Hilger, N

Hilger, N; Leutnant [ – ] Hilger war unter Hauptmann Nagel als Leutnant der kurkölnischen Fußtruppen 1642 mit der Verteidigung der Stadt Kempen[1] gegen Eberstein und Guébriant beauftragt. „Am Tage vor St. Sebastian [1642] schickte der Feind einen Unterhändler oder Trompeter mit der Aufforderung zur Übergabe der Stadt. Jedoch die Anführer unserer Truppen, Nagel und Hilger, schickten ihn mit der mutigen Antwort zurück, die Stadt lieber mannhaft verteidigen zu wollen. Welchen Ausgang diese Katastrophe nehmen wird, muß die Zeit lehren“.[2] „Am 22. Januar ging der Feind an Willich[3] vorbei und drang bis Neuß[4] vor. Alles, was an seinem Marschweg lag, verwüstete mit Feuer und Schwert. Der Abzug der Feinde bewog die Kempener, die sich bis jetzt nicht vor die Tore gewagt hatten angesichts der gefährlichen Umklammerung, einmal vor die Stadt zu gehen. Zu ihrem großen Erstaunen fanden sie eine Menge Karren, Wagen, Hausrat aller Art sowie Geld und Bücher der geflohenen kaiserlichen Truppen. Die Änderung der Marschroute des feindlichen Heeres, das wie vorhin berichtet, alles in der Umgebung von Neuß verwüstete, gab uns die Möglichkeit, wieder etwas aufzuatmen.

Außerdem ist zu erwähnen, daß der gleiche Feind, der noch bei St. Tönis[5] sein Lager hatte, am 20. Januar, einem Montag, die Vorbereitungen für die Belagerung der Stadt Kempen traf. Aber ein furchtbares Getöse und Rauschen in der vorhergehenden Nacht jagte ihm einen solchen Schrecken ein, daß er am anderen Morgen die Belagerung unserer Stadt gar nicht mehr in Erwägung zog, sondern nach Willich marschierte. Ein sehr deutliches Zeichen, wie sehr uns die Gnade Gottes beschützt hat.

Am 28. Januar desselben Jahres hörten wir zu unserer großen Bestürzung, daß Neuß sich nach einer Belagerung von nur wenigen Tagen den Feinden ergeben habe. Wir schweben noch in dieser Gefahr wie zwischen Hammer und Amboß. Am vorletzten Januar erschienen morgens gegen neun Uhr einige feindliche Reiterabteilungen in unseren Feldern, mit ihnen wiederum ein Unterhändler oder Trompeter, der den Hauptmann unserer Besatzung Nagel zum Kuhtor kommen ließ und ein zweites Mal die Übergabe der Stadt forderte. Aber er bekam auch jetzt wieder die gleiche Antwort, worauf er verschwand. Ob das übrige Heer ihm folgen wird, werden wir bald erfahren.

Am Samstag, den 1. Februar 1642, am Tage der hl. Brigitta, beschossen sie in der Morgendämmerung von erhöhten Batteriestellungen aus die Stadt mit fünfundzwanzigpfündigen Kanonenkugeln so wütend und anhaltend, daß nichts mehr heil zu bleiben schien. Sie streiften die Häusergiebel und rissen sie ein. Das Bombardement dauerte bis Mittag. Bis zum Tage des hl. Blasius schleuderten sie dann ununterbrochen Feuerkugeln oder Granaten mit dem Ziel, die Stadt in Brand zu stecken. Aber durch Gottes Gnade verursachte keine der Feuerkugeln, von denen sie (was hervorzuheben ist) 26 abschossen, eine Feuersbrunst. Allerdings wurden einige Häuser erheblich beschädigt, weil ihre Geschoßdecken durchschlagen wurden.

Am 4. Februar steigerte der Feind den Kugelregen, womit er die Stadt in Brand schießen wollte, auf mehr als 45 Geschosse, die er aus einem Mörser verschoß. Jedoch hatte er mit seiner Absicht kein Glück, was auf einen besonderen Gnadenerweis Gottes zurückgeführt werden kann. Wohl wurden sehr viele Häuser, die getroffen wurden, stark erschüttert und beschädigt. Die Kugeln waren 16 und 20 Pfund schwer. Eigens zur Verhütung von Bränden angestellte Bürger liefen jeweils zur Einschlagstelle hin und löschten jeden Brand bereits im Entstehen. Um Mitternacht des genannten Tages hatte der Feind sich unter dem Schutz von Sturmdächern schon bis an den äußeren Graben herangearbeitet und versuchte, mit Schanzkörben eine Brücke zu schlagen. Diese Bewegungen bemerkten unsere Soldaten, die noch den mittleren Wall besetzt hielten, durch den Lärm aufmerksam geworden. Mehrmals schossen sie ihre Bombarden ab und versetzten die durch das Getöse aufgeschreckten Bürger in panische Furcht. Besonders die Frauen liefen zusammen und eilten in großer Zahl zum Franziskanerkloster, während die Männer in voller Ausrüstung den Ansturm der Feinde abwarteten.

Am 5. Februar schauten wir nach jeder göttlichen und menschlichen Hilfe aus. Vom Feinde rings umgeben, traf sich schon seit 14 Tagen die gesamte Bürgerschaft zum täglichen Gebet in der Pfarrkirche und flehte Gott und seine Mutter um Hilfe an. Wir sangen Litaneien und flehten im Geiste der Demut und Zerknirschung um seine Barmherzigkeit in der großen Not, damit wir nach Überwindung dieses Feindes ihm aus freier Seele dienen könnten und von dem Joch der Calvinisten befreit würden.

Am 7. Februar, einem wahrhaft unglückseligen Tag, eröffneten die Feinde in der Morgenfrühe mit einem Hagel von 300 Kugeln das Feuer gegen uns. Die steinerne Turmmühle sowie die Bürgerhäuser gerieten bei dem furchtbaren Donner ins Wanken. Schließlich gingen wir nach achttätiger Belagerung in die Gewalt der Feinde über und ergaben uns, von der Not bezwungen. Nur die Burg, die der Leutnant Hilger, ein mutiger Mann, mit äußerster Entschlossenheit verteidigte, streckte nicht die Waffen, weil sie Hilgers Schutz anvertraut war. Nach Übergabe der Stadt zog sich auch der Hauptmann Nagel mit seinen Soldaten zur Verteidigung auf die Burg zurück.

Am folgenden Tag trat der Graf Eberstein mit mehreren Leuten vor meine Tür in der Absicht, von meinem Garten aus die Burg in Augenschein zu nehmen. Die Burg sollte unter allen Umständen erobert werden. Mit bescheidenem Gruß bat er um Öffnung der Pforte und sicherte mir zu, es würde mir niemand etwas zuleide tun. Nach Besichtigung der Lage meines Grundstücks und der Burg ging er fort.

Zu Friedensverhandlungen mit dem Feinde wurden mehrere Delegierte aus dem Rat gewählt. Auch ich sollte ihrer Abordnung beitraten. Ich erklärte mich bereit in der Überzeugung, daß dieser Schritt zum Besten für die Kirche und die Religion sei. So ging ich mit dem Herrn Schultheiß und den Herren aus dem Rat vor das Kuhtor zu den Grafen Guébriant und Eberstein und begrüßte sie mit Handschlag. Als erster empfing mich Guébriant, ein General des französischen Königs in diesem Kriege. Er war katholisch und sehr freundlich zu mir. Die längere Unterredung führte er in lateinischer Sprache, die er gut beherrschte. Er versprach Sicherheit und die Bestätigung fast aller von uns vorgeschlagenen Punkte. Über den weiteren Verlauf der Dinge und die Glaubwürdigkeit der uns gegebenen Versprechungen wird die Zukunft entscheiden.

Inzwischen erreichte uns die Nachricht, daß der Kommandant in Straelen[6] in jener Nacht vor Samstag, dem 8. (Februar), uns etwa 200 Fußsoldaten zur Befreiung unserer Stadt nach Kempen geschickt hatte. Vor den Toren unserer Stadt wurden sie aber vom Feind umzingelt, geschlagen und gefangengenommen. Sie hatten geglaubt, die Stadt befände sich noch in unserer Hand.

Kommandant unserer Stadt wurde ein adliger Herr von Schönbeck, nach außen ein leutseliger und freundlicher Mann, in Wirklichkeit aber listig und verschlagen. Mit ihm hatte ich eine Unterredung vor dem Kuhtor, als wir mit ihnen (den Hessen) zu einer Einigung kommen wollten. Das war am 7. Februar, dem Tag der Übergabe. Er nahm im Hause des abwesenden Kellners Quartier, der an dem Tage, an dem Lamboy geschlagen und sein Heer zerstreut wurde, sich zusammen mit unserem Amtmann nach Straelen aus dem Staube gemacht hatte.

Am Sonntag, dem 9. Februar, setzte der Sturm auf die Burg ein. Wegen der vielen frechen Soldaten wurde erst kein Gottesdienst mehr abgehalten. Die Bürgerhäuser wurden mit Vorliebe nachts gewaltsam erbrochen und ausgeplündert. Alle Häuser waren so stark mit Soldaten belegt, daß die schon früher ausgesogenen Bürger nicht mehr aus noch ein wußten, woher sie den Unterhalt für die Soldaten nehmen sollten. Da hattest du, o Kempen, ein Antlitz, wie einst Troja, als es erobert wurde.

Am nächsten Tag, dem Tage der hl. Scholastica, wurden in der Nacht Schanzen oder, wie man sagt, Batterien aufgeworfen. Die Burg wurde mit schweren Kugeln beschossen, wovon die ganze Stadt erzitterte. Ihre Übergabe erfolgte gegen 8 Uhr in der Frühe. Mit einiger Mühe war den Verteidigern Sicherheit für Leib und Leben zugebilligt worden. Die Besatzung mußte in die Dienste des Feindes treten“.[7]

[1] Kempen [LK Kempen-Krefeld]; HHSD III, S. 384ff.

[2] WILMIUS, Chronicon, S. 123.

[3] Willich [LK Viersen].

[4] Neuss; HHSD III, S. 556ff.

[5] Tönisvorst [LK Viersen].

[6] Straelen [LK Geldern]; HHSD III, S. 710.

[7] WILMIUS, Chronicon, S. 124ff.

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