generalkriegskommissare und Kriegskommissare betrug bis zu 30 %. So erhielt z. B. der kurbayerische Kriegskommissar Christoph von Ruepp vom 18.1.1621 bis 30.4.1633 95.341 fl., davon 30.347 fl. Kontributionsgelder. DAMBOER, Krise, S. 51. In einer Landtagsbeschwerde des Gerichtes Hörtenberg wird geklagt, daß bei Durchzügen „auch tails beglaitcommissari den unntertonnen mehr schwed- als nutzlich sein, in deme sy mer dem soldaten beifallen, unnd in ansuechenden unerzeuglichen sachen recht geben, als den unnderthonnen obhabennden gebierennden schutz erweisen“. SCHENNAT, Tiroler Landesverteidigung, S. 63.

[51] BADURA; KOČĺ, Der große Kampf, S. 366.

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