Tullian [Touillon, Dulion, „William“], Johann Jakob von
Tullian [Touillon, Dulion, „William“], Johann Jakob von; Obristleutnant [ – 1661] Johann Jakob von Tullian [Touillon, Dulion, „William“] war kaiserlicher Obristleutnant und Kommandant von Friedberg.[1] Das Dieburger[2] Kirchenbuch erwähnt ihn als „Suecicus S. C. M. fidelissimus miles et subtribunus multis annis“.[3]
In der Friedberger Chronik des Dr. Johannes Volhard [1602-1662] heißt es über den Versuch Rollin de St. Andrés, 1645 Friedberg einzunehmen: „Den 25. Sept. [1645]. Diesen Tag marchirte der hessische Obrist Saint Andres mit ungefehr 1500 Mann zu Roß und Fuß, auch etlichen kleinen Stücken und Feuermörsern hier vorbei durch Fauerbach.[4] Die Nacht hatte er zu Schwalheim[5] und Dorheim[6] und daselbst herum gelegen. Nahm seinen Weg uf Hanau[7] zu, uf welches er, wie hernacher spargirt [verbreitet] ward, einen Anschlag gehabt, welchen er aber nit versuchen können. Am dritten Tag hernacher nun, war der 28. Sept. und der Sonntag der Michelstag, kam nach Mittag umb 12-1 Uhr das Geschrei, als keme dies Volk widder. Es ließe sich aber zuerst ein großer Haufe Fuhrleut und viel Leut darbei sehen, welche aus der Frankfurter[8] Messe kamen und wieder wollten heimwärts ins Land ziehen. Solche Fuhrleut mußten nun zu allem Glück hinten herumb und durch den Rosenthal vorbei fahren, das Weggeld und dem Kommandanten [Obristleutnant Joh. Jakob von Tullian] und Rittmeister [Tobias Malzowsky] ein jeder sein Gebühr geben. Als solche kaum über das Siechhaus kommen waren, ungefehr umb 3 Uhren, ließen sich die hessischen Völker uf der Oberwöllstetter Straßen in vollem Marsch uf die Stadt zu sehen, zogen uf der Frankfurter Warth zu und lagerten sich, Fußvolk und Stück, hinter und neben der Warth auf das feld sambt den Munitions- und Bagagi-Wagen. Die Reiterei theilte sich auf unterschiedliche Truppen umb die Stadt, ein Teil gegen Ockstadt,[9] einer gegen die Steinkaute, einer gegen der Ussa nach Bauernheim[10] und einer nach Dorheim hinaus.
Uf dies ward ein Trompeter vorm Mainzer Thor gehört, so alda abgewiesen wurde. Der bließ hernach am Fauerbacher Thor, von da er auch bis zum User Thor verwiesen worden; durch welches er verblendet [mit verbundenen Augen] in die Burg zum Kommandanten Johann Jakob Tullian, Obristleutnant, geführt und seines Begehrens halber befragt wird. Er fragte nach dem Bürgermeister der Stadt, dem er etwas wegen obgedachtem Obristen Andreen anzubringen hätte. Als nun berührter Tullian ihme, Trompeter, angedeutet, er sei itzt Bürgermeister und ihme es anzuzeigen ermahnet, hat solcher gesagt: Der Oberst Andrees wäre mit seinen Völkern vor der Stadt ankommen und müßte ein Nachtquartir haben. Ersuchte demnach den Bürgermeister, ob er selbiges in der Stadt gutwillig verstatten wolle, im widrigen er es selbsten nehmen müßte. – Worauf ihm vom Kommandanten angezeiget worden: Sollt seinem Obristen andeuten, dieser Platz sei ihm vom Römischen Kaiser anbefohlen worden, könnt ihm derowegen kein Quartier verschaffen. Wollt er es nehmen, das müßte er geschehen lassen und gewärtig sein, daß er ihm darüber begegnen würde.
Sobald nun der Trompeter seinen Abschied genommen und seine Ordre referirt, hat man gesehen uf dem Thurm, daß das Fußvolk uf das Mainzerthor zugezogen. Die haben sich in die Gärten hinter der Kirch und in die Leonhardskirch gelegt, auch ihr Stücke dahinter und eins in Jost Wilhelms Garten geführt und daraus sowohl, als aus Musqueten, auf das Mainzerthor stark Feuer geben lassen. Inzwischen haben sie das Wienemachersthor aufgebrannt- und gestoßen, Stroh und andre Materialien hineingebracht und an das rechte Thor gewollt und mit starken Aexten an den Homaier oder Ringgraben hauen lassen. Entzwischen allenthalben stark Feuer auf dies Thor- und Mauerlöcher geben lassen.
Es ist ihnen aber von diesem Ort auf Thor und Mauern mit continuirlichen Schießen also begegnet worden, auch mit Auswerfung von Handgranaten, so einen trefflichen Effect getan, durch den alten Constabler also zur Haut gegangen worden, daß sie unterschiedlichmal abweichen müssen. Ob sie nun wohl des Wienemachers Haus angesteckt und auch in andre Bäu Feuer gebracht, ist doch wieder gelöscht worden und ausgangen. Entzwischenaus, da sonderlich die Nacht einfiel und es an diesem Thor am heißesten zuging, ließ gedachter Andrees auch am Fauerbacher Thor anfallen, wollt solches petardiren [mit Sprengmörsern sprengen]. Aber es wurde ihm gleicher Weise mit unaufhörlichem starken Schießen also begegenet, daß sie zu ihrem Zweck nicht gelangen konten, sondern ein Mehrers nicht verrichtet, als daß sie die Ruhlsche Pforte und das mittelste Userthor anngesteckt und in Brand gebracht. Als nun viel gedachter Andrees gesehen, daß er 2 Thore gewonnen und es nach allen Seiten mit Schießen stark hergangen, hat er auch angefangen, kleine Feuerkugeln in die Stadt zu spielen, deren erste in Engelbert Thomas Hof gefallen, so aber bald bekommen und gelöscht worden. Die andern sind unterschiedlich, aber Gott sei ewig Lob und Dank davor gesagt, ohne Schaden in die in die Stadt eingefallen. Das Schießen und Feuerwerfen hat bis ungefähr 8 Uhr gedauert. Nachdem es still geworden draußen, sein die Völker und Stuck wieder ins Lager vor der Stadt geführt worden. Das Fauerbacher Thor hat interim [inzwischen] gemächlich fortgebronnen, bis den Morgen früh, da es durch unsere Leute ist gelöscht worden. Die ganze folgende Nacht [den Rest dieser Nacht] sein Herrn und Bürger, Soldaten und Reuter, auf den Mauern in Bereitschaft blieben.
Des Montags, Morgens früh ungefehr um 7 Uhr, hat man gesehen, daß Fußvolk und Bagagi sich nach Ockstadt gezogen und da durch nach dem Hollerberg und nach dem Felde vor dem Nauheimer Walde gewendet, aldann sie ein paar Stunden bis nach 10 Uhr still gelegen, bis die Reuterei hinten herum von der Wart durch Ockstadt hin zu ihnen kommen. Darauf sind sie miteinander aufgebrochen und durch den Wald gen Mörlen[11] gezogen. Entzwischen die Reuter ankommen, haben die Constabler in der Burg stark Feuer auf die Völker gegeben, aber wegen Weite des Schusses nichts verrichten mögen. Diesen Tag sind die Völker bis Ostheim[12] und Weisel[13] gezogen, alda dieses und denen Orten ein paar Tag still gelegen, von dannen nacher Wetzlar[14] und an die Lahn gezogen“.[15]
Weiter heißt es: [1646] „Den 31. May. In dieser Nacht des Morgens früh zwischen ein und zwei Uhren klopfte der Stadt ordin[ari] Kompagni Leutnant Weingärtner vor meiner Thür, solte flugs hervor gegen des Bürgermeisters [Peter Huth] Haus kommen zum Obristen Leutnant [Tullian]. Als ich nun sobald erschienen, fand ich gedachten Herrn Obristen Kommandanten ufm Platz, neben ihm Leutnant allein gehen. Derselbe zeigte mir und Herrn Consuli [Bürgermeister] (so alsbald auch ankommen) ein Schreiben, sambt einer Anweisung vom [schwedischen] General Wrangel, so zu Wetzlar lag und vor fünf Regimenter Verpflegung von uns und Butzbach[16] sambt denen untergebenen zugehörigen Aembtern forderte, welches der Fürstin [Christine Sophie, Witwe des Landgrafen Philipp von Butzbach] Bot von Butzbach bracht hatte und draußen vorm Thor auf Antwort wartete. Hierzu wurde auch Herr Runkel berufen. Als wir nun hierüber, wie auch der Commandant mächtig perplex und bestürzt waren und von der Sache deliberirten, wie sie zu beantworten und aufs glimpflichste abzuleinen wäre (dann man durfte geben; ward endlich beschlossen, man sollte den Herrn Burggrafen[17] auch hierüber zusprechen und seines Raths mit gebrauchen, weil man sich sonderlich befehrt [besorgt], sie, die Schweden, möchten uns überziehen und belagern. … [Als man endlich beim Burggrafen vorgelassen, ist auch er für Ablehnung. Die Antwort solle aber) allein in der Stadt Namen ausgefertigt werden,weil nichts an sie [die Burg] begehrt. Also schoben sich die Burgleut von allen Dingen ab, so Gefahr vorhanden oder etwas auszuzahlen oder zu verpflegen ist, da sie ddoch onst mit allen Dingen in der Stadt zu thun haben wollen. Israel, das sein deine Beschützer ! [Die Antwort wird durch zwei Boten nach Butzbach getragen.]
Den 1. Juni [1646] hat solches der Commandant an Ihro Exzell. den Herrn Feldmarschall von Geleen [Befehlshaber der Bayern], so um Orb[18] hin der Sag nach der Zeit stand, eilends berichtet. Derselbige hat den 2. Juni, als den dritten Tag hernach, 25 Kroaten zu Pferd anhero gesandt, welche die Straßen fleißig battiren [abreiten] und Kundschaft einholen auch überbringen solten, welche wir logirt und so mit Bier und Brot gespeiset.
Den 4. Juni kame morgens umb 9 Uhr der Oberstwachtmeister [Berthold v.] Plöß[19] von des Herrn [kaiserlichen] Generalfeldmarschall-Leutnants Regiment und brachte von Hatzfelds Exzellenz ein Ordre an Kommandant, daß er ihn mit 200 Pferden annehmen und wir ihn logiren sollten. Als ich mich zum Kommandanten erfunden, so bei der Burg uf dem alt Schulgarten [Barfüßer-Garten ?] gestanden, und die Ordre ich gelesen, hab ich gesagt: wir müßten es [das Regiment] wohl logiren, würd aber ein Elend werden, denn wir solch Reuter alle nit zu unterhalten wüßten. Interim [inzwischen] kam Herr Plöß hinzu gegangen, dem ich unser Elend mit wenigem erzählte; der aber gesaget, wir solten ihnen nur unter Dach helfen; [er] sei nicht kommen, uns zu verderben, wolte mit uns vorlieb nehmen. Daruf Tullian gesagt, wir solten ihnen Bier und Brot geben, womit er, Plöß, zwar zufrieden gewesen. Daruf auch, nach beschehener Einquartierung, das Bier und Brot (welches gestellt und geliefert wird) unter die Bürger (uf ein Reuter 2 Pfund Brot , 2 Maß Bier täglich) ausgetheilt worden. Theils Reuter haben sich damit begnüget, theils aber von ihren Bürgern Fressen und Saufen, auch Haber und Korn zu futtern vor die Pferd haben wollen, welches man ihnen auch geben müssen.
Den 5. Juni kame ein Obrister Wachtmeister [Fernemont] mit noch 2 Hauptleuten und 170 Fußknechten, sambt darzu gehörigen Offizieren, brachten Ordre mit, sie einzunehmen und zu logiren. Als uns nun der Kommandant hirüber zu sprechen [holen] lassen, ist der jünger Bürgermeister [Engelbert Thomas] neben dem Stadtschreiber zu ihm gangen, und ihm angedeut, daß die Stadt albereits in die 300 Pferd neben seiner Garnison in Häusern haben, könten also die Fußknecht zumal nicht einquartiren, [noch] weniger unterhalten, sondern die Burg müßt bei diesem algemeinen Unglück und Kriegs Unruh das Ihrige auch prästiren [leisten], möchte demnach er diese Völker in die Burg logiren und darinnen unterhalten lassen.
Als er nun solches Junker Rauen und dem Hauptmann Löher [Burghauptmann], so eben auch uf der Freiheit gestanden, angezeigt, haben sich selbige beschwert und nichts einzunehmen resolvirt [entschieden erklärt]. Derowegen uns Tullian solches angezeigt. Daruf wir geantwortet: wanns mit Verneinen und Abschlagen gedan were, so wolten wirs auch thun; damit würde aber den Völkern nicht geholfen. Einmal vor alles, wir könnten diese Völker zu den andern nit einnehmen. Es lautete die Ordinanz [Befehl] nit auf die Stadt, sondern Friedberg in genere [allgemein], darunter Burg und Stadt [zu verstehen]; wolten unparteiische Leut hierüber erkennen lassen.
Als er nun wieder hingangen und mit dem Junker geraten und sie etwas zu thun ohn Zweifel ermahnt, ist er endlich kommen und gesagt, sie wolten den Herrn Obristwachtmeister sambt seinen 2 Hauptleuten und noch 100 Mann einnehmen; die übrigen 70 sambt angehörigen Offizieren müsten wir logiren. Als wir nun protestirt, wie könten keine Leut mehr unsern Bürgern zulegen, weil deren schon viel 6, 7 oder 8 Personen in Häusern hätten, hat er gesagt, wir solten sie ins Rathaus, uf der Waagen und sonst in leere Häuser legen, wo hinein verschaffen und vor die Völker Bier und Brot hergeben.
Als wir nun der Logirung in ledige Häuser zufrieden gewesen, haben sie die Bolletenschreiber ins ober [alte] Rathaus, die Waage, den Bornziegel, die Schirn, wie auch zwölf sambt einem Korporal in das Mainzisch Thumbstifts [Domstift] Haus verlegt, denen wir denn bald daruf Bier hergeben.
Als wir nun verhofft, etwas Ruh zu haben, da schickt der Kommandant herauser und läßt auf die hundert in der Burg logirte Fußvölker Proviant als Bier und Brot begehrn. Als sich nun die Stadt solches zu thun beschwert mit Vermelden, sie hätte ihren Leuten haus [hier außen in der Stadt] schon gegeben, könnte den Burgischen nichts geben; wären auch Leut drinnen, man möchte es von solchen erheben oder die Burg sonsten Anstalt darzu machen; wär nit Herkommen, der Stadt auch zumal disreputirlich [schimpflich], daß sie die Leut, so in der Burg logirten, unterhalten solten; wüßten deshalben nichts zu geben.
Als nun solches dem Kommandanten und Obrist-Wachtmeister angezeigt worden, hat er noch einmal drumb anhalten lassen. Als sich nun die Stadt hirüber zum höchsten beschwert mit Vermelden, man sehe ja wohl, daß ers mit der Burg hielte …, müßten es klagen, wo er ferner also gegen uns verfahren würde, könnten nichts mehr geben.
Als er nun solches vernommen, [drohte er], uns die sämbtlichen Fußvölker aus der Burg ins Rathaus schicken und alda aufwarten zu lassen, bis sie was bekämen. Als nun solches ohnlängst hernach geschehen und sich die Fußknecht ins Neue Haus gelagert und draußen vor der Thür hat man sich zwar hirüber zu höchst beschwert, nichts weniger, so man deren loß werden wöllen, auch ihnen Bier und Brot, doch halb so viel als den andern geben müssen, darmit sie wieder in die Burg gezogen.
Enzwischen hette Herr Hans Henrich Runckel zu Frankfurt … [bei der kaiserlichen Militärverwaltung] die Reuter-Beschwerung angebracht und die Order erhalten, daß den Reutern täglich 2 Pfund Brot, 1 Maß Bier gegeben, hingegen aber des Kommandanten Kompagni in die Burg gezogen und darin logirt werden müste, darmit den armen Bürgern die Last nicht zu schwer und sie darunter gar erliegen möchten. Auch dieselbige [Ordre] den 6. [Juni] unter Nachmittag mit der ordinari Post hingeschickt, neben einem Schreiben an Obristwachtmeister Plössen und Tullian wegen ihrer beider Völker …
Den vorigen Tag [5. Juni] Nachmittag umb 2 uhr ließ sich ein Partie schwedische Reuter vorm Nauheimer Wald sehen, welche, als es Plöß gewahr worden, ist er alsobald mit seinen Völkern aufgesessen, ihnen entgegen gangen und sie ohnfern vom Obermörler Steg angetroffen. Alda es zum harten Treffen kommen, also daß von den Schwedischen etlich und siebenzig gefangene Reuter mit wohl 100 Pferden selbigen Abend alhir einbracht worden. Die Pferd haben die Reuter unter sich getheilt, die Gefangenen aber sind mit einer starken Partei den folgenden Tag ins Feldlager nach Rodenbach geschickt worden …
Den 10. Juni [1646] nach unserem gehaltenen Bettage ward ich, neben dem jüngeren Bürgermeister, abermahl zu Tullian geschickt, welcher eben auf der Freiheit gegen der Judengasse oben vorbei ginge, ihn der Ordre wegen Einnehmung seiner Kompagni in die Burg zu erinnern und zu bitten, daß er derselben nachkommen und die Völker delogiren [verlegen] wolle. Als wir ihm nun solches vorgetragen, ist er dessen nit willens gewesen. Als man nun darüber in harten Disputen gerathen, ist er unter anderm heraus gefahren, er werde also perturbirt [wirr gemacht], daß er bald nit wisse, was er thun solte. Als ihm nun geantwortet, er solte seiner Orrdre pariren und das Uebrige den, so die Ordinanz gegeben, verantworten lassen, ist er so heftig darüber erzürnt worden, daß er heraus gefahren, er wolte, daß die Stadt gar in Brand stünde. Und als ich ihm gesagt, was er da rede, ob wir das umb ihn verdient hetten,, daß wir ihm alle Dienst gethan … Er solte seiner Order nachgehen, so irrte er nit, es geriethe, wie es wolle. Aber er wollte nicht daran, die Burg war ihm viel viel zu lieb.
Als man ihn nun Nachmittag dessen abermals erinnert und es ferner zu klagen gedröhet, hat er sich endlich erbieten wollen, morgen seine Kompagni herein zu nehmen, welches auch geschehen. …
Den 13. Juni [1646] kame Ordinanz von General Commissario Saradetzky [Zahradetzky; BW], daß Obrist Wachtmeister Plöß marschieren, hingegen nur 30 Reuter (blieben aber doch 50) hier verbleiben, welche der Stadt neben den sämbtlichen Fernemontischen Fußvölkern, so alsbald nach der Tullianischen Kompagni hereingelegt worden, herausquartiert wurden, die kais. Burg Friedberg aber des Tuliians Kompagni als ordinari Garnison verpflegen sollen; wie von uns auch geschehen. Nur die Burg hat der Garnison nichts, sondern Tullian ihnen den Kommiß [Verpflegung] und, wie er selbst sagt, aus seinen Mitteln, den Sold gaben“.[20]
„Den 28. hujus [Juni 1646] kamen die ganze kaiserliche Armada zu Ilmstadt an [unter Erzherzog Leopold Wilhelm], lagerte sich darin und dieses Orts herumb an der Niedt [Nidda] und kame umb den Mittag der General Commissarius Freiherr von Faradek[?][21] … in der Burg beim Burggrafen ein, zu dem ich, neben dem jüngeren Bürgermeister geschickt wurden, denselben zu bewillkomnen, ihm Glück und Gottes Segen zu seinen hochwichtigen Geschäften zu wünschen und ihm diese arme Stadt zu rekommandiren. Welches auch in des Herrn Burggrafen Stuben (doch absente Burggravio) [ in Abwesenheit des Burggrafen] geschehen. Der sich auch gegen die Stadt erboten.
Den Abend zuvor [27. Juni] wurde ein Bedienter von der Erzherzoglichen Hofstatt anhero geschickt, wurde vom Kommandanten begehrt, er solte allerhand vivres [Lebensmittel] zur Hofstatt nach Ilbenstadt[22] schicken. Daruf hat man in der Stadt Anstalt gemacht, daß man etliche Säck mit Mehl, Hafern, Salz, Heu, Hähn, Gäns, Bier, Butter Schaflämmer, etlich Faß Wein, wie auch ein jung Rind aufgebracht, solches auf den Wagen geladen und theils dem Erzherzogen, dem Feldmarschallen Hatzfeld, Saradetzky und dann auch etwas dem Erzherzoglichen Kanzler Kaltschmidt zugeschickt worden, welches Herr Hans Henrich Runkel neben dem Schreiben, so an den Erzherzog und die Herrn Generale deßwegen gestellt gewesen, präsentirt und übergeben. An dieser Sache sein die herein geflehete [geflüchtete] Dorfleut der Stadt zu Steuer kommen [haben beigesteuert]“.[23]
„Den 20. Juni [1646] an einem Sambstag marschierten morgens früh vor 4 Uhren albereits die kaiserlichen Völker von Ilmstadt, Assenheim[24] und deren Oerter herüber uf die Stadt zu, fielen theils durch Fauerbach neben der Stadt her durch den Rosenthal, theils durch die Usa oben her am Ringgraben, hinauf zur [Schwalheimer] Warth zu und schlugen sich selbige, sonderlich die Bagagi und der Warth herum hinten nach den [Nauheimer[25]] Salzsoden und gegen Steinfurth[26] zu uf das wüste hohe Feld, alda das Rendezvous angestellt wer. Uf der ander Seiten der Stadt von der Mainzer thorwarth marschirte die bayrische Armee; schlug sich theils und zwar meisten Theil über den Acker uf Ockstadt zu, neben welchem sie hergingen, theils übern See [Seewiese] an der Stadt, theils den Ockster Wiesengrund nach Nauheim zu, nach Besagtem hohen wüsten Feld zu. Und war ein solche Menge Volks und Bagage, daß, als sie umb 2 oder 3 Uhren Nachmittag alle da zusammenkamen und beide Armeen sich conjungirten [vereinigten], die Regimenter von Steinfurth über an bis nach Södel[27] zu gestanden haben sollen. Waren 120 Brigaden zu Pferd und [Lücke] Brigaden zu Fuß, wie etliche Hanauer sagten, so umb sie geritten und abgemerkt haben solten. Die Kaiserlichen haben sich immer uf der rechten, die Bayrischen aber uf der linken Hand gehalten.
Uf diese Rendezvous kam auch Landgraf Georg [von Hessen-Darmstadt] und empfing den Erzherzog und andere Generale. Graf Holzapfel, sonst Melander genannt, war umb 9 Uhr hier innen, besahe die Stadt zum ersten, darnach die Burg (weil dieser Posten unter sein Kommando, des Westphälischen Kreises, kommen solte). Zu dem wir auch geschickt, ihn zu bewillkomnen und ihm die Stadt zu rekommandiren, wie auch geschehen. Derselbe hat kurze Mahlzeit beim Burggrafen gethan und fürbaß fort umb 10 Uhr uf das Rendezvous geritten.
Nach geendetem Rendezvous ging der Marsch auf Münzenberg[28] und selbiger orten hinaus, ferner neben Lich[29] her auf den Busecker Thal[30] und fort gegen Homberg [an der Ohm],[31] da sie sich gegen die schwedisch-hessische Armeen, so sich umb Kirchhain[32] und Amöneburg[33] [gesammelt hatten], gelegt hat, Bei diesem Marsch wurden auch die herein kommandirte Fuß völker, sambt den 50 Reutern mitgenommen, also daß nichts hierbliebe, als die ordinari Garnison“.[34]
„Den 23. huius [Juni 1646] schickte der Commissarius [in Frankfurt, Joh. Christoph] Speck Ordinanz anhero, daß Burg und Stadt die ordinari Garnison, weil itzo kein ander Mittel ufm Land zu ergreifen wären, zur Hälft jedes Teil verplegen solten. Diweil aber den selbigen Tag der Obrist Wachtmeister Plöß mit 250 Pferden abermals alhier ankame, welche die Bürger einnehmen und verpflegen mußten, ist die Speckische Ordre der Garnison halber zu keinem Effekt kommen, sondern Tullian hat ihnen vor wie nach Kommiß geben.
Den 24. als folgenden Tag kamen noch 50 Reuter, Rittmeister und 2 Leutnants an, so gleichfalls einquartirt und gespeist werden müssen. Demnach nun erzählter Maßen die Beschwerden ganz überhand genommen und die armen Bürger mit Speisung der Völker, auch Hingebung Korns vor die Pferde, so hart gepreßt worden, hat man solcher Sachen halben an den Erzherzog Leopold Wilhelm, wie auch sonst an alle Herren Generals Hatzfeld, Melander, Blumenthal und Saradetzky geschrieben und um Gottes Willen gebeten, uns diese Last abzunehmen. Daruf kam den 28. Juni von der Generalität die Order an, daß die Burg die Garnison oder Tullians Kompagni allein, die Stadt aber die Reuter [von Plöß] unterhalten solle.
Den 30. Juni [1646] ließe mich Nachmittag umb 2 Uhr Tullian rufen und zeigte mir ein Schreiben vom Erzherzog, darinnen ihm Order gegeben ward, weil die Franzosen den Rhein hinauf zögen und allem Vermuthen nach Höchst[35] attaquiren möchten, so solte er sobald seine Fußvölker nacher Höchst schicken zur Stärkung und Defension selbigen Orts; aber aber solle vor seine Person alhier bleiben, das Kommando behalten und 200 Mann zu Fuß von de Gil de Hasischen [Haes; BW] gewertig sein. Sobald dieselbigen ankämen, sollt er seine Völker nach Höchst marschiren lassen.
[Tullian] bate mich, solches dem Commissario Specken auch zu berichten, daß er es doch dahin richten möge, weil es besser vor die Stadt sei, daß seine Völker alhier blieben, die fremden aber dorthin ziehen möchten. Ich aber sagte, daß es schwerlich angehe, referirt [berichtete] solches beiden Consulibus [Bürgermeistern], Herrn Geißen und Runkeln. Die hielten nicht vor rathsam, daß deswegen geschrieben werden solte, weil man gern sehen mochte, daß die Kompagni [Tullians] einmahl abziehen thäte. Interim [inzwischen] brachten die Plößischen auskommandirte Reuter Post vom Rhein her, da sie gewesen, daß kein Franzos herüber gangen, sondern sie wären … des Rheins abwärts gezogen. Derentwegen diese Reis sowohl von Plößen als sonderlich Tullian … auch contremandirt [widerrufen] wurde. Und blieb danach die Kompagni alhier.
Den 3. Juli [1646] kame eine Rittmeister, Damian genannt, vom Palfyschen Kroaten Regiment mit 70 Reutern, bracht Ordinanz, sich zu quartiren und mit Proviant zu versehen, welche zwar nicht quartirt, aber mit Essen und Trinken, auch Stätte vor die Pferde verpflegt werden müssen. Brachte zugleich dem Obrist Wachtmeister Plößen Ordinanz mit, daß er mit seinen vielen Reutern marschiren solte, welches auch den 4. als den folgenden Tag geschehen, da sie nach dem Lager in Hessen zugezogen. […]
Den 14. Juli [1646] schickte General Hatzfeld (weil spargirt [verbreitet] worden, die Schweden streiften [unleserlich] …, welches doch falsch war) noch seine Leib Kompagni Kroaten mit all ihrer Pagagi anhero, dardurch die Bürger mechtig beschwerdet wurden; denn ob man ihnen wohl Proviant, Bier und Brot geleistet, wolten sie doch gleich wie die andern nit damit zufrieden sein, sondern auch zu essen haben, welches man auch thun müssen.
Diesen Abend [14. Juli] kame Saradetzky, der General Commissarius beim Erzherzogen, alhier an, logirte im Schwan, zog des Morgens früh nach Frankfurt. Den 15. huius [Juli] spät in der Nacht kame Saradetzky, [Gen. kommissar] Blumenthal, [Obrist] Wachenheimer und Plöß von Frankfurt wieder hier an, logirten im Schwanen. Die Nacht wurde mir angesagt, die Memorialien an die beiden Commissarii fertig zu machen und des Morgens umb oder vor vier aufzuwarten und solche zu übergeben, was dann geschahe und ich neben Herrn [Joh. Helwig] Mayen morgens umb 4 ufgewartet im Schwan. Haben aber vor halber sechs nichts richten können. Der Blumenthal herauskommen, den ich angesprochen, die Noth der Stadt geklaget, das Memorial übergeben, welches er sobald gelesen und mit Saradetzky zu reden versprochen … Nachdeme aber ein großer Zulauf von allerhand Offizieren geschahe, mußten wir bis nach 67 Uhr aufwarten, bis fast zu ihrer Abreis. Allda hat uns der Herr von Blumenthal gesagt, die Reuter würden uns vom Hals gehen und mit Plößen, so sie kommandire, solten uf die Mühlen und das Land umb gewisser Ursach willen gelegt werden. Die übrigen Punkte wolten sie dem Erzherzog vortragen und das Beste dabei thun. Solten nachschicken und anhalten lassen. […]
Den 19. Juli wurde die Hatzfeldische Leib Kompagni wieder abzuziehen beordert, was auch geschehen.
Den 21. [Juli 1646] aber kamen abermals zu denen obig noch alhir liegenden Palfy’schen Kroaten 120 teutsche Reuter herin sambt etlichen Rittmeistern und Offizieren, welche Plöß abermahls kommandiren solte, wurden einquartirt; und ob man ihnen schon nichts als Proviant geben solte, mußte mancher doch zu essen geben. Von diesen wurden den folgenden Tag 40 Pferde unterm Rittmeister Fillio nach dem schwedischen Lager gegen Gießen kommandirt, und wurde Niklas Rheinländer, Burger alhir, sie die Weg zu weisen gezwungen und ufn Pferd [gesetzt]. Dieselbigen wurden von Schwedischen verkundschaftet, angefallen und bis uf 12 oder 13 Reuter, darunter der Niklas Rheinländer, [die] etlich Tag hernach auch glücklich ankamen, alle gefangen und ins schwedische Lager geführt. […]
Den 25. huius Morgens kam der Obrist Freiherr von Reifenberg, General Adjutant bei der kais. Armee, alhier und besahe die Burg und sonderlich die Kompagni alhier, weil er dem Ruf und Sahge [nach] Kommandant alhier werden solle, den der Tullian vielmals [unleserlich ..]. Nachdem nun solcher dieselbe besichtigt, ist er bald wieder nach Ilmstadt ins Lager gezogen; hatt einen reitenden Diener, in roth bekleidet, mit sich.
Und weil man unterdessen vom Feind, so auch aus seinem Lager aufgebrochen und herauswärts marschiren solte, viel geredt, hat Tullian sein Weib und Kinder sambt seinen besten Sachen nach Frankfurt geflehet.
Den 29. eiusdem [Juli 1646] morgens kame der Feldmarschall Hatzfeld sambt dem General Quartirmeister und Oberstrichter, sonst noch einem Obristen und anderen Officiren anhero, besahe die Burg und als derselbe aus der Burg ging, ward von meinen Herren ihm an der Schloßbrücke aufgewartet, inzwischen der Stadt Beschwerde geklagt und um Abführung etlicher Völker gebeten. Derselbe sagt, er wolte der Stadt gern helfen und dienen, wo er könne. … Wir sähen, daß des Kriegs Last und ganzer Schwall im Land und vor der Thür [wäre], könte deswe-gen nit ohne Beschwerung abgehen. Wie selbiges zu thun möglich sein würdt, das wolt er thun. Ginge daruf zu Fuß zur User Pforten hinaus, durch die Barbara-Gärten und hinterm Rothen Thurm herumb, oben zum Mainzer Thor herin, durch die Gärten zur linken Hand bis zur Hirts Pfort [Holzpfort] hinaus nach Ockstadt zu. Den gaben der jünger Bürgermeister [Engelbert Thomas], Herr [Joh. Helwig] May und ich, sambt den von der Burg bis vors Hirts Pfort das Geleite; alda wir auch von Ihro Exzellenz den Abschied genommen, wie auch Tullian vorhero thäte, so fast den ganzen Weg allein mit ihm redete.
Den folgenden 30. Tag [Juli 1646] Morgens bei Zeiten sahe man, was der Feldmarschall [Hatzfeldt] alhier gethan; denn da kamen 800 kommandirte Musketier, halb kaiserlich und halb bayrisch, alhir unter Kommando des Obristen Knörrings, bei deme sich ein Obristleutnant bayrisch, 2 Obristwachtmeister und 8 Hauptleut sambt andern Officiren befunden. Die solten den hiesigen Posten neben der alhir bereits liegenden Garnison gegen den Feind mainteniren [behaupten] und vertheidigen.
Da war nun überall Jammer und elend genung. Diese Völker legten sich erstlich vor die Burg uf die Freiheit und alte Schul [Barfüßerkloster]. Nachgehends aber wurden sie meisten Theil in die Burg, alda sie Strohütten und anderes gemacht, verlegt. Denen mußte man den anderen Tag etlich Hundert Pfund Brot geben. Die Officire suchten Quartir bei den Bürgern; wurde ihnen aber abgeschlagen, bis sie über 2 Tag Ordinanz vom Erzherzog auswirkten, daß man ihnen die Hausmannskost geben solte.
Daruf wir noch den 1. August Abends Bollete[36] empfingen. Dem Herrn Obristen, so ins Burggrafenhaus, auf seines [des Burggrafen Sohns selbst eigenes Begehren, welcher sich Einbrechens und Stehlens befahrte [befüchtete] eingezogen, wardt von der Stadt die Küche gehalten.
Den 31. [Juli 1646] fing man mit Gewalt an zu schanzen, und mußten 100 Mann von den Burgern und hereingefleheten Bauern [die Burger gaben 40, die Bauern 60 hierzu) neben denen darzu kommandirten vielen Soldaten und Officiren, so sie anwiesen, zwischen denen zwei User Thoren oben an der Burg schanzen, und neben diesen [wurden] 300 Soldaten in die Wiesen kommandirt, so viel Wagen voll Faschinen machen, auch Schanzkörb zubereiten musten, welche hernach die hier befundene Geschirr herein fahren müssen, welches Schanzen bis auf den 4. August früh morgens continuirt [fortgesetzt] worden.
Den 1. August logirt der Herr Obrist [Knörring] auch etliche Kinder vor die Völker herinnen, so dann von der Stadt, den Bauersleuten und auch der Burg … [verköstigt werden mußten]; aber gewährte, daß der armen Stadt mit Hergebung des Viehes verschont werde, indem sie mit Haltung des herrn Obristen Küchen und Speisung der vielen Offiziere, so bis uf 50, nun algenug beschwert werde (die Burge risse sich ihrem Gebrauch nach heraus).
Diese Nacht wardt vom Erzherzog aus dem Lager von Ilbenstadt[37] Mehl und Wein zum Kommiß in die Burg dem Herrn Obristen geschickt, wie auch noch den Sonntag [2. Aug.] geschahe. Inzwischen war der besagte Obriste Tag und Nacht wachend und ließe aller Orten nötige Anstalt machen mit Hergebung, Beischaffung eines und des andern, so nit all zu beschreiben; und befahl entzwischen auch ernstlich Sambstags Abends, daß man allen Vorrath an Früchten und Mehl in die Burg thun solte, damit, wenn über Verhoffen der Feind die Stadt einbekäme, er nichts finde, er [der Oberst] aber desto mehr zu leben hette. [Wir] möchten es selber hinthun in die Burg, wohin wir wolten, und wer kein Orth haben könte, dem wolte er ein Speicher verordnen, dahin solte man es schütten und verwahren. Solte keinem etwas davon genommen werden. In effectu [in der Wirkung] wär dieses nichts anderes, als uns alle Lebensmittel entziehen, wiewohl durch Gottes sonderlich Hilf all Unglück abgewendet und hernach jedermann sein Frucht wiederbekame.
Den Sonntag [2. Aug. 1646] früh mußte die Bürgerschaft schanzen, wie vor so nach, und ob man wohl den Sambstag Abend beim Obersten anhielte, man wolte doch solang der Bürger verschonen, bis sie ihren Gottesdienst verrichtet (der Oberst war auch lutherisch) und solte er solang die Juden an der Burger Stell gebrauchen, denen er zu gestern ihren Schebiß [Schabbes] zu feiern vergönnet, ja nicht deswegen darin [in der Judengasse nach Frucht] visitiren lassen. Hat doch alles nichts helfen wollen, sondern man hat fort schanzen, arbeiten und fahren müssen. Und ob auch schon der Oberst vorigen Tages an die Bürgerschaft im Neuen Haus begehrt, sich neben seinen Soldaten auf den Mauern zu befinden [bei dem erwarteten Sturm], so hat doch Gott wunderlich regirt, daß er heute Sonntags nichts begehrt, sondern es frei gestellt, wers thun wolte, der möchte es thun; wer aber nicht, solte sich in seinem Haus oder in der Kirchen halten. Würde einer über solchen Befehl, so er in der Aktion mit dem Feind oder auf der Gassen betroffen und geschossen oder darnieder gemacht werden von seinen Völkern, so wolt er deswegen entschuldigt sein. Wolt’s einmal vor alles gesagt haben.
Von der Stadt wardt ihm angesagt, [es] solte den Bürgern angesagt werden, daß sie in der Kirchen und zu Haus bleiben und vor Gefahr und Schaden [selbst bedacht] sein möchten; und als ihm solches angezeigt worden, war er sehr froh, erklärte, wolte mit den Herrn, Weib und Kindern in die Kirche gehn und alda Gott sich befehlen und des Ausgangs in Geduld und gebet erwarten.
Zu Mittags wardt im kaiserl. Lager zu Ilmstadt[38] und Burggräfenroth[39] dreimal aus allen Stücken und Musketen Salve gegeben, darumb weil diesen Tag der kaiserliche älteste Prinz [Ferdinand IV.] zum König von Böhmen gekrönet worden; welche Salve aus Stück und Musketen man ganz eigentlich alhier hören konte. Kurz hernach sahe man droben ufm Johannisberg bei Nauheim[40] neben der Kirche nah dem Wald zu etliche Squadron Reuter halten, die eine geraume Zeit alda hielten und, wie über ein paar Stunden Zeitung einkam, marschirten die conjungirten, conföderirten [vereinigten verbündeten Schweden, Franzosen und Hessen-Kasseler] Armeen insgesambt von Butzbach[41] heraus uf uns zu. Wie man aber hernach erfuhr, so lagerten sie sich gegen Mörlen[42] und an der Stell, da vor etlich Tagen der kaiserl. und bayrisch General-Rendevous gegen Steinfurth[43] etc. gewesen war. Allda sie über Nacht blieben.
Entzwischen ginge Plöß sambt seinen hier liegenden Reutern nach dem Altzen-Köppel übers Feld ihnen entgegen, um mit solchen zu scharmützeln. Aber er wurde bald zurück poussirt. Deswegen er neben der Stadt hin sich nach dem kaiserlichen Lager zu, nach Ilmstadt retirirte.
Interim wurde Nacht und Tag geschanzt an der Burg und Stadt.
Des Montags [3. August 1646] Morgens früh kam die ganze Macht der Schweden, Franzosen und Hessen von Nauheim[44] heraus uf Oxstadt zu marschirt, die Jäger neben und durch Oxstadt her, logirten sich oben von der Höhe rab durch das ganze Friedberger und Oxstedter Feld herunter bis an die Friedberger [Mainzer] Warth und noch hinüber nach Fauerbach zu, und wurden diese Revier ganz voller Zelten und Hütten in etlichen Stunden aufgeschlagen, daß sich darüber zu verwundern. Es war schrecklich anzusehen. Sie tränkten sehr ihre Pferd in der Usa, deßwegen ein groß Reitens auf Fauerbach zu, auch hinterm Rothen Thurn wurde. Und wurde bei diesem allenthalben von Mauern und Thürnen aus der Stadt stark hinausgeschossen. Man konte aber nit vernehmen, daß jemand getroffen worden, außerhalb eines Pferds, daruf ein jung saß und tränken wolt, welches vom Rothen Thurn mit einem Doppelhaken geschossen wurde, daß es sobald darnieder fiel; der Kerl kam aber davon.
So wurden auch Regimenter zu Pferd und Dragoner zwischen die Warth und die Stadt und sonderlich in die Baumgärten vorm obersten Mainzer Thor gelegt, wie ihrer denn auch viel in die Lenhards Kirche kommandirt worden, also daß man sich nit anders als eine Belagerung beforchtete. Wie dann kurz daruf ein Tromschläger sich vorm Mainzer Thor oben beim Bronnen offentlich hören lassen. Als dessen Begehren nun uf der Mainzer Pforten angehört wardt, daß er die Stadt im Namen Wrangels auffordere, ward er herumb zum User Thor zum Herrn Knörring verwiesen, welcher ihn angehört und daruf geantwortet, seines Generals Begehren könte er nit nachkommen, denn er begehrte Burg und Stadt; so wüßte er selber
wohl, daß dieselbigen nit seine, sondern des Kaisers wären. Wie er denn einem andern das seinige vergeben könte ? Könte dieses nit thun, wolte danach solches seinem Herrn Generalen anmelden.
Kurz hernach kame nochmal ein Trompeter, der forderte abermal die Stadt auf, welchem der Obrist antwortete, er wäre von dem Röm. Kaiser und dessen Generalissimo [Erzherzog Leopold Wilhelm] alher gelegt, diesen Posten zu mainteniren [behaupten], könte derowegen anderster nit handeln als ein Soldat. Wolte sich wehren, möchten nur ankommen.
Entzwischen, wie man hernach erfahren, waren etliche Regimenter verdeckt hinter der Höhe [Taunus] hingezogen und oben wiederumb heras uf Bomeß [Bonames[45]] kommen, daselbsten sich des Nid Passes [Uebergang über die Nidda] impatronirt [festgesetzt] und bemächtiget.
Die ganze Nacht war aller alhier allert [wach] und in Bereitschaft. Morgens [4. August] ganz früh, als kaum der Tag anbrach, war man gewahr, daß das Lager brandte und die Völker marschirten. Deßwegen nit geringe Freude in der Stadt entstunde, also daß auch umb 5 Uhr der Obriste die Leute von den Schanzen heim ließ gehen und es einstellte. Es wardt aber der Marsch so seltsam angestellt, daß sich niemand drin richten konte; denn einmals mutete [vermutete] man, es ginge ufs kaiserliche Lager [bei Ilbenstadt] zu, wie denn auch starke Truppen dahin marschirten, daß auch die Kaiserlichen und Bayrischen aus Kanonen stark auf sie aus ihrem Lager auf sie schossen, welches man aufm Thurn [Kirchturm] alhier eigentlich sehen konnte.
Als sich dieses bis um 8 oder 9 Uhr ungefähr verliefe, wurde man ganz gewahr, daß der Marsch uf Petterweil[46] und deren Orts nach der Nid zu ginge, deßwegen alhier große Freud entstand. Und weil daß der ordentlich monatliche Bethtag diesmal anfiel, zeigte man solches dem Herrn Obristen an und ließ ihn fragen, ob man wieder läuten und die Uhr schlagen lassen derfte (welches den vorigen ganzen Tag und Nacht verbotten gewesen). So wolte man den ordentlichen Bethtag halten und zugleich Gott vor diese gnädige Abwendung des vor Augen gewesenen großen Unglücks und Gefahr herzlich danken. Welches dem Obristen nicht allein wohlgefallen, sondern er sich auch erkläret, man solte ihm, wann es Zeit wär, in Kirche zu gehen, zusprechen, so wolte er dem Gottesdienst und Gebeth selbsten beiwohnen. Welches denn auch geschehen, und Herr [Johann Helwig] May den Obristen in die Kirchen geführet und neben den Herrn Bürgermeistern zur rechten Seiten uf der Vorkirchen [Empore] gesetzt worden. Da der Herr Pfarrer [Joh. Henrici] ein herzliche Danksagung gethan und menniglich mit Thränen Gott vor die gnädige Hilfeleistung und Errettung gedankt hat. Gott wolle ferner die Thor und Riegel unserer Stadt fest machen und vor gänzlicher Gefahr und Verstörung uns gnädig behüten.
Um 12 Uhr selbigen Tages kame Herr Generalfeldmarschall Melander Graf Holzappel, Blumenthal und der Herr Obrist Reifenberg anhero. Und dieser lösete ein Stund vorher den Herrn Obristen Knörring ab, welcher mit seinen 800 kommandirten Völkern in aller Eil wiederumb nach Ilmstadt ins Lager marschiren mußte; dann da hatte man im kaiserlichen Lager schon die Nachricht, daß des Feindes Völker über die Nidda gezogen wären“.[47]
[1] Friedberg [Wetteraukr.], HHSD IV, S. 145ff.
[2] Dieburg; HHSD IV, S. 88f.
[3] STEINER, Alterthümer Bd. 3, S. 283.
[4] Fauerbach, heute Stadtteil von Friedberg [Wetteraukreis].
[5] Schwalheim [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 410.
[6] Dorheim, heute Stadtteil von Friedberg [Wetterau-Kreis].
[7] Hanau; HHSD IV, S. 199ff.
[8] Frankfurt/M.; HHSD IV, S. 126ff.
[9] Ockstadt [Kr. Friedberg].
[10] Bauernheim, heute Stadtteil von Friedberg [Wetterauskr.].
[11] Mörlen [Westerwaldkr.].
[12] Ostheim, heute Ortsteil von Butzbach [Wetteraukreis].
[13] Weisel [Rhein-Lahn-Kreis].
[14] Wetzlar; HHSD IV, S. 461ff.
[15] WAAS, Chroniken, S. 203f.
[16] Butzbach [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 73f.
[17] Seit 1632 Wolfgang Adolf von Karben, hess.-darmstädtischer Regierungsrat u. Präsident in Marburg, der sich wenig um Burg u. Burggrafschaft gekümmert haben soll; WAAS, Chroniken, S. 167.
[18] Bad Orb [Main-Kinzig-Kreis].
[19] Bei ENGELBERT, Hatzfeld, Dietrich Barthold v. Plesse.
[20] WAAS, Chroniken, S. 207ff.
[21] Lesefehler, es handelt sich natürlich um Zahradetzky.
[22] Ilbenstadt [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 242.
[23] WAAS, Chroniken, S. 209f.
[24] Assenheim [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 16f.
[25] Nauheim [Kreis Groß-Gerau].
[26] Steinfurt, heute Stadtteil von Herbstein [Vogelsbergkreis].
[27] Södel [Wetteraukreis].
[28] Münzenberg [Kr. Friedberg], HHSD IV, S. 333ff.
[29] Lich [Kr. Gießen]; HHSD IV, S. 288ff.
[30] Buseckertal [Gr. Gießen], HHSD IV, S. 72f.
[31] Homberg a. d. Ohm [Kr. Alsfeld]; HHSD IV, S. 236.
[32] Kirchhain [Kr. Marburg], HHSD IV, S. 269f.
[33] Amöneburg [Kr. Marburg]; HHSD IV, S. 10ff.
[34] WAAS, Chroniken, S. 210f.
[35] Höchst [Stadt Frankfurt/M.]; HHSD IV, S. 226ff.
[36] Billette: Einquartierungszettel.
[37] Ilbenstadt [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 242.
[38] Ilbenstadt [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 242.
[39] Burg-Gräfenrode, heute Stadtteil von Karben [Wetteraukreis].
[40] Nauheim [Kreis Groß-Gerau].
[41] Butzbach [Kr. Friedberg]; HHSD IV, S. 73f.
[42] Ober-Mörlen und Nieder-Mörlen [Wetteraukreis].
[43] Steinfurt, heute Stadtteil von Herbstein [Vogelsbergkreis].
[44] Nauheim [Kreis Groß-Gerau].
[45] Bonames, heute Stadtteil von Frankfurt/M.
[46] Petterweil, heute Stadtteil von Karben [Wetteraukreis].
[47] WAAS, Chroniken, S. 216ff.
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