Lippe-Detmold, Otto Heinrich Graf zur

Lippe-Detmold, Otto Heinrich Graf zur [10.11.1614 Detmold – 9.3.1648 Heidesheim] Obrist Johann Casimir Graf von Leiningen wurde Nachfolger Philipp Ludwigs Herzog von Holstein als kaiserlicher Kommandant von Lemgo.[1] Er war ein Vetter ersten Grades des in Detmold[2] vormundschaftlich regierenden Emich XII. von Leiningen-Dagsburg-Falkenburg (1612-1657), der seit 1641 mit Catharina von Waldecks jüngerer Schwester Dorothea von Waldeck verheiratet war.

„Der Kontakt zu diesen Verwandten [Johann Casimir] des Regenten erwies sich aber gar bald als nicht etwa vorteilhaft oder gewinnbringend für die Familie zur Lippe und das Land, vielmehr wurde diese Begegnung für einen der Detmolder Grafen, fatal im eigentlichen Sinn des Wortes“.

Im Frühjahr 1644 trug sich ein Vorfall zu, der für den Grafen Hermann Adolf sehr unangenehm war und für seinen Bruder Otto Heinrich in den späteren Folgen verhängnisvoll wurde. Am 18. April begab sich der Administrator Graf Emich v. Leiningen nach Brake,[3] um im dortigen Kruge mit dem Grafen Hermann Adolf, der als Rittmeister im Regiment des Herzogs von Holstein in Lemgo stand, und mit dessen Bruder Otto Heinrich zu konferieren. Von dort aus ließ er seinem Vetter, dem Oberst und Kommandanten von Lemgo, Grafen Johann Kasimir von Leiningen, sagen, er werde nächstens selber zu ihm kommen, um mit ihm zu reden, oder wenn es ihm gefiele, möge er ein wenig zu ihm herausreiten. Graf Johann Kasimir hatte zunächst Bedenken wegen des ‚allda zu besorgenden Trunkes‘, machte sich aber schließlich zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags doch noch mit einigen anderen Offizieren nach Brake auf und nahm, da zwischen Detmold und Lemgo eine verdächtige Truppe gesehen worden war, zu seiner und der anderen Sicherheit einen Korporal und 15 Knechte mit. Nach einem Trunk, wie ihn Johann Kasimir befürchtet, begaben sich mehrere Offiziere zur Erfrischung auf den Hof, wo eine ‚Pielketafel'[4] stand, und vergnügten sich damit, nach den auf dieser Tafel stehenden Steinen mit anderen Steinen zu werfen. Dabei flog ein vom Grafen Johann Kasimir geworfener Stein zwischen den Beinen des Grafen Hermann Adolf hindurch, ohne ihn zu berühren. Wie ersterer später behauptete, war dies unabsichtlich geschehen, und er hatte auch um Entschuldigung gebeten; andere sagten, er habe es mit Absicht getan und noch einige Steine hinterher geworfen. Den Obristwachtmeister Witte vom Holsteinischen Regiment verdroß dieser Scherz, und er reizte den Grafen Hermann Adolf, sich das nicht gefallen zu lassen, mit Redensarten, wie: ‚Frische Eier, gute Eier ! oder: Wenns mich anginge, wollte ichs ihm gedenken. Fort, fort, Herr Graf, es muß geschlagen sein ! Ein jeglicher nehme seinen Mann in acht, ich will meinen wohl finden, daß er bald soll in Stücken liegen. Wir müssen uns von den Paßgängern und Fußschabben (Infanteristen) nicht kommandieren lassen‘. Graf Hermann Adolf fragte den Oberst: ‚Vetter, wie soll ich das verstehen ?‘ Dieser aber legte sich auf die Tafel und lachte ihn höhnisch aus. Als nun Graf Hermann Adolf den Oberst aufforderte, ‚herauszukommen‘, antwortete dieser, daß man ‚einen solchen Rittmeister wohl in Arrest nehmen könnte‘. Darauf entfernte sich Graf Hermann Adolf. Als nun der Oberstleutnant Witte seinen Rittmeister dem Oberst gegenüber in Schutz nahm, antwortete dieser mit einer groben Beleidigung; es kam zu Tätlichkeiten, und die beiden mußten mit Gewalt von den Umstehenden getrennt werden. Am nächsten Morgen ließ der Oberst dem Oberstleutnant wie dem Grafen Hermann Adolf Arrest ankündigen, und sie mußten wohl auch trotz ihres Protestes den Arrest antreten. Später fand dann eine Untersuchung der Sache statt, über das Ergebnis derselben ist aber in den Akten nichts zu finden. Graf Hermann Adolf nahm zu Anfang des folgenden Jahres seinen Abschied aus kaiserlichen Diensten“.[5]

„Es muß etwa im Februar 1648 gewesen sein, daß Otto Heinrich auf Bitten des Grafen Emich von Leiningen dessen Gattin Dorothea von Detmold aus nach Hause brachte zum leiningenschen Schloß Heidesheim,[6] nordostwärts von Grünstadt[7] in der Pfalz. Unglücklicherweise hielt sich damals auch Johann Casimir von Leiningen gerade dort auf. Otto Heinrich blieb für einige Zeit in Heidesheim und scheint sehr deutlich gezeigt zu haben, was er von dem früheren kaiserlichen Kommandanten von Lemgo hielt – diesem selbst und auch anderen Herren. Am 9. März (alten Stils) wollte er die in einer Sänfte reisenden Gräfin Agnes von Waldeck zu dem leiningenschen Schloß Hardenburg[8] (westlich von Bad Dürkheim[9]) begleiten. Johann Casimir ritt der kleinen Reisegruppe nach, holte sie zwischen Dackenheim[10] und Herxheim[11] ein und sprach den Lipper an. Es ergab sich ein Wortwechsel, Otto Heinrich wollte seine Pistolen ziehen, aber Johann Casimir kam ihm zuvor und holte ihn mit zwei Kopfschüssen aus dem Sattel. Der Tote wurde nach Detmold überführt und am 16. Mai in der Stadtkirche beigesetzt.

Die Akten des Staatsarchivs Detmold enthalten Darstellungen des Geschehenen, Zeugenaussagen, Ergebnisse von Befragungen usw., die Otto Heinrich eindeutig als das Opfer eines geplanten, heimtückischen, hinterhältigen Mordes erscheinen lassen. Daß Johann Casimir den Grafen zur Lippe ums Leben gebracht hat, ist unbestritten. Er selbst hat die Tat zugegeben, aber als Notwehr hingestellt. Schwer belastet ihn die Schilderung des Geschehenen durch Agnes von Waldeck in einem Brief an Emich von Leiningen, die keinen Zweifel daran aufkommen lassen will, daß es sich um einen vorbereiteten, gezielten Mord gehandelt habe. Es ist Bericht darüber an den Kaiser ergangen und gegen Johann Casimir ein Prozeß eingeleitet worden, der sich lange hingezogen hat. Mit wie wenig Sachverstand die Untersuchung geführt wurde, geht schon allein daraus hervor, daß ein im kaiserlichen Auftrag abgefaßter Schriftsatz vom 23. Dezember 1648 den Tatbestand so darstellt, als sei Otto Heinrich mit Agnes von Waldeck am 9. März von Lippstadt[12] (!) aus nach Hardenburg unterwegs gewesen. Nach jahrelangem Prozessieren ist die Untersuchung ergebnislos verlaufen, der Täter unbestraft geblieben“.[13]

[1] Lemgo; HHSD III, S. 452ff.

[2] Detmold; HHSD III, 156ff.

[3] Brake i. L.; HHSD III, 112.

[4] Beilketafel: „Die Beilketafel, plur. die -n, das Deutsche Billiard, oder eine lange, schmale Tafel mit einem Rande, und Rinnen an den beyden Seiten, auf welcher man mit eisernen, unten glatt geschliffenen runden Steinen spielet“.

Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 820.

[5] STEGMANN, Lippe, S. 138ff.

[6] Heidesheim am Rhein [Kr. Bingen]; HHSD V, S. 131f.

[7] Grünstadt; HHSD V, S. 121f.

[8] Hardenburg; HHSD V, S. 128f.

[9] (Bad) Dürkheim; HHSD V, S. 22f.

[10] Dackenheim [LK Bad Dürkheim].

[11] Herxheim [LK Landau]; HHSD V, S. 136f.

[12] Lippstadt; HHSD III, S. 474f.

[13] FINK, Grafen zur Lippe, S. 42f.

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