Jacker, Adam, genannt Weckherlin

Jacker, Adam, genannt Weckherlin; Kundschafter [ – ] Jacker, verheiratet mit einer 28 Jahre älteren Witwe aus Goldburghausen,[1] wurde 1634 während der Belagerung durch die Kaiserlichen von der Stadt Nördlingen[2] als Kundschafter gebraucht, um Verbindung mit Bernhard von Sachsen-Weimar[3] aufzunehmen. In der sogenannten „Nürnberger Handschrift“ eines Zeitzeugen heißt es: „Deswegen haben Ihro Str. Commandant[4] und Rat um einen guten Kundschafter sich umgesehen. Weil sich aber kein Bürger eines solchen schweren Handels mit Leibes- und Lebensgefahr hat unterstehen dürfen, hat sich freiwillig präsentiert und angeben Adam Weckherlin. Sein rechter Name war Adam Jäcker, genannt Weckherlin, ein hospitalischer Untertan zu Goldburghausen. Dieser hat dafür, daß er ein altes Weib und keine Kinder habe, für das Vaterland Leib und Leben aufgeopfert und die große Gefahr auf sich genommen, daß er Briefe hin- und zurücktragen wollte. Dazu ist ihm Glück, Heil und der Segen des allmächtigen Gottes auf Weg und Steg gewünschet und eine lebenslange Versorgung aus der Oberpfründe[5] im Spital versprochen worden. Darauf ist er also am 21. August, zur Nacht, beim Baldinger Tor vom äußeren Graben hinabgelassen und im Namen Gottes, fortgeschickt worden. als Losungswort, wenn er wieder zurückkomme, ward ihm (die Parole) mitgegeben: ‚Mich hungert’. Um diese Zeit sind alle 5 Tore wohl verwahret und zugehalten gewesen und darunter (d. h. in die Durchfahrt) hat man mit Steinen und Erde gefüllte Fässer getan und auch Kästen gemacht, und es ist nur ein enger Gang freigelassen worden, damit man zu den Brücken hat durchgehen können. Man hat diese aber geschwind wieder verbaut oder verbauen können, daß niemand zu den Brücken (Zugbrücken über den Stadtgräben und die Kornlach) gehen konnte.

Der Adam, der nun sein Leib und Leben ritterlich gewagt und sich für Nördlingen frei und gutwillig aufgeopfert, jedoch Gott zum getreuen Gehilfen und Beistand genommen, zumal er emsig und fleißig mit der kecken Judith und Joel gebetet, ist diese Nacht ohne einzigen Anstoß durch und in Aalen[6] angekommen. Er hat sich alsbald bei dero Fürstlichen Gnaden, Herzog Bernhard, untertänig angemeldet und der Stadt Nördlingen kleines Brieflein, in Blei eingemacht, überliefert. Nach dessen Ablesung haben sie diesen Kundschafter vor sich fordern lassen und ihn zunächst mit rauen Worten angefahren: Er müsse wohl ein frecher und kecker Mann sein, daß er sich zu solch schwerem Handel und besorglichem Wesen habe gebrauchen lassen und bei sich selbst nicht bedenken tue, daß man Kundschafter gemeinhin für Verräter halte, und, wenn man ihrer habhaft werde, sie auf jämmerliche Weise aufhänge und justificiere und ihnen ein saurer Botenlohn zuteil werde. Ihro Fürstliche Gnaden fragte weiter, wie er doch sicher von der Stadt Nördlingen ab- und hierher gekommen und ob er sich getraue, wieder dahin zu kommen, ohne aufgefangen zu werden. Auf jede Weise und zuvörderst wurde er examiniert, wie es in der Stadt stehe, und ob man zu leben hätte, und ob sie sich noch einige Tage wehren könnten, ob sich auch der Commandant mit seinen Soldaten wehre oder nicht; ob es noch nicht tue, die Stadt zu entsetzen. Auf diese Fragen hat der einfältige Adam kurz und bescheiden geantwortet: ‚Die Stadt tut sich ritterlich wehren, aber die Gewalt draußen und der Hunger drinnen seien zu groß, und es fange die Pest und das Sterben an einzureißen, und es wäre hohe Zeit, die Stadt zu entsetzen und ihr zu Hilfe zu kommen. Widrigenfalls müsse man sich ergeben und ist es nicht möglich, sich länger zu halten“. – Hierauf hat man ihm Speis und Trank der Genüge gegeben“.[7] „Als Herzog Bernhard von Aalen nach Bopfingen[8] heraufgegangen, hat sich der Adam unter der Soldateska[9] befunden. Bei Bopfingen ist er dann nachts um 12 Uhr von ihnen geschieden und am 23. August um 1 Uhr in die Stadt kommen und beim Baldinger Tor, da er zuvor gerufen: ‚Mich hungert !’ aus dem Graben heraufgenommen worden. Der hat nun gute Avisen[10] sowohl mündlich als schriftlich gebracht. Vom Succurs[11] nämlich, daß man uns in wenigen Tagen entsetzen werde, es sei die schwedische Soldateska zum Teil schon da, und dabei auch referiert, daß der württembergische Ausschuß[12] und der Rheingraf[13] hernach folgen werden“.[14] „Den 26. August, nachts, ist der Adam zum zweiten Mal ausgeschickt worden und zu Herzog Bernhard auf den Breitwang[15] um Entsetzung geschickt worden. Dieser ist anjezo in großer Gefahr gegangen und den Kroaten[16] unter die Hände gekommen. Der Allmächtige Gott aber hat ihn stark mit seinem Hl. Geist und dem Schutz (guardii) seiner lieben Hl. Engel geführet, so daß er sich herausgeredet und wieder losgemacht, mit den Worten: er sei ein armer Bauersmann von Kirchheim,[17] habe den Kroaten bis nach Aalen das Vieh treiben müssen, welches sie geglaubet, so daß sie ihn haben gehen lassen. Ja, sie haben ihm den verhoffentlich herodischen Weg[18] gewiesen, damit er den Schweden nicht in die Hände falle, ungeachtet der Tatsache, daß er dahin gehört. So hat ihm doch der Isakstern glückbringend geleuchtet und ihn sicher zu Herzog Bernhard geführet. Die Herren Generäle haben diesen Bauersmann zu sich in ihr Zelt eingenommen und zum fleißigsten und strengsten ausgefragt, was es mit Nördlingen für eine Beschaffenheit habe. Hierauf haben sie ihm ein kleines Brieflein, das in Blei eingemacht gewesen, überreicht, worauf er also gespeist und getränkt worden ist. Bald haben sie ihn wieder abgefertigt mit dem Inhalt, wir sollten doch getrost sein, man wollt’ uns in 2 oder 3 Tagen gewiß entsetzen und zu Hilfe kommen. Es wäre der württembergische Ausschuß, 3.000 Mann stark,[19] bereits angekommen. Man erwarte nun noch die Geschütze und die Armee des Rheingrafen. Der Adam hat Herzog Bernhard auch referiert, daß die Kaiserlichen sich so verschossen haben, daß sie über 160 Pfund hinaus nicht mehr (Pulver) für die Geschütze hätten. Sie hätten aber nicht befohlen, dies anzuzeigen. Die Generales aber haben ihm nicht geglaubt, noch viel weniger trauen wollen. Sonntagnacht, um 2 Uhr, ist er dann wieder aus dem Wasser heraus und in die Stadt gezogen worden, nachdem er gerufen: ‚Mich hungert’ “.[20] „Aftermontag (Dienstag), den 29. August, nachts, als es heftig regnete, ist der Adam zum 3. Mal fort- und um Entsatz geschickt und ihm nach Kriegsbrauch und – manier eine Kugel mit des Kommandanten Petschaft (Siegel) klein ausgedruckt auf ein Papierlein und behutsam eingemacht aufgegeben worden, welches es sehr heftig gemacht, indem er zu Seiner Fürstlichen Gnaden gesagt hat: ‚Gnädiger Herr Fürst, der Teufel hole mich. Es herrscht große Not. Wenn Ihr die Stadt nicht bald entsetzet, dann muß sie sich bald ergeben. Sie kann sich nicht länger halten, denn der Hunger[21] und die Pestilenz[22] haben heftig überhandgenommen und sehr eingerissen’. Am Freitag, 1. September, am Debora-Tag, nach Mitternacht, um halb 3 Uhr, ist Adam von Herzog Bernhard wieder in die Stadt gekommen, berichtet mit gutem Trost, daß die Geschütze und etliche Rheingräfliche Kavallerie angekommen seien, die Infanterie aber komme in 2 oder 3 Tagen erst nach. Der Adam ist um 8 Uhr nachts weggegangen und nach seiner Ankunft von beiden Generalen ehrlich empfangen worden und er hat nun Ordre gebracht, man solle, sobald er in der Stadt angekommen sei, vom St. Georgskirchturm ein Zeichen und einen Losschuß geben, was mit einem feurigen Pechkranz, den man brennend aufgesteckt, geschehen ist, und da es die Schweden um 4 Uhr gegen Tag ins Gesicht genommen, haben sie darauf 2 Losschuß getan“.[23]

Wie gefährlich das Leben als Kundschafter war, zeigt das Beispiel des „krummen Schneider“ von Baldingen:[24] „Den 31. August, nachts um 11 Uhr, hat man den krummen Schneider von Baldingen, weil Adam bis auf den 3. Tag ausgeblieben, hinausgelassen und zu Herzog Bernhard schicken wollen. Dieser aber hat sich unterwegs selbst beim Zurückgehen verraten. Als ihn eine kaiserliche Wache angetroffen, sie seien Schwedische und wollten zu Herzog Bernhard, ist er mit solchen Worten bald gefangen und aus ihm herausgebracht worden, daß er ein Kundschafter sei. Deswegen hat man ihn auf der Stelle gefangengenommen und Eines Ehrbaren Rats Brieflein von ihm bekommen. Darauf ist ihm die Zunge aus- und abgeschnitten und er sofort um Garten des Barbierers David Günzler aufgehängt worden“.[25]

[1] Goldburghausen, heute Ortsteil von Riesbürg [Ostalbkr.].

[2] Nördlingen [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 525ff.

[3] Vgl. JENDRE, Diplomatie und Feldherrnkunst.

[4] Erhard Deibitz; Obrist [um 1594 – 1658]. STOLCH, Erhard Deibitz.

[5] S. 41, Anm. 3 des Hg.: Die sog. ‚reiche Pfründe’. Das Versprechen wurde von der Stadt auch gehalten. Pfründe: Pfründer nannte man Pensionäre in Spitälern, die sich durch Einbringen eines Legats eine dauernde Unterkunft und Pflege gesichert hatten. In diesem Fall dürfte man ihm das Legat wohl erlassen haben.

[6] Aalen [Ostalbkr.]; HHSD VI, S. 2ff.

[7] KESSLER, Belagerung, S. 41f.

[8] Bopfingen [Ostalbkr.]; HHSD VI, S. 105f.

[9] Soldateska: Soldaten, teilweise auch abwertend gebraucht für Soldatenhaufen.

[10] Aviso: Nachricht, Neuigkeit.

[11] Sukkurs: Hilfe, Ersatz; Beistand, Nachschub.

[12] Ausschuss, fürstlicher: Truppen der Landstände.

[13] Otto Ludwig, Wild- und Rheingraf von Salm in Kirburg, Mörchingen und Tronecken; General [13.10.1597 – 16.10.1634].

[14] KESSLER, Belagerung, S. 46.

[15] Vgl. http://www.schwedenlager-1634.de/home_neu.htm.

[16] Kroaten: (kroatische Regimenter in kaiserlichen und kurbayerischen Diensten), des „Teufels neuer Adel“, wie sie Gustav II. Adolf genannt hatte (GULDESCU, Croatian-Slavonian Kingdom, S. 130). Mit der (älteren) Bezeichnung „Crabaten“ (Crawaten = Halstücher) wurden die kroatischen Soldaten, die auf ihren Fahnen einen Wolf mit aufgesperrtem Rachen führten führten [vgl. REDLICH, De Praeda Militari, S. 21], mit Grausamkeiten in Verbindung gebracht, die von „Freireutern“ verübt wurden. „Freireuter“ waren zum einen Soldaten beweglicher Reiterverbände, die die Aufgabe hatten, über Stärke und Stellung des Gegners sowie über günstige Marschkorridore und Quartierräume aufzuklären. Diese Soldaten wurden außerdem zur Verfolgung fliehender, versprengter oder in Auflösung begriffener feindlicher Truppen eingesetzt. Diese Aufgabe verhinderte eine Überwachung und Disziplinierung dieser „Streifparteyen“ und wurde von diesen vielfach dazu genutzt, auf eigene Rechnung Krieg zu führen. Zum anderen handelte es sich bei „Freireutern“ um bewaffnete und berittene Bauern, die über Raubzüge Verwirrung hinter den feindlichen Linien schufen. Sie taten dies entweder mit Erlaubnis ihrer Kommandierenden, als integraler Bestandteil der kaiserlichen Kriegsführung, oder aber unerlaubter Weise – nicht ohne dabei z. T. drakonische Strafen zu riskieren. Diese „Freireuter“ stahlen und plünderten auf Bestellung der eigenen Kameraden sowie der Marketender, die ihrerseits einen Teil ihrer Einnahmen an die Obristen und Feldmarschälle abzuführen hatten. An Schlachten nahmen sie in der Regel nicht teil oder zogen sogar auch in der Schlacht ab. Zudem war „Kroaten“ ein zeitgenössischer Sammelbegriff für alle aus dem Osten oder Südosten stammenden Soldaten. Ihre Bewaffnung bestand aus Arkebuse, Säbel (angeblich „vergiftet“; PUSCH, Episcopali, S. 137; MITTAG, Chronik, S. 359, wahrscheinlich jedoch Sepsis durch den Hieb) und Dolch sowie meist 2 Reiterpistolen. Jeder fünfte dieser „kahlen Schelme Ungarns“ war zudem mit einer Lanze bewaffnet. SCHUCKELT, Kroatische Reiter; GULDESCU, Croatian-Slavonian Kingdom. Meist griffen sie Städte nur mit Überzahl an. Die Hamburger „Post Zeitung“ berichtete im März 1633: „Die Stadt Hoff haben an vergangenen Donnerstag in 1400. Crabaten in Grundt außgeplündert / vnnd in 18000 Thaller werth schaden gethan / haben noch sollen 1500. fl. geben / dass sie der Kirchen verschonet / deßwegen etliche da gelassen / die andern seind mit dem Raub darvon gemacht“. MINTZEL, Stadt Hof, S. 101. Zur Grausamkeit dieser Kroatenregimenter vgl. den Überfall der Kroaten Isolanis am 21.8.1634 auf Höchstädt (bei Dillingen) THEATRUM EUROPAEUM Bd. 3, S. 331f.; bzw. den Überfall auf Reinheim (Landgrafschaft Hessen-Darmstadt) durch die Kroaten des bayerischen Generalfeldzeugmeisters Jost Maximilian von Gronsfelds im Mai 1635: HERRMANN, Aus tiefer Not, S. 148ff.; den Überfall auf Reichensachsen 1635: GROMES, Sontra, S. 39: „1634 Christag ist von uns (Reichensächsern) hier gehalten, aber weil die Croaten in der Christnacht die Stadt Sontra überfallen und in Brand gestecket, sind wir wieder ausgewichen. Etliche haben sich gewagt hierzubleiben, bis auf Sonnabend vor Jubilate, da die Croaten mit tausend Pferden stark vor Eschwege gerückt, morgens von 7-11 Uhr mittags mit den unsrigen gefochten, bis die Croaten gewichen, in welchem Zurückweichen die Croaten alles in Brand gestecket. Um 10 Uhr hats in Reichensachsen angefangen zu brennen, den ganzen Tag bis an den Sonntags Morgen in vollem Brande gestanden und 130 Wohnhäuser samt Scheuern und Ställen eingeäschert. Von denen, die sich zu bleiben gewaget, sind etliche todtgestoßen, etlichen die Köpfe auf den Gaßen abgehauen, etliche mit Äxten totgeschlagen, etliche verbrannt, etliche in Kellern erstickt, etliche gefangen weggeführet, die elender gewesen als die auf der Stelle todt blieben, denn sie sind jämmerlich tractirt, bis man sie mit Geld ablösen konnte“. LEHMANN, Kriegschronik, S. 61, anlässlich des 2. Einfall Holks in Sachsen (1632): „In Elterlein haben die Crabaten unmanbare Töchter geschendet und auf den Pferden mit sich geführet, in und umb das gedreid, brod, auf die Bibel und bücher ihren mist auß dem hindern gesezt, In der Schletta [Schlettau] 21 bürger beschediget, weiber und Jungfern geschendet“. LANDAU, Beschreibung, S. 302f. (Eschwege 1637). Auf dem Höhepunkt des Krieges sollen über 20.000 Kroaten in kaiserlichen Diensten gestanden haben. In einem Kirchturmknopf in Ostheim v. d. Rhön von 1657 fand sich ein als bedeutsam erachteter Bericht für die Nachgeborenen über den Einfall kroatischer Truppen 1634; ZEITEL, Die kirchlichen Urkunden, S. 219-282, hier S. 233-239 [Frdl. Hinweis von Hans Medick, s. a. dessen Aufsatz: Der Dreißigjährige Krieg]. Vgl. BAUER, Glanz und Tragik; neuerdings KOSSERT, „daß der rothe Safft hernach gieng…“ http://home.arcor.de/sprengel-schoenhagen/2index/30jaehrigekrieg.htm: „Am grauenhaftesten hatte in dieser Zeit von allen Städten der Prignitz Perleberg zu leiden. Die Kaiserlichen waren von den Schweden aus Pommern und Mecklenburg gedrängt worden und befanden sich auf ungeordnetem Rückzug nach Sachsen und Böhmen. Es ist nicht möglich, alle Leiden der Stadt hier zu beschreiben.
Am ehesten kann man sich das Leid vorstellen, wenn man den Bericht des Chronisten Beckmann über den 15. November 1638 liest: ‚… Mit der Kirche aber hat es auch nicht lange gewähret, sondern ist an allen Ecken erstiegen, geöffnet und ganz und gar, nicht allein was der Bürger und Privatpersonen Güter gewesen, besonders aber auch aller Kirchenschmuck an Kelchen und was dazu gehöret, unter gotteslästerlichen Spottreden ausgeplündert und weggeraubet, auch ein Bürger an dem untersten Knauf der Kanzel aufgeknüpfet, die Gräber eröffnet, auch abermals ganz grausam und viel schlimmer, als je zuvor mit den Leuten umgegangen worden, indem sie der abscheulichen und selbst in den Kirchen frevelhafter und widernatürlicher Weise verübten Schändung des weiblichen Geschlechts, selbst 11- und 12-jähriger Kinder, nicht zu gedenken – was sie nur mächtig (haben) werden können, ohne Unterschied angegriffen, nackt ausgezogen, allerlei faules Wasser von Kot und Mist aus den Schweinetrögen, oder was sie am unreinsten und nächsten (haben) bekommen können, ganze Eimer voll zusammen gesammelt und den Leuten zum Maul, (zu) Nase und Ohren eingeschüttet und solch einen ‚Schwedischen Trunk oder Branntwein’ geheißen, welches auch dem damaligen Archidiakonus… widerfahren. Andern haben sie mit Daumschrauben und eisernen Stöcken die Finger und Hände wund gerieben, andern Mannspersonen die Bärte abgebrannt und noch dazu an Kopf und Armen wund geschlagen, einige alte Frauen und Mannsleute in Backöfen gesteckt und so getötet, eine andere Frau aus dem Pfarrhause in den Rauch gehängt, hernach wieder losgemacht und durch einen Brunnenschwengel in das Wasser bis über den Kopf versenket; andere an Stricken, andere bei ihren Haaren aufgehängt und so lange, bis sie schwarz gewesen, sich quälen lassen, hernach wieder losgemacht und andere Arten von Peinigung mit Schwedischen Tränken und sonsten ihnen angeleget. Und wenn sie gar nichts bekennen oder etwas (haben) nachweisen können, Füße und Hände zusammen oder die Hände auf den Rücken gebunden und also liegen lassen, wieder gesucht, und soviel sie immer tragen und fortbringen können, auf sie geladen und sie damit auf Cumlosen und andere Dörfer hinausgeführt, worüber dann viele ihr Leben (haben) zusetzen müssen, daß auch der Rittmeister der Salvegarde und andere bei ihm Seiende gesagt: Sie wären mit bei letzter Eroberung von Magdeburg gewesen, (es) wäre aber des Orts so tyrannisch und gottlos mit den Leuten, die doch ihre Feinde gewesen, nicht umgegangen worden, wie dieses Orts geschehen’ „. Vgl. auch die Beschreibung des Kroateneinfalls in Neustadt a. d. Aisch am 18.7.1632 => Kehraus [Kerauß, Kehrauß], Andreas Matthias in den „Miniaturen“.

[17] Kirchheim am Ries [Ostalbkr.].

[18] Um der Verfolgung zu entgehen, unter Anspielung auf die Verfolgung Neugeborener durch Herodes.

[19] Es dürfte sich um 6.000 Mann gehandelt haben. => http://www.schwedenlager-1634.de/home_neu.htm: Die Württembergische Landesdefension zu Anfang des 17. Jahrhunderts.

[20] KESSLER, Belagerung, S. 52.

[21] Hunger: Hungerkrisen traten durch Missernten, Wettereinflüsse, Truppendurchzüge, Einquartierungen, Erntezerstörungen, Pferde- und Viehdiebstahl immer wieder auf. Oftmals blieb nur die Flucht ins Heer oder der Anschluss an den Tross. So hatten sich 2.000 hungernde Eichsfelder Pappenheims Soldaten angeschlossen. Ein Berittener oder Knecht in der Musterung hatte immerhin noch zwei Pfd. Fleisch, drei Pfd. Brot, eine Maß Wein und drei Maß Bier pro Tag zu fordern – drei bis fünf Maß Bier je nach Geschlecht pro Tag galten auch sonst als üblich – , was zur raschen Auszehrung einer Landschaft führte, zumal die eingeforderten Naturalabgaben im Laufe der Zeit noch weiter anstiegen und von Jahr zu Jahr neue Verpflegungssätze erfordern. Vom Verpflegungsansatz her war dies eine gewaltige Kalorienmenge, entsprachen doch drei Pfd. (gutes) Brot allein bereits etwa 3.750 kcal. Rechnet man noch über 2.000 kcal für das Fleisch hinzu, ohne Bier und Wein, so wird eine Kalorienzahl zwischen 6.000-7.000 kcal erreicht, was dem Zweieinhalb- bis Dreifachen eines durchschnittlichen Tagesbedarfs entsprochen hätte. Das war wohl Anfang des 17. Jahrhunderts nur Privilegierten vorbehalten, während die Gemeinen nur unzureichend verpflegt wurden. HIPPEL, Bevölkerung, S. 422, schätzt den täglichen Nahrungsbedarf in Württemberg auf knapp 2.400 kcal pro Tag. Vgl. BEHRENDS, Chronik, S. 145f. (1636): „Man gab den Armen von jedem Backvorgang ein Brot, […] welches damals als Krieg, Pest und Hunger hieselbst gar übel hauseten, von armen Leuten nicht für eine geringe Gabe gehalten ward, sintemal man damals oft weder Brot noch Bier und Geld haben konnte, und viele, meistenteils aber die Soldaten Hunde und Katzen, Pferde- und Menschenfleisch fraßen und nicht einmal bekommen konnten“. 1641 heißt es über die Prignitz: „So sind auch alle Dörfer so gar verwüstet, verödet, universaliter et particulariter in Brand gesteckt, die Untertanen Hungers und des milites immanitet [Unmenschlichkeit, Rohheit] halber gestorben und ins Elend [Ausland] verlaufen, dass man in dem ganzen Kreise nach angestellter fleißiger Inquisition bloß 373 Bauersleute, die doch etliche gar wenig ausgenommen, weder Hunde noch Katzen, weniger etliche Lebensmittel haben, besonderen sich vom Obste und wohl ganz unnatürlichen Speisen aufhalten müssen, gefunden worden“. HERRMANN, Ländliche Bevölkerung, S. 86. Der Bieberauer Pfarrer Minck (1635); KUNZ/LIZALEK, Südhessische Chroniken, S. 261: „Durch diesen Hunger verschmachteten viele Leut dermaßen, daß nichts als Haut und Bein an ihnen war, die Haut hing ihnen am Leib wie ein Sack, waren ganz schwarz-gelb, mit weiten Augen, gepläcketen Zähnen, grindicht, krätzig, gelbsichtig, dick geschwollen, febricht [= fiebrig], daß einem grauete, sie anzusehen“. ZILLHARDT, Dreißigjähriger Krieg, S. 161f. (1635): „Dan auß diser teürung und hungersnot ist entstanden noch ein jamer uber alle jamer, nemlich ein sterbet und pestelentz, das vüll taußendt menschen sind zu grundt gangen durch hunger, krieg und pestelenz. Dan durch den hunger ist von denen armen menschen vüll greüwlich und abscheüliches dings auffgefressen worden. Alls nemlich allerley ungereimbten dings: hundt und katzen, meüß und abgangen vüch, roßfleisch, das der schinder und meister uff dem vassen sein fleisch von dem abgangne vüch, als roß, hundt und andere thier, ist hingenomen worden, und haben dannoch einander drumb gerißen und für köstlich gut gehalten. Es ist auch für gut gehalten worden allerley kraut uff dem feld: die distel, die nesle, schersich, hanefüeß, schmerbel, schertele. In suma allerley kraut ist gut gewessen, dan der hunger ist ein guter koch, wie man im sprichwort sagt“. Vgl. auch  die Lebensbeschreibung des Gottfried Andreae (1637); DOLLINGER, Schwarzbuch, S. 321: „Doch im Jahr 1637 stieg das Elend auf’s höchste, nachdem kaum 200 Bauern in der untern Pfalz mehr übrig waren, da die übrigen teils an Hunger und Pest bereits gestorben, teils von den Kaiserlichen erwürgt oder als Soldaten weggeschleppt worden waren … Der Hunger aber zwang die Leute zu den unnatürlichsten Nahrungsmitteln: Gras, Kräuter, dürre und grüne Baumblätter, Felle von Tieren; Hunde, Katzen, Ratzen, Mäuse, Frösche und faulendes Aas waren gesuchte Bissen. Die Hungernden erschlugen einander selbst, verzehrten sie, durchwühlten Gottesäcker, erstiegen Galgen und Rad und nahmen die Toten zur Speise weg“. Notiz aus dem Pfarrbuch von Mauern (LK Neuburg/Donau) für 1648: „Viele haben aus Hunger Roßmist gegessen, der Feind hat alles fort; es ist nichts angebaut worden. Viele sind Hungers gestorben, die Überlebenden nähren sich von Wurzeln und Baumblättern und sind froh um die Häute der gefallenen Pferde“. [frdl. Mitteilung von Herrn Fahmüller, Pfeffenhausen]. Der Kitzinger Pfarrer Bartholomäus Dietwar [1592-1670] über 1649; DIETWAR, Chronik, S. 91: „Etliche tausend bayerische Bauern bettelten mit Weib und Kind durchs Land. Darunter waren auch Mörder. Sie stahlen und raubten was sie konnten. Das war Gottes sichtbare Strafe dafür, dass der Kurfürst von Bayern im 30jährigen Kriege viele Tausend armer Leute gemacht hatte. Darum war sein Land im vorigen Jahre durch die Schweden und Franzosen wieder verdorben worden, also dass seine Leute von München und Landshut her das Frankenland durchliefen, das gebettelte Brot dörrten und heim nach Bayern trugen“. Aus Nördlingen wird anlässlich der Belagerung 1634 berichtet; KESSLER, Belagerung, S. 38: „Um diese Zeit sind die Rosse wegen Mangels an Futter so erkrankt und so matt geworden, daß sie häufig einfach hingefallen und und verendet sind. Von dem S. H. Schinder Jörg Schmid sind hinter dem Feilturm 2 große Gruben gegraben und die Pferde darin verscharrt worden. Die Armen und Bettelleute aber haben sich auch dabei befunden und haben,wenn man die Pferde hat vergraben wollen, aus großem Hunger ziemlich große Stücke davon herausgeschnitten, das Selbige gekocht und von solchem ihren Hunger gestillt, und gebüßt. Die armen Leute sind zur Nacht, um 12 Uhr, über solches Aas gekommen und haben es davon getragen“. KESSLER, Belagerung, S. 63: „Die kaiserlichen, spanischen, welschen, französischen und deutschen Soldaten sind gleichsam aus dem ausgebrannten Turm herundergefallen und jämmerlich aufeinander gelegen. Die armen Tagelöhner haben die gebratenen Schulterblätter von den Achseln abgenommen und für gutes Schweinefleisch gefressen“. Der Salemer Mönch Bürster (1644); WEECH, Sebastian Bürsters Beschreibung, S. 196: „Dan ehe muoß der burger sterben zehen mal, ehe der soldat verderben ainmahl“.

[22] Pest: Eine während des gesamten Krieges immer wieder auftretende Seuche war die Pest (die „zur frühen Neuzeit wie das Amen in der Kirche“ gehörte, Ulbricht, Seuche10) als demographische Katastrophe für einzelne Landstriche, von Happe [I 87r] und seinen Zeitgenossen neben Krieg und Hunger zu den drei Hauptstrafen Gottes gerechnet; vgl. dazu auch LANG, Pestilentz, S. 133 f. Truppenbewegungen, Zerstörungen, Hungerkrisen bzw. chronische Unterernährung, mangelnde Hygiene etc. trugen zur Verbreitung der Pest bei, die in vier Formen auftrat: 1. die abortive Pest als „leichte“ Variante: Symptome waren leichtes Fieber sowie Anschwellen der Lymphdrüsen. War die Infektion überstanden, wurden Antikörper gebildet, die eine etwa 10 Jahre anhaltende Immunisierung gegen die drei anderen Formen bildete. Marx starb 10 Jahre nach der Pest von 1625 an der Pest von 1635. 2. die Beulenpest (Bubonenpest nach griech. bubo = Beule), die nach ca. 9 Tagen zum Tod führen konnte, wenn der Erreger ins Blut eintrat, die Letalität konnte zwischen 60-80 % liegen). Die Ansteckungszeit lag zwischen wenigen Stunden und etwa einer Woche, Symptome waren Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Benommenheit, Schlaflosigkeit, später treten Bewusstseinsstörungen und Ohnmachtsanfälle auf. Im Bereich des Flohbisses bildeten sich stark anschwellende und äußerst schmerzhafte Beulen am Hals, an den Leisten und Achselhöhlen. Diese Beulen erreichten eine Größe von ca. 10 cm und waren durch die die Blutungen in den Lymphknoten dunkelblau bis schwarz eingefärbt. Sie fielen nach Vereiterung in sich zusammen. Die Beulenpest an sich war nicht tödlich, da die Beulen von selbst abheilen konnten. Das Aufschneiden der Beulen war insofern gefährlich, da die Bakterien über das Blut in andere Organe gelangen konnten. Bei den unbehandelten Patienten kam es wohl bei 30-50 %r zur gefährlichen Lungenpest. Die Beulenpest verbreitete sich im Winter kältebedingt langsamer als im Somme und erreichte ihren Höhepunkt im Herbst. 3. die Pestsepsis (Pestseptikämie), wenn die Bakterien in die Blutbahn eintraten, entweder über offene Wunden oder beim Platzen der Pestbeulen nach innen. Symptome waren hier hohes Fieber, Kopfschmerzen, Anfälle von Schüttelfrost, danach kam es zu größeren Haut- und Organblutungen. Der Tod trat bei Nichtbehandelten wohl spätestens nach 36 Stunden auf. 4. die Lungenpest, bei der die Erreger durch die Pestsepsis in die Lunge kamen oder von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion übertragen wurde, bei der der Tod angeblich in 24 Stunden, zumeist aber unbehandelt in 2 bis 5 Tagen eintrat und die eine Letalität von 95 % hatte. Angeblich konnte man sich in nur 1 bis 2 Tagen anstecken. Symptome waren eine starke Atemnot, Husten, blaue Lippen und blutiger Auswurf. Das führt zu einem Lungenödem, verbunden mit dem Zusammenbruch des Kreislaufs. Marx’ Angaben lassen vermuten, dass es sich bei der Pest von 1625 um die Beulenpest gehandelt haben muss. Geschlecht, sozialer Status und Ernährung waren Determinanten, die über Ansteckung und Abwehrkräfte entschieden. Der Pestbazillus wurde durch Rattenflöhe, Wanzen, Läuse und andere Parasiten übertragen. Das Bakterium blieb z. B. in Flohkot, Staub, Kleidung, Pelzen, Wasser und Erde wochenlang virulent. Zumindest scheint man in Erfurt 1625 recht sorglos mit der Ansteckungsgefahr umgegangen zu sein, wie HEUBEL, S. 42 festhält. Möglicherweise hatte der Rat jedoch durch eine strenge Quarantäne von vierzig Tagen Versorgungsengpässe befürchtet und wollte die Handelsbeziehungen nicht gefährden. Allerdings scheint die in der Forschung vertretene Meinung, dass gerade die unteren Schichten die Angst vor der Pest beiseite geschoben hätten (ULBRICHT, Seuche, S. 44), so nicht stimmig. Mehr als 50 Pestheilige, angeführt von den Heiligen Sebastian und Rochus, wurden angerufen. Gebet, Frömmigkeit, Sittenreinheit und Liebe zu Gott galten aus theologischer Sicht als wirksamer Schutz vor der Pest. Man glaubte sich durch die Umwicklung mit Stroh auch der Leichen vor der Ansteckung mit der Pest schützen zu können. Pestzeiten boten einen durchaus lukrativen Erwerb für die verachteten Totengräber, der von „ehrlichen“ Berufsgruppen ausgeübt wurde, da z. T. pro Begräbnis bis zu 20 Rt. (BRAUN, Marktredwitz, S. 52f.) verlangt wurde,  aber auch von Angehörigen der ärmeren Bevölkerungsschicht. RUTHMANN, „Was damals fruchtbar und gebauet“, S. 78f. II. Zum Teil wurden ansteckende Krankheiten seit dem Mittelalter als „peste“ (z. B. die „Ungarische Krankheit“) bezeichnet.

[23] KESSLER, Belagerung, S. 53.

[24] Baldingen, heute Stadtteil von Nördlingen [LK Donau-Ries].

[25] KESSLER, Belagerung, S. 55. Teilweise wurden wie etwa in Olmütz Spione bzw. Kundschafter gevierteilt; DUDIK, Sammel-Chronik, S. 49. Vgl. SCHMIDT, Der Aischgrund, S. 16 (Schmidt zitiert hier PASTORIUS, Kurtze Beschreibung): „Im März [1632; BW] kam der Landbetrüger (Kauser genannt) nach Windsheim in Veit Ströbels Wirtshaus, bestellte eine gute Mahlzeit und entlehnte 20 Gulden zum Haferkauf. Er sagte, dass sein Herr am Abend mit etlichen 100 Säuen ankommen würde. Er machte sich aber mit dem Geld aus der Stadt und wurde hernach von den kaiserlichen Soldaten als ein Spion gevierteilt. (Pa.)“.

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