Ovelacker [Overlak, Osterdorffer, Offenbach], Dietrich; Obrist [ – ] Ovelacker [Overlak, Osterdorffer] stand als Obrist in französischen Diensten. Er erschoss in einem der häufiger vorkommenden Duelle am 20.2.1632 nachmittags um 4 Uhr Johann von Virmond von und zu der Neersen vor der Kölner[1] Jesuitenkirche. In der Chronik des Heinrich von Weseken aus Wesel[2] wird er allerdings wohl mit Werner Ovelacker verwechselt: „14. Martii von Cöllen Zeitung bekommen, daß deß Papenheims[3] Leytenant alda bey der Jesuiter Kirch auff der Gassen den Herrn von der Nierß erschossen, umb daß ihn der herr alß er Gelt von ihm gefordert, fur ein Lecker[4] gescholden, welches er auß Magdeburgh[5] mitgenahmen. So krigen sie ihren Lohn“.[6] Die „7. Newe Vnpartheyische Zeitung 1632“ meldete dagegen unter dem 17./27.2. aus Frankfurt:[7] „So ist zu Cölln Obrist von der Nersen / vom Obristen Osterdorffer / vorm Jesuiter Collegio erschossen worden / der Thätter aber sich errettet“.[8] Der Schweriner[9] Dompropst und Ratzeburger[10] Domherr, Otto von Estorf [1566 – 29.7.1637], berichtet in seinem „Diarium belli Bohemici et aliarum memorabilium“: „Zu Cöln ist der Obr: von der Nahen (?), Freiherr Johan von Tyrmondt (?), so in Rostock[11] gelegen, vom Obr: Offenbach vorm Jesuiten Collegio erschossen vnd der Thäter davon gewischet“.[12]
Einen mittelbaren Nutzen aus dieser Affäre zog dagegen Johann Adolf Freiherr Wolff genannt Metternich zur Gracht, Obersthofmeister des Kölner Kurfürsten:[13] „Im Herbst 1631 sprach Johann Adolf den Kurfürsten nochmals auf die Unterherrschaft Liblar[14] an. Dieser erklärte ihm, daß er es sofort machen wolle, er aber einen Einspruch des Domkapitels fürchte, das noch nie einer Unterherrschaft[15] zugestimmt habe. Was macht ein Beamter in einer solchen Lage ? Er konstruiert in einer fremden Sache einen Sonderfall. Eine solche Möglichkeit bot sich Johann Adolf, als sich in Köln eine Sensation ereignete, die in aller Munde war. Der Oberst Ovelacker hatte ‚den Herrn von Neersen mit 2 Kugeln vor der Jesuitenkirch zu Pferd erschossen, vespera hora 4 zu collen’. Wie immer wütete die Volksseele gegen den Mörder, und die Frau von Neersen und ihr minderjähriger Sohn konnten des Mitleids sicher sein. Die Mutter wandte sich für den unmündigen Sohn an den kurfürstlichen Hof wegen der Pfandschaft, die ihr Mann auf das Kirspil[16] Willich[17] besessen hatte. Johann Adolf erhielt den Fall zur Bearbeitung, er machte eine ‚gute Vorlage’ auf die Verleihung des Kirspils Willich zur Unterherrschaft für den jungen Herrn und seine Nachfolger. Das Domkapitel stimmte zu, der Präzedenzfall war geschaffen. Da der Kurfürst die Verleihung der Unterherrschaft Liblar nicht ohne seinen Obersthofmeister entscheiden wollte, machte der Bischof [Franz Wilhelm v. Wartenberg;[18] BW] ein eigenhändiges ‚gnädigstes und favorabeles Vorschreiben’, für das sich Johann Adolf im nächsten Brief bedankte. Als auch das Domkapitel seine Zustimmung gegeben hatte, wurde Johann Adolf in aller Form unter der Unterherrschaft Liblar belehnt“.[19]
„Landgraf Wilhelm von Hessen[20] und Melander [Holzappel; BW] hatten sich im Frühjahr 1635 auf die Defensive beschränkt, ohne in das Kriegsgeschehen aktiv einzugreifen. Hessen war von seinen oberdeutschen Verbündeten praktisch abgeschnitten, die westfälischen Garnisonen wurden durch Angriffe des Generalwachtmeisters von Velen dauernd bedroht, der Vreden[21] und Bocholt[22] zurückerobern konnte. Obwohl die hessischen Streitkräfte 1635 aus 7 Reiterregimentern – zusammen 3 000 Mann – und 8 Infanterieregimentern – etwa 9000 Mann – bestanden, reichte ihre Kraft nicht aus, im Rücken der gegen Herzog Bernhard von Weimar[23] operierenden kaiserlichen Armeen Mansfelds oder Piccolominis[24] etwas Ernstliches zu unternehmen, so sehr auch Oxenstierna[25] auf eine Vereinigung der protestantischen Truppen drängte. Zudem war in den Beziehungen des Landgrafen zu Kardinal Richelieu und den holländischen Generalstaaten eine Abkühlung eingetreten. Im Oktober 1634 war ein Obrist Ovelacker von der Krone Frankreich beauftragt worden, in Westfalen 3000 deutscher Hilfstruppen zu werben – da es sich um den ersten Versuch Frankreichs handelt, in Nordwestdeutschland eine eigene Truppenmacht auf die Beine zu bringen, muß kurz darauf hingewiesen werden. Der Landgraf sollte die dazu nötigen Lauf- und Musterplätze[26] anweisen und die Städte Essen[27] und Recklinghausen[28] als Garnisonen zur Verfügung stellen. Die Generalstaaten und der Prinz von Oranien verwandten sich eindringlich für Ovelacker, der aber bei den deutschen Protestanten als ‚Renegat, Freund des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm[29] und Bewunderer Spaniens‘ übel beleumundet war. Landgraf Wilhelm verhehlte nicht, daß er über das Ansinnen Richelieus sehr befremdet und gekränkt war; er lehnte es ab, die Werbungen des Obristen zu unterstützen und verweigerte die Einräumung von Essen und Recklinghausen (November 1634). Alle Beschwerden Ovelackers, Drohungen mit dem Unwillen des französischen Königs, und auch der Einspruch der Staaten konnten das Mißtrauen Wilhelms nicht überwinden. Im Februar 1635 kehrte der Obrist unverrichteter Dinge nach Frankreich zurück“.[30]
In einem Schreiben an seinen damaligen Kriegsminister Abel Servien vom 22. März 1635 bedauerte Richelieu den Tod des Colonel „Overlak“. Sein in den Generalstaaten stehendes Regiment war anscheinend 2000 Mann stark.[31]
Von Dietrich Ovelacker existiert ein Schreiben vom September 1642 an den Obristleutnant Robert Wolff von der Lippe.[32]
[1] Köln; HHSD III, S. 403ff.
[2] Wesel [LK Rees]; HHSD III, S. 773ff.
[3] Vgl. STADLER, Pappenheim.
[4] Lecker: Schmarotzer, Schelm; verächtl. Schmeichler.
[5] Magdeburg; HHSD XI, S. 288ff.
[6] BAMBAUER; KLEINHOLZ, Geusen, S. 396.
[7] Frankfurt/M.; HHSD IV, S. 126ff.
[8] ADRIANS, Joumalismus, S. 144.
[9] Schwerin; HHSD XII, S. 114ff.
[10] Ratzeburg [Kr. Herzogtum Lauenburg]; HHSD I, S. 216f.
[11] Rostock; HHSD XII, S. 95ff.
[12] DUVE, DIARIUM BELLI BOHEMICI ET ALIARUM MEMORABILIUM 3, S. 12.
[13] Vgl. FOERSTER, Kurfürst Ferdinand von Köln.
[14] Liblar, heute Stadtteil von Erfstadt [Rhein-Erft-Kreis].
[15] Unterherrschaft, auch „Unterherrlichkeit“ genannt, ist eine Gerichtsherrschaft, deren Inhaber, der Unterherr, in seinem Gebiet vom Landesherren mehr oder weniger unabhängig war, ohne jedoch reichsunmittelbar zu sein. [wikipedia]
[16] Kirchspiel: die räumliche Grundlage der Pfarrorganisation, dazu gehörten außer dem Kirchdorf meist mehrere Bauerschaften. Diese wurden dann zur Grundlage der unteren landesherrlichen Verwaltungsebene, der Vogteien.
[17] Willich [LK Viersen].
[18] Vgl. GOLDSCHMIDT, Lebensgeschichte des Kardinalpriesters Franz Wilhelm Grafen zu Wartenberg.
[19] STOMMEL, Johann Adolf Freiherr Wolff, S. 152.
[20] Vgl. ALTMANN, Wilhelm V.
[21] Vreden [LK Ahaus]; HHSD III, S. 743f.
[22] Bocholt; HHSD III, S. 87ff.
[23] Vgl. JENDRE, Diplomatie und Feldherrnkunst.
[24] Vgl. BARKER, Piccolomini. Eine befriedigende Biographie existiert trotz des reichhaltigen Archivmaterials bis heute nicht. Hingewiesen sei auf die Arbeiten von ELSTER (=> Literaturverzeichnis).
[25] Vgl. FINDEISEN, Axel Oxenstierna.
[26] Lauf- und Musterplatz: ein von den Städten und Territorien gefürchteter Platz zur Musterung und Einstellung von Landsknechten oder Söldnern im 16. und 17. Jahrhundert, dessen Einrichtung man nach Möglichkeit zu verhindern suchte. Der militärische Unternehmer richtete einen Platz, meist in der Nähe einer Stadt, in deren Wirtshäusern oder in Landstrichen ein, die wegen ihrer wirtschaftlichen Krisensituation als besonders geeignet galten, ein, an dem sich die von Werbern mit einem Handgeld geworbenen Söldner oder Rekruten einfanden. Wenn sie gemustert und für tauglich befunden wurden, wurden sie durch den Musterschreiber in Musterrollen eingeschrieben und an ihren Bestimmungsort verbracht. Die Heeresunternehmer hatten ein Werbepatent, das sie zur Stellung einer festgelegten Anzahl von Soldaten verpflichtete. Konnte die Anzahl nicht erreicht werden, mussten die Werbegelder vom Kriegsunternehmer aus eigener Tasche zurückgezahlt werden. Im Laufe des Krieges wurden so viele Neuanwerbungen notwendig, dass die Werbung trotz steigender Werbegelder immer schwieriger wurde, so dass sich erzwungene Werbungen häuften. BURSCHEL, Söldner, S. 126f.). LANGER, Hortus, S. 92f. Vgl. Die selbstkritischen Äußerungen des schottischen Söldners Sir James Turner [1615-1686; vgl. MURDOCH (Hg.), SSNE ID: 63], Memoirs, S. 14: „I had swallowed without chewing, in Germanie, a very dangerous maximie, which militarie men there too much follow; which was, that so we serve our master honnestlie, it is no matter what master we serve; so, without examination of the justice of the quarrel, or regard of my dutie to either prince or countrey, I resolved to goe with that ship I first rencounterd”.
[27] Essen; HHSD III, S. 213ff.
[28] Recklinghausen; HHSD III, S. 625f.
[29] Vgl. KÜCH, Die Politik des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm.
[30] LAHRKAMP, Bönninghausen, S. 312.
[31] LAHRKAMP, Bönninghausen, S. 312, Anm. 22.
[32] ENGELBERT, Hatzfeldt, Nr. 226.