Quelle 4: Beer: Überfall auf Derneburg (1623)

Quelle 4: Beer: Überfall auf Derneburg (1623)

Beer, Johann, Die teutschen Winter=Nächte & Die Kurzweiligen Sommer=Täge. Hg. v. Alewyn, Richard. Frankfurt/M. 1963, S. 611f., seine Schilderung des Überfalls auf Derneburg (im Mai 1623) nach dem Bericht eines Augenzeugen: „Dazumal war der Wallensteiner an der Weser sehr beschäftigt, darum kam der Fürst von Weimar dem Braunschweiger zu Hülf und schickte zwei schöne und wohlmundierte Regimenter an die Saale nach Bernburg. Von da aus gingen wir an der Seite gegen dem Harze und so fort bis an ein Städtlein, welches schon braunschweigisch war und Dernburg heißet. Unsere Obristen hatten von dem Fürsten von Braunschweig an die Stadt eigener Befelch und geschriebene Briefe, daß sie uns einlassen sollten. Nichtsdestoweniger wiesen uns die Bürger spöttisch ab und gaben weder auf unsere Obristen noch auf den geschriebenen fürstlichen Befehl etwas, schossen auch endlich mit gezogenen Röhren von der Mauer und machten uns mehr als funfzehen Kerl zuschanden. Dieser Frevel tat den Unsrigen, wie leichtlich zu erachten, sehr wehe. Die Obristen zogen sich wieder zurück und schickten allenthalben auf die Dörfer um Speck, welcher in dem Lande häufig und wohlfeil zu bekommen war. Als man dessen einen großen Korb voll angebracht, mußte solcher in gewisse Schnittlein, etwa einer Hand lang und breit geschnitten und alsdann dicht aneinander an das Stadttor genagelt werden, welches sehr stark mit eisernen Bändern und Schlössern versehen war. Nach solchem zündete man das Tor mit Schwefel und Pech an, und der angenagelte Speck schlug dergestalten in die Flamme, daß, unerachtet in dem darauf gebauten schönen Torhaus mit Bier und Wein von den Bürgern heruntergegossen worden, solche nichtsdestoweniger nicht hat können gedämpfet noch ausgelöschet werden. Durch dieses Speckfeuer wurden die Band mürb und zerrissen. Innenher war noch ein Tor, aber nicht halb so fest als dieses, jedennoch hatten die Bürger den Raum zwischen diesen beiden mit Wägen, Mist und Leitern ziemlich verbauet und befestiget, welches aber alles zugleich in die Flamm geraten ist. Durch dieses Mittel bemächtigten wir uns der Stadt mit Gewalt, und war unter der Bürgerschaft große Confusion, weil fast an allen Glocken Sturm geschlagen worden. Es haben sich ihrer nicht wenig in die Kirche retiriert, und dieselben hatten wir Befehl, allerdings zu verschonen und bei Verlust Leibs und Lebens nicht anzugreifen. Aber sonsten war alles in die Repuse gegeben, und wer am meisten zugreifen konnte, der bekam auch das meiste. Die Kirche aber wurde mit einer Salvaquarda versehen, worinnen sich die Vornehmsten der Stadt aufgehalten haben. Ich war damals noch ein junger Gelbschnabel, der nicht gar übrig viel in der Welt gesehen hatte, darum riß ich Maul und Augen auf, wie rips und raps alles untereinander ging. Wie es andere Kameraden machten, so machte ich es auch und ließ die Waldvögel für die Verantwortung sorgen. Da wurde keines Menschen verschonet, und wer nicht wollte niedergebüchset werden, der hatte zu tun, daß er sein Leben auf den Knien erbettelte. Wo es uns in einem Hause nicht anstund, liefen wir in das andere, und gesellten sich immer sechs und sechse zusammen, welche sich in den Raub, daß ich als ein Soldat rede, in die Beute teileten. Als wir nun unsern Beutel aufs beste gespicket, sagte ein alter Tarnister, welcher vielleicht öfter als einmal dabeigewesen: ‚Nun laufet hin, wo Weinkränze heraushängen und saufet euch wacker voll‘. Das taten ich und mein Kamerad. Als wir aber vom Wein ganz eingenommen und uns weder auf gestern von auf morgen besinnen konnten, verkaufte der alte Schelm das gestohlene Gut und sagte hernachmals, es wäre ihm, als er gleich wie wir in einem Kessel gesessen, stohlen und gemauset worden. So liederlich kamen wir junge Bursche um die Beute und mußten uns von den andern noch auslachen lassen darzu. Des andern Morgens‘ steckten wir das Städtlein in Brand und zogen wieder ab, nachdem die Bürger und Inwohner sozusagen gleichsam im Hemde sitzend zurückgelassen wurden“. Nach HOFFMANN, Harzschützen, S. 33, am 16.3.1623 unter Schlick erfolgt.

Dieser Beitrag wurde unter Quellen abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.