Tonbecker, N

Tonbecker, N; Offizier [ – ] N Tonbecker [ – ] stand als Offizier in den Diensten des Söldnerführers Ernst von Mansfeld.[1]

1623 ließ der unter Mansfeld dienende Carpzow[2] seine Frau wegen Ehebruchs[3] durch seinen Regimentsscharfrichter[4] hinrichten. Diese hatte sich noch im Juni 1620 für seine Freilassung aus kaiserlicher Gefangenschaft verwendet.[5] Das „Theatrum Europaeum“[6] berichtet über diese Affäre: „Eben auff den Tag / da die Braunschweigische[7] von den Tillischen[8] geschlagen worden / nemblich den 27. Julii [1623][9] hat der Manßfeldische Obriste[10] Carpezan sein eigen Weib zu Lemmingen[11] in Ost-Frießland enthaupten[12] lassen: darmit ist es also hergangen. Der Graff von Manßfeld hat die vornembste Herrn und Obristen / die in seinem Läger waren / zu Gast geladen. Wie sie nun sämptlichen ziemlich bezecht waren / hat sichs zugetragen / daß dem Carpenzan in Schimpff und Ernst über der Taffel angemeldet wurde / daß sein Weib mit einem Herrn / so daselbst zugegen war / zuhielte. Als er dieses verstanden / ward er voll Zorns und Eyffer / und nam ihm für sein Weib darumb zu straffen. Doch fragte er gedachten Herrn / ob etwas daran wäre ? der antwortete ihm lachenden Mundes; Sie buhlet nicht allein mit mir / sondern auch mit etlichen andern / die geringers Stands sind / dann ich / darüber sich Carpenzan noch mehr erzürnet / und alsbald vom Tisch auffstund / und zu seinem Weib gieng / die bey etlichen Weibern in einem andern Gemach war / deren sagt er an / sie sollte sich fertig machen / er wolle wieder gen Lemmingen in sein Quartier sich begeben. Sie gedachte nichts arges / packte demnach ihre Sachen alsobald zusammen / und fuhr gegen Abend mit ihm ins Quartier. Als er aber daselbst angelanget / ließ er stracks den Prediger desselben Orts zu ihm kommen / unnd gab ihm zu verstehen / daß sein Weib ein Hur[13] und Ehebrecherin wäre / darumb er entschlossen wäre / sie mit dem Schwerd hinrichten zulassen; begehrte derwegen von ihm / er sollte sie unterrichten / und daran seyn / daß sie mit wahrer Rew und Erkändtnuß ihrer Sünden sterben möchte. Er ließ auch den Scharffrichter seines Regiments holen / welcher die Exekution thun sollte. Als seinem Weib solches angedeutet wurde / erschrack sie hefftig / und fiel für ihrem Mann auff die Knie nider / und bath umb Gnad und Fristung ihres Lebens: darbey sie ihm versprach / wann er ihr das Leben schencken würde / sie sich alsbald von dannen packen / und so weit von ihm ziehen wolte / daß er kein Wort von ihr hören solte / als wann sie nicht mehr bey Leben wäre. Aber Carpezan war von Zorn entbrandt / und wolt kein Flehen unnd Bitten bey ihm statt haben. Der Scharffrichter entsatzte sich selber / daß er seines Obristen Weib richten solte / wäre derhalben gern wieder von dannen und dieser Arbeit überhaben gewesen. Endlich aber grieff Carpezan im Zorn nach deß Scharffrichters Schwerdt / und als er dasselbe in Händen hatte / entblößt er seinem Weib den Halß / und schickte sich / als wann er selber die Execution thun wollte. Dem Scharfrichter war nicht wol bey diesen Dingen / und stund in Sorgen / es möchte der Obriste den Zorn über ihn außgiessen / und ihm den Kopff herunter hawen / forderte derhalben sein Schwerdt wieder ein / und als er es bekommen / schlug er dem Weib das Haupt ab; die ließ darauff Carpezan mit ihren Kleydern in ein Leichbahr / welche er in der Eyl hatte machen lassen / werffen / und begraben. Er hatte lang mit ihr im Ehestand gelebet / und fünff Kinder gezeuget. Als nun dieser Process erschollen / hatte ein jeder ein Abschewen vor ihm / und wollte niemand mit ihm zuthun haben. Wie er in Holland kam / lieffen ihm die Weiber und Kinder auff der Gassen nach / und hat ein wenig gefehlet / daß sie ihn nicht mit Steinen zu todt geworffen hätten”.[14]

„Den Ostfriesen bleiben indessen aus der mansfeldischen Armee noch zwey Personen merkwürdig, der Obrist-Lieutenant[15] Ferenz,[16] weil er selbst ein gebohrener Ostfriese, und ein Sohn des vorhin so oft erwähnten Cantzlers Franzius, oder eigentlich Ferentz gewesen, und dann der Generalwachtmeister[17] und Obriste Joachim von Carpitzo wegen der an seiner Frau hier in der Provinz begangenen Grausamkeit. Die Geschichte hängt so zusammen: Carpitzo, und mit ihm andere Officiere wurden von dem Grafen von Mansfeld in seinen Stand-Quartiere zu Leer[18] bewirthet. In dieser muntern Gesellschaft wurden bey einem Glase Wein viele Leibes-Geschichten erzählet: Carpitzo wurde mit der leichtfertigen Aufführung seiner Frau selbst geschoren. Dieses verdroß ihn. In einem ernsthaften Tone verlangte er von dem Officiere, der diese vorbrachte, nähere Aufklärung. Dieser erwiederte, sie buhlet mit mir selbsten, und vielen anderen geringeren Standes. Der General-Wachtmeister stand sofort von der Tafel auf, gieng in das Nebenzimmer worinn seine Frau mit anderen Damen sich belustigte, und befahl ihr, ihm nach Jemgum[19] zu folgen. Hier stellte er ihr ihre Unzucht vor, und machte ihr die Strafe bekannt, die er über sie verhängen wollte. Sie sollte enthauptet werden. Alles ihr Bitten, ihr Flehen, das Versprechen der Besserung, ihr Vorschlag, sich von ihm auf immer zu trennen, fruchtete nichts.

Er blieb feste bey seinem Vorsatze, und ließ einen Priester holen, der sie zum Tode vorbereiten sollte. Sie mußte sich denn in ihr Schicksal fügen, betete mit dem Priester, genoß in der Kirche das Abendmal, und wurde dann des folgenden Tages am 28. Juli (1623) in einen Saal geführet. Hier befand sich Carpitzo mit seinem Scharfrichter. Er, Carpitzo, entblößte selbst seiner Frau den Hals. Nun befahl er dem Scharfrichter, sein Amt zu verrichten. Wie dieser aber zögerte, so riß er ihm das Schwerd aus den Händen, und wollte die That selbst verrichten. Der Scharfrichter sah nun den Ernst seines Obristen, bat sich das Schwerd wieder zurück, erhielt es, und schlug der Frau Obristen den Kopf herunter. Sie hieß Anna Rosina, war adlichen Herkommens, 10 Jahre mit Carpitzo verheyratet gewesen, und hatte ihm 5 Kinder zur Welt gebracht. Diese Geschichte erweckte dem Obristen viel Nachreden, besonders machte er sich bey dem Frauenzimmer dadurch sehr gehässig. Wie er nach dem mansfeldischen Abzuge nach Holland gieng, wäre er beynahe von den eifrigen Matronen gesteiniget worden. Um den Nachreden auszuweichen, lie0 er bald nach dem Tode seiner Frau verschiedene Zeugen durch mansfeldische Officiere zu Leer abhören. Nach diesem Zeugen-Verhöre soll denn zum Nachtheil der enthaupteten Obristin deponiret seyn, daß sie mit verschiedenen Personen, besonders mit einem Lieutenant[20] Friedrich von Walda[21] unerlaubten Umgang gepflogen, und daß ein Officier Tonbecker sie öffentlich eine Hure gescholten habe, und sie diesen durch den Lieutenant von Walda habe erstechen lassen. Auch sollen einige Zeugen ausgesaget haben, daß sie ihrem Ehemann Carpitzo gefluchet, und gewünschet habe, daß ihn der Donner und Hagel zerschlagen möchte. Dabey soll sie heimlich gedrohet haben, ihn mit Gift aus dem Wege zu räumen. Aus diesem Zeugen-Verhöre verfertigte Carpitzo für sich eine Apologie, die er unter dem folgenden Titel abdrucken ließ: Verclaringhe, uyt wat reden ende Orsaeken des wohledlen, gestrengen, manhafften Ioachim von Karpitzo by haere Vorstel. Gnad. H. Gener. von Mansveld looflyken Armée bestelten Genèral-Wachtmeister ende Oversten Echte-Vrouwe vant leeven ten dode, door het Swaert gerichtet worden 1623. An dem Schlusse fügte er hinzu, daß er ihr den Vorschlag gethan, sich gerichtlich von ihm scheiden zu lassen, daß sie diesen Vorschlag verworfen habe, und er zur Befriedigung seines Gewissens sich verpflichtet gesehen habe, sie hinrichten zu lassen“.[22]

Um weitere Hinweise unter Bernd.Warlich@gmx.de wird gebeten !

[1] Ernst Graf v. Mansfeld [1580 Luxemburg- 30.11.1626 Rakovica bei Sarajewo], Söldnerführer. Vgl. KRÜSSMANN, Ernst von Mansfeld.

[2] Joachim v. Carpzow [Carpe(n)zon, Carpezan, Carpezano, Carpenzahn, Carpenzan, Karpzow, Karpezon, Carpso, Carpitzo] [1585 Brandenburg a. d. Havel-1628 Glückstadt] [1585 Brandenburg a. d. Havel-1628 Glückstadt], mansfeldischer Obrist, Generalwachtmeister.

[3] Ehebruch: Im Art. 120 [CCC, S. 33] hatte die „Constitutio Criminalis Carolina“ Karls V. in Berücksichtigung des Kanonischen Rechts den Ehebruch des Mannes mit dem der Frau gleichgestellt und nur beiden Ehegatten das Recht auf Klage zugestanden. Hinsichtlich der Bestrafung verwies die Carolina auf deutsches und kaiserliches Recht, welche Strafe im Einzelfall anzuwenden war, blieb daher unklar. Deshalb blieb die Bestrafung in den einzelnen Territorien sehr unterschiedlich. Die Strafen reichten von Köpfen und Verbrennen bis hin zum Pranger, Stäupen oder Gefängnis. Die erwähnte Geldstrafe (MDSZ, HAPPE I 171v) muss dem Erfurter Chronisten KRAFFT und auch anderen seiner Zeitgenossen als äußerst milde Bestrafung erschienen sein. So ließ der braunschweigische Obrist und Generalquartiermeister Joachim von Carpe(n)zon, braunschweigischer Obrist und Generalquartiermeister, 1623 seine Frau wegen Ehebruchs durch seinen Regimentsscharfrichter hinrichten; THEATRUM EUROPAEUM 1. Bd., S. 749f.; WIARDA, Ostfriesische Geschichte 4. Bd., S. 196ff.; THEATRUM EUROPAEUM 1. Bd., S. 951. Die Bestrafung war im militärischen Bereich vom Personalmangel abhängig. „Der Soldat Jacob Weiditz war im Amt Rochlitz wegen Ehebruchs in Haft genommen worden und der Schösser strebte einen Inquisitionsprozess an. Auf seinen Bericht erging jedoch der Befehl, das Verfahren erst nach dem Krieg zu führen und den verhafteten Soldaten vorab zum Dienst zurückzuschicken. Als ursächliches Motiv des milden Vorgehens klingt hier die Notwendigkeit an, in Zeiten des Krieges innerhalb der geworbenen Truppen die personellen Ausfälle möglichst gering zu halten“. LUDWIG, Strafverfolgung, S. 200. GÜTHEN; SCHAUBACH, Poligraphia Meiningensis, S. 236. Doppelter Ehebruch (Beischlaf zweier Verheirateter) wurde wie Bigamie in der Regel mit dem Tode bestraft; KLUGE, Hofer Chronik, S. 14 (1633).

[4] Scharfrichter (auch Henker, Freimann, Nachrichter, Kasperer oder Schinder). Aufgabe des Regimentsscharfrichters war die Enthauptung, während ein Henker Hinrichtungen mit dem Strang vollzog. Die Hinrichtung erfolgte zur Abschreckung stets öffentlich. Der Scharfrichter im Militärdienst bezog einen festen Sold, während der zivile Scharfrichter die ihm entstandenen Kosten auflisten musste. Die übliche „Unehrlichkeit“ des zivilen Scharfrichters scheint im Militär aufgehoben gewesen zu sein. Zum Teil griff man auf städtische Scharfrichter zurück. Zur Abschreckung wurden zumeist in den Städten sogenannte Quartiergalgen errichtet. Vgl. Carnifex, Diebshencker.

[5] TOEGEL, Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges, Nr. 612, S. 221.

[6] Vgl. BINGEL, Das Theatrum Europaeum; SCHOCK; ROßBACH; BAUM, Das Theatrum Europaeum.

[7] Christian der Jüngere Herzog v. Braunschweig-Wolfenbüttel [20.9.1599 Gröningen-16.6.1626 Wolfenbüttel], kurpfälzischer, dann dänischer General. Vgl. die Erwähnungen bei KRÜSSMANN, Ernst von Mansfeld; WERTHEIM, Christian von Braunschweig.

[8] Johann ‘t Serclaes Graf v. Tilly [Feb. 1559 Schloss Tilly, Gemeinde Villers-la-Ville/Villers; Herzogtum Brabant-30.4.1632 Ingolstadt], ligistischer Feldmarschall. Vgl. KAISER, Politik; JUNKELMANN, Der Du gelehrt hast; JUNKELMANN, Tilly.

[9] 6.8.1623: Niederlage Christians von Braunschweig-Wolfenbüttel gegen Tilly. Zwei Drittel von den 15.000 Mann Christians fielen oder gerieten in Gefangenschaft. HAPPES Zahlen [I 42 r: 8.000 Tote; mdsz.thulb.uni-jena.de] sind zu hoch. Im weitverbreiteten Kupferstich „Warhafft vnd eigentlicher Bericht / was massen Hertzog Christian von Braunschweig Armada den 6. Augusti 1623. im Stifft Münster auffs Häupt erlegt“ (1623) [Germanisches Nationalmuseum Nürnberg HB 1780], ist allerdings von etlichen 1000 Toten und über 9.000 die Rede. Nach Tillys Bericht jedoch fielen an die 6.000 Mann oder waren geflohen, viele wurden aus Rache von den Kroaten abgeschlachtet: „300 [Dragoner] von der Art hat, wie ich glaube, unsere Truppe bei Stadtlohn wie Schweine abgeschlachtet, denn sie brauchen nicht so sehr geschont zu werden“, hieß es in Tillys Protokoll über die Schlacht bei Altenoythe. 4.000 wurden gefangen genommen, darunter fünfzig höhere Offiziere Christians und sein Verbündeter, Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar, dessen Allianz der Patrioten aller Stände die „deutsche Libertät“ vor dem Dominat des Hauses Habsburg hatte retten sollen. Der kaiserliche Obristleutnant Ilow hatte Wilhelm einem Leutnant abgekauft und dem Kaiser übergeben lassen, die kaiserliche Belohnung betrug 1.200 Rt. Militärhistorisch muss der Hauptanteil am Sieg Gallas zugeschrieben werden. Die ligistischen Truppen hatten etwa 1.700 Mann verloren, während sechzehn Kanonen, darunter neue, von Moritz von Oranien entwickelte Modelle, und fast alle Munitionsvorräte, 85 Fahnen und zwei Silberwagen erbeutet werden konnten. Während der Flucht der Braunschweigischen war zudem einer der Pulverwagen explodiert, was das allgemeine Durcheinander nur noch verstärkt hatte. FLIEGER, Schlacht bei Stadtlohn; OER, Schlacht bei Stadtlohn.

[10] Obrist [schwed. Överste]: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Zum Teil wurden Kriegskommissare wie Johann Christoph Freiherr v. Ruepp zu Bachhausen zu Obristen befördert, ohne vorher im Heer gedient zu haben; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2398, fol. 577 (Ausfertigung): Ruepp an Maximilian I., Gunzenhausen, 1631 XI 25. Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung, 500 fl. zu Fuß, 600 fl. zu Roß [nach der „Ordnung Wie es mit der verpflegung der Soldaten“ (1630)] in der kurbrandenburgischen Armee 1.000 fl. „Leibesbesoldung“ nebst 400 fl. Tafelgeld und 400 fl. für Aufwärter. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S. 388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Dazu beanspruchte er auch die Verpflegung. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide. Zum Teil führte er auch seine Familie mit sich, so dass bei Einquartierungen wie etwa in Schweinfurt schon einmal drei Häuser „durch- und zusammen gebrochen“ wurden, um Raum zu schaffen; MÜHLICH; HAHN, Chronik 3. Bd., S. 504. II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.

[11] Lemmingen [Ostfriesland]: nicht identifiziert. Richtig ist Jemgum [LK Leer]; HHSD II, S. 260.

[12] enthaupten: die Enthauptung im Gegensatz zum Erhängen am Galgen nicht als ehrenrührige Todesstrafe. Standespersonen war die Hinrichtung in aufrecht kniender Haltung mit dem Schwert vorbehalten, während niedere Ränge auf einem hölzernen Richtblock mit dem Beil enthauptet wurden.

[13] Hure: Eine Infamie mit der schandbarsten Wirkung überhaupt, da die Betreffende als außerhalb der ehrbaren christlichen Gesellschaft stehend diffamiert wurde. Vgl. DANCKERT, Unehrliche Leute, S. 146ff. Der Rothenburger Chronist Dehner (1629); HELLER, Rothenburg, S. 44: „3. May sind 5000 Sold. ankommen von Schweinfurt; hatten 200 Huren und viel Buben und Troß bey sich, sind unter der Predigt beim Galgenthor fürübergezogen, je 5 in einem Glied und allemahl 5 Fahnen miteinander, die Weiber und Trossen haben auch ihrenn sondern Fahnen gehabt, dass ganze Volck ist alles in grün Cosacken gangen, sind aufs Schwabenland zu gezogen in Italiam“. Vgl. die Darstellung des Marktbreiter Pfarrers Ammon (15.8.1633): „15. Aug., da ist der deutschen Amman Tochter öffentlich zur Huren gemacht und mit Steinen ausgeworfen zu Obernbreit und hierdurch, mit Weiden gepeitschet, ins Wasser gesprenget und ist ganz nakkend in der Bulleiten zum ärgerlichen Spectacul, unwissend der Geistlichen, gesessen“. DANCKERT, Unehrliche Leute, S. 146ff. Vgl.  die Chronik des Johann Philipp Mohr; WAAS, Chroniken, S. 246: „Haben meine Herrn durch Kaspar Drappen und dem Herrn Schultheißen seine Richter [Gerichtsbüttel] Lorenz Doppels, Apodeckers seine Wittib, aus der Stadt geboten Hurerei halben, und auch hat sie die Franzosen [Syphilis] gehabt. Item Meister Eckhardt, Neilschmitt [Nagelschmied], hat man aus der Stadt getrieben Hurerei halben. Item einer Wittfrau (des Weißbender, der Pfördner am äußersten Mainzer Thor war, der bei Petterweil ist erschlagen worden), daß sie Hurerei mit Soldaten getrieben hat, ist ihr der Stadt verwiesen woerden“. „Staupbesenhure“ (1766) vereinigte gleich zwei Diffamien in sich; TITZ-MATUSZAK, Starke Weibs-Personen, S. 19. Vgl. die Beschwerden der Stadt Konstanz (1633) über die kaiserliche Garnison; BEYERLE, Konstanz, S. 28: „Das unnütze Gesindel der Huren und Buben wird nit abgeschafft, sondern bei täglicher Annehmung neuer Soldaten, so mit vielen Weibern und Kindern behängt sind, wird der Burger genötigt, neben den einquartierten Soldaten auch diese zu verköstigen, wie dann von solchen verarmten Untertanen mit ihren Weib und Kindern zu allhiesiger Stadt samt ihren gesamten Haushaben großer Zulauf ist, so dass sich zur Zeit uf die 350 Personen an Soldatenweibern und Kindern salvo honore Huren und Buben unter allhiesiger Garnison aufhalten“. Der Hurenwebel führte die Aufsicht über die zahlreichen Prostituierten des Trosses, die sich in 4 Klassen einteilen lassen: „Mätressen“, „Concubinen“, „Metzen“ und „Huren“. Teilweise wurden Bürger, die sich als „Hurenführer“ betätigten, mit Ruten ausgestrichen. SCHORER, Memminger Chronick, S. 135 (März 1629). Die in den Städten zurückgebliebenen Prostituierten wurden zumeist vom Rat aus der Stadt geschafft; MÜHLICH; HAHN, Chronik, S. 543. In der spanischen Flandern-Armee gab es pro Kompanie von 200 Mann 4-8 Prostituierte, die als Waschfrauen geführt wurden; PARKER, The Army of Flanders, S. 175f.

[14] Theatrum EuropAEum Bd. 1, S. 749f.

[15] Obristleutnant [schwed. Överstelöjtnant]: Der Obristleutnant war der Stellvertreter des Obristen, der dessen Kompetenzen auch bei dessen häufiger, von den Kriegsherrn immer wieder kritisierten Abwesenheit – bedingt durch Minderjährigkeit, Krankheit, Badekuren, persönliche Geschäfte, Wallfahrten oder Aufenthalt in der nächsten Stadt, vor allem bei Ausbruch von Lagerseuchen – besaß. Meist trat der Obristleutnant als militärischer Subunternehmer auf, der dem Obristen Soldaten und die dazu gehörigen Offiziere zur Verfügung stellte. Verlangt waren in der Regel, dass er die nötige Autorität, aber auch Härte gegenüber den Regimentsoffizieren und Soldaten bewies und für die Verteilung des Soldes sorgte, falls dieser eintraf. Auch die Ergänzung des Regiments und die Anwerbung von Fachleuten oblagen ihm. Zu den weiteren Aufgaben gehörten Exerzieren, Bekleidungsbeschaffung, Garnisons- und Logieraufsicht, Überwachung der Marschordnung, Verproviantierung etc. Der Profos hatte die Aufgabe, hereingebrachte Lebensmittel dem Obristleutnant zu bringen, der die Preise für die Marketender festlegte. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, waren umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen notwendig. Nicht selten lag die eigentliche Führung des Regiments in der Verantwortung eines fähigen Obristleutnants, der im Monat je nach Truppengattung zwischen 120 [nach der „Ordnung Wie es mit der verpflegung der Soldaten“ (1630)] und 150 fl. bezog, in der brandenburgischen Armee sogar 300 fl. Voraussetzung war allerdings in der bayerischen Armee die richtige Religionszugehörigkeit. Maximilian I. hatte Tilly den Ersatz der unkatholischen Offiziere befohlen; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Dreißigjähriger Krieg Akten 236, fol. 39′ (Ausfertigung): Maximilian I. an Tilly, München, 1629 XI 04: … „wann man dergleich officiren nit in allen fällen, wie es die unuorsehen notdurfft erfordert, gebrauchen khan und darff: alß werdet ihr euch angelegen sein lassen, wie die uncatholischen officiri, sowol undere diesem alß anderen regimentern nach unnd nach sovil muglich abgeschoben unnd ihre stellen mit catholischen qualificirten subiectis ersezt werden konnde“. Der Obristleutnant war zumeist auch Hauptmann einer Kompanie, so dass er bei Einquartierungen und Garnisonsdienst zwei Quartiere und damit auch entsprechende Verpflegung und Bezahlung beanspruchte oder es zumindest versuchte. Von Piccolomini stammt angeblich der Ausspruch (1642): „Ein teutscher tauge für mehrers nicht alß die Oberstleutnantstell“. HÖBELT, „Wallsteinisch spielen“, S. 285.

[16] Thomas [v.] Ferenz [Ferentz, Ferens, Verentz, Verens] [1594-1647], mansfeldischer, kurpfälzischer Generalleutnant.

[17] General(feld)wachtmeister [schwed. Generalmajor]: Bei den hohen Offizierschargen gab es in der Rangfolge „Generalissimus“, „Generalleutnant“, „Feldmarschall“, „Generalfeldzeugmeister“, auch den „General(feld)wachtmeister“, den untersten Generalsrang im ligistischen Heer. In der Regel wurden Obristen wegen ihrer Verdienste, ihrer finanziellen Möglichkeiten und verwandtschaftlichen und sonstigen Beziehungen zu Generalwachtmeistern befördert, was natürlich auch zusätzliche Einnahmen verschaffte. Der Generalwachtmeister übte nicht nur militärische Funktionen aus, sondern war je nach Gewandtheit auch in diplomatischen Aufträgen tätig. Der Generalfeldwachtmeister entsprach rangmäßig dem Generalmajor. Der Generalmajor nahm die Aufgaben eines Generalwachtmeisters in der kaiserlichen oder bayerischen Armee war. Er stand rangmäßig bei den Schweden zwischen dem Obristen und dem General der Kavallerie, bei den Kaiserlichen zwischen dem Obristen und dem Feldmarschallleutnant. Die Bezeichnung ergab sich aus seiner ursprünglichen Aufgabe, der Inspektion der Feldwachen und dem Überwachen der Aufstellung der Brigaden und Regimenter im Felde und beim Marsch.

[18] Leer; HHSD II, S. 287.

[19] Jemgum [LK Leer]; HHSD II, S. 260.

[20] Leutnant [schwed. Löjtnant]: Der Leutnant war der Stellvertreter eines Befehlshabers, insbesondere des Rittmeisters oder des Hauptmanns. Wenn auch nicht ohne Mitwissen des Hauptmannes oder Rittmeisters, hatte der Leutnant den unmittelbarsten Kontakt zur Kompanie. Er verdiente je nach Truppengattung monatlich 35-80 fl., was etwa dem Sold eines bayerischen Kriegsrats entsprach.

[21] Friedrich v. Walda [ – ], mansfeldischer Leutnant.

[22] WIARDA, Ostfriesische Geschichte 4. Bd., S. 196ff.

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