Nössius, N

Nössius, N; Obrist [ – ] Nössius soll 1635 als Obrist[1] in kaiserlichen Diensten gestanden haben.

Der Benediktinerabt von St. Georgen im Schwarzwald,[2] Georg Gaisser [1595-1655],[3] berichtet in seinem Tagebuch unter dem 20.6.1635: „Der Herzog von Lothringen[4] hatte nach Beizug einer starken Reiterei schon zum zweiten Mal den Rhein überschritten, um das Herzogtum um jeden Preis zurückzuerobern, und nachdem er anfänglich fast ohne jeden Widerstand sich der Grafschaft Montbéliard (Mömpelgard)[5] bemächtigt hatte, verteilte er die Soldaten, die wie gewöhnlich alles verwüsteten, in die nahen Orte. Da er glaubte, im Fortgange der Zeit keine Zeit verlieren zu dürfen, rückte er näher an den Feind heran, und da er den Truppen zu Fuß bedurfte, führte ihm der treffliche Obrist Nössius ein Regiment[6] zu, dem der Generalwachtmeister[7] Joh. Heinrich von Rheinach[8] auch das seinige zuschickte. Nachdem er auch selbst eine Bedeckung von einigen Reitern herbeigezogen hatte, verließ er Breisach[9] und wäre auf dem Wege ins Lager beinahe von den Franzosen abgefangen worden, wobei viele nicht unbegründet (non obscure) Verrat in den eigenen Reihen vermuteten. Als der Lothringer nun über die Stadt Belfort[10] hinaus mit seinem Heere vorrückte und die französischen Führer zum Kampfe bereit vorfand, unterdrückte er den Angriff seiner Leute, die vor Kampflust brannten, durch zaudernde Zurückhaltung, gab aber dem Feinde Raum und Zeit, sein Lager durch Baumverhaue zu sichern. Um aber den Anschein zu erwecken, als ob was geschafft worden sei, ließ er unter Aufstellung der Regimenter zu Fuß auf offenem Gelände seine äußerst glänzende Reiterei leichte Kämpfe führen, die anfänglich so glücklich verlaufen waren, daß ein Kardinal Valletanus[11] von den Franzosen vermißt worden sei. Als aber dann die ganze französische Reiterei, die indessen den Unsern weit unterlegen war, einbrach, ließen die Unsrigen Ort und Fußvolk schmählich im Stiche, das sich mit einem Verlust von etwa 800 Mann (darunter Hicrasius von Schönau, der Oberstleutnant[12] Rheinachs) mit knapper Not in Sicherheit brachte. Die Lothringer, von den Franzosen aus ihrer Stellung vertrieben, verteilen die Reiterei zum größeren Teile im Elsaß und schicken die Truppen zu Fuß in den Triberger,[13] Fürstenberger[14] und St. Blasischen[15] Bezirk über den Rhein zurück. Ein guter Teil aber floh aus Mangel an Kleidung oder Nahrung zu den Baselern[16] und den Schweizern, die ihrerseits Soldaten anwarben. Bei so übel bestellter militärischer Lage führten die übrigen Führer des ligistischen Heeres, die zur Hilfeleistung befohlen waren, heute ihre Truppen, die nach Zahl, Kraft und Waffen gewiß ansehnlich waren, doch nach der bei der Soldateska[17] bereits eingebürgerten Gewohnheit alles gründlich verwüsteten, an den Mauern von Villingen[18] vorüber. Deshalb flüchteten die unglücklichen Bewohner überall vom Lande in die Wälder und in die Stadt Villingen, wohin sich auch P. Joh. Kreß flüchtend zurückzog“.[19]



[1] Obrist: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S.388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide.  II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.

[2] St. Georgen im Schwarzwald [LK Schwarzwald-Baar-Kreis].

[3] KRUSENSTJERN, Selbstzeugnisse, S. 93f. Vgl. auch SCHULZ, Strafgericht.

[4] Vgl. BABEL, Zwischen Habsburg und Bourbon.

[5] Mömpelgard [Montbéliard, Dép. Doubs]. Mömpelgard bildete das Herrschaftszentrum in den linksrheinischen Besitzungen Württembergs, zu denen auch Reichenweier und Horburg gehörten. Staatsrechtlich waren die Grafschaft Mömpelgard und das rechtsrheinische Herzogtum Württemberg ab dem 16. Jahrhundert getrennt. Mömpelgard entsandte zum Beispiel keine Vertreter in den württembergischen Landtag. Von 1553 bis 1593 und von 1617 bis 1723 regierten in Mömpelgard Seitenlinien des Hauses Württemberg. [wikipedia].

[6] Regiment: Größte Einheit im Heer: Für die Aufstellung eines Regiments waren allein für Werbegelder, Laufgelder, den ersten Sold und die Ausrüstung 1631 bereits ca. 135.000 fl. notwendig. Zum Teil wurden die Kosten dadurch aufgebracht, dass der Obrist Verträge mit Hauptleuten abschloss, die ihrerseits unter Androhung einer Geldstrafe eine bestimmte Anzahl von Söldnern aufbringen mussten. Die Hauptleute warben daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. Wegen der z. T. immensen Aufstellungskosten kam es vor, dass Obristen die Teilnahme an den Kämpfen mitten in der Schlacht verweigerten, um ihr Regiment nicht aufs Spiel zu setzen. Der jährliche Unterhalt eines Fußregiments von 3.000 Mann Soll-Stärke wurde mit 400- 450.000 fl., eines Reiterregiments von 1.200 Mann mit 260.-300.000 fl. angesetzt. Zu den Soldaufwendungen für die bayerischen Regimenter vgl. GOETZ, Kriegskosten Bayerns, S. 120ff.; KAPSER, Kriegsorganisation, S. 277ff. Ein Regiment zu Fuß umfasste de facto bei den Kaiserlichen zwischen 650 und 1.100, ein Regiment zu Pferd zwischen 320 und 440, bei den Schweden ein Regiment zu Fuß zwischen 480 und 1.000 (offiziell 1.200 Mann), zu Pferd zwischen 400 und 580 Mann, bei den Bayerischen 1 Regiment zu Fuß zwischen 1.250 und 2.350, 1 Regiment zu Roß zwischen 460 und 875 Mann. Das Regiment wurde vom Obristen aufgestellt, von dem Vorgänger übernommen und oft vom seinem Obrist-Leutnant geführt. Über die Ist-Stärke eines Regiments lassen sich selten genaue Angaben finden. Das kurbrandenburgische Regiment Carl Joachim von Karberg [Kerberg] sollte 1638 sollte auf 600 Mann gebracht werden, es kam aber nie auf 200. Karberg wurde der Prozess gemacht, er wurde verhaftet und kassiert; OELSNITZ, Geschichte, S. 64. Als 1644 der kaiserliche Generalwachtmeister Johann Wilhelm von Hunolstein die Stärke der in Böhmen stehenden Regimenter feststellen sollte, zählte er 3.950 Mann, die Obristen hatten 6.685 Mann angegeben. REBITSCH, Gallas, S. 211; BOCKHORST, Westfälische Adlige.

[7] General(feld)wachtmeister: Bei den hohen Offizierschargen gab es in der Rangfolge „Generalissimus“, „Generalleutnant“, „Feldmarschall“, „Generalfeldzeugmeister“, auch den „General(feld)wachtmeister“, den untersten Generalsrang im ligistischen Heer („Generalmajor“ bei den Schweden). In der Regel wurden Obristen wegen ihrer Verdienste, ihrer finanziellen Möglichkeiten und verwandtschaftlichen und sonstigen Beziehungen zu Generalwachtmeistern befördert, was natürlich auch zusätzliche Einnahmen verschaffte. Der Generalwachtmeister übte nicht nur militärische Funktionen aus, sondern war je nach Gewandtheit auch in diplomatischen Aufträgen tätig. Der Generalfeldwachtmeister entsprach rangmäßig dem Generalmajor. Der Generalmajor nahm die Aufgaben eines Generalwachtmeisters in der kaiserlichen oder bayerischen Armee war. Er stand rangmäßig bei den Schweden zwischen dem Obristen und dem General der Kavallerie, bei den Kaiserlichen zwischen dem Obristen und dem Feldmarschallleutnant. Die Bezeichnung ergab sich aus seiner ursprünglichen Aufgabe, der Inspektion der Feldwachen und dem Überwachen der Aufstellung der Brigaden und Regimenter im Felde und beim Marsch.

[8] Hans Heinrich IX. Freiherr von Reinach; Feldzeugmeister [22.8.1589 – 4.8.1645]; „ein schlimmer loser Mann, ja ein geiziger Hund und Verräter“ nach Aussage Werths; LAHRKAMP, Werth, S. 101.

[9] Breisach am Rhein [LK Breisgau-Hochschwarzwald]; HHSD VI, S. 110ff.

[10] Belecke (LK Arnsberg]; HHSD III, S. 59.

Belfort; [Sundgau; h. Frankreich, Dép. Territoire de Belfort].

[11] Jean Louis de Nogaret- La Valette [1593-1639].

[12] Obristleutnant: Der Obristleutnant war der Stellvertreter des Obristen, der dessen Kompetenzen auch bei dessen häufiger, von den Kriegsherrn immer wieder kritisierten Abwesenheit – bedingt durch Minderjährigkeit, Krankheit, Badekuren, persönliche Geschäfte, Wallfahrten oder Aufenthalt in der nächsten Stadt, vor allem bei Ausbruch von Lagerseuchen – besaß. Meist trat der Obristleutnant als militärischer Subunternehmer auf, der dem Obristen Soldaten und die dazu gehörigen Offiziere zur Verfügung stellte. Verlangt waren in der Regel, dass er die nötige Autorität, aber auch Härte gegenüber den Regimentsoffizieren und Soldaten bewies und für die Verteilung des Soldes sorgte, falls dieser eintraf. Auch die Ergänzung des Regiments und die Anwerbung von Fachleuten oblagen ihm. Zu den weiteren Aufgaben gehörten Exerzieren, Bekleidungsbeschaffung, Garnisons- und Logieraufsicht, Überwachung der Marschordnung, Verproviantierung etc. Der Profos hatte die Aufgabe, hereingebrachte Lebensmittel dem Obristleutnant zu bringen, der die Preise für die Marketender festlegte. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, waren umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen notwendig. Nicht selten lag die eigentliche Führung des Regiments in der Verantwortung eines fähigen Obristleutnants, der im Monat je nach Truppengattung zwischen 120 und 150 fl. bezog. Voraussetzung war allerdings in der bayerischen Armee die richtige Religionszugehörigkeit. Maximilian hatte Tilly den Ersatz der unkatholischen Offiziere befohlen; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Dreißigjähriger Krieg Akten 236, fol. 39′ (Ausfertigung): Maximilian I. an Tilly, München, 1629 XI 04: … „wann man dergleich officiren nit in allen fällen, wie es die unuorsehen notdurfft erfordert, gebrauchen khan und darff: alß werdet ihr euch angelegen sein lassen, wie die uncatholischen officiri, sowol undere diesem alß anderen regimentern nach unnd nach sovil muglich abgeschoben unnd ihre stellen mit catholischen qualificirten subiectis ersezt werden konnde“. Von Piccolomini stammt angeblich der Ausspruch (1642): „Ein teutscher tauge für mehrers nicht alß die Oberstleutnantstell“. HÖBELT, „Wallsteinisch spielen“, S. 285.

[13] Triberg im Schwarzwald [Schwarzwald-Baar-Kr.]; HHSD VI, S. 797f.

[14] Fürstenberg [Hüfingen, Schwarzwald-Baar-Kr.]; HHSD VI, S. 232f.

[15] St. Blasien [LK Waldshut].

[16] Basel [Kanton Basel-Stadt].

[17] Soldateska: Soldaten, teilweise auch abwertend gebraucht für Soldatenhaufen.

[18] Villingen im Schwarzwald [Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kr.]; HHSD VI, S. 834ff.

[19] STEMMLER, Tagebuch Bd. 2, S. 645ff. (2. Auflage 1984, heute noch erhältlich bei Stabsstelle Archiv von 79002 Villingen-Schwenningen).

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