Thijssen [Tyssen], Mårtin [Anckarhielm]

Thijssen [Tyssen], Mårtin [Anckarhielm]; „Schiffsobrister“ [ – 1657] Der Holländer Thijsen stand 1644 als „Schiffsobrister“ in schwedischen Diensten.

Auch Seegefechte dieses Krieges hält der Historiograph und Habsburger-Anhänger Wassenberg[1] für seine Leser fest: „Vmb diese helfte deß Meyen [16.5.1644; BW] / als der Schwedische Schiffs Obrister Martin Tyssen / auf erst eingezogenen bericht / 9. Dänische Schiffe zur See ins Gesicht bekommen / vnd 6. gantzer stunden mit ihnen scharmüßiret / sie auch anfangs in die Flucht geschlagen / die Dänischen aber vermerckt / daß diese 3. Schwedische Schiffe / weil der Schiffsobrister ihrer nit mehr bey sich gehabt / wegen widrigen Windes / von den andern nicht entsetzet werden können / als haben sie obgemeldtem Admiral dergestalt zugesetzet / daß / woferrn der Vice-Admiral sich nicht über alle massen wol gehalten / vnd ihme trewlich beygestanden hette / er schwerlich davon kommen mögen / zumal weil seinem Schiffe der Mast, Roie / Sägel / vnd Ruder entzwey geschossen worden.

Haben also diese drey Schwedische ihrer neun der besten dänischen Schiffe nicht allein angefallen / vnd anfänglich auff die Flucht gebracht / sondern auch hernachmals sehr wol gefochten / vnd da sie gleich etwas schaden gelitten / haben hergegen die Dänischen darbey auch keine seide gesponnen / weil sie fort vnd fort das Wasser auß ihren Schiffen pumpen müssen / vnnd sich nicht vnterstehen dürffen dürffen ferner still liegen zu bleiben. Vnd ist an Schwedischer seiten der meiste schaden / daß Obrister Lohaussen [Lohausen; BW] / nebens einem Hauptman / 2. Fändrichen / 30. gemeinen Soldaten / vnnd in 40. Bothsleuten geblieben“.[2]

Der schwedische Historiker Englund beschreibt die Vorgänge so: „Louis De Geers geheimer Auftrag in den Niederlanden sickerte nach und nach durch. Trotz schöner Lockrufe und Versprechungen hinsichtlich großzügiger Rekompensation wollte auch privat kein Holländer zu dem schwedischen Kriegsunternehmen beitragen. De Geer blieb nichts anderes übrig, als aus eigenen Mitteln eine Flotte zusammenzukaufen und zu heuern, die Torstenssons Armee helfen sollte, den Sprung nach Fünen[3] zu machen – eine Arbeit, die Bürokraten, Dänenfreunde und andere und andere Skeptiker im holländischen Staat nach besten Kräften behinderten. Die Flotte, die nach größten Schwierigkeiten Mitte April die Niederlande mit Kurs auf Dänemark verließ, zählte zwar 32 Schiffe, doch nur 22 von diesen waren halbwegs kriegstauglich. Es waren außerdem keine richtigen Kriegsschiffe, sondern recht kleine Handelsschuten – »Heringsschiffe« nannte ein Schwede sie später – , die man in größter Eile mit ein paar Kanonen bestückt hatte, im besten Fall mit 18-Pfündern ( für ein Schiffsgeschütz ein kleines Kaliber). Vermutlich waren sie die billigsten. Die Männer an Bord waren größtenteils Handelsmatrosen, die noch nie im Krieg gewesen waren und eine erschreckend starke Neigung an den Tag legten davonzulaufen. Den Befehl über diese Flotte hatte De Geer Martin Thijsen übertragen, einem erfahrenen und weitgereisten Holländer, der unter anderem vor den südamerikanischen Küsten gegen die Spanier gekämpft hatte.

Anfang Mai ankerten De Geers Schiffe beim Lister Tief[4] im Süden der jütländischen Westküste. Sie sollten tausend Musketiere des schwedischen Heers an Bord nehmen. Als sie dort lagen, tauchte plötzlich die dänische Flotte auf. Es war die Nachricht vom Herannahen von De Geers Flotte gewesen, die Christian dazu veranlaßt hatte, die Blockade Göteborgs abzubrechen. Für die Dänen ging es darum, das angeheuerte Geschwader daran zu hindern, sich mit der regulären schwedischen Flotte zu vereinigen; beide zusammen würden den dänischen Seestreitkräften klar überlegen sein. Die beiden Flotten stellten sich am 16. Mai zur Schlacht, und als der Kampf nach sechsstündiger Kanonade zu Ende war, sah es nach einem Sieg der Dänen aus: De Geers Geschwader gezwungen gewesen, sich ins Lister Tief zurückzuziehen. Keine der beiden Seiten hatte ein Schiff verloren, aber die schwach bewaffneten holländischen Schiffe hatten schwer unter dem Angriff der großen und gut bestückten Kriegsschiffe der Gegner gelitten. Thijsen hatte vorgehabt, die dänischen Schiffe zu entern, stellte aber zu seinem Schrecken fest, daß sie dafür viel zu hoch waren, und gewaltige Kanonenkugeln aus den dänischen 36-Pfündern waren in einigen Fällen glatt durch die kleinen holländischen Schiffe durchgeschlagen, als wären sie aus Baiser, während die Geschosse aus den bedeutend leichteren Geschützen der letzteren in vielen Fällen nur an den dunklen Eichenplanken der massiv gebauten dänischen Schiffe abgeprallt waren. Und da half es wenig, daß die angeheuerten Schiffe denen der Dänen zahlenmäßig überlegen waren. Ein Teilnehmer auf schwedischer Seite berichtet: Der Feind sandte uns Kugeln um die Ohren, daß wir nicht wußten, wohin wir uns wenden sollten. Nun ging es los, das Schießen war fürchterlich. Unser Schiff, die Gyllene Swan, ist so durchbohrt, daß es als ein wahrtes Wunder zu betrachten ist. Der Großmast ist an zwei Stellen durchschossen, die Fock ist in Fetzen, Ruder, Bugspriet, Wanten und Segel beschädigt, so daß wir genug damit zu tun hatten, den Großmast zu stützen. Einige holländische Schiffe waren in blutige Schlachterbuden verwandelt, voll von Gefallenen und Verwundeten, die »armlos und beinlos« waren, und im Wasser trieben Leichen. Die Stimmung unter den angeheuerten Seeleuten war vom Schock geprägt, und hinterher gab es viele, die »jämmerlich klagten und Schweden zur Hölle wünschten, weil sie so elend zur Schlachtbank geführt worden«. Die Befehlshaber beider Seiten kommandierten ihre Flotten vom Ort der Schlacht weg, um zu reparieren, die Leichen wegzuräumen und ihre Untergebenen zu beschimpfen.

Die angeheuerte Flotte lag noch einige Zeit im Lister Tief, bewacht von einem dänischen Geschwader, und nach einem gehörigen Donnerwetter von Torstensson stach sie am Morgen des 25. Mai wieder in See“.[5]

„Am 17. August erreichte indessen eine sehr erfreuliche Botschaft die schwedische Hauptstadt. Die angeworbene niederländische Flotte, die zweite Auflage, die Louis de Geer nach dem peinlichen Fiasko im Lister Tief allen Schwierigkeiten zum Trotz in Holland hatte zusammenbringen können, war mit der schwedischen Flagge im Topp geradewegs durch den Öresund geschlüpft, dreist und nicht wenig provokativ an Kopenhagen vorbeigesegelt, hatte zwei auf Wache liegende Kanonenboote in Stücke geschossen und war nach Öland[6] gelaufen. Nun galt es, mit ihr zusammenzutreffen. Nach einer Phase frenetischen Reparierens und Neuausrüstens liefen Ende September 16 ausgewählte Schiffe von Dalarö[7] aus. Die Schiffe waren zwar gut gerüstet und die Besatzungen aus den besten Bootsleuten zusammengestellt, aber es war dennoch ein kleines Geschwader mit kleinen Schiffen; nur ein Drittel der Flotte, die der verstorbene Fleming den Sommer über befehligt hatte. Als sie sich später der angeworbenen Flotte anschlossen – deren Befehlshaber Thijsen von einem freudetrunkenen Rat mit einer fetten schwedischen Staatspension und einem ebensolchen Adelstitel versehen wurde – , wuchs sie doch noch zu einer Streitmacht von rund vierzig Schiffen, groß genug, um einen neuen Schlag gegen die dänische Flotte zu wagen, und durch kalte Hagelschauer und schweres Wetter lief man nach Süden, um zu sehen, ob man sie finden konnte.

Die Überraschung war total. Die Dänen waren überzeugt, daß die schwedische Flotte im Winterhafen lag, und Christian hatte die meisten Schiffe abrüsten lassen. Nur ein kleineres Geschwader unter Pros Mund, dem entschieden tüchtigsten der dänischen Admirale, befand sich noch auf See. Anfang Oktober lagen seine Schiffe vor der Nordwestspitze von Fehmarn[8] vor Anker. Am 11. Oktober glitt die schwedische Flotte überraschend durch die dichten Sturmböen heran und legte sich zwischen das dänische Geschwader und die dänischen Inseln. Am Morgen des 13. Oktober, nachdem das Meer sich einigermaßen beruhigt hatte, griff die schwedische Flotte an: 41 schwedische Schiffe mit 914 Kanonen gegen 17 dänische mit 415 Geschützen.

Ausnahmsweise lief es fast wie geplant. Die schwedische Flotte hatte sich in zwei Kolonnen geteilt, die gegen das dänische Geschwader heransegelten. Als die Kanonen zu feuern begannen, wurden die dänischen Schiffe rasch in zwei Gruppen geteilt. Pros Mund hatte zwar weniger Schiffe als die Schweden, aber dafür waren seine größer. Die Schweden versuchten indessen, diesen Nachteil auszugleichen, indem sie sich nicht in ausgedehnte Artillerieduelle mit den schwer bestückten dänischen Kriegsschiffen einließen, sondern statt dessen schnell auf sie eindrangen, um sie zu entern. Und obwohl mehrere kleinere schwedische Schiffe eine gepfefferte Ladung abbekamen und ihre Segel und Schoten in Fetzen geschossen wurden, hatte die Taktik Erfolg. Zwei schwedische Schiffe, die Regina und die Göteborg, gingen längsseits des dänischen Flaggschiffs Patientia. Kriegsschiffe in dieser Zeit hatten für derartige Situationen stets reguläre Infanterie an Bord, doch die Dänen waren gerade unterbemannt. Die Enternden stießen deshalb nur auf schwachen Widerstand. Einige von ihnen wurden jedoch getötet. Einem jungen schwedischen Leutnant wurde der rechte Arm abgeschossen und verschwand mit Degen und allem im Meer.

Einer jener Dänen, die erbittert Widerstand leisteten, war der dänische Admiral selbst, Pros Mund. Er bezog Posten vor seiner Kajüte, schlug wild mit einem großen Schwert um sich und feuerte seine Leute mit lauten Zurufen an. Ein holländischer Leutnant stürmte auf ihn, empfing aber einen wilden Hieb, der ihm das eine Ohr abtrennte, und wurde von den Piken einiger Männer des Admirals durchbohrt. Die Schweden riefen dem immer einsameren Mund zu, sich zu ergeben, doch er weigerte sich und schlug weiter mit dem Schwert um sich. Da rief man zwei schwedische Musketiere herbei, die anlegten und ihn mit zwei Schüssen töteten. Bald war das dänische Schiff in der Gewalt der Angreifer, und die schwedischen Krieger plünderten und entkleideten die Leichen – im Eifer des Reinemachens ging auch die Leiche Pros Munds über Bord. Währenddessen hatten die Schweden ein großes dänisches Schiff in Brand gesetzt, das wie ein riesiger Feuerturm mit Schlagseite davonglitt und dann in einem dröhnenden Bersten von Holztrümmern verschwand. Zur gleichen Zeit wurde ein weiteres großes Schiff geentert und mehr oder weniger eigenhändig von einem einsamen Leutnant triumphierend aufs Vorschiff lief und zwei schwedische Schiffe, den Amerikafahrer Svanen und die Tre Kronor anrief, wurde er in der Verwirrung von jemandem auf der Svanen beschossen. Die Kugel durchschlug beide Beine. Lidell brach auf dem Vorschiff zusammen, und da er tot zu sein schien, wurde auch er »von unseren eigenen Leuten ausgeplündert, als sei er selbst der Feind gewesen«. (Er überlebte, blieb aber für den Rest seines Lebens gelähmt.) das letzte große dänische Schiff, die Tre Kløver, konnte einen der Angreifer versenken, wurde aber dennoch geentert – dröhnendes Kreuzfeuer von mehreren schwedischen Schiffen fegte das Deck und die Aufbauten des großen Schiffes leer, worauf die Schweden in einem Wirrwarr von heruntergeschossenen Segeln, geborstenen Kanonen und Blut mehr oder weniger unbehindert an Bord springen konnten. Einer derer, die gefangengenommen wurden, war der dänische Vizeadmiral Corfitz Ulfeldt, der ein Bein verloren hatte.

Der Anblick der großen dänischen Schiffe, die eins nach dem andern die Flagge strichen, war zuviel für die Kapitäne auf den kleineren dänischen Schiffen, und sie steuerten nun vom Schlachtfeld weg nach Norden in Richtung der dänischen Inseln. Die schwedischen Geschwader waren jedoch wie Raubtiere, die Blut gewittert hatten, und jagten ihnen nach. Einige dänische Kriegsschiffe wurden noch auf offener See abgefangen, die schreckgelähmten Besatzungen ergaben sich in der Regel ohne größere Kämpfe, und noch mehr liefen hart bedrängt von den Verfolgern in reiner Panik direkt auf einige Sandbänke an der Küste Lollands auf. Dort wurde ein Teil von ihnen vom Grund gewarpt und von holländischen und schwedischen Seeleuten erbeutet, während eines von einem schwedischen Brander in die Luft gesprengt wurde.

Von der ganzen dänischen Flotte konnten nur zwei Schiffe, die Pelicanen und die Lammet, »schwer mitgenommen« aus der Schlacht entkommen und nach Kopenhagen zurückkehren,

Und weithin über Meer und Buchten

erscholl Wehklagen hier, dort Siegesjubel,

bis sich des Tages Auge schloß und es ward Nacht.

Diese unerwartete Niederlage, die mit einem Schlag den Schweden die außerordentlich wichtige Vorherrschaft zur See gebracht hatte, kam für die Dänen als ein unerhörter Schock. Die Bedrohung der dänischen Inseln, bis dahin nur theoretisch, wurde auf einmal ganz konkret. Das Meer, das den Dänen zuvor sicheren Schutz vor den Angreifern geboten hatte, wurde nun zu einem weit offenen Tor, das niemand schließen konnte. Unruhig suchten sie den Horizont ab nach Anzeichen, daß eine mit Truppen schwer beladene schwedische Flotte auf dem Weg war, um den Gnadenstoß zu führen. Landschlachten hatten wie gesagt häufig ihre größte Bedeutung im politischen und psychologischen Bereich, und für Seeschlachten traf das gleiche zu. Die Nachricht, daß die dänische Flotte vernichtet und über 2000 Seeleute verloren waren, ließ viele Dänen mutlos werden. Nun wurden unter den einfachen Leuten wieder erregte, wenngleich nicht besonders überzeugende Rufe von Verrat laut; der vorübergehend ein wenig besänftigte Groll gegen den Adel erhielt neue Kraft, und bei Hoch und Niedrig breitete sich der Mißmut aus wie eine Krankheit. Auch Christian selbst scheint nach dieser Niederlage die Hoffnung nahezu aufgegeben zu haben“.[9]


[1] Vgl. LAHRKAMP, Everhard Wassenberg.

[2] WASSENBERG, Florus, S. 576.

[3] Fünen (dänisch: Fyn), nach Seeland und Vendsyssel-Thy Dänemarks drittgrößte Insel (abgesehen von Grönland) zwischen dem Kleinen und Großen Belt.

[4] Lister Tief: (dänisch Lister Dyb) Gezeitenstrom, der zwischen den nordfriesischen Inseln Sylt (Deutschland) und Rømø (Dänemark) verläuft.

[5] ENGLUND, Verwüstung, S. 374f.

[6] Öland [Prov. Kalmar län].

[7] Dalarö [Prov. Stockholm län].

[8] Fehmarn [Kr. Oldenburg]; HHSD I, S. 50f.

[9] ENGLUND, Verwüstung, S. 399ff.

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