Eßleben [Esleben, Esleve], Christoph Friedrich von

Eßleben [Esleben, Esleve], Christoph Friedrich von; Obrist [[12.3.1580-7.9.1646 Kemnade] Eßleben, der aus dem Braunschweigischen stammte und dort auch Besitzungen hatte, stand als Obrist und Statthalter des Eichsfelds[1] in sachsen-weimarischen Diensten.

„Ein Glück war es, daß Pappenheim Ende Juni [1632; BW] dem Eichsfeld den Rücken kehrte, als er von dem Anzug Herzog Georgs und Baudissins Kunde erhielt. Als man in Erfurt[2] davon hörte, machte man sogleich den Versuch, das Land wieder in Besitz zu nehmen. Kriegsrat Dr. Buchard zog mit einigen Kompanien zu Fuß und etwas Reiterei unter [Wilhelm; BW] Wrangel und [Christoph Friedrich von; BW] Eßleben von Mühlhausen[3] aus gegen Dingelstädt,[4] das Wrangel überfiel und eroberte. Dabei fiel ein  Teil des Städtchens einer Feuersbrunst zum Opfer, die durch das mitgelaufene Gesindel entstanden war. Als sich nun die Eichsfelder Bauern zusammenrotteten, und man hörte, daß der Feind sich rächen wolle, zog Burchard nach Mühlhausen zurück und bat den Residenten dorthin zu kommen, um zu beraten, wie man das Eichsfeld für Herzog Wilhelm wiedergewinnen könne. Erskein begab sich sofort nach Mühlhausen und ordnete an, daß 800 Mann Ausschuß und einige hundert Reiter gegen Heiligenstadt[5] marschieren, die Stadt besetzen und alles Getreide nach Mühlhausen bringen sollten. Den Herzog aber bat er, dem Grafen [Christoph Heinrich von; BW] Löwenstein oder dem Obersten Eßleben zu befehlen, mit allem geworbenen Volk nach Duderstadt[6] zu ziehen, damit man vor den Lüneburgern dort sei und Herzog Georg dann keinen Grund mehr habe, auf seiner Weigerung – er war von Gustav Adolf aufgefordert worden, nach Nürnberg[7] zukommen, hatte sich aber geweigert, da ihm die Belagerung von Duderstadt und Wolfenbüttel[8] wichtiger zu sein schien – zu verharren. Herzog Wilhelm gab dem Grafen Löwenstein den Befehl, alle in Thüringen neugeworbenen Truppen mit Erskeins Zustimmung zu sammeln, mit ihnen gegen das Eichsfeld zu ziehen, das Land wieder zu besetzen, Musterplätze einzurichten und die Verräter, die dem Feind Vorschub geleistet hätten, zu bestrafen. Der Graf aber fühlte sich durch den eigenmächtigen Zug Dr. Burchards gegen Dingelstädt, den er als Eingriff in sein Kommando über die Soldateska betrachtete, derartig beleidigt, daß er dem Befehl des Herzogs nicht Folge leistete und sich um nichts weiter als die Erfurter Garnison kümmerte, wodurch er bald mit dem Residenten in offenen Zwiespalt kam.

Inzwischen schritten Herzog Georg und Baudissin bereits zur Besetzung des Eichsfelds. Der schwedische Oberst Lars Kagg drang mit seinen Scharen nach Heiligenstadt vor, plünderte es und legte die Stadtore nieder. Herzog Georg begann die Belagerung Duderstadts. Er hatte an der Stadt besonderes Interesse, da Gustav Adolf ihm deren Besitz und den Eichsfeldischer Ämter in ihrer Umgebung in Aussicht gestellt hatte. Nachdem er sie am 5. August eingenommen und ihre Festungswerke geschleift hatte, mußte ihm die Bürgerschaft den Huldigungseid leisten. An Herzog Wilhelm sandte er ein Schreiben, in dem er Duderstadt, das Amt Gieboldehausen,[9] die Gerichte See-[10] und Bernshausen[11] und ‚dazu gehörige Pertinentien’ für sich beanspruchte. Auch den König bat er, ihm diese Teile des Eichsfelds als ‚unzweifelhaftige pertinentia Unseres uralten fürstlichen Hauses Braunschweig und Lüneburg grubenhagischen Teils alte Stammlehen’, mit denen zum ‚Präjudiz’ seines Hauses ‚von E. k. M. mein Vetter Herzog Wilhelm zu Sachsen Ld. vertröstet sein soll’, zu überlassen.

Erskein, der sich in das Lager vor Duderstadt begeben hatte und hörte, daß die lüneburgische Armee auf dem Eichsfeld Werbeplätze anstellen wollte, versuchte das mit allen Mitteln zu verhindern und ließ sich Herzog Wilhelms an dem Eichsfeld ‚versierendes Interesse angelegen sein’. Dem Herzog Georg und dem Kriegskommissar Grubbe erklärte er, daß, wenn sie dem Herzog Wilhelm zugute Duderstadt befreit hätten, dieser doch andererseits Göttingen[12] dem Hause Braunschweig-Lüneburg zum Vorteil erobert habe, ohne das umliegende Land zu seinem Werbeplatz zu machen. Herzog Wilhelm aber drängte er, ihm die Verwaltung des Eichsfelds anzuvertrauen und den Reichskanzler zu bestimmen, Grubbe zum Verlassen des Landes zu veranlassen. Er wolle es dann einschließlich Duderstadts im Namen des Herzogs besetzen und darin Werbeplätze anstellen, damit Thüringen entlastet werde. Wilhelm war damit zufrieden. Als die lüneburgische Armee, die im Lande übel gehaust und sogar drei Mühlhäuser Dörfer geplündert hatte, im Laufe des August abzog, quartierte Erskein einige Kompanien aus Thüringen dorthin und ernannte am 11. September im Namen Gustav Adolfs und Herzog Wilhelms den Obersten Christoph Friedrich von Eßleben zum Kommandanten des Landes,[13] abgesehen von Duderstadt, das zunächst lüneburgisch blieb. Der Oberst sollte sich ‚von keinem Be-nachbarten oder wer es sonst sein möchte keinen Eingriff tun lassen und uns entziehen und in anderer Herren Gewalt geraten lassen’. Das Eichsfeld war so wieder in der Gewalt Herzog Wilhelms, allerdings ohne Duderstadt“. [14]

Über die Kriegsereignisse um und in Mühlhausen[15] wird berichtet: „Den 7. October [17.10.1632; BW] ist Oberst Esleben mit seiner Reiterei auch vom Eichsfelde[16] gewichen und hat zu Bollstedt[17] Quartier genommen. Einer davon erschoß Hans Harseilen in der Hardt bei seinen Pferden und wurde in gefängliche Haft gesetzt, ist aber aus Versehen in die Jungfernstube gesetzt worden, die nicht genugsam verwahret gewesen, so ist der Spitzbube losgebrochen und entlaufen“.[18] Dazu heißt es in der Thomas-Chronik: „Den 9. Okt. [19.10.; BW] ist Hans Harseil von Görmar[19] bei seinen Pferden in der Haart von Eslebischen Reutern angegangen und erschossen worden, und dieweil etzliche Bürgerssöhne unter der Eslebischen Kompanie waren und der Tat wollten beschuldigt werden, damit nun dieselbigen aus solcher Beschuldigung kommen möchten, hat Gottfried Tilesius, Korporal unter dem Obersten Esleben, den Täter, so Harseil erschossen, zu gefänglicher Haft gebracht, weil er aber aus Unvorsichtigkeit in die Jungferstuben gesetzt, vor welcher Tür nicht mehr denn nur ein Mahlschloß gelegen, ist solches Schloß eröffnet und der Mordtäter entlaufen“.[20]

„Den 14. Oktober [24.10.; BW] kam Zeitung, daß der General Pappenheim, welcher Hildesheim[21] erobert hatte, mit seiner ganzen Armee im Anzug wäre. Da entstand allhier eine erschreckliche Furcht unter den Leuten, dieweil die Stadt wegen Plünderung des Eichsfeldes bei dem Pappenheim in die größte Ungnade gefallen war. Hierauf begannen die vornehmsten Bürger flüchtig zu werden, es verbot aber der Rath bei Verlust von Hab und Gut, Leib und Leben, nicht aus der Stadt zu weichen. Oberst Esleben kam den 16. October [26.10.; BW] mit 2 Compagnien Reiter vor die Stadt und begehrte Quartier, weil aber die Zeit her die Schweden und Weimarischen mit den Bürgern nicht wie mit Christen gehandelt, ward ihm solches abgeschlagen. Dieweil er aber um das Quartier anhielt, kam ein Geschrei, es käme der Pappenheim den Dachrieder Berg herunter mit seiner ganzen Armee, welchem des Esleben Quartiermeister widersprach, mit Vorgeben, es wären Lüneburgische Völker, so ihnen zu Hülfe kämen. Es nahm aber das Geschrei vom Pappenheim überhand, darauf erwähnter Quartiermeister unter dem Rathhause sich auf sein Pferd schwang und ritt den nächsten Weg zum Erfurter Thore hinaus“.[22]

„Aber nicht allein von Süden drohte der Feind. Pappenheim kehrte aus Westfalen zurück. Vergebens versuchte Baudissin, ihn am Übergang über die Weser zu hindern. Bei Höxter[23] überschritt er den Strom und nahm seinen Marsch auf Hildesheim. Herzog Georg mußte die Belagerung aufheben. Pappenheims Scharen streiften gegen das Eichsfeld, besetzten am 8. Oktober Duderstadt und ließen sich um Heiligenstadt sehen. Oberst Eßleben zog seine Truppen vom Eichsfeld zurück und nahm im Mülhäusischen Quartiere. In Erfurt fühlte man sich bereits nicht mehr sicher. Erskein wandte jetzt sein Augenmerk vor allem auf den Schutz der Stadt. Er forderte die Stände auf, alle vorhandene Munition nach Erfurt  zu schaffen, und suchte ihnen Mut zuzusprechen, indem er ihnen mitteilte, daß Erfurt sich bei einem Angriff des Feindes ‚eines starken Sukkurses von der königlichen Armee zu versehen’ haben werde. Sie sollten deshalb Proviant zur Verpflegung dieser Entsatzarmee bereithalten.

Der König sah durch den Marsch Wallensteins gegen Sachsen und Thüringen die Verbindung mit der Ostseeküste und Schweden bedroht. Dies bewog ihn, neben der zweifelhaften Haltung der europäischen Mächte, von der Donau nach Norden aufzubrechen, um ‚auf alle casus, dem Vaterland soviel desto näher zu sein, achtzugeben’. Sein Ziel war zunächst Erfurt, wo er alle Truppen sammeln wollte. Am 18. Oktober brach er von Neuburg[24] auf, am 22. war er in Nürnberg.[25] Er gab Herzog Wilhelm Weisung, alle in Thüringen vorhandenen Truppen bei Erfurt zusammenzuziehen und Magdeburg[26] und Werben[27] gut zu besetzen. Dem am Main stehenden Herzog Bernhard befahl er zu warten, bis er mit der Hauptarmee herankomme.

Herzog Bernhard hatte sich, als er von dem Anzug Pappenheims gehört hatte, entschlossen, mit seiner fränkischen Armee nach Erfurt zu marschieren und die Stadt zu schützen. Er hatte, weil er seinen Bruder ‚bei Dero noch währenden Leibsbeschwerung mit dergleichen Beschwerung nicht molestieren’ wollte, den Residenten ersucht, alles im Thüringischen liegende Kriegsvolk um Erfurt zu sammeln. Wilhelm, der ‚noch mit Leibesschwachheit und einem heftigen Fieber behaftet’ in Erfurt ‚hart darnieder lag’, war damit durchaus zufrieden und gab auch von sich aus dem Residenten [Erskein; BW] den gleichen Auftrag. Bernhard war bereits im Aufbruch begriffen, als er den Befehl Gustav Adolfs, auf ihn zu warten, erhielt.

Inzwischen war Pappenheim auf Befehl Wallensteins, der sich in Leipzig[28] mit ihm vereinigen wollte, nach dem Entsatz Hildesheims auf das Eichsfeld gerückt. Sein Ziel war Erfurt, das er aufforderte, 20000 Rt. Kontribution zu zahlen. Von Kurfürst Maximilian hatte er den Befehl erhalten, im ‚Weimarischen so viel möglich in Asche’ zu legen, da Herzog Wilhelm in Bayern so übel gehaust habe. Am 26. Oktober zog er in Mühlhausen ein. Eßleben wich in die Gegend zwischen Gotha[29] und Erfurt zurück. Raubend und plündernd nahm Pappenheim am 29. seinen Weg auf Langensalza,[30] Gräfentonna[31] und Tennstedt,[32] 150 Reiter sandte er nach Eisenach,[33] um dort zu plündern. Erfurt war in höchster Gefahr“.[34]

„Um so größer war seine [Wilhelms; BW] Enttäuschung über das Verhalten Oxenstiernas, als dieser auf seiner Reise zur Armee vom 10. bis 15. Dezember [1632; BW] in Erfurt weilte. Der Kanzler pflegte zwar mit ihm ‚de statu publico allerhand mündliche Konferenz’, schob aber zunächst‚ das Werk auf vorgehende Konjunktion mit Kursachsen’ und gab ihm keine bindende Zusage. Dagegen befahl er dem Residenten Erskein auf Grund des Nördlinger Dekrets Gustav Adolfs der Stadt Erfurt alle mainzischen Rechte und katholischen Güter zu vollständigem Besitz zu übergeben. Gleichzeitig ordnete er ihm einen schwedischen Buchhalter bei, der die Kontributionsgelder der thüringischen Stände einnehmen und ohne Erskeins Zustimmung nichts tun sollte.

Wilhelm fühlte sich schwer gekränkt, daß der Reichskanzler derart über ihn hinweg dem Rat die Güter schenkte, auf die Gustav Adolf ihm selbst Hoffnungen gemacht hatte. Auch war doch ihm das Statthalteramt vom König übergeben worden, wozu die Verwaltung der Kontributionsgelder gehörte. Um nun nicht auch noch das Eichsfeld zu verlieren, hielt er es für besser, selbst zuzugreifen. Den bisherigen Kommandanten des Landes, Obersten von Eßleben, den Erskein am 22. November wieder nach dem Eichsfeld geschickt hatte, machte er zum Statthalter des gesamten Landes einschließlich aller von Lüneburg und Braunschweig beanspruchten Gebiete und gab ihm strenge Anweisungen, alle festen Plätze, Städte und Dörfer zu besetzen und auf die Grenzen gute Achtung zu geben. Werde sich einer von den benachbarten Fürsten unterstehen, ihm irgendetwas vom Eichsfeld zu entziehen – er habe gehört, daß manche Absichten auf Lindau,[35] auf Gieboldehausen, Duderstadt, Treffurt[36] und die Vogtei Dorla[37] und Langula[38] hatten – so sollte er sich zur Wehr setzen, schon von anderen besetzte Orte diesen wieder entreißen, auch niemandem Lauf- und Musterplätze oder Erhebung von Kontribution gestatten. Außerdem erhielt er den Auftrag, die Landstände in Wilhelms Namen in Pflicht zu nehmen und Landtage einzuberufen. Er sollte jedoch zur Verwaltung des Landes die Vertreter der Landstände, Christoph von Hagen und Alexander von Hohnstein, heranziehen. Den lüneburgischen Ansprüchen, so erklärte der Herzog, wolle er nicht vorgreifen; er berief sich aber darauf, daß Gustav Adolf ihm alle mainzischen Rechte auf das Eichsfeld geschenkt habe, was in Wahrheit den Tatsachen nicht entsprach.

Eßleben ging sogleich ans Werk, besetzte Duderstadt und die Ämter Gieboldehausen und Lindau und kam dabei sofort mit den lüneburgischen Beamten in Gegensatz, behauptete sich aber. Das Eichsfeld wurde in der Folgezeit zu einem für den Herzog äußerst wichtigen Gebiet. Hauptsächlich die Geldlieferungen Eßlebens waren für ihn zur Bezahlung seiner Soldateska von größter Bedeutung, da die Kriegskasse in Erfurt zumeist leer war“.[39]

„Die bis zum Zusammentritt des Konvents [der thüringischen Stände; BW] noch vorhandene Zeit benutzte er [Wilhelm; BW], um die Verwaltung des Eichsfelds endgültig zu regeln. Zum 17. März [1633; BW] beschrieb er die Eichsfeldischen Landstände nach Heiligenstadt, wo er selbst am 19. anlangte. Er richtete mit ihnen einen Rezeß auf, in dem die monatliche Kontribution auf 1000 Rt. festgesetzt wurde, wogegen er sie bei ihren Privilegien zu lassen versprach. Von der Kontribution sollten die Truppen besoldet werden und der Statthalter und die Regierung ihren Unterhalt nehmen. Die Stellung des Statthalters von Eßleben wurde weiter gefestigt. Er erhielt das Recht, die Ämter mit tüchtigen Personen zu besetzen und deren Reverse in Empfang zu nehmen. Die Bürgerschaften der Städte Duderstadt und Heiligenstadt und alle Amtsuntertanen sollten ihm huldigen. Gemeinsam mit der Landesregierung, zu der Christoph von Hagen und Lizentiat Johann Christian Weber gehörten, hatte er die Aufgabe, die Kontribution einzubringen. Zum Schutz des Landes sollten drei Kompanien Fußvolk und 50 Reiter dienen. Sein besonderes Augenmerk sollte er auf die nördlichsten Ämter Gieboldehausen und Lindau haben, außerdem das Stift Nörten,[40] das Kloster Steinau[41] und die Pfarre Geismar[42] ‚als ein Pertinenzstück des Eichsfeldes“ in des Herzogs Namen in Besitz nehmen. Nicht auf einen Fußbreit des von ihm beanspruchten Landes wollte Herzog Wilhelm verzichten. In dessen innerer Verwaltung dagegen zeigte er weitgehende Duldsamkeit den Katholiken gegenüber, verwies allerdings die Jesuiten des Landes und ließ der Ritterschaft auf ihre besondere Bitte das Recht, evangelische Geistliche zu berufen.

Am 23. März verließ der Herzog das Eichsfeld wieder. Eßleben, der bald tatkräftig daran ging, des Herzogs Befehle auszuführen, geriet sofort in Streit mit den hessischen und lüneburgischen Beamten. Der Amtmann von Kloster Steinau verwahrte sich gegen die Besetzung mit weimarischen Truppen. Er meinte, der Landgraf habe das Kloster bereits besetzt gehabt, ehe Herzog Wilhelm sich des Eichsfelds bemächtigt hätte. Wegen Geismar und Nörten[43] erhob Braunschweig Einspruch, da zwar Mainz ‚seine jura darin gehabt, allein sie hätten den Herzog von Braunschweig alleweil für ihre Obrigkeit erkannt’. Schließlich versuchte der braunschweigische Amtmann Weidemann auf Befehl seiner Regierung das Amt Lindau zu besetzen. Der Statthalter ließ ihn jedoch gefangennehmen, wandte sich aber dann an den Herzog mit der Bitte, was er tun solle. Dieser gab nach. Er befahl, die Angelegenheit ruhen zu lassen, da ‚Wir bei itzigem Zustand diese Sache weiter zu urgieren Bedenken tragen’, und auch Weidemann gegen einen Revers aus der Haft zu entlassen. Mit dem Landgrafen werde er sich vergleichen“.[44]

Der Hofer[45] Organist Johann Rüthner berichtet: „Sonnabends den 27. aprilis gieng der gantze march von Wunsiedel[46] (da ebenermaßen ein groses ausreißen des landvolcks, geist- und weltlicher, um der furcht willen entstanden) samt aller bagage wieder zurück hieher. Die sächßischen aber bezogen ihre vorige quartier in Plauen, und wurde alhier das tauboldische [Taupadel; BW] regiment und vom obrist Eßlebens regiment 3 compagnien nebenst Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar compagnie hier einquartiret“.[47]

„Der Herzog hatte die Zusammenziehung der Truppen in der Zwischenzeit mit Nachdruck betrieben. Er hatte Offiziere zu den einzelnen Ständen geschickt, die die Musterung der versprochenen jungen Mannschaft vorgenommen und sie in die Regimenter eingereiht hatten. Der Wert dieser Soldaten war allerdings sehr gering. Oft waren ‚Jungen, so keinen Mann bestehen können, mit unterlaufen’. Schon nach der Musterung ging ein großer Teil wieder auf und davon. Wilhelm hielt es daher für besser, daneben wirkliche Werbungen vornehmen zu lassen; Statthalter Eßleben erhielt ein Patent zur Werbung von 1000 Reitern. Zum Transport der Munition und Artillerie ersuchte er die Stände, Pferde und Wa-gen zu stellen, sie sollten auch selbst Munition liefern. Zur Verpflegung der Soldateska forderte er von ihnen Proviant. Aber an einem mangelte es überall, an barem Geld. Wilhelm suchte das Nötigste vom Eichsfeld zu erlangen und  erreichte auch, daß Eßleben ihm mehrmals ziemliche Summen, zum Teil aus seiner eigenen Tasche, lieferte. Dafür gab ihm der Herzog Vollmacht, sich an der Kontribution, an dem im Lande vorhandenen Getreide und an den Eichsfeldischen Gefällen schadlos zu halten. Der Statthalter arbeitete infolgedessen immer selbständiger und glaubte bald, das ‚Direktorium im Lande absolute’ zu haben“.[48]

„Wilhelm hatte sich durch die Zurücksetzungen Oxenstiernas nicht entmutigen lassen. Er plante, die sich in Thüringen sammelnden Resttruppen zu einer selbstständigen Armee unter seiner Führung zusammenzuschließen. Obwohl Oxenstierna gegen den Plan war, forderte Wilhelm einige Infanterieregimenter von dem schwedischen Statthalter in Magdeburg,[49] Ludwig von Anhalt (ebd. S. 109/110). Dieser schickte Mitte März 1633 das Regiment Lohausen, welches unter dem Befehl des Oberstleutnants Ilefeld stand. Der Generalmajor Lohausen befand sich ja bekanntlich um diese Zeit bei den Truppen Bernhards in Franken. Außerdem schickte Anhalt das Regiment Tiesenhausen unter dem Obersten Detlof von Tiesenhausen, einem livländischen Edelmann, und das Regiment des Schotten Jakob King, welcher als Generalmajor auch den Oberbefehl über dieses Truppenkontingent hatte.

Aus Wilhelms eigener Bestallung kamen noch zwei Regimenter zu Fuß, nämlich das anhaltisch-thüringische Regiment Schenck und das Leibregiment Wilhelms zu Fuß unter dem Oberst Georg Friedrich von Brandenstein. Wilhelms altes Leibregiment zu Roß unter Oberstleutnant Georg Friedrich von Wolframsdorf befand sich seit Mai 1632 bei Herzog Bernhards Armee. (Huschke, S. 44, 48, 114, 183/184, S. 232/233). An Kavallerie standen zur Verfügung: die beiden Regimenter Georg Christoph von Taupadel (mit einer Sollstärke von 600 Dragonern in 12 Kompanien und 6 Cornets Reiter). Unter Taupadel standen zwei weitere Reiterregimenter, nämlich das Regiment des Oberstleutnants Reinhold von Rosen [einem Vetter des späteren französischen Generalleutnants Reinhold von Rosen) und das des Obersten Wolf Adam von Steinau. Weiterhin gehörten zu Wilhelms Reiterei seine eigene Leibkompanie zu Roß imd die Esquadron des Obersten Christoph Friedrich von Eßleben. Die gesamte Truppenstärke umfaßte also 5 Regimenter zu Fuß, zusammen ca. 3500 Mann, und 5 Regimenter zu Roß mit rund 2500 Pferden“.[50]

„Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar hatte ursprünglich selbst daran gedacht, im Frühjahr 1633 nach Franken zu gehen, um dort als Generalleutnant den Oberbefehl über die Fränkische Armee zu übernehmen (Huschke, S. 95). Bernhard kümmerte sich indes wenig um die Ansprüche seines Bruders. Er hatte schon von Schweinfurt[51] aus Befehle an Lohausen und [Zorn von; BW] Bulach erteilt, ohne die Zustimmung Wilhelms einzuholen. Als er im März 1633 dessen Aufforderung, sich zur Armee zu begeben, erhielt, war er schon in Bamberg[52] (ebd. S. 107). Wilhelm verzichtete schließlich auf die eingangs erwähnte Vorgehensweise, weil er seinen Bruder Bernhard nicht düpieren wollte, auch fehlte ihm die Unterstützung Oxenstiernas. Er änderte seine Pläne und dachte daran, einen konzentrierten Angriff auf Böhmen und Österreich vorzunehmen (ebd. S. 109). Mit seiner Armee wollte er gegen Eger[53] und Elbogen[54] und weiter gegen die Donau vorrücken. In enger Fühlung mit ihm sollte Bernhard in die Oberpfalz eindringen, auf Regensburg[55] ziehen und nach dem Fall der Stadt ins Österreichische einbrechen.

Aufgrund der ablehnenden Haltung Oxenstiernas gab Wilhelm jedoch diesen Feldzugsplan auf, wollte sich zuerst nach Eger und die Oberpfalz wenden und, als auch dieses von Oxenstierna mißbilligt wurde, wandte er sich gegen Franken und den Main. (Ebd. S. 116, 118). Er gedachte aber auf dem Weg nach Bamberg wenigstens das fürstbischöflich-bambergische Kronach[56] in seine Hand zu bekommen. Er wollte diesem ‚großen Hindernis und Unheil ein Ende machen‘ und hatte dafür bei seinem Onkel, dem Coburger Herzog Johann Casimir viel Beifall gefunden (ebd. S. 122). Nach Aussage eines nach Würzburg[57] geschickten Leutnants begehrte man die Eroberung der Stadt, ‚um dann endlich einmal vor Forchheim[58] ziehen zu können‘ (Soden II, S. 158).

Wilhelm forderte Taupadel auf, alle seine Truppen bei Hof zusammenzuziehen und kommandierte auch die Obersten Steinau und Rosen dorthin. Außer seinen magdeburgischen Regimentern (Lohhausen, King, Tiesenhausen) hatte er nur noch sein Leibregiment zu Fuß unter Oberst Georg Friedrich von Brandenstein und das Regiment des Obersten Johann Schenck. Die Infanterie, zum Großteil frisch geworben und gemustert, hatte eine für 5 Regimenter relativ geringe Stärke von 3500 Mann (StA Weimar, Abt. H 260, Bl. 230) ‚darunter viel Lumpengesindel‘ (Droysen/Holcks Einfall in Sachsen) und ‚Jungen, so noch keinen Mann bestehen können‘. Diese Aussage deckt sich auch mit der Anweisung in einem Truppenverzeichnis des Herzogs vom 24. März 1633, 3000 Mann aus dem Landesausschuß in die damals recht schwachen Regimenter einzugliedern, die aber großteils wieder entliefen (Skrifter II Bd. 7, S. 32).

Am 10. Juni führte Wilhelm die Regimenter aus den Quartieren bei Saalfeld[59] nach Ludwigsstadt[60] und befahl Taupadel, seine Truppen heranzuführen, da zu Hof der Proviant auszugehen drohte (H. 235, Bl. 37f. u. H. 252, Bl. 155ff.). Reiterei, Dragonerverbände und Fußvolk eingeschlossen, belief sich die Gesamtstärke von Wilhelms Armee vor Kronach auf insgesamt etwas mehr als 6000 Mann. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings der Troß, welcher bei dergleichen Kommandounternehmen zwar nicht so zahlreich wie gewöhnlich war, jedoch mindestens nochmals die Hälfte der kämpfenden Truppen erreichte und damit die Zahl der subjektiv sichtbaren Streitmacht erheblich vergrößerte. Die Chronik des Johann Nikolaus Zitter spricht von ‚9 Regimentern zu Fuß und 8 zu Roß‘ und einer ‚gewaltigen Macht‘ von 20.000 Mann, die vor Kronachs Mauern aufzog. Der Kronacher Dechant Franz August Bauer will diese Zahlen gar mit den Kompaniestärken deutscher Landsknechte errechnen. Auch der Mitwitzer Tagebuchschreiber Andreas Dötschel spricht von 9 Regimentern zu Fuß und 9 zu Pferd sowie 16 Artillerie-Stücken (Dötschel/Tagebuch. In: Heimatkundliches Jahrbuch des Landkreises Kronach 13/1984).

Die Verwechslung rührt daher, daß zur leichteren Bildung von Brigaden die schwedischen Fußregimenter in jeweils zwei ‚Squadrons‘ zu 4 Kompanien aufgeteilt waren, so daß die Regimenter Lohausen, King, Leibregiment und Schenck zusammen 8 Squadrons bildeten, das Regiment Tiesenhausen hatte nur 4 Kompanien und bildete die 9. Squadron. Die 5 Kavallerieregimenter Taupadels bildeten 8 Esquadrons zu je 4-6 Kompanien. Die von Zitter erwähnte Truppenstärke der ‚Schweden‘ von 20.000 Mann, welche Zahl bezeichnenderweise in der handschriftlichen Chronik Zitters eine Korrektur von fremder Hand aufweist, ist völlig aus  der Luft gegriffen, wird jedoch immer wieder gerne zitiert, obwohl auch die realistische Zahl der heldenhaften Verteidigung Kronachs keinerlei Abbruch tut. Die Stärke der wehrhaften Kronacher Bürger dürfte, wie bei der ersten Belagerung, bei etwa 500 Personen gelegen haben, der in der Regel unzuverlässige Ausschuß belief sich laut eines Verzeichnisses vom April 1633 auf 277 Mann (Fehn VI, S. 215). Den bei Kurfürst Maximilian von Bayern und bei dem kaiserlichen Feldmarschall-Leutnant Melchior von Hatzfeld angeforderten Sukkurs blieben diese leider schuldig. In Kronach kommandierte seit dem Vorjahr der Italiener Francesco de Melon. Das Statthalteramt hatte nach wie vor des Fürstbischofs Vetter, Wolfgang Philipp Fuchs von Dornheim, inne.

Der außerordentlich verläßliche ‚Hofhistoriograph‘ Bogislav Philipp von Chemnitz unterstellte den Plänen Wilhelms von vornherein keine großen Erfolgsaussichten: ‚In Thüringen hatte Herzog Wilhelm zu Sachsen / Weimar ein klein Corpo ´beysammen: Welchem der Herzog zu Coburg und Markgraf Christian zu Brandenburg versprochen / da Er etwas auf Cronach tendieren könnte / mit Stücken und munition zustatten zu kommen. Wodurch Er bewogen sich den ersten Brach-Monats [1. Juni a. St./10. Juni n. St.] von Saalfelde mit etlichen trouppen erhub / über den Thüringer Wald marchierte / und gerade nach Cronach das haupt streckte: Solches / ungeachtet der Feind von Eger / vnd aus der OberPfalz / vber neun meilen [1 Meile ca. 7, 5 km] zum Secours nicht hatte / anzugreiffen / vnd zu versuchen; Ob er mit einem sonderbaren [besonderen] vortheil sich der Stadt bemächtigen / auch zugleich das Schlos / ehe der Feind zeit zum entsatz gewünne / occupieren möchte‘. (Chemnitz II, S. 166).

Bereits am 18. Mai hatte Herzog Wilhelm mit einer Abteilung von gefähr 2000 Mann unter dem Kommando des Generalmajors Jakob (James) King die Festung und Stadt Kronach ‚recognosciren‘ lassen. Die Abteilung kam in der Nacht nach Friesen[61] und rückte dann am folgenden Morgen vom Vogelherd kommend hinter die Festung Rosenberg.[62] Dabei machte man sich das bereits stehende Getreide zu nutze und kam unbemerkt, die Hänge der hinteren Haingasse hinaufsteigend, bis zu der Anhöhe hinter der Festung bei der Schwedenwiese, wo sich eine Abteilung Kronacher Musketiere hinter den dortigen Steinmauern zur Erkundung des Feindes verschanzt hatte. Bei dem überraschenden Zusammenstoß kam es zu einem Schußwechsel, wobei aber niemand verletzt wurde. Obwohl aus der Festung Rosenberg mit Geschützen ‚hinausgespielet‘ wurde, mußten sich die Kronacher zurückziehen und es gelang den King’schen Truppen, sich 3 Stunden lang in dieser Stellung zu halten, wobei ein Ingenieur einen Lageplan der Festung und Umgebung anfertigte.

Am 12. Juni brach die Infanterie Wilhelms aus dem Feldlager von Ludwigsstadt, wo man 2 Tage gerastet hatte, auf und vereinigte sich am 13. mit der von Hof über Nordhalben[63] heranziehenden ca. 2000 Mann starken Reiterei unter Taupadel bei Posseck[64] nördlich von Kronach (StA Weimar, Abt. H 235, Bl. 37f.). Der fürstbischöflich-bambergische Markt Nordhalben, welcher am 21. Mai eine Aufforderung des Herzogs, zwecks Kontributionsverhandlungen eine Abordnung nach Lehesten[65] zu sehen, ‚andernfalls militärische Execution erfolge‘ (Fehn VI, S. 217), ignoriert hatte, war von den durchziehenden Taupadel’schen Truppen in die Asche gelegt worden.

Am 13. Juni erreichten die berittenen Regimenter und etwa 450 kommandierte Musketiere (100 Mann aus jedem Fußregiment) Kronach.  Zur Einschüchterung der Bürger stellte sich die Reiterei am Steinbruch an der Hofwiese in Schlachtordnung, während die kommandierten Musketiere mit einigen ausgefallenen Kronachern ‚chargirten‘ (StA. Weimar Abt. H. 252 u. H. 235, Bl. 37). ‚Da war bey uns in Ansehung einer so gewaltigen Macht / das Lachen zuverbeissen / die Reüterey hielten in batalia biß in die Nacht das wir nit ersehen kunden, wo deren Marsch hinauß gienge / im Läger bliesen jhre Trompeter die gantze Nacht / das es bey jhnen zwar schön, bey vns aber erschröcklich zuhören war‘ (Zitter, S. 31). Herzog Wilhelm traf, gemäß seinem Bericht an Oxenstierna und den weimarischen Quartierlisten, zusammen mit der Infanterie erst am 4./14. Juni vor Kronach ein (H. 260, Bl. 82f. u. H. 235, Bl. 37). Vom Lager hinter der Festung unternahm er am gleichen Tag mit etlichen Reitern einen Erkundungsritt, wobei der Major des Ausschusses, Hans Rudolph Mayer, mit ihm ’scharmutzierte‘. Die Fußtruppen begaben sich, über Bernsroth,[66] mit ’schönen neuen Fahnen‘ (es handelte sich ja zum großen Teil um neugeworbenes und noch unerfahrenes Kriegsvolk) sowie den Geschützen, Munition und Bagagewägen, auf das Gelände des alten Hastver’schen Lagers von 1632 am Westhang des Rosenberges. Von Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach erbat sich der Herzog in einem Schreiben vom selben Tage Verstärkung und Munition. Christian antwortete ihm, die verlangten 50-60 Ztr. Pulver stünden bereit, jedoch forderte er die Wagen mit Bespannung zurück. Er wünschte ‚glücklichen Succeß darzu, vnnd das Sie sich dieses platzes […] baldt bemächtigen mögen‘ (Abt. H. 260, Bl. 24f.).

Die Kronacher besetzen ihre Wachen und Laufgräben entlang der Trüllengaß (heute Rosenbergstraße) so gut wie möglich und errichteten oberhalb des Friesener Tores eine neue Batterie aus Bretten des Wasenmüllers (späteres Sägewerk Brückner). In der Nacht zum 15. Juni 1633 nach Mitternacht (Die ‚EhrenCron‘ vermeldet unrichtig den 16.6.) begann der Angriff der weimarischen Truppen, wobei die Regimenter den aufgestauten Mühlbach oberhalb der Wasenmühle ‚über halben leib-tieff‘ durchwaten mußten und zwischen den Häußern in die Strauer Vorstadt einfielen. Trotz heftiger Gegenwehr der Kronacher aus der neuen Verschanzung oberhalb des ‚Strauiger Thors‘ und den Laufgräben entlang der ‚Trüllengaß‘ waren diese schließlich genötigt, sich in die Stadt zurückzuziehen. Der Wache auf dem Kaulanger war der Rückzug abgeschnitten, so daß etliche, die in Richtung des Strauer Tors eilen wollten, von den ‚Schwedischen‘ niedergemacht wurden. Dem Rest gelang es, sich an den Scheunen entlang und über die Spitalbrücke zum gegenüberliegenden ‚vndern Thor‘ (heute Bamberger Tor) und von dort in die Stadt zu retten.

Das King’sche Regiment stürmte nun in Richtung auf das Strauer Tor, wohinein sich noch immer Kronacher Bürger ‚retirirten / vnd die Statt in eüsserster Gefahr stunde / in dem einer Namens Erhard Pantzer zwo Kühe hinein treiben liesse, deren die letzte nit geschwind durch den Schlagbaum zu bringen / der Feind vnder Commando deß Majors Kött vom Kinckischen Regiment mit gantzer Macht die Gassen die Straw genent herein setzete‘. Dem tollkühnen Obristwachtmeister (Major) des King’schen Regiments, Jörg Kött, war es gelungen, eine Pike zwischen Stachet (Fallgitter) und Mauer zu schieben, wodurch ein Ratsmitglied namens Lorenz Zimmermann verletzt: ‚[…] da greiffen die jnnerhalb des thors befindliche Wacht mit Gewalt an die Picken, ziehen dem Major solche auß der Hand und lasten das Stachet vollents zufallen. Der Major schreyt allzeit gut Freund gut Freund, welches aber vnserer Sprach nit ehnlich. Do schiest ihm vnser Schildwacht auß dem Schüllerhäußlein, so ober dem Stachet ausser deß Thors stund, eine Kugel in Leib, das er gleich Todt alldort lage. Der Feind stunde in batalia in der Gassen vnd besetztete die Häuser vff beeden seiten in der Straw, geben continuirlich Fewer vff das Stachet vnd in die Zwinger. Wir theten auch nit feyern, besetzeten die Zwinger und schossen manchen für den Kopff das der Feind die Todten vff Wägen hinwegführen liesse‘.

Die Gefahr, welche durch den Ansturm einer so großen Anzahl feindlicher Truppen bei Nacht für die Stadt bestand, war immens, so daß die Kronacher sehnlich den Tag herbeiwünschten. Bei Tagesanbruch (15.6.), und während die Musketiere von der Stadtmauer, dem Tor und dem Zwinger Feuer auf die gegenüberliegenden Häuser der Strau gaben, beschloß die Bürgerschaft, einen Ausfall zu machen. Mit 200 Mann rückte man durch das obere Stadttor und an der Mauer entlang durch die sich anschließenden Gärten und besetzte die Häuser der Friesener Straße auf der zur Festung gerichteten Seite. Auf der gegenüberliegenden Seite hatten sich jedoch die feindlichen Truppen verschanzt, so daß sich ein regelrechter Straßenkampf mit einem Feuergefecht von Fenster zu Fenster entwickelte. Währenddessen lag der Leichnam des Majors Kött immer noch vor dem Strauer Tor auf offener Strasse. ‚Nach deme nun der Feind den todten Leichnamb ihres Herrn Majors Kött gern mit sich genommen, welcher unweit des Stackets herunter vff freyer gassen gelegen, sein Pferdt aber gantz ledig mit einem roth Sammeten Sattel und pistoln schön mundiert die Gassen auff vnd abgelauffen, haben werder sie [der Feind] noch einer aus uns [der Kronacher Bürgerschafft] sich wagen dörffen, in deme geschwind 20. in 30. Schüß vff dahin giengen. Biß endlich unsere Bürger etlich Flößhäcken ergrieffen, lange Stangen daran gemacht vnd nach vnd nach herüber in Hanß Stauffen Hauß den todten Leichnamb geschleifft, welches ein schöner langer Cavalier gewesen, von ansehlichen stattlichen Kleydern. Dene aber diejenigen so es gewagt, so balden biß vffs Hembt außgezogen, und den Leib hernacher gantz Erbahr in die St. Martins Kirchen getragen. Das Pferdt haben etliche andere von uns auch ertapt, Sattel, Pistolen und Pferdt unter sich verteilt‘.

Die Kronacher beschlossen nun, den Feind von der Seite her anzugreifen um ihn aus der Strauer Vorstadt zu vertreiben. Zu diesem Zweck rückten sie durch das Haßlacher Tor (heute Bamberger Tor) und weiter um die Stadtmauern herum bis zu den ‚Gärten des dicken Schneiders Haus‘ (hinter der späteren Korbwarenfabrik Gebr. Heim), fielen in die feindlich besetzten Häuser der Strau und machten etliche nieder, etliche nahmen sie gefangen, darunter einen Furier, der sich im Gasthaus des Wirtes Panzer (an der Stelle der heutigen evangelischen Kirche) in einer Truhe versteckt hatte. Es gelang, den Feind bis zum Brücklein beim Haus der Siebenhünerin zurückzudrängen, wo er sich hinter Floßböden verschanzte und den Kronachern erhebliche Verluste beibrachte, darunter die erprobten ‚Musquetierer Mottla Latz / Stöltzlein Metzger / Fritz Drexel / und andere / wie auch etliche durch Armb / Achsel vnd Kopff geschossen und verwundt‘. Zur Erfrischung der abgematteten Bürger ließen die Bürgermeister Bier in Butten hinaustragen, ‚damit bißweilen einer einen Trunck zur Labung thun können‘. Der Feind hielt die Kaulangerbrücke besetzt und konnte erst zum Rückzug gezwungen werden, nachdem die Kronacher ‚bey des Muglers Schmidten‘ (Johann-Nikolaus-Zitter-Str. 1) über die Mangstraße von unten heraufdrangen und mit geballter Feuerkraft die Schweden mit ihrem bei sich geführten Munitionswagen zum Rückzug über die Brücke zwangen. Eine verfolgung war, wegen der feindlichen Reiterei, und weil von der Festung mangels Unterscheidungsmöglichkeit von Freund oder Feind keine Artillerieunterstützung gegeben werden konnte, nicht möglich.

Unterdessen ‚kombt das Geschrey daß der Feind vffm Ziegelanger jenseits der Stadt [zum Sturm] ansetzte / wie dann das platzen und beschiessen gegeneinander unauffhörlich gehört / und die Sturmb Glocken vffn Stadt-Thurn geleutet wurde‘. Die Kronacher ließen an der verbarrikadierten Kaulangerbrücke eine starke Wache zurück und wandten sich mit allen verfügbaren Kräften zur gegenüberliegenden, westlichen Stadtseite gegen den Ziegelanger (heute Bahnhofsplatz). Das Regiment Tiesenhausen hatte sich dieses Platzes bereits bemächtigt und war bis zur Brücke an der Haßlach (heute Bahnhofsbrücke) vorgedrungen, als sich die Kronacher ihm mit vereinten Kräften entgegenwarfen. Dabei erhielt der Obrist Detlof von Tiesenhausen gleich zu Anfang einen Bauchschuß, worauf das Regiment anfing zu weichen, jedoch von den Offizieren so hart angetrieben wurde, daß es standhielt, bis man einen Mietwagen zum Abtransport des verwundeten Obristen aufgetrieben hatte. Als die Kronacher merkten, daß es sich bei dem Verwundeten um eine vornehme Person handelte, fielen sie die Angreifer mit solcher ‚furi‘ und Entschlossenheit an, daß viele[n] von ihnen ihre Musketen wegwarfen und die Flucht gegen den Haßlacher Berg ergriffen, wo sie bermeinten, sich hinter den dortigen Steinmäuerchen zu einzugraben. Die Kronacher rückten jedoch entschlossen nach und warfen den Feind schließlich in einem Sturmangriff aus den Stellungen, so daß dieser sich genötigt sah, sich unter Verlusten von 10 Toten und etlichen Verwundeten in das Hauptlager zurückzuziehen.

‚Des andern Tags [16.6.] schickte Hertzog Wilhelm von Weimar einen Trommelschlager aus dem Lager herein / vnd liesse vmb den todten Leichnamb / des gebliebenen Obristen Wachtmeisters Kött anhalten, meldent daß sein Liebste denselben umb ein ansehlige Ranzion lösen wollte / deme man zur Antwort gab / man brauche ihres Geldes nicht / Ihr Herr sollte schon ehrlich begraben werden / welcher damals noch in der Martins Kirchen lag / vnd liessen den Trommelschlager also damit hinziehen‘ (Zitter, S. 32ff.). Außer dem Major Kött vom King’schen Regiment waren von den weimarischen Offizieren ein Fähnrich (ebenfalls vom Regiment King) und der Hauptmann Gersdorf vom Regiment Schenk gefallen (StA Weimar, Abt. H. 235, Bl. 38).

Am 16.6., nach nur 3 Tagen, brach Wilhelm die Belagerung ganz unerwartet ab. Der Troß machte sich bereits früh um 5 Uhr auf den Weg und zog in Richtung Coburg.[67] Gegen Mittag brachen dann auch die Truppen auf. Die Regimenter zu Roß unter Taupadel sammelten sich auf der Ebene des Rosenbergs hinter der Festung gegen den Vogelherd. Sobald die Kronacher den Aufbruch des Feindes bemerkten, liefen sie, Männer und Frauen, ohne Befehl ober- und unterhalb der Haingasse hinaus, füllten die Laufgräben ein und plünderten das verlassene Lager. Der Major des Ausschusses Hanß Rudolph Mayer, der dabei, wie schon bei der 1. Belagerung Kronachs ‚daß von Gott verliehene glückh mißbrauchte'[,] setzte mit den wehrhaften Bürgern den abziehenden Truppen trotz allgemeiner Warnungen nach, wobei man ununterbrochen Feuer unter die Regimenter zu Fuß gab, so daß diese glaubten[,] es wäre bereits Unterstützung seitens der kaiserlichen Armee angekommen und sich in Schlachtordnung stellten. solche Eskapaden konnte man sich jedoch bei Gegnern vom Schlage eines Georg Christoph von Taupadel nicht leisten. Dieser bediente sich einer Finte. Er ließ die Kronacher vom ‚Königl-Schwedischen Fußvolk so weit an sich ziehen, das sie ins feld gebracht worden‘ (Chemnitz II, S. 167)[,] und befahl dann dem Oberstleutnant Reinhold von Rosen, ‚welcher bis zu diesem Zeitpunkt mit 600 Reitern auf dem Bergrücken ‚en embuscade‘ gelegen hatte[,] ‚auf sie zu chargiren‘ (Soden II, S. 158). Die Rosen‘ schen Reiter schnitten den Kronachern unweit des Schloßwalles den Weg ab: ‚da ging es an ein jagen, als wenn es Füchs oder Hasen weren, vnd war der Fleck neben das Loch gesetzt daß man des Feinds Lauffgraben zu bald eingefüllet, dahin man sich sonst retiriren vnd den Feind aufhalten können. Vnd wann sich die unserigen nicht hinder und durch die Dorn-Rhein vnd Steinmauern, deren es diß Orths viel hat, salvirt, nd die Flucht gegen dem Thal, alwo mit reithen nicht gar wol fortzukommen, genommen, were alles im stich geblieben‘. Etwa 30 Kronacher bezahlten diesen Leichtsinn mit dem Leben, darunter der Stadtvogt und ‚Hexendenunziant‘ Friedrich Fleischmann, der nur aus reiner Neugier hinausgegangen war, um dem Spektakel zuzusehen, der ‚Bürger-Hauptmann‘ Jeremias Rainfalt, Clauß Meußel, Zacharias Dürckerß, und der Feldscherer Balthasar Steinmetz. Der Obrist-wachtmeister Hanß Rudolph Mayer wurde gefangengenommen. (Zitter, S. 36). Einen letzten Hinweis auf Mayer bietet ein Verhörprotokoll vom 7./17. Juni aus Coburg, welches auch bestätigt, daß er ‚ein geborner Türckh‘ sei (StA Weimar, H. 260, Bl. 56). Sein weiteres Schicksal liegt im Dunklen.

Für die lokalen Verbündeten kam der Rückzug völlig überraschend. Wilhelm hatte nicht einmal die avisierte markgräfliche Pulverlieferung aus Kulmbach[68] abgewartet. Dort war man völlig perplex. An den Lichtenberger[69] Kommandanten und Amtmann Hans von Pudewels auf Wildenreuth schrieb man: ‚[…] daß wir die Uhrsach von der Seckßischen Armée vffbruch von Cronach ganz nichts wißendt, vnd verwundert sich wohl mancher darüber, do man sonderlichen so viel wochen darauf praeparatoria [Vorbereitung] gemachet‘. (Fehn VI, S. 222). Der überstürzte Abzug Wilhelms hatte mehrere Gründe. Er selbst schreibt in seinem Bericht vom 13./23. Juni an Oxenstierna, er habe den Ort so beschaffen gefunden, ‚das er in geringer Zeit vndt mit wenigen Volgk nicht zu gewinnen, haben wier bedacht getragen vnß weder zu engagirn, oder einig bey vnß gehabtes Stück draufzurichten, zumal weil die einkommende avisen des feindes starcken Secours bestetigt […], derwegen vor rathsam gehalten, in guter order abzuziehen‘ (StA Weimar, Abt. H. 260, Bl. 82ff.). Hier finden wir auch die Bestätigung Herzog Wilhelms, daß während der Belagerung die mitgeführten Geschütze gar nicht zum Einsatz kamen. Der schwedische Reichskanzler Oxenstierna war mit Wilhelms Aktion überaus unzufrieden. Zu seinem Bericht meinte er, der Erfolg wäre größer gewesen, ‚wenn E. f. G. mir einige Wissenschaft vorher zugefügt, damit eine bessere Vorbereitung mit Verordnung etlicher mehrer Truppen und anderer Bereitschaften hätte können gemacht werden‘ (ebd. H. 264).

Tatsächlich gab es verstärkte Anzeichen für eine baldige Unterstützung durch die Kaiserlichen. So zum Beispiel aus Nürnberg, von wo man schrieb, daß 7 Fähnlein Reiter und 3000 Mann zu Fuß mit 2 Stücken in Auerbach/Oberpfalz[70] angelangt seien. Ebenso daß zu Pottenstein[71] 7000 Kaiserliche angelangt wären und aus Forchheim 6 halbe Kartaunen mit 300 Man[n] zu Fuß dahin abgegangen wären. (Ebd.). Zu groß kann die Gefahr eines Entsatzes allerdings nicht gewesen sein, denn Zitter schreibt in seiner Chronik, man habe zwar nach Eger um ‚Succurs‘ geschickt, der dortige (stellvertretende) Kommandant, Oberstleutnant Veit Dietrich von Steinheim (vom Regiment Neu-Hatzfeld) hätte daraufhin auch an die umliegenden Ämter Anweisung gegeben die wege instand zu setzen und Brot zu backen, mit der Begründung, daß die ganze ‚Keyserische Armee heraußwarts in Anzug begriffen‘. Dies sei jedoch nur ‚proforma‘ geschehen, um dem Feind einen Schrecken einzujagen. Es war lediglich ein größeres Kavalleriekorps an Kroaten aus Böhmen in Richtung Eger kommandiert worden.

Die Frage stellt sich, warum Herzog Bernhard seinen Bruder bei dieser Aktion nicht unterstützte. Gerade er, der kurz vor der Verleihung seines ‚Fürstenthums Franken‘ (bestehend aus den Bistümern Würzburg und Bamberg) stand, mußte an einer Beseitigung dieses Bollwerks im nördlichen Hochstift Bamberg besonders interessiert sein. Bernhard befand sich aber, wie wir bereits erfahren haben, zum Zeitpunkt der Belagerung am 16. Juni mit dem schwedischen Reichskanzler Oxenstierna auf einer Reise zu einer Fürstenversammlung nach Heidelberg.[72] Gerade hier ging es um die für Bernhard essentiell wichtigen Themen der offiziellen Belehnung seines Fürstentums und die Besoldung und Kompensation seiner vor Donauwörth[73] liegenden meuternden Armee. (Soden II, S. 162). Bernhard hatte jedoch nach eigener Aussage seinen Bruder zu einer Einnahme Kronachs gedrängt, die Gründe für dessen vorzeitigen Abzug kannte er am 20. Juni nicht. ‚Bernhard habe gehofft, seinen Bruder Herzog Wilhelm dahin disponiert zu haben, daß er Kronach emportieren sollte; er müsse jetzt das Gegentheil erfahren‘, so berichtet der nürnbergische Gesandte Johann Jakob Tetzel zum selben Zeitpunkt an den Rat von Nürnberg (ebd. S. 170).

Die Kronacher jedenfalls waren erleichtert und schrieben den glücklichen Erfolg dem Umstand zu, daß alle Frauen und Kinder zweimal täglich die Kirche besucht und mit dem Lied ‚O Unüberwindlicher Held St. Michael‘ ihren Schutzpatron um Gnade angefleht hatten“.[74]

Rüthner schreibt weiter: „Montags darauf den 17. junii des morgens mit dem allerfrühesten kam obrist Taubadel von Schlaiz[75] und das taubische volck von Plauen[76] wie auch obristen Eßlebens regiment wieder hier an, fütterten in gaßen, nahmen das getraidig von closterböden[77] hinweg. Als es des morgens bis 4, halb 5 uhr kam, ließ ein starcker troup croaten über das Gericht von Tauperlitz[78] sich sehen, derowegen eine parthey unter rittmeister Daniel von Grunau hinaus commandiret wurde. So die croaten innen worden, [sind sie] deswegen ausgerißen. Umb 6 uhr aber ruckt das ganze volck hinaus auf eine wiesen gegen die Münchberger[79] Straße zu, hielten randevous, darbey auch das erste mal unter freyen himmel betstunde, ruckten darauf fort gegen Münchberg, haben etliche wenige gefangen bekommen. Nachmittags aber kam alles volck wieder, wurde einquartiret auf ein 5 häuser eine compagnie. Folgends dienstags den 18. Junii brach alles wieder von hinnen zurück auf, mit welchen auch ein solch ausreisen von hiesiger burgerschaft entstanden, dass mittwochs darauf den 19. junii, da sonst jährlich der herren geistlichen synodus allhier gehalten worden, wegen höchst besorglicher gefährlichkeit ein ein[z]iger geistlicher in der stadt verblieben, und ist eben an diesen Mittwoch auch die stadt Bayreuth,[80] nachdem sie montags vorhero von general Holcky attaquirt und von obristen Manteuffel durch das pfälzische volck eingenommen, desgleichen auch Culmbach und der vestung Plaßenburg,[81] davon ihnen aber mit stücken zimlich begegnet, angesonnen, eingenommen, ausspolirt und theils geistliche, so angetroffen, als herr Bürschmann, todschießen bis zu erlegung 1500 thaler mitgenommen und gefänglich weggeführet worden. Donnerstag am 12. jun[ii][82] ruckte das taubische regiment von Plauen wieder herauf, quartirete sich ein, deme freytags das taubaldische regiment folgete und zugleich nebst obrist Eißlebens 3 compagnien, imgleichen von sattlerischen, brandsteinischen, groppischen, auf 48 trouppen zusammengerechnet, in die stadt logirt, da allezeit auf ein cornett über 5 häußer zum quartier nicht gege-[p. 12]ben werden können. Weil dann der mehrere theil der verderbten bürger ihre häußer verlassen und die solbaden nachmahls mit durchgrabung und verwüstung dermasen gehauset, dass diejenigen soldaten, so in wüsten quartieren gelegen, nochmals in die andern quartier, da noch hauswirthe vorhanden gewesen, gedrungen, ist den überbliebenen hauswirthen so grose bedrängnis wiederfahren, daß nicht zu beschreiben. Weil auch mittlerzeit die soldatesca mit abhauung des getraidigs auf dem felde grosen schaden und muthwillen verübet in erwegung, sie auf den wießmahten graß genug haben können, als[o] ließ herr obrister Taubadel den 22. junii öffentlich bey leib- und lebensstrafe ausblaßen, auch unter den thoren anschlagen, sich des getraidigabhauens und verderbens zu hüten“.[83]

„Sogleich am 23. Juni [1633; BW] empfing Herzog Wilhelm Herzog Georgs von Lüneburg Gesandten von Steding, der im Auftrag seines Herrn erneut die dem Welfenhaus zustehenden Teile des Eichsfeldes forderte und sich auf einen Brief Oxenstiernas berief, in dem dieser dem Lüneburger versprochen hatte, ihm zu allen Orten zu verhelfen, die ihm zustünden. Georg legte das so aus, als wolle Oxenstierna ihn in den Ansprüchen, die er auf Duderstadt, Gieboldehausen, Bernshausen und andere Eichsfeldische Orte erhob, unterstützen. Bereits am 25. April war eine derartige lüneburgische Gesandtschaft in Erfurt gewesen. Wilhelm hatte damals dem Statthalter Eßleben gegenüber geäußert, er werde sie ‚wohl wissen abfertigen’. Auch jetzt erging es dem Lüneburger nicht besser. Wilhelm meinte, Herzog Georg solle erst einmal die Rechte seines Hauses begründen. Den Statthalter Eßleben wies er an, alle Ämter, die Lüneburg beanspruchte, besonders Duderstadt, stärker mit Truppen zu belegen“.[84]

In der Chronik von Mühlhausen heißt es: „Den 2. August [12.8.1633] kam der Oberst Esleben mit seiner Compagnie Reiter vom Eichsfelde zurück und legte seine Reiter eine Nacht auf die Mühlhäusischen Dörfer und hat seinen Marsch nach Sachsen genommen“.[85]

„Der Herzog gab es also auf, die thüringischen Stände zum Anschluß an den Heilbronner Schluß bewegen zu wollen. Er hatte eingesehen, daß dies unmöglich war, und machte jetzt nur noch den Versuch, die im Erfurter Rezeß versprochenen Gelder einzutreiben. Nachdem er seine Anweisungen gegeben hatte, verließ er Erfurt am 4. November [1633; BW] und begab sich auf das Eichsfeld, um Ordnung zu schaffen.

Dort fühlte sich der Statthalter Eßleben immer mehr als Alleinherrscher und nahm auf die ihm zugeordneten Räte nicht die geringste Rücksicht. Er verhandelte mit den Landständen nach seinem Belieben, ja man warf ihm vor, ‚eins und anderes über seine Ordonnanz vom Lande zu seinem Privatnutzen’ verwendet zu haben. Außerdem war er zu seinem Verhängnis braunschweigischer Untertan und hatte im Braunschweigischen Besitzungen. Da er aber im Streit Herzog Wilhelms mit dem Welfenhaus um Teile des Landes weimarische Interessen vertreten mußte, fiel er bei den Welfen in Ungnade, und Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig hielt ihm gegenüber mit Äußerungen seines Unwillens und Drohungen nicht zurück. Herzog Wilhelm aber war mit dem selbstherrlichen Treiben seines Statthalters nicht einverstanden. Er hatte ihm eine Erhöhung seiner Gage verweigert und schon früher an einen Besuch des Landes gedacht, war aber durch die vom Feind drohende Gefahr davon abgehalten worden. Als er nun am 5. November, der Eichsfeldischen Regierung überraschend, in Heiligenstadt eintraf, fand er den Statthalter nicht vor, sondern nur dessen Gesuch um Entlassung. Eßleben begründete seinen Schritt damit, daß ‚allerhand Inkonvenientien’ vorgefallen seien – er meinte den Streit mit dem Welfenhaus und die Folgen, die er für ihn hatte – und der ihm vom Herzog bewilligte Unterhalt seiner Stellung nicht angemessen und auf seine Bitten nicht erhöht worden sei. Außerdem könne er die viel zu starke Belastung des Landes nicht mehr  verantworten. Gegen den Vorwurf, in die eigene Tasche gearbeitet zu haben, suchte er sich dadurch zu rechtfertigen, daß er sich von den Eichsfeldischen Landständen eine Ehrenerklärung ausstellen ließ, in der sie versicherten, von ihm ‚nichts als alles Ehrbares, Rechtliches und Aufrichtiges erfahren’ zu haben. Auch habe er sein ‚Gouvernement fleißig, wohl und rühmlich verrichtet’.

Herzog Wilhelm war über die Flucht des Statthalters sehr ungehalten, zumal als er erfuhr, daß dieser zu Friedrich Ulrich nach Braunschweig[86] gereist war. Er gab ihm unter heftigen Vorwürfen seine Entlassung und wies die Eichsfeldische Landstände an die neue weimarische Regierung. Einen neuen Statthalter bestallte er nicht“.[87]

Im August 1635 musste das Eichsfeld im Zuge des Prager Friedens an den Mainzer Kurfürsten zurückgegeben werden.

„Am 2. Juli 1640 trug Georg Böse von Kemnade[88] aus den Räten am Hof des Landesherrn eine Klage über einen Überfall durch ‚herrenloses Kriegsgesindel’ vor. Georg Böse, das war ein gar nicht so armer Obristleutnant der braunschweigischen Truppen. Als solcher hatte er bis 1637 gedient. Schon 1625 war er Kapitän und Major im braunschweigischen Heer. – Mitbetroffen, vielleicht als Gastgeber für Böse in Kemnade, war Christoph Friedrich von Eßleben. Der hatte das schon im Jahre 1542 durch einen Eßleben reformierte, später wieder corveyisch-katholisch kontrollierte Kloster Kemnade 1619/1620 dem Wolfenbütteler Landesherrn angetragen. Dazu war er zum evengelischen Glauben übergetreten. 1639 diente er dem Haus Braunschweig-Wolfenbüttel im Amt Wickensen[89] und stand zu der Zeit [1640; BW] im Rang eines Hauptmanns“.[90]

[1] Goldene Mark [Kr. Duderstadt]; HHSD II, S. 172f.

[2] Erfurt; HHSD IX, S. 100ff.

[3] Mühlhausen [Kr. Mühlhausen]; HHSD IX, S. 286ff.

[4] Dingelstädt [Kr. Heiligenstadt]; HHSD IX, S. 77f.

[5] Heiligenstadt [Kr. Heiligenstadt]; HHSD IX, S. 186ff.

[6] Duderstadt; HHSD II, S. 123f.

[7] Nürnberg; HHSD VII, S. 530ff.

[8] Wolfenbüttel; HHSD II, S. 503ff.

[9] Gieboldehausen [Kr. Duderstadt]; HHSD II, S. 166f.

[10] Seehausen, heute Ortsteil von Bad Frankenhausen [Kyffhäuserkreis].

[11] Bernshausen, heute Ortsteil von Seeburg [LK Göttingen].

[12] Göttingen; HHSD II, S. 178ff.

[13] John, Kleinstaaten, S. 112.

[14] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 71ff.

[15] Mühlhausen [Kr. Mühlhausen]; HHSD IX, S. 286ff.

[16] Goldene Mark (Kr. Duderstadt); HHSD II, S. 172f.

[17] Bollstedt [Unstrut-Hainich-Kreis].

[18] JORDAN, Mühlhausen, S. 61.

[19] Görmar [Kr. Mühlhausen]; HHSD IX, S. 148.

[20] JORDAN, Mühlhausen, S. 250.

[21] Hildesheim; HHSD II, S. 228ff.

[22] JORDAN, Mühlhausen, S. 61. Zur Einnahme der Stadt durch Pappenheim a. a. O., S. 61ff.

[23] Höxter [LK Höxter]; HHSD III, S. 346ff.

[24] Neuburg a. d. Donau [LK Neuburg-Schrobenhausen]; HHSD VII, S. 497ff.

[25] Nürnberg; HHSD VII, S. 530ff.

[26] Magdeburg; HHSD XI, S. 288ff.

[27] Werben [Kr. Osterburg]; HHSD XI, S. 492f.

[28] Leipzig; HHSD VIII, S. 178ff.

[29] Gotha; HHSD IX, S. 151ff.

[30] (Bad) Langensalza [Kr. Langensalza]; HHSD IX, S. 33ff.

[31] Gräfentonna [Kr. Langensalza]; HHSD IX, S. 162ff.

[32] (Bad) Tennstedt [Kr. Langensalza]; HHSD IX, S. 39f.

[33] Eisenach [Kr. Eisenach]; HHSD IX, S. 88ff.

[34] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 80ff.

[35] Lindau [Kr. Duderstadt], HHSD II, S. 297f.

[36] Treffurt [Kr. Mühlhausen]; HHSD IX, S. 442f.

[37] Oberdorla [Unstrut-Hainich-Kreis]; HHSD IX, S. 315ff.

[38] Langula [Unstrut-Hainich-Kreis].

[39] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 87.

[40] Nörten-Hardenberg [Kr. Northeim]; HHSD III, 352f.

[41] S Steinau [Kr. Schlüchtern]; HHSD IV, S. 425f.

[42] Geismar, Ortsteil von Ershausen/Geismar [LK Eichsfeld].

[43] Nörten-Hardenberg [Kr. Northeim]; HHSD III, S. 352f.

[44] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 101f.

[45] Hof; HHSD VII, S. 302f.

[46] Wunsiedel [LK Wunsiedel i. Fichtelgebirge]; HHSD VII, S. 836f.

[47] KLUGE, Hofer Chronik, S. 13f. Rüthner datiert nach dem alten Stil.

[48] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 113f.

[49] Magdeburg; HHSD XI, S. 288ff.

[50] ENGERISSER, Von Kronach, S. 167f.

[51] Schweinfurt; HHSD VII, S. 686ff.

[52] Bamberg; HHSD VII, S. 66ff.

[53] Eger [Cheb]; HHSBöhm, S. 119ff.

[54] Elbogen [Loket, Bez. Falkenau]; HHSBöhm, S. 133f.

[55] Regensburg; HHSD VII, S. 605ff.

[56] Kronach [LK Kronach]; HHSD VII, S. 375f.

[57] Würzburg; HHSD VII, S. 837ff.

[58] Forchheim; HHSD VII, S. 201ff.

[59] Saalfeld [Kr. Saalfeld]; HHSD IX, S. 369ff.

[60] Ludwigsstadt [LK Kronach]; HHSD VII, S. 419.

[61] Friesen, heute Stadtteil von Kronach [LK Kronach].

[62] Rosenberg, Festung: Die Festung Rosenberg ist wohl das bedeutendste Geschichtsdenkmal des südlichen Frankenwalds. Der Grundfläche nach ist sie das ausgedehnteste Festungsbauwerk Deutschlands. Sie gilt als ein herausragendes Beispiel deutscher Wehrbaukunst und steht seit Jahrhunderten beschützend über der Stadt Kronach. Die Festung wurde in einer Höhe von 378 Metern über Normalnull auf dem Rosenberg in einer strategisch hervorragenden Lage erbaut. Die drei zu ihren Füßen zusammenlaufenden Täler, der Haßlach, der Kronach und der Rodach wurden von ihr beherrscht und sie konnte dadurch wichtige Übergänge nach Thüringen und in den Frankenwald sperren oder kontrollieren. Vom Steinernen Haus über die gotische Burg und das Schloss der Renaissance wurde die Festung Rosenberg von berühmten Baumeistern der Kriegsbaukunst des Barocks zu einer der stärksten mittelalterlichen Festungsanlagen Deutschlands ausgebaut. Im Laufe ihrer langen Geschichte wurde die Festung Rosenberg nie von feindlichen Angreifern eingenommen. [wikipedia]

[63] Nordhalben, Burg [LK Kronach]; HHSD VII, S. 525f.

[64] Posseck, heute Ortsteil von Pressig [LK Kronach].

[65] Lehesten [Kr. Saalfeld]; HHSD IX, S. 254.

[66] Bernsroth, ehemaliger Weiler, heute Gehöft nördlich von Kronach.

[67] Coburg; HHSD VII, S. 127f.

[68] Kulmbach; HHSD VII, S. 379f.

[69] Lichtenberg [LK Naila]; HHSD VII, S. 406f.

[70] Auerbach i. OPf. [LK Amberg-Sulzbach]; HHSD VII, S. 41f.

[71] Pottenstein [LK Bayreuth]; HHSD VII, S. 593.

[72] Heidelberg; HHSD VI, S. 302ff.

[73] Donauwörth [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 147ff.

[74] ENGERISSER, S. 175ff.

[75] Schleiz [Saale-Orla-Kr.]; HHSD IX, S. 380ff.

[76] Plauen [Vogtland]; HHSD VIII, S. 279ff.

[77] Das ehemalige Klara-Klöster war Getreidelager.

[78] Döhlau-Tauperlitz, südöstlich von Hof gelegen.

[79] Münchberg [LK Hof]; HHSD VII, S. 464.

[80] Bayreuth; HHSD VII, S. 77f.

[81] Plassenburg, Die [Stadt Kulmbach]; HHSD VII, S. 587.

[82] Richtig wäre der 20. Juni.

[83] KLUGE, Hofer Chronik, S. 20.

[84] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 133f.

[85] JORDAN, Mühlhausen, S. 70.

[86] Braunschweig; HHSD II, S. 63ff.

[87] HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 155f.

[88] Kemnade, heute Stadtteil von Bodenwerder [LK Holzminden].

[89] Wickensen, heute Ortsteil von Eschershausen [LK Holzminden].

[90] KIECKBUSCH, Von Ackerleuten, S. 260.

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