Materialen 3: Die „Ruppertsgrüner Affäre“ 1639

Materialien 3: Die „Ruppertsgrüner Affäre“ 1639

„Im Januar 1639 rückte Banner [Banér] gegen die in der Mark Brandenburg gelagerte kaiserliche Armee. Er hatte es, wie er am 6/16. Februar Oxenstierna mitteilte, in erster Linie auf die sieben Regimenter abgesehen, welche unter ‚[Hans Wolf von] Salis Commando auffm Eichsfeld commoriren sollen‘ und die er ’nach gelegenheit der occasionen … aufzuheben‘ vorhabe. Gallas sei ‚dergestalt zugerichtet, daß er vor dießmal vor keinen feindt, so schaden thun kann, zu achten‘. In einem Postscriptum desselben Schreibens berichtet Banner, Salis sei mit den sieben Regimentern, ‚mit welchen er bis dato in und bei Mühlhausen[1] (an der Unstrut) gelegen, nach Franckenhausen[2] (in Schwarzburg-Rudolstadt[3]) gerückt und von dannen auch, wie jedermann sagte, über die Unstrut forgegangen‘, und werde ‚vielleicht zu Torgau[4] seinen übergang nehmen‘. Banner’s Anschlag auf Salis‘ Heer sollte nur zu gut gelingen. Gallas, dessen Truppen sich nur noch auf 8000 Mann belaufen haben sollen, wich mehr und mehr durch die Lausitz und Schlesien nach Böhmen zurück – ihm nach Salis. Letzterer war noch in Kursachsen, aber schon nahe an der böhmischen Grenze, als sein Verhängnis über ihn hereinbrach.

Es war am Abend des 2. März (1639) acht Uhr, als der zu Eger[5] anwesende kurbayrische Oberst Moser dem uns schon bekannten früheren Kommandanten des Regiments Salis in bayrischen Diensten Obersten Schütz ‚in großer Eil‘ die Nachricht zugehen ließ, ‚daß der Feindt 7 Meilen von hier (Eger) Herrn General Feldtzeugmeister Salys angetroffen‘ und demselben ein Treffen geliefert habe; ‚wie es abgegangen‘ wisse man noch nicht, allein Salis habe die Seinigen ‚mit aller sach alhero nach Eger geschickt; ‚ist bey ihnen große forcht, … es möchte in zwei Tagen auf das lengst Freund und Feindt hiero bey uns sein‘. […] Und nun folgen sich rasch hinter einander eine ganze Reihe nach und nach bestimmter auftretender und eingehender Nachrichten, welche, zum größern Teil in den Münchener Akten des 30jährigen Krieges aufbewahrt, einen ziemlich klaren Einblick in den Verlauf dieses verhängnisvollen Ereignisses gestatten.

Bürgermeister und Rat der Stadt Eger melden am 3. März dem kurbayrischen Rat und Pfleger zu Tirschenreuth an der Waldnaab[6] (bayr. Oberpfalz), Johann Ulrich von Burhus auf Ottengrün, der sich um nähere Details erkundigt hatte: gestern (den 2. März) Abends zwischen 6 und 7 Uhr sei des ‚Herrn Veldtzeugmeisters Hans Wolf Freyherrn von Salis sein Leibwagen und Canzley … mit einer Convoi und Roß‘ angelangt; dessen ‚Leute und Offiziere‘ berichteten, ‚daß Er‘ (Salis) mit 6 und zwar zimblich schwachen Regimentern hernach komme; daß der Feind gestern frühe 8 Meyl von hier zu Rumpersgrün (recte Ruppertsgrün[7]) bei Plauen[8] im Voigtland dieselben mit 12 Regimentern hat wollen überfallen; weil aber Herr General Wachtmeister (sic) al Erto gewesen und sich nicht mit manir (hat) retiriren können, hete Er mit seinem Volgkh sich alda entgegen gesetzt und weren darauf an einander kommen. Und sonderlich sol Herr Obrist Wambold entweder Todt oder doch tödtlich verwund sein‘. Heute, am 3. März, seien weitere ‚avisen‘ eingelangt: Salis sei mit sechs Regimentern, ‚zwei zu Fueß und vier zu Roß‘ von 12 feindlichen Regimentern, ’so General Slang und Pfuel Commandiren‘, überfallen worden; ‚die Reutterey sol alsobalden in Ein Confusion gerathen sein. Weßen dann (diese) theils mit der pagagy anheut über die Eger gangen (sind) und sich am Böhmer Waldt umb Königswarth[9] logiren; die übrigen haben mit Herrn General (Salis) gegen Hoff[10] sich gewendet und werden heunt oder Morgen auch anhero kommen. Das Fueßvolkh, so bey 1000 Mann gewesen sein soll, hat nicht ausreißen können, dahero (es) sich in den Kirchhoff im Dorf reterirt und eine Zeit lang gewöhret (hat); und geben die marchitender vor, daß es sehr soll eingebüßt haben‘. Wie ein vom Feinde wieder entkommener Soldat angebe, habe Feldmarschall ‚Pannier‘ (Banner) 35 Regimenter zu Roß unter sich, auch sei Wrangel mit einem starken Regiment zu ihm gestoßen, sodaß der Feind also ’36 Regimenter zu Pferdt und 14 precaden (Brigaden) zu Fueß, eine Jedliche uff 5: oder 600 Mann stark‘, beisammen habe. Die Schweden hätten alle ihre alten Quartiere in Meißen und Thüringen wieder bezogen, wohin aber ihr Marsch gehen möchte, könne man nicht wissen. […]

Ein anderer Bericht vom Abend desselben Tages (3. März), der dem Obersten Andreas Kolb von Reindorff zu Weiden[11] in der Oberpfalz – es ist nicht ersichtlich von wem – zukam, meldet, daß ‚gestern (2. März) Abends Truppen, geschlagene Reuther ohngefähr bei 300 Pferdt, eilendt‘ angelangt seien, ‚denen zur nacht immer zue mehr und mehr gefolgt, die mit Stifel und Sporen zue Fueß gegangen und uff Eger[12] geeilet‘ (sind). Diese Flüchtlinge sagen ungefähr das nämliche aus. Die ‚Schwedische Parthey‘ habe etwa ‚2000 oder 1500 Pferdt‘ betragen; die Salissche Reiterei, ‚deren 3 Regimenter gewesen‘, seien ‚zerstreut und in die Flucht geschlagen, das Fußvolkh aber, welches in dem Dorf (Ruppertsgrün) gelegen und sich in das Schloß und (auf) den Kirchhoff retirirt und gewehret, … meist nieder gemacht und die übrigen gefangen genommen (worden), alßo daß von Inen gar wenig entkommen (sind) und (haben) ausreißen können, wie dann Herr General Salis und Obrist Spiegel mit (dem) Obrist Leutenant, Obrist Wachtmeister und vielen Rittmeistern neben andern officiren gefangen worden und auff Reichenbach[13] (bei Zwickau[14]) geführt worden. Den Flüchtigen haben die schwedischen biß auff plauen nachgesetzt, also daß sie von früem morgen (des 2. März) vor 8 Uhren, in der sich der Scharmützel angefangen, den ganz tag und nacht (d. h. Abend) gelauffen (sind) und nicht (haben) ruhen dörffen‘. Schleitz sei vom Feinde genommen, ebenso Neustadt[15] bei Zwickau samt andern Orten; in Eger herrsche große Panik.“[16]

Am 4.3. hatte Johann Georg I. noch an Ferdinand III. geschrieben: Das Rendezvous zwischen den sächsischen Reiterregimentern unter Generalwachtmeister Trauditsch und den Kaiserlichen unter Salis an der Saale sei nicht zustande gekommen, da sich der Feind inzwischen der Orte Halle,[17] Merseburg,[18] Lützen,[19] Pegau,[20] Zeitz[21] u. a. bemächtigt hatte. Wegen großer Erschöpfung habe er, J. G., seine Truppen nach Waldheim[22] und Nossen[23] zurückgezogen; an Gallas habe er einen Bericht mit der Bitte um beschleunigte Hilfe geschickt. Im Postskriptum hieß es: Der Stadtrat von Zwickau[24] habe ihn eben wissen lassen, dass Salis an der Stadt vorbeizog und der Feind ihm dicht folgte; daher habe er seinen Regimentern bei Nossen befohlen, schleunig nach Chemnitz[25] und Zwickau zu marschieren, um entweder zu Salis zu stoßen oder die Absichten des Feindes zu verhindern; der Großteil der Artillerie und Infanterie stehe angeblich noch bei Eisleben.[26]

Der Jenaer[27] Chronist Beier hält fest: „6. Febr. Joan Wolff Freiherr von Saliß, Kaisers Ferdinants III. Generalzeugmeister, Oberster zu Roß, commendator des teutschen hauses in Regenspurg[28] Enghausen, ertheilet der Universität Jena salva guardia : helt sein nachtlager zue Apolleda,[29] darauf zue zwezen,[30] zeucht  zue Jena vber das Spittalbrückigen v. landveste, gegen das vogtland, wird bald darauf vom Schwedischen General Maior pfüll [Pfuel; BW] zwischen Reichenbach[31] v. Ölsnitz[32] gefangen …“[33]

Der Chronist und Bürgermeister Georg Leopold aus dem von Eger abhängigen Marktredwitz[34] erinnert sich an den Februar 1639: „Den 20. Febr[uar] ist ein Geschrei allhier ein[ge]kommen, [dar]ob, [daß] die schwedische Armee, [die] unter dem Feldmarschall Banner um Altenburg[35] [gelegen], ankomme. [Sie soll auf] die Kaiser. Völker bei Zwickau eingefallen sein, etliche Regimenter ruiniert und sie bis nach Ölsnitz und Adorf[36] verfolgt [haben]. Daher [war] um uns ein großer Schrecken; wie denn auch das Volk so im Markgrafentum gelegen, aus Furcht auf[ge]brochen [ist] und sich nach der Stadt Kronach[37] retiriert [hat]. Es ist hernach Bericht eingelangt, daß dieser schwedische Anfall zu Rupertsgrün bei Plauen geschehen ist. [Dabei sind] worden: der Kaiser. Feldzeugmeister Freiherr von Salis, der Gen[eral]quartiermeister Mannslohe [Hermann von Mandelslohe; BW], Oberl[eutnant] Barre, Oberl[eutnant] Spiegel und fast alles Fußvolk; welches denn bei den Kaiserr[ischen] auch großen Schrecken verursachte“.[38]

„An demselben Tage [5.3.] meldet Oberst Kolb zu Weiden seinem ‚hochgeehrten Herrn Schwagern‘, dem Rentmeister N. zu Amberg, er habe in Erfahrung gebracht, General Salis sei mit den 3 Kavallerie-Regimentern Coloredo, Salis und [Gayling von; BW] Altheim und mit 2 Regimentern zu Fuß, deren Namen der Kundschafter ’nicht behalten‘, bei Plauen auf die Schweden gestoßen, ‚deren 8 Regimenter, 600 Tragoner und 6 Veldtstuckh unter dem Commando Frangels und Schlangs‘ standen. Das Regiment Salis habe 5 Standarten verloren. Von Salis selbst habe noch nicht in Erfahrung gebracht werden können, ‚ob er gesundt, Gefangen, bey leben oder Todt‘ sei; die ‚bagagi von disen 5 Salischen Regimentern‘ habe bei dem raschen Vordringen des Feindes zurückgelassen werden müssen und sei ‚in der Voidtländischen Bauern Handt verblieben‘.[39]

Am 8.3.1639 schrieb Maximilian I. an Ottavio Piccolomini: Er habe zur Unterstützung des Feldzugs der Kaiserlichen 500 Kürassiere und 300 Fußsoldaten unter dem Kommando von Kolb abkommandiert. Trotzdem er von der Niederlage der sechs Regimenter des Feldzeugmeisters Salis im Vogtland und dem schnellen Vormarsch des Feindes gegen die Oberpfalz erfahren habe, glaube er fest, sein, Ps., Feldzug werde der Sache am besten dienen; er habe Kolb angewiesen, nach seinen Befehlen mehr in Richtung Böhmen, eventuell auch ins Land hinein zu marschieren. Er hoffe, Piccolomini werde Kolb die nötigen Befehle erteilen und den Krieg so führen, dass keine weiteren Reichsländer bedroht würden; er sei auch überzeugt davon, dass Piccolomini die Truppen auf schnellstem Weg zur kaiserlichen Hauptarmee führen werde. Erhaltenen Berichten zufolge sei der Feind zu weit vorgedrungen und könnte leicht abgeschnitten werden; seiner Meinung nach sollte auch Hatzfeldt etwas vorrücken und so den Erfolg des Feldzugs beschleunigen. Er würde Piccolominis Berichte über den Verlauf des Feldzugs und die noch zu erwartenden Streitkräfte begrüßen.[40]

[1] Mühlhausen; HHSD IX, S. 286ff.

[2] [Bad] Frankenhausen; HHSD IX, S. 29ff.

[3] Schwarzburg; HHSD IX, 395ff.; Rudolstadt;  HHSD IX, S. 360ff.

[4] Torgau; HHSD XI, S. 467ff.

[5] Eger [Cheb]; HHSBöhm, S. 119ff.

[6] Tirschenreuth; HHSD VII, S. 747f.

[7] Ruppertsgrün, heute Ortsteil von Pöhl [LK Vogtlandkr.].

[8] Plauen; HHSD VIII, S. 279ff.

[9] Bad Königswart [Lázně Kynžvart, Bez. Eger]; HHSBöhm, S. 20f.

[10] Hof; HHSD VII, S. 302f.

[11] Weiden; HHSD VII, S. 794ff.

[12] Eger [Cheb]; HHSBöhm, S. 119ff.

[13] Reichenbach; HHSD VIII, S. 298f.

[14] Zwickau; HHSD VIII, S. 380ff.

[15] Neustädtel bei Schneeberg; HHSD VIII, S. 248. ?

[16] SALIS-SOGLIO, Hans Wolf von Salis, S. 89ff.

[17] Halle a. d. Saale [Kr. Halle]; HHSD XI, S. 177ff.

[18] Merseburg [Kr. Merseburg]; HHSD XI, S. 322ff.

[19] Lützen [Kr. Merseburg/Weißenfels]; HHSD XI, S. 286f.

[20] Pegau [Kr. Borna]; HHSD VIII, S. 272ff.

[21] Zeitz [Kr. Zeitz]; HHSD XI, S. 519ff.

[22] Waldheim [Kr. Döbeln]; HHSD VIII, S. 355.

[23] Nossen [Kr. Meissen]; HHSD VIII, S. 253f.

[24] Zwickau; HHSD VIII, S. 380ff.

[25] Chemnitz; HHSD VIII, S. 43ff.

[26] BADURA; KOČÍ, Der große Kampf, Nr. 761; Eisleben [Kr. Eisleben]; HHSD XI, S. 103ff.

[27] Jena; HHSD IX, S. 215ff.

[28] Regensburg; HHSD VII, S. 605ff.

[29] Apolda; HHSD IX, S. 16f.

[30] Zwätzen [Stadt u. Kr. Jena]; HHSD IX, S. 502f.

[31] Reichenbach [Vogtlandkreis]; HHSD VIII, S. 298f.

[32] Oelsnitz [Kr. Stollberg]; HHSD VIII, S. 263f.

[33] TRÄGER, Chronologus, S. 52.

[34] Marktredwitz; HHSD VII, S. 429f.

[35] Altenburg; HHSD XI, S. 9.

[36] Adorf; HHSD VIII, S. 1f.

[37] Kronach; HHSD VII, S. 375f.

[38] BRAUN, Marktredwitz, S. 100.

[39] SALIS-SOGLIO, Hans Wolf von Salis, S. 92.

[40] BADURA; KOČÍ, Der große Kampf, Nr. 760.

Dieser Beitrag wurde unter Materialien abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.