Spreewitz [Sprewitz], Martin von

Spreewitz [Sprewitz], Martin von; Obrist [ –  am 14.6.1648 bei Grevenbroich gefallen] Spreewitz stand als Obristleutnant in hessen-kasselischen Diensten und war der Nachfolger Ziels in Kempen.[1]

Im März 1641 war er noch in Radevormwald[2] stationiert.

„Wenige Tage später, in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 1643, rückten acht Kompanien zu Fuß und eine Kompanie zu Pferd, unter Obristleutnant Spreewitz aus Kalkar,[3] verstärkt durch eine Kompanie Dragoner, in Kempen ein. Unter dem Schutz hessischer Soldaten verließ Ziel am 2. Mai die Stadt in Richtung Rheinberg.[4] Der scheidende Kommandant hatte beim Abmarsch, gestützt auf einige Schreiben Amalie Elisabeths [v. Hessen-Kassel; BW], von [Kaspar v.; BW] Eberstein Belohnungen erbeten, die der General aber mit dem Hinweis auf seinen ‚reichen Herrn‘ ablehnte, auch sei die Stadt derart verwüstet, alle Früchte des Magazins verkauft und nicht ein Braukessel zurückgeblieben – aus diesen Gründen habe Eberstein keine Veranlassung, Ziels ‚erzeigte Widerspenstigkeit dergleichen‘ zu belohnen. In welch ruiniertem Zustand Ziel Kempen verlassen hatte, geht aus einem Bittschreiben von Bürgermeister und Rat in Kempen an Amalie Elisabeth aus dem Jahre 1644 hervor, in dem über die ‚holländischen Franzosen‘ geklagt wird, die ‚unter Hintansetzung alles christlichen Mitleidens‘ den Untertanen das Letzte genommen, ferner mehr als 300 Wohnplätze und Häuser niedergerissen, geschleift und verbrannt hätten; acht Monate habe man täglich Geld- und Lebensmittellieferungen leisten müssen; es sei kein Wunder, daß jetzt nur etwa 200 Bürger mit ihren Familien in Kempen wohnten“.[5]

Bei dem katholischen Kempener Chronisten Wilmius heißt es: „Um den ersten Mai also besetzten die Hessen wieder Kempen unter dem Kommando des Martin Sprewitz. Die Hälfte der Kirche beanspruchten sie für ihren Gottesdienst trotz des Widerspruches von Pastor und Klerus. Ich war noch in Wachtendonck[6] wegen der leidigen Geldbeschaffung. Am 18. Mai trat ich mit dem Herrn Pastor Andreas Bischoff an den Kommandanten heran und empfahl ihm unser und der ganzen Gemeinde Anliegen. In der Burg bat ich ihn freundlichst, er möge tolerant sein und uns in der Ausübung des katholischen Gottesdienstes nicht behindern. Er gab uns freundliche Antwort und schien sich unseren Bitten nicht zu verschließen.

Am 20. Mai schickte er seinen Schreiber zum Pastor mit der Aufforderung, ihm guten Rheinwein für das Pfingstfest zu besorgen. Ob dieses Wunsches gerieten der Pastor und ich in nicht geringe Verlegenheit und überlegten, was zu tun sei. Nach einer Stunde kam der Schreiber zurück und wiederholte sein Anliegen. Uns war klar, der Kommandant würde unsere Häuser, die bislang noch von Einquartierungen verschont waren, wieder belegen, wenn wir ihn nicht durch ein Geschenk bei guter Laune halten würden. Allerdings war Rheinwein in diesen gefährlichen Zeiten nicht zu beschaffen, überdies fehlten die Mittel, ihn zu besorgen. […] Zwei Tage nach dem Fest Johannes des Täufers gaben unsere Kempener Besatzungstruppen ein Beispiel ihrer Einstellung gegen den Glauben und das Kreuz des Herrn am Hagelkreuz vor dem Kuhtor, das sie schon lange mit scheelen Augen betrachtet hatten. Mit Hämmern lockerten sie die zur Stütze der Steinmassen des Kreuzes notwendigen langen Eisen und entfernten sogar einige. Ihr Haß gegen das Kreuz verrät zur Genüge, wessen Geistes Kinder sie sind.

Am 19. Juli des gleichen Jahres wurde gegen alle Hoffnung und Erwartung der Waffenstillstand in Kempen ausgerufen, der mit Gottes Gnade endlich den lange ersehnten Frieden bringen wird. Die Freude war umso größer, als die Bürger unter dem starken Druck der Besatzung in täglicher Abwechslung an der Wiederherstellung des Walles zur stärkeren Befestigung der Stadt arbeiten mußten.

Ende Juli wurde Justus Moerselius, der calvinistische Prediger unserer Besatzung, vom Konsistorium nach Coesfeld[7] zitiert und auf seiner Rückreise bei Kloster Camp[8] von königlichen Soldaten aufgegriffen und ausgeplündert. Nach seiner Rückkehr richtete er den ganzen Zorn seines aufgeregten Geistes gegen den Klerus und die Mönche. Er schimpfte sehr auf uns, als ob wir um den Raubüberfall gewußt und das ihm zugefügte Unrecht veranlaßt hätten. Es blieb uns nichts anderes übrig, als zwei Patres und einen Geistlichen nach Geldern[9] und Straelen[10] zu schicken, um eine Untersuchung gegen die verantwortlichen Täter einzuleiten. Nur so konnte seiner Schroffheit und dem Befehl des Kommandanten Genüge getan werden. Die Abgesandten kamen aber zurück und hatten so gut wie nichts erreicht. Darauf griff mich der schwer beleidigte Prädikant mit einer erstaunlichen Flut von Wörtern in meinem Hause an und reizte mich zu einer ähnlich übertriebenen Erwiderung. Ich trat ihm kühn entgegen und wäre noch von Worten zu Schlägen übergegangen, wenn mich nicht die Angst vor dem Kommandanten und seine unfreundliche Einstellung zu uns Klerikern zurückgehalten hätte. […]

Im Oktober des gleichen Jahres machte unser Kommandant mit schnellen Truppen von Reitern und Fußsoldaten, die er in Linn,[11] Neuß[12] und anderwärts zusammengezogen hatte, einen Einfall in das Herzogtum Jülich und die angrenzende Diözese Köln. Wohin er kam in der oberen Diözese, verheerte er alles mit Feuer und Schwert. […]

Am 12. Januar des Jahres 1644 reizten die frechen Söhne einiger Hauptleute den hochwürdigen Herrn Jacob Schutten aus St. Tönis,[13] der sich in Kempen aufhielt und hier eine Schule leitete, mit unverschämten Redensarten. Sie verhöhnten ihn mit herausfordernden Worten im Hause der St. Michaelsvikarie und nahmen sich heraus, die ihm anvertrauten Jungen zu schlagen. Ihr ungehöriges Benehmen brachte ihn derart in Zorn, daß er dem Sohn des Antonius von Grave, dem frechsten von ihnen, eine Ohrfeige gab. Der lief heulend, so schnell er konnte, zu seinem Vater und beklagte sich bei ihm, ohne Ursache von einem Geistlichen geschlagen worden zu sein. Der Vater, welcher blind auf seinen Sohn war, schickte gegen Abend einen seiner Soldaten mit der Laterne zum Herrn Jacob und ließ fragen, warum sein Sohn geschlagen worden sei. Als der Soldat über den Sachverhalt ins Bild gesetzt war, zog er sein Schwert, ging in der Tür des St. Michaelshauses auf den Herrn Jacob zu und schlug ihn damit. Durch den plötzlichen Überfall zum sofortigen Handeln gezwungen, ging Herr Jacob, ohne auf das Schwert zu achten, auf den Schläger zu und warf ihn zu Boden. Hätte die Tür, durch die man hinaufsteigt, offengestanden, dann wäre der Soldat wohl die steilen Stufen hinabgestürzt. Die Feststellung, daß er wie Dares einen Entellus herausgefordert hatte, machte ihm flinke Beine. Er steckte sein Schwert in die Scheide, lief zu seinem aufgeregten Herrn und brachte ihn mit seinem Bericht über den blamablen Ausgang seines Auftrags noch mehr in Zorn. Van Grave begab sich am folgenden Tag zum Kommandanten und brachte schwere Klage gegen den Herrn Jacob vor. Der Kommandant schickte Soldaten zu dessen Haus mit der Aufforderung, Herr Jacob müsse sofort zu ihm auf den Markt kommen. Kaum hatte er den Herrn Jacob erblickt, da nannte er ihn schon einen Schurken und Lumpen, der zu jeder Schandtat fähig sei. Auf seine Frage, warum er den Sohn des Hauptmanns geschlagen habe, gab Herr Jacob einen wahrheitsgetreuen Bericht über den genauen Hergang. Doch er wurde nicht angehört, sondern auf Befehl des Kommandanten von Soldaten zum Hause Honneken, wo der Hauptmann im Quartier lag, geführt und sogleich mit Schlägen empfangen. Auch der Soldat, dem Herr Jacob, wie schon geschildert, in der Tat eine gründliche Lektion erteilt hatte, griff wieder zu seinem Schwert und versetzte ihm Schläge. Die übrigen folgten seinem Beispiel. Dem Herrn Jacob wäre es dabei übel ergangen, hätte nicht einer der Soldaten Mitleid gehabt und sich gegen die Wüteriche gewendet. Um das Maß voll zu machen, kam noch die Frau des Anton van Grave, die Mutter des geschlagenen Jungen, ein sehr freches Weib hinzu und gab dem Priester einen harten Schlag ins Gesicht. Den sollte er als Denkzettel in Empfang nehmen, damit er nie wieder andere Leute schlüge, die ihn nichts angingen. Nach dieser schmählichen Behandlung sollte Herr Jacob zur Hauptwache geführt werden. Dank des Einspruchs mitfühlender Soldaten wurde er aber freigelassen und konnte nach Hause gehen. Solche Demütigungen glaubten sie dem Klerus zufügen zu müssen, den sie mehr hassen als Hund und Schlange und beim geringsten Anlaß in gemeinster Weise verfolgen. Doch nach wenigen Monaten wurde Anton (van Grave) mit seinen Leuten abberufen und bei Frankfurt[14] schwer geschlagen. […]

Im gleichen Monat erfuhr die hessische Besatzung, daß die Weimarer und Franzosen von den Bayern geschlagen worden seien und die Kaiserlichen sich unserer Gegend näherten. Darum machten sie große Anstrengungen, die Stadt Kempen auf jede Weise zu befestigen. Den bei Moers gelegenen und mit vorzüglichen Eichen bestandenen Busch ‚Watwinckall‘ liessen sie fällen und einige tausend Eichen nach Kempen schaffen. Die Stämme schnitten sie mittendurch und versahen den der Mauer am nächsten liegenden inneren Wall rundherum mit Pallisaden. Mit ihrem wahllosen Abholzen richteten sie in dem Wald einen unübersehbaren Schaden an.

Im Februar desselben Jahres, am Tage vor St. Agatha, wurde der Prediger Justus Moersilius abberufen. An seiner Stelle kam ein anderer, der Inspektor genannt wurde, nach Kempen. Auf Geheiß des Kommandanten nahm er vom Pfarrhaus oder genauer gesagt von einem Teil des Pfarrhauses Besitz zur großen Bestürzung des Pfarrers und unser aller. Er war trunken vom Gift der Irrlehre und erging sich mit Vorliebe in Lobreden auf seine Person. Gegen mich bevorzugte er spitze Bemerkungen zu hinterlassen, als er am 24. Februar Kempen wieder verließ, um einem anderen Gefährten seiner Fahne Platz zu machen. […]

Am 9. April kamen die hessischen Besatzungssoldaten von Kalkar zum großen Schaden unserer Bürger mit einer staatlichen Reiterschar und Fußtruppe nach Kempen, weil sie etwas gegen die Kaiserlichen unternehmen wollten. Ein bei Clot einquartierter Reiteroffizier mit Namen Falk aus Wesel[15] ließ mir mitten in der Nacht, als ich schon zu Bett lag, auftragen, ihm ein Bett decken zu lassen. Einen Quartierschein, der ordnungsgemäß vorgezeigt werden mußte, bekam ich überhaupt nicht zu Gesicht. Ich entschuldigte mich daher und lehnte das Ansinnen ab mit der Begründung, ich hätte bereits einen anderen Reiteroffizier, der im Hause des Kellners einquartiert war, ein Bett geliehen. Anderentags kam der Reiteroffizier selbst zu mir ins Haus und behauptete, mein Haus sei ihm als Quartier zugewiesen worden. Doch ich glaubte nicht seinen Worten und verlangte eine Marke oder einen Schein der Viertelsvorsteher oder des Kommandanten zu sehen. Ich wußte genau, daß er derlei Papiere nicht vorweisen konnte. So forderte er von mir Hafer, Heu und den übrigen Bedarf für Pferde, was ich aber nicht liefern konnte. Darauf ging er fort und schickte mir um die Mittagszeit drei hungrige Knechte zum Essen. Doch ich empfing sie mit groben Worten und hieß sie fortgehen, weil sie fremde und keine Besatzungssoldaten seien. Höchst unzufrieden über meine Abweisung erklärten sie, von Clot, bei dem sie eingekehrt waren, mit ihren Pferden zu mir geschickt worden zu sein. Um aber nicht den Anschein eines Widerspenstigen zu erwecken, der Hornissen reizen wollte, schickte ich dem Clot einen Reichstaler zur Senkung seiner Ausgaben. Clot wies aber das Geld entrüstet zurück, weil er nicht in den Verdacht kommen wollte, die Leute zu mir geschickt zu haben. So nahm der Knecht des Reiteroffiziers den Reichstaler für sich in Anspruch und erklärte sich mit dieser Entschädigung zufriedengestellt. Doch ich wurde in meiner Hoffnung getäuscht. Zu später Abendstunde – ich war im Begriff zu Bett zu gehen und hatte die Strümpfe schon ausgezogen – da schickte mir Falk, trunken vom Gift des Calvin und aufgestachelt von dem Häretiker Hermann Everetz drei Knechte. Rücksichtslos stellten sie mich zur Rede und verlangten von mir unter Drohungen die Zahlung von drei Reichstalern für Hafer, Stroh und Heu. Wenn ich diesem Ersuchen nicht sofort nachkäme, würden sie die Nachtwache rufen und schnell ein Mittel finden, um zu dem Geld zu kommen. Ihrem anmaßenden Benehmen widersetzte ich mich mannhaft und tapfer. Beinahe hätte ich in meinem flammenden Zorn einem von ihnen, der mich mit maßloser Frechheit beschimpfte, einen Faustschlag versetzt, aber ich zügelte meine Angriffslust trotz Aufregung und Verwirrung. Es wäre ja auch verwegen gewesen, drei furchtlose und mit Schwertern bewaffnete Männer durch einen voreiligen Schritt gegen mich aufzubringen, wo nicht einmal Herkules zweien gewachsen gewesen sein soll. Zudem konnte ich mitten in der Nacht sowieso nichts erreichen und war ihrer Willkür preisgegeben. Ich gab ihnen deshalb noch zwei Reichstaler, da ich einen ja schon früher gegeben hatte. Am anderen Morgen brachte ich bei den Bürgermeistern und Viertelsvorstehern Klage wegen Erpressung vor und schickte sie mit einer Empfehlung und der Versicherung meiner Dienstwilligkeit zum Kommandanten Sprewitz und einem anderen Offizier dieser Truppe. Nach Kenntnisnahme der mir zugefügten Schmach schickten sie einen ihrer Offiziere zu mir, da sie einen erschöpfenden Bericht zu erhalten wünschten. Der Abgesandte war ein Katholik und Moskowiter seiner Herkunft nach. Mit freundlichen Worten stellte er mir die Wiedererstattung des Geldes in Aussicht und zwang den Knecht, der zu mir kommen mußte, zur Wiedererstattung von vier Reichstalern. Darüber hinaus sicherte er mir jede Freundlichkeit und Freiheit von allen Lasten seitens seines Vorgesetzten Buchhorst und unseres Kommandanten zu.

Am Sonntag, dem 10. April, verliessen die von Kalkar gekommenen Hessen wieder unsere Stadt. Sie zogen auch aus Linn und Neuß die Besatzungen heraus und stellten sie zu einer schlagstarken Truppe zusammen. Es kamen noch holländische Soldaten hinzu, die durch einige Fähnlein verstärkt waren. Mit dieser auserlesenen Schar zogen sie in aller Stille nach Jülich[16] gegen die Lothringer, die sich in dem Dorf Eschweiler[17] allzu sicher fühlten. Vor Tagesgrauen machten die Feinde einen Überfall, schlugen und zerstreuten sie. Die Hessen machten reiche Beute, steckten das Dorf in Brand und lieferten ein Beispiel unerhörter Grausamkeit und Unbeherrschtheit gegenüber dem anderen Geschlecht. Mit reicher Beute beladen, schickten sie sich an, den Rückmarsch anzutreten. Da sahen sie in der Ferne die Kaiserlichen heranrücken. An ein Entrinnen war nicht zu denken, da die schwere Beute eine Beschleunigung des Marschtempos nicht zuließ. Gegenseitig feuerten sie sich zum Widerstand an und rüsteten zur Schlacht, entschlossen, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Doch mit Ungestüm fielen die Kaiserlichen über sie her und richteten ein Gemetzel an, daß jeder nur durch die Flucht diesem Inferno zu entrinnen versuchte. So wurden die Hessen und Holländer geschlagen und zerstreut, die sich insgeheim von Maastricht[18] aus entgegen ihrer Neutralitätserklärung gegenüber den Kaiserlichen mit den Hessen verbündet hatten. So kehrten sie ohne ihre fette Beute in einzelnen Trupps ruhmlos nach Hause zurück. 500 waren gefallen und genausoviel in Gefangenschaft geraten. Auf Seiten der Kaiserlichen wurden von den namhaften Männern der Graf von Nassau [Christian v. Nassau-Siegen; BW] und einige andere vermißt. Sie waren wohl gefallen. Von den Hessen gerieten in Gefangenschaft der berühmte Karl Rabenhaupt, der Gouverneur und ein gewisser Bochorst, der höchste Offizier dieser Streitmacht und viele andere. Die Kaiserlichen errangen ihren Sieg unter dem Befehl des Hatzfeld. […]

Im gleichen Monat wurde an zwei Samstagen die Vesper nicht öffentlich gesungen. Uns hinderte daran ein Prädikant und Apostat, der zum Beichthören der lutherischen Soldaten von Neuß herbeigeholt war. Um dieselbe Zeit war der hiesige Prediger der Calvinisten, Nikolaus Brullius, der mir im übrigen recht freundlich gesinnt war, nach Neuß gereist wegen der Sittenlosigkeit der Offiziere und ihres unmenschlichen grausamen Benehmens gegen die Bürger. Zu ihnen war auch der lutherische Kommandant zu rechnen. Am folgenden Tag wollte der Prädikant seinen Leuten die Kommunion reichen und verschaffte sich, wie wir es auch zu tun pflegen, Hostien aus Venlo.[19] Er bekam aber nur rote Hostien, womit man die Briefe verschließt, ob durch die Dummheit oder Einfalt des Küsters oder einen bewußten Betrug, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls spiegelt diese Verwechslung den jammervollen Zustand unseres Glaubens und unserer Kirche wieder, wie er heute in Kempen und anderswo anzutreffen ist.

Am 27. April wurde das steinerne Kreuz, das auf dem angeschütteten Hügel vor dem Kuhtor steht und im Volksmund Hagelkreuz genannt wird, auf Befehl des Kommandanten von den Bürgermeistern entfernt. Es wäre sonst zertrümmert worden, weil es ein Dorn in den Augen der Feinde des Kreuzes Christi war. […]

Im Juli entstanden für uns Kleriker wieder neue Schwierigkeiten. Während der Tätigkeit des Prädikanten Viktor wurde für den Klerus eine neue Geldauflage angesagt. Er sollte alle 10 Tage zwei Reichstaler zahlen, wovon der Pastor befreit war, weil er den Prädikanten beherbergte. Glücklicherweise kam der Kommissar Bernard Becker von Neuß nach Kempen. Er war gewöhnlich mein Gast, da uns eine herzliche Freundschaft verband. Er beruhigte mich und versprach, um die Abschaffung der Auflage bemüht zu bleiben. Am anderen Tag, dem 10. Juli, erklärte er mir bei seinem Abschied, mit dem Kommandanten und Prädikanten verhandelt und die Auflage abgeschafft zu haben. Als Gegenleistung erbat er von mir, sicheres Geleit für acht Tage beim durchlauchtigen Kurfürsten zu erwirken für den Prädikanten Johann Sebastian Viktor und die katholische Frau des Isengard, was ich auch tat. […]

Im gleichen Jahr 1644 wurde wegen der neuen täglichen Kontributionen, die die Bürger bis auf das Mark aussogen, gemeinsam beschlossen, zwei Bittsteller aus der Gemeinde zur Landgräfin von Hessen nach Kassel[20] zu schicken, ungeachtet des langen, gefährlichen und beschwerlichen Weges. Auf Bitten der Bürger ließen sich der Bürgermeister Hermann Schmeetz und mein Neffe Ägidius Wilmius bewegen, am Tage des hl. Ägidius, die mühevolle Reise anzutreten. Von Kempen gings nach Wesel. Von dort fuhren sie über Lippstadt[21] nach Kassel. Am nächsten Tag schon wurden sie zu einer gnädigen Audienz vorgelassen und hatten Gelegenheit, die unsäglichen Beschwerden ihrer Vaterstadt und ihre unerträglichen Lasten der Fürstin-Witwe vorzutragen. Erschüttert über die traurigen Verkomnisse entschuldigte sie sich aufgrund ihrer Unkenntnis über solche Zustände und versprach Mäßigung und fühlbare Erleichterung der bisher ertragenen Lasten durch einen Brief an den Kommissar Becker. Sie zeigte großes Mitgefühl und ließ den Unterhändlern zwölf Reichstaler als Zehrgeld mit auf den Weg geben. […]

Im Januar 1645, um das Fest der hl. Jungfrau Agnes, kam ein neuer Stadtkommandant nach Kempen mit Namen Reinhard Wederholt [Georg Reinhard Wiederholt; BW], ein anscheinend guter [überschrieben ‚böse‘ nequam] Mann. Er löste von Sprewitz ab, der, um eine Frau heimzuführen, nach Minden[22] reiste und nach seiner Rückkehr seinen Platz von einem andereren eingenommen fand“.[23]

Spreewitz amtierte 1646 als hessischer Kommandant in Coesfeld.[24] Er stand unter dem Befehl Rabenhaupts. In der Chronik des Adolff Wilhelm Moerbecke zu Stevening [1611 – 1675] heißt es unter dem 7.10.1646: „Syn Excellens Melander, hirvan kuntschap krigende | (so met het vorn geseide keisersche volck tot understant der instadischen upperwartz gagen wass) ist met hetselve weer terugge ende te Collen[25] aver Ryns gekommen. Ravenhovet, hirvan einige kuntschap krigende, hefft den oversten wachtmeister Sprewitz met ein goodt deel ruterye, ume eigentlick te vernehmen, utgesonden. Die volcke niet heel wyt gekomen synde, hefft dor seker kontschap vernahmen, hoe starck ende na die viant gekomen wass, ende’tselve an Ravenhovet te wete doende, ist hem belastet, densolven, so voel doenlick, upteholden“.[26] Im Mai 1647 wird er anlässlich der Belagerung und Einnahme Vechtas[27] durch Königsmarck erwähnt.[28]

„Am 14. Juni 1648 griff Lamboy die Hessen an der Erft[29] und bei Neuß an. Sie hatten dort ihr Lager aufgeschlagen und es mit einem Wall umgeben. Zum Unglück aller Katholiken der unteren Diözese wurde Lamboy trotz eines schneidigen Angriffs zurückgeschlagen und überwältigt. Die Hoffnung, er werde Israel erlösen, erfüllte sich nicht. Doch auch den Hessen kam dieser Sieg teuer zu stehen. Er hätte beinahe zu ihrem Untergang geführt. In einem Blutbad, wie es größer und schlimmer seit langer Zeit nicht bekannt geworden war, hatten fast alle Offiziere, Kompanieführer, Fähnriche und Regimentskommandeure den Tod gefunden. Unter den mir bekannten Gefallenen befand sich auch Sprewitz“.[30] In der Chronik des Adolff Wilhelm Moerbecke zu Stevening heißt es, er sei in der Schlacht bei Grevenbroich[31] am 14.6.1648 als Obrist eines Kavallerieregiments im Kampf gegen kaiserliche Truppen unter Lamboy gefallen.[32]

[1] Kempen [LK Kempen-Krefeld]; HHSD III, S. 384ff.

[2] Radevormwald [Rhein-Wupper-Kr.]; HHSD III, S. 618.

[3] Kalkar [LK Kleve]; HHSD III, S. 374f.

[4] Rheinberg [LK Moers]; HHSD III, S. 636f.

[5] ENGELBERT, Hessenkrieg II, S. 76.

[6] Wachtendonk [LK Geldern] HHSD III, S. 745.

[7] Coesfeld [LK Coesfeld]; HHSD III, S. 144ff.

[8] Kamp-Lintfort [LK Moers]; HHSD III, S. 378f.

[9] Geldern [LK Geldern]; HHSD III, S. 245ff.

[10] Straelen [LK Geldern]; HHSD III, S. 710.

[11] Linn [Stadtkr. Krefeld]; HHSD III, S. 468f.

[12] Neuss; HHSD III, S. 556ff.

[13] Tönisvorst [LK Viersen].

[14] Frankfurt/M.; HHSD IV, S. 126ff.

[15] Wesel [LK Rees]; HHSD III, S. 773ff.

[16] Jülich [LK Jülich]; HHSD III, S. 367ff.

[17] Eschweiler [LK Aachen]; HHSD III, 211f.

[18] Maastricht [Niederlande, Provinz Limburg].

[19] Venlo [Provinz Gelderland; Niederlande].

[20] Kassel; HHSD IV, S. 252ff.

[21] Lippstadt [LK Lippstadt]; HHSD III, S. 474f.

[22] Minden [LK Minden]; HHSD III, S. 517ff.

[23] WILMIUS, Chronicon, S. 142ff.

[24] Coesfeld [LK Coesfeld]; HHSD III, S. 144ff.

[25] Köln; HHSD III, S. 403ff.

[26] STROTHMANN, Westfalen, S. 163.

[27] Vechta [Kr. Vechta]; HHSD II, S. 461f.

[28] STROTHMANN, Westfalen, S. 167.

[29] Die Erft ist ein knapp 107 km langer linksseitiger bzw. südwestlicher Nebenfluss des Rheins in Nordrhein-Westfalen.

[30] WILMIUS, Chronicon, S. 161.

[31] Grevenbroich [LK Grevenbroich], HHSD III, S. 265f.

[32] STROTHMANN, Westfalen, S. 187.

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