Quelle 21: RÜTHNER, 2. Schlacht bei Breitenfeld 1642

Der Hofer[1] Organist Jobst Christoph Rüthner [1598-1648] beschreibt die Vorgänge vor und während der 2. Schlacht bei Breitenfeld[2] am 2.11.1642: „Den 24. oct[obris] hatten seiner kayserlichen Mayestät nach Leipzig[3] einen conventtag[4] ausgeschrieben, alda zu tractiren[5], wie die schwedische als der reichsfeind von dem reichsboden zu bringen sein, und war kayserlicher legatus,[6] ihro gnaden aber der andere jüngere herr von Reuß[7] von Gerau, ingleichen auch fürsten albereit im anzuge begriffen und dahin zu reisen würcklich gefaßet. Alleine es wurde dieser tag bei zeiten zu wasser, maaßen die ganze schwedische armee aus Schlesien in anmarsch begriffen und ihren weg durch das Churfürstenthum Sachsen genommen. Die kayserlichen folgeten ihnen auf eine tagreise weit auf dem fuße nach. Torstensohn aber, der schwedische general, hat seine armee bey Torgau[8] über die Elbe und den 21. october nahe bei Wurzen[9] über die Muldau[10] gebracht. Dann es muste jedesmalen ein regiement reuther ein regiement zu fuß abholen [p. 208] und hinter sich zu pferde setzen. Worauf endlich den 22. october der völlige marsch recta[11] auf Leipzig gegangen, welche stadt sie in der grösesten furie[12] angefallen, aufgefordert und endlich die stücke gegen sie gepflanzt[13] und in zeit von 2 stunden eine ziemliche breche[14] gemachet, darauf aber den sturm angeordnet. Weilen aber ein ziemlich hoher thurn[15] neben solcher breche,[16] so von dem canonirern beschädiget war, eingefallen und solches loch der breche wiederum verstopfet und verschüttet, unterdeßen aber die kayserlichen völcker sich immer mehr und mehr näherten, so daß die partheien einander schon zu unterschiedlichen malen getroffen, so hat der general Torstensohn die belagerung eilend aufgehoben, das lager anzünden und noch selbigen abends die völcker gegen Dölitsch[17] zu marchiren laßen. Dadurch die kayßerliche in den wahn gerathen, als ob der feind zu stehen nicht getraue und sich nicht genugsam im stande befände. Als er aber den breiten plaz, Breitenfeld[18] genandt, nahe bey dem dorfe Budelwiz[19] eine meile[20] von Leipzig erreichet (alda anno 1631 den 7. septembris die grose hauptschlacht zwischen denen römisch-kayserlichen und königlich schwedischen, auch chursächsischen völckern vorgegangen), so hat er sich gesezet, die armee en ordre de bataillie[21] gestellet, auch die nacht zu schanzen und batterien[22] zu machen angewendet. Und obwohl seine kriegsräte und obristen ihm solches wiederrathen und sich an einen sicheren und bequemen ort, da man […] eine vortheilhafte retirade[23] haben könnte, ermahnet, so ist er auch [auf; BW] seiner einmal doch gefasseten resolution[24] bestanden und geantwortet, er wolle da stehen, da der könig, sein herr, ehemalen gestanden und glüklich viktorisiret[25] hätte. Die kayßerlichen, so zwar den abend zuvor auch durch die Muldau[26] gesezet, aber bis über den gürtel im waßer waten müssen, welches dieselbe im fechten sehr beschwerlich gewesen, haben gleichfalls nicht gefeiert,[27] sondern sich gleich in der nacht ebenfalls gestellet und die partheyen gegen die feinde avanciren[28] lassen und in aller frühe annoch in dämmerung mit aller macht den 29. november[29] an dieselbige gesezt und in schlachtordnung angesezt, auch sich so wohl gehalten, daß der sieg anfänglich für die kayserliche favorabel,[30] für die schweden aber sehr [p. 209] müßlich[31] angelaßen. Indeme aber der schwedische rechte flügel bereits zurücke getrieben und in einige disordre[32] gebracht worden, auch dem herren general Torstensohn ein schößlein vom belz[33] hinweggeschoßen, auch sonsten vieles volck eingebüßet worden ist. Allein als der kayserliche lincke flügel von einem haufen schwedischer musquetirs, so in einem dorfe[34] versteckt gewesen, attaquiret worden, in dem rücken ihme starcke salven gegeben, so wurden hierdurch die kayserlichen in große confusion[35] und folgend darauf gänzlich in die flucht gebracht, darüber sodann alle munitionwägen, 48 grose und kleine […] stücke[36] verlohren geggangen. Ja, es ist fasr die ganze infanterie auf dem plaz geblieben, welches alles die schweden neben 28 fähnlein und 71 estandarten,[37] 7000 pferden, des Erzherzogs durchlaucht wie auch denen anderen generalspersonen gehörig kriegscanzleygeld, silber und cammergeschirr[38], ihro durchlaucht betten und zelt, welches Torstensohn um 3000 thaler von seiner soldaten einem an sich erkaufet, in summa ein groß guth erobert, und solches treffen keine 3 stunden in allem gedauert. Das wort auf der auf der kayserlichen seiten ist gewesen: „Maria hilf !“, auf der schwedischen seiten aber: „Jesu Christi hilf !“ Diese niederlage ist für den grösesten verlust derer kayserlichen, welchen sie noch jemalen in diesem kriege gehabt, gehalten worden. Auf kayserlicher seiten wurde 3000 mann auf der wahlstadt[39] gezehlet. Ihro hochfürstliche durchlaucht Erzherzog Leopoldus hatten sich zwar tapfer gehalten und heroisch gefochten, es wurden ihm währenden treffen von 4 schweden die kette vom leibe gerissen, ist auch von einem schuß verlezt worden, ist sodann mit wenig gütern gegen Dreßden[40] gezogen und hat sich in Bremen[41] salviret[42], alwo er hernachmalen bei Rackenau[43] in die 1600 mann an sich gezogen und zusammengebracht. Der obrist Collredo [Rudolf v. Colloredo; BW], […] Pompejus [Tommaso Pompeio; BW], Graf Buchheim [Hans Christoph III. von Puchheim; BW] sind alle drey verwundet nach Altenburg[44] kommen und von seiner fürstlichen gnaden daselbst nach Zwickau[45] convoiret worden. Der general Picolomini und Don Hannibal Gonzago [Gonzaga; BW] aber sind nach Leipzig gekommen.

An todten sind gewesen:

1. herr generalwachtmeister Graf Broy [Albert Gaston Spinola Graf von Bruay verstarb erst 1645; BW],

2. herr generalwachtmeister Paron de Soye[46] [Achilles Baron de Soye; BW]

3. obrister Münster [Christian v. Münster; BW]

4. obrister Nicolao [Nicolas Montard de Noyrel; S. 210; BW]

5. obrister Wannß [Johann v. Wintz; BW]

An gefangenen sind gewesen:

1. generalfeldzeuchmeister Comte de Soye [Ernst Roland, baron de Grysort, Graf v. Suys (Soise); BW]

1. obrist Wangenheim [Friedrich Luwig v. Wangenheim; BW],

3. obrist Ranff, [Johann Christoph Ranfft von Wiesenthal (1599-1660); BW]

4. Don Felix [de Zuniga; BW],

welche alle auf Erfurth,[47] die generals auf einer kutschen, dir[48] anderen officiers aber auf rüstwägen,[49] sind geführet worden. haben daselbsten bei dem thor absteigen und zu fuß hineingehen mßen. Daselbst ein danckfest gehalten und die stücke gelößet[50] worden.

Auf derer schweden seiten sind geblieben und verlohren worden in und bei dieser schlacht:

1. generalfeldzeuchmeister Lilienhoeck [Johan Liliehöök, BW]

2. generalmajor Schlangen [Erik Klarson Slange; BW] […]

3. obrist und assistenzgeheimderrath Biber [N. Bibo, BW]

4. obrist [Hans Heinrich v.; BW] Schlieben

6. obristlieutenant Stinz [wahrscheinlich Anton King; BW],

7. obristlieutenant Tozky [Tortz, Trotzig; BW]

8. capitain Banner [Obrist Banér von Banér zu Fuß ?, geriet allerdings in Gefangenschaft; BW],

9. capitain Montaigne [N. Mortaigne; BW]

10. capitain Manß Person [Måns Pierson; BW].

Der generalmajor Stollhanß [Torsten Stålhandske; BW] verfolgete die victorie und gienge denen flüchtigen bis in die bergstädte nach. Der generalmajor Königsmarck aber gienge in die Schlesien, und war dazumal die französische oder weimarische armee auch im anzuge und befande sich kurz darauf in Sangerhausen“.[51]

[1] Hof; HHSD VII, S. 302f.

[2] Breitenfeld [Kr. Leipzig]; HHSD VIII, S. 38f.

[3] Leipzig; HHSD VIII, S. 178ff.

[4] Konferenztag

[5] verhandeln

[6] Gesandter

[7] Heinrich II. Reuß von Plauen zu Gera, der Jüngere (1602-1670)

[8] Torgau [LK Torgau-Oschatz].

[9] Wurzen [LK Muldentalkreis].

[10] Mulde

[11] geradewegs

[12] Wut, Sturmlauf

[13] die Geschütze gegen sie in Stellung gebracht

[14] Bresche

[15] Turm

[16] Gemeint ist hier wohl die Bresche am Pauliner-Kolleg, später Augusteum der Universität

[17] Delitzsch [Kr. Delitzsch]; HHSD XI, S. 73f.

[18] Breitenfeld [Kr. Leipzig]; HHSD VIII, S. 38f.

[19] Rackwitz-Podelwitz [LK Delizsch]

[20] 1 Meile = ca. 7,420 km.

[21] in Schlachtordnung

[22] Geschützstellungen

[23] Rückzugsmöglichkeit

[24] Entschluss

[25] gesiegt

[26] Mulde

[27] haben gleichfalls keine Zeit verloren

[28] vorrücken

[29] verschrieben für „23. october“ = 2.11. n. St.

[30] günstig

[31] ungünstig angelaßen.

[32] Unordnung

[33] Schoßteil des Pelzes; vgl. ENGLUND, Verwüstung, S. 285.

[34] Klein-Wiederitzsch, (Wiederitzsch) heute Stadtteil von Leipzig.

[35] Verwirrung, Auflösung

[36] Nach RUDERT, Kämpfe, S. 150, und ENGLUND, Verwüstung, S. 288, 46 Stücke.

[37] Nach RUDERT, Kämpfe, S. 150, 69 Standarten und 121 Fahnen.

[38] Nachtgeschirr

[39] Schlachtfeld

[40] Dresden; HHSD VIII, S. 66ff.

[41] Bremen; HHSD II, S. 69ff.

[42] gerettet

[43] Rakonitz [Rakovník]; HHSBöhm, S. 508f.

[44] Altenburg [Kr. Altenburg]; HHSD IX, S. 6ff.

[45] Zwickau; HHSD VIII, S. 380ff.

[46] So auch bei RUDERT, Kämpfe, S. 150.

[47] Erfurt; HHSD IX, S. 100ff.

[48] verschrieben für „die“

[49] Plan-, Fracht-, Tross-, Kriegswagen

[50] die Geschütze abgefeuert

[51] KLUGE, Hofer Chronik, S. 207ff., Sangerhausen [Kr. Sangerhausen]; HHSD XI, S. 409f.

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