Müller von Lauffenthal, Caspar

Müller von Lauffenthal, Caspar

von Dr. rer. nat. Konrad K. W. Sachse

Der Tod des schwedischen Kriegskommissars im Jahre 1637

Schauplatz der nachfolgenden Episode ist das Dorf Frauenprießnitz, damals Herrschaftssitz der Schenken zu Tautenburg und zum kursächsischen Herzogtum Sachsen-Zeitz gehörig. Heute gehört der nördlich von Jena gelegene Ort zum thüringischen Saale-Holzland-Kreis.

Das älteste Frauenprießnitzer Kirchenbuch enthält im Sterberegister des Jahres 1637 eine ungewöhnliche Eintragung [1]. Das liegt nicht nur daran, dass der hier verzeichnete Tote kein Ortsansässiger war. Aus dem vom damaligen Ortsgeistlichen, dem Superintendenten Tilemann, verfassten Text geht hervor, dass der namenlose Mann keines natürlichen Todes starb.

„[Am] 20. Februar ist des Schwedischen Generals Banér Krigs-Secretarius hinter die Kirche geleget und begraben worden.“ So beginnt die Eintragung. Es folgt die für ein Kirchenbuch ungewöhnliche Schilderung der Todesumstände. Demnach wurde der Kriegssekretär im nahegelegenen Tautenburg, wo er sich in Ausübung seines Dienstes aufhielt, von einer Reitergruppe angegriffen, entwaffnet und ausgeraubt. Man verschleppte ihn „durch den [Tautenburger] Forst bis auf die Sottlen[1] hinter Steudnitz“ [2], wo er von kurfürstlichen Reitern ermordet wurde. Dort habe er lange gelegen, „bis Torsten Stohlhansch, ein finnischer Corporal“ nach ihm suchen ließ und den Toten schließlich identifizierte. Der Offizier wies den Pfarrer an, die Leiche bis zur baldigen Abholung in der Kirche aufzubahren. „Weiln aber die Schwedischen bald druff weichen mußten bis an die Elbe als [also] ist … der Cörper beygesetzt worden mit Gebet, Gesang und gehörlich Tamvorines“ [Tamboure, Trommler]. Soweit der Kirchenbucheintrag.

Den Namen des hochrangigen Toten erfahren wir nicht, so dass man annehmen muss, dass er dem Pfarrer auch nicht bekannt war. Auch in späteren Chroniken wird das Vorkommnis so wie im Kirchenbuch geschildert [3, 4]. Anhand der heute verfügbaren Dokumente über den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges und die beteiligten Führungspersonen können wir den Versuch wagen, einige Hintergründe dieser Angelegenheit zu rekonstruieren.

Im Februar des Jahres 1636, der verheerende Krieg tobte schon seit 18 Jahren, hatte Frauenprießnitz schon einmal Bekanntschaft mit schwedischem Militär gemacht, als das Schloss geplündert [4] und Schenk Christian und seine Gemahlin gefangen genommen wurden [5].

Auch gegen Ende des Jahres fanden zahlreiche Kriegshandlungen im mitteldeutschen Raum statt. Die schwedischen Truppen unter ihrem Oberbefehlshaber Feldmarschall Johan Banér (1596-1641) zogen, von Sangerhausen kommend, raubend und plündernd durch die thüringischen Lande. Im Dezember 1636 besetzten sie Erfurt. Sie bezogen zeitweiliges Winterquartier auf ihrem Wege nach Torgau, wohin sich Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen gewendet hatte. Die Aussage des Pfarrers Tilemann, dass die Schweden sich in Richtung Elbe begaben, bezieht sich auf dieses militärische Vorhaben. Die Stadt Torgau ergab sich im Januar 1637, anschließend wurde Leipzig belagert, jedoch ohne Erfolg [6].

Einer der ranghöchsten schwedischen Heerführer in dieser Zeit war Torsten Stohlhansch, dessen Name im Kirchenbuch genannt wird. Sein richtiger Familienname war Stålhandske, er selbst schrieb sich aber auch Stolhanscha. Als Generalmajor gehörte er zum engeren Führungsstab um Banér, er war wohl der dritthöchste Befehlshaber. General Stålhandske (1593-1644) stammte tatsächlich aus Finnland, wenn auch aus einer eingewanderten schwedischen Beamtenfamilie, so dass Schwedisch seine Muttersprache war. Er war auch des Deutschen mächtig und sprach ausgezeichnet Englisch. Er diente schon seit 1621 im schwedischen Militär und stieg aufgrund seiner Leistungen immer höher auf. Im Jahre 1632 wird er erstmals als General bezeichnet [7].

Aus der Jenaer Stadtchronik von Adrian Beier [8] erfahren wir, dass die von Torsten Stålhandske befehligten Truppenteile am 20. Januar 1637 in Jena einfielen. Eine ihrer vielen Untaten bestand darin, am 3. Februar 1637 den letzten Bogen der Camsdorfer Brücke einzureißen, wobei 36 Bürger und Bauern zu Tode kamen. Das Auftauchen von Stålhandske in Frauenprießnitz fiel also in den Zeitraum der Besetzung Jenas.

Wenn sich der dritthöchste Befehlshaber der Schweden selbst nach Frauenprießnitz begab um einen seiner Männer zu suchen, dann muss es sich um einen ranghohen Angehörigen des Heeres gehandelt haben.

Wer aber war nun der zwischen Tautenburg und Steudnitz ermordete und in Frauenprießnitz begrabene Kriegssekretär von Feldmarschall Banér?

Bei der Suche nach einer Antwort können uns Berichte von Zeitzeugen weiterhelfen.

Der Schwarzburg-Sondershausische Hofrat Volkmar Happe (1587-1659) hat über den Zeitraum von 1618-1641 seine Erlebnisse im unmittelbaren Umfeld und ihren Bezug zum Kriegsgeschehen im „Chronicon Thuringiae“ niedergeschrieben [5]. Hier stoßen wir im Jahre 1636 auf die Spuren eines Caspar Müller. Der Chronist nennt ihn einen „schwedischen Commissarius“. Müller hat sich den Berichten zufolge im November größtenteils in Mühlhausen aufgehalten und ist am 24. des Monats aus der Stadt abgezogen. Danach wird er in der Chronik nicht mehr erwähnt.

Der Name begegnet uns wieder in den „Anmerkungen einiger in den gräfl. Schwarzburg-Rudolstädtischen und umliegenden Landen von 1620 an sich ereigneten Begebenheiten“, die der Rudolstädter Steuereinnehmer und Landrichter Michael Heubel (1605-1684) in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg verfasste [9]. Heubel reiste gegen Ende des Jahres 1636 mit dem schwedischen Kriegskommissar durch thüringische Länder. Er berichtet, dass Banér am 12. Dezember im Eisenacher Hauptquartier seinen bisherigen General-Kriegskommissar Sigismund Heusner von Wandersleben wegen „widersetzlichen Reden“ prügelte und verjagte. Als dessen Nachfolger ernannte er anschließend Caspar Müller von Lauffen­thal, der sich zu der Zeit dort aufhielt. Da Müller vorher den Titel eines Kommissars führte (s.o.), war seine Ernennung eigentlich eine Beförderung. Als Zugabe zum Posten erhielt er noch das Dorf Wandersleben, welches dem Vorgänger gehört hatte.

Der Chronist Heubel musste nun, wie er anmerkt, wider seinen Willen, den neuen General-Kriegskommissar auf dessen Reisen nach Buttstädt und zu Herzog Wilhelm nach Weimar begleiten. Er schreibt, dass Müller sich recht vertraulich zu ihm verhielt. Unterwegs beauftragte dieser ihn mit der Verwaltung der besagten Güter zu Wandersleben, überließ ihm ein Pferd und etwas Geld. Daraufhin trennten sich die Wege und die Aufzeichnungen zum Jahr 1636 enden hier. Auf den folgenden Seiten wird der Kommissar nicht wieder erwähnt.

Die Tatsache, dass ab 1637 keinerlei Quellen gefunden werden konnten, die Caspar Müller von Lauffenthal erwähnen, stützt unsere Hypothese, dass er der gesuchte Mann ist, der im Januar/Februar 1637 bei Frauenprießnitz zu Tode kam.

Im Internet-Portal „Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten“ findet man alle gegenwärtig bekannten Angaben zu seiner Person:

„(General-)Kriegskommissar Caspar Müller von Lauffenthal soll zunächst als Generalproviantmeister in den Diensten Pappenheims gestanden haben. In den Mitteilungen eines ungenannten Korrespondenten – auch die Ortsangabe fehlt – aus der Zeit vom 20.11.-23.12.1632 heißt es neben Gerüchten über angebliche Mordkomplotte gegen den Kaiser: In Pappenheims Armee habe sich ein gewisser Kaspar Müller eingeschlichen und sich da zum Generalproviantmeister aufgeschwungen. Er sei ein Verräter, der den Schweden verraten habe, dass Pappenheim sich in Sachsen mit Wallenstein vereinigen wolle. 1636 war er schwedischer (General-) Kriegskommissar unter Feldmarschall Johan Banér“[10].

Weiter lesen wir dort: „Der General(kriegs)kommissar war das oberste Aufsichts- und Kontrollorgan für das gesamte Kriegswesen, Bevollmächtigter des Kriegsherrn zur Eintreibung von Kriegssteuern (Kontributionen), zur Kontrolle der Kriegskommissare und übernahm auch militärische Aufgaben [11].“ Der monatliche Sold betrug 600 Gulden. Die Einsetzung eines Deutschen auf einem hohen Posten war in dieser Phase des Krieges nichts Ungewöhnliches mehr, denn schon nach der Schlacht bei Lützen (1632) kämpften in den Truppen Banérs nur noch 10-15% Schweden [12]. Neben den Kontrollaufgaben hatte der Generalkommissar dem obersten Befehlshaber auch Vorkommnisse aus der Truppe zu melden, weshalb dieser wie auch die ihm unterstellten Kommissare bei den Soldaten unbeliebt waren. Angesichts dieser Konstellation wäre es auch denkbar, dass Müller von den eigenen Leuten umgebracht wurde. Falls die (gegnerischen) kurfürstlichen Reiter seinen Tod verursachten, wie der Pfarrer in den Kirchenbuch-Aufzeichnungen vermutet, dann kommt neben Rache auch Raub als Tatmotiv infrage, denn der Commissarius führte gewiss Geld und anderen Besitz mit sich.

Der christlich-pietätvolle Umgang mit dem fremden Toten seitens des Pfarrers und der Gemeinde hinderte die Schweden allerdings nicht, ein reichliches Jahr später nochmals in Frauenprießnitz einzufallen und am Donnerstag nach Pfingsten 1638 den verheerenden Brand zu legen [3], der das ganze Dorf einäscherte. Es war die größte Katastrophe in der Ortsgeschichte [13]. Dass Frauenprießnitz nach wenigen Jahrzehnten wieder erstand und später wieder zur Blüte gelangte, ist dem Fleiß, der Beharrlichkeit und dem unerschütterlichen Glauben der damaligen Bewohner zu verdanken.

[1] Die Sotteln, in der Steudnitzer Flur gelegen (siehe Quelle 2).

Quellenverzeichnis

 1. Kirchenregister Frauenprießnitz. 1608-1669. Bd. 1.
2. Aehnlich, B., Die thüringische Flurnamenlandschaft – Wege zu ihrer Erforschung. . Diss. zur Erlangung des akad. Grades eines Dr. phil., FSU Jena, 2011. https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00025050/Diss/Dissertation.pdf.
3. Puhle, G.M., Diplomatische Geschichte des Geschlechts der Herren Schenken zu Tautenburg und der Schenkschen Herrschaft gleichen Namens. Handschrift, 1774. Bd. 2, ThULB: Ms. Soc. Thur. f. 1a-b.
4. Nothelle, J., Geschichte des Dorfes Frauenprießnitz Kr. Jena von den Anfängen bis zur Gegenwart. . Hausarbeit für das Staatsexamen in der Fachrichtung Geschichte, FSU Jena, 1956.
5. Happe, V., Chronicon Thuringiae. ThULB Jena, 1618-1641. http://www.mdsz.thulb.uni-jena.de/happe/quelle.php.
6. Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. . Verlag H.A. Pierer, Altenburg 1842. Bd. 9(Dreißigjähriger Krieg): p. 88.
7. Warlich, B., Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten. WordPress, 2018. http://www.30jaehrigerkrieg.de/stalhandske-stolhanscha-stahlhandschuh-stahlhanndtschuch-stalhans-stallhans-stalhansch-stallhuschl-stalhans-stallhaus-torsten-3/.
8. Beier, A., Geographus jenensis. Verlag Matthäus Birkner, Jena, 1663. http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10018500-0.
9. Heubel, M., Anmerkungen einiger in den gräfl. Schwarzburg-Rudolstädtischen und umliegenden Landen von 1620 an sich ereigneten Begebenheiten. ThULB Jena, 1682. http://www.mdsz.thulb.uni-jena.de/heubel/quelle.php.
10. Warlich, B., Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten WordPress, 2018. http://www.30jaehrigerkrieg.de/muller-von-lauffenthal-caspar-2/.
11. Warlich, B., Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten. WordPress, 2018. http://www.30jaehrigerkrieg.de/begriffe-g/.
12. Ericson, L., 1648: Krieg und Frieden in Europa. Bd. 1: Die schwedische Armee und Marine während des Dreißigjährigen Krieges – Von einer nationalen zu einer paneuropäischen Streitmacht., 1998. Internet-Portal Westfälische Geschichte, Münster(http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=437&url_tabelle=tab_texte): p. 301-307.
13. Claus, K., Frauenprießnitz: Klosterdorf – Residenz – Amtssitz. Streiflichter aus der Geschichte eines ostthüringischen Dorfes. Selbstverlag, Gera, 2008.

Autor:

Dr. rer. nat. Konrad K. W. Sachse, Jena-Kunitz (e-Mail: konrad.sachse@gmx.net)

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