Heuwinkel, N

Heuwinkel, N; Rittmeister [ – ] Heuwinkel stammte aus Salzuflen[1] und stand als Rittmeister im Dienst Christian von Braunschweigs.

„Besonders bemerkenswert sind die Klagen über den Rittmeister Heuwinkel aus Salzuflen, der seinen Chef, den Herzog von Braunschweig, in der Art der Kriegführung mit großem Eifer nachgeahmt zu haben scheint. Nachdem er früher anderswo, einmal auch in Bayern, Kriegsdienst getan hatte, sammelte er trotz des Verbotes des Grafen Simon im Januar 1622 in Salzuflen eine Kompagnie Reiter, die er dem Herzog Christian zuführen wollte. Noch ehe nun letzterer in die Stadt Paderborn[2] einzog, sah sich der Rektor des dortigen Jesuitenkollegiums, Hermann Bavingk [Baving; BW] infolge der dortigen Protestantenpartei genötigt, mit drei anderen Jesuiten die Stadt zu verlassen. Sie wandten sich zunächst nach dem Lippischen und wollten in Salzuflen den ihnen befreundeten Lizentiaten Justus Reinhard Robbing besuchen. Zwischen Schötmar[3] und Uflen[4] aber, wo sie nach dem Wege fragten, wurden sie als Jesuiten erkannt und ihre Ankunft dem Rittermeister Heuwinkel verraten. Dieser überfiel sie mit einigen bewaffneten Leuten in Robbigs Hause beim Frühstück und erklärten sie für Gefangene des Herzogs von Braunschweigs. Sie wandten sich vergebens an den Bürgermeister und Rat von Salzuflen, welche die Gewalttat Heuwinkels nicht hindern konnten, vielleicht auch nicht den rechten Willen dazu hatten. Mit Gewalt wurden die Jesuiten nach dem Hause Johann Wippermanns gebracht und dort bis zum folgenden Morgen festgehalten. Heuwinkel erklärte, daß er sie nur gegen Zahlung von 500 Tlrn. loslassen werde. Da die Jesuiten, wie sie später schrieben, den Grafen Simon nicht mit einer Beschwerde belästigen wollten und überdies fürchteten, daß sie, wenn sie hier freigelassen würden, auf der Weiterreise von neuem festgenommen werden möchten, so reisten sie unter Bewachung Heuwinkels und seiner Genossen ab, um jemand zu suchen, der ihnen die verlangte Summe vorstrecke. Hierzu erbot sich denn auch in Halle i. W.[5] ein adeliger Herr, Heinrich Korff, mit Beinamen Smisingk, auf Tatenhausen.[6] Heuwinkel ließ trotz vieler Bitten nichts von der verlangten Summe nach und erzwang die Bescheinigung, daß ihm das Geld geschenkt sei. Da die Jesuiten hörten, daß ihnen schon wieder andere von Bielefeld[7] gekommene Reiter auflauerten, so verlangten sie, daß sie wenigstens sicher nach Osnabrück geleitet würden. Heuwinkel versprach dies, brachte sie aber selbst nur bis Melle[8] und ließ sie hier in einer stürmischen Winternacht auf einen Wagen laden und nach Osnabrück[9] weiterfahren. Nebenher gestatteten sich seine Genossen auch noch kleinere Erpressungen, er selbst verlangte bald darauf auch noch 50 Tlr. mehr und erzwang schließlich die Auszahlung der ganzen Summe von dem Sekretär des Herrn von Tatenhausen durch die Drohung, daß er bei längerer Weigerung dessen Haus in Brand stecken werde. Dies etwa ist der Inhalt des in lateinischer Sprache verfaßten Klageschreibens, in welchem die Jesuiten vom Grafen Simon Schadenersatz und Bestrafung der dabei vorgefallenen Beleidigungen ihres Freundes Robbig und Sr. Majestät des Kaisers verlangten. Es fällt dabei auf, daß diese Klage erst im August, also über ein halbes Jahr später, von Paderborn aus erhoben wurde. Ob sie bis dahin durch die Kriegswirren und ihre Abwesenheit von Paderborn daran gehindert waren oder ob sie erst durch die inzwischen in Paderborn eingerückten Spanier zur Erhebung der Klage ermutigt wurden, muß dahingestellt bleiben. Wenn nun auch in der einseitigen Darstellung der Kläger diese oder jene Einzelheit übertrieben und entstellt sein mag, ein unrechtmäßiger Gewaltakt lag auf alle Fälle vor. Die Verhandlungen darüber zogen sich sehr in die Länge. Heuwinkel beanspruchte die Summe für den ‚Unterhalt und Schutz‘ der Jesuiten, seine Genossen beteuerten natürlich ihre Unschuld, und auch Bürgermeister und Rat von Salzuflen waren sich nicht des geringsten Unrechts bewußt; sie behaupteten, sie hätten sich vielmehr nach Möglichkeit der Jesuiten angenommen, und einer von ihnen hätte expreß gesagt, sie hätten Gott zu danken, daß sie in eine solche Stadt gekommen, da ihnen Schutz widerfahren sei.

Zur Charakteristik der beteiligten Personen dient vielleicht auch folgender Brief, welchen der Rektor des Jesuitenkollegiums wäh-end jener Verhandlungen an Heuwinkel richtete: Gestrenger und mannhafter Herr Rittmeister ! Den Frieden Jesu Christi wünsche ich E. Gestr. von Hertzen. Wiewole zwischen uns vor etlichen Monaten zu Saltzuffeln unterschiedliche saure und süße Sachen vorgeloffen, habe ich doch auß christlicher guthertziger Affektion nit können unterlassen E. Gestr. mitt diesem Schreiben zu besuchen und zu grüßen, sondern diweil ich von Zeigern verstanden, daß E. Gestr. mitt Leibeskranckheit behafft sein dermassen, daß die Kranckheit je lenger je gefärlicher werden möchte. Es wird sich E. Gestr. wissen zu erinnern, wie wolmeintlich ich mitt derselben von Glaubens- und Gewissenssachen auff derselben Reiß discurrirt und zwar mir zu derselben Zeitt sonderlich wolgefallen, wie daß E. Gestr. im Herzogthumb Bayern ein gute Affection geschepffet zu dem alten alleinseligmachenden wahren catholischen Glauben, indem sie alda eine sonderbare Andacht unter dem gemeinen Volck gespüret. Warhafftig hat der liebe Gott deß herrn Rittmeisters Hertz vetterlich zu dero Zeitt gerüret und wollen süsiglich zu sich ziehen. Ist aber itzunder noch nicht zu spät. Dan in welcher Stund der Sünder sich zu Gott durch daß innerliche Seuffzen und wahre Buß kehren wird, wird der Herr sich widerumb zu dem Sünder neigen. Ich wollte, daß ich Gelegenheit hette gegenwertig mitt dem Herrn Rittmeister von seiner Seelen Seligkeit zu handlen, würde sich gewißlich in Ewigkeit meiner bedanken. Welchs dieweil vielleicht nit geschehen kan, schlage ich Euch diese richtige und wahre Mittel vor, welche zur Seligkeit durchaus vonnöten sein. Erstlich zwar, daß Ihr, so viel den Glauben antrifft, Euch gentzlich vornemmet in dem Glauben zu leben und zu sterben, in welchem Ewere liebe Voreltern vor hundert und mehr Jahren gelebt haben und gottseliglich gestorben sind, zum anderen, daß Ihr von Gott dem Herrn durch daß bitter Leiden und Sterben Christi Jesdu demütig begheret wahre Rew und Hertzenleid aller Ewer von Jugent an biß auff diese Zeit begangener Sünd, mit steiffen Vorsatz, dieselbe durch wahre Mittel der heiligen Sacramenten in der wahren catholischen Kirchen abzubüssen. Zum dritten, daß E. Gestr. wollen bey ihren Lebzeiten durch sich selbst oder aber nach ihrem Leben durch andere brave Leut widerumb richtig machen, welchs sie in einem unrichtigen Krieg oder auff andere unrichtige weiß möchten zu sich gebracht haben an fremdem Gelt und Gut. Waß unser Collegium angehet, muß ich zwar wol zufrieden sein mit dem, was E. Gestr. Uns anpräsentiert, weil ich dieselbe nit beghere in dieser Schwachheit weiter zu betreiben, aber daran zweiffle ich, ob der gerechte Richter im Himmel damit wird zufrieden sein. Hette auch villeicht von dieser Ransionierung nichts widerumb gefordert, wenn man uns, da wir in der Nacht von Melle nacher Oßnabrug zugen, gehalten hette, waß man uns von Convoy dreier Reuter verheissen hatte. Ich zwar verzeihe dem Herrn Rittmeister samptt meinen Gesellen von Grund meines Hertzens und wünsche auch, daß sie auch vor Gott dem Almechtigen im Abscheiden von dieser Welt ein gnediges Urtheil mögen erlangen. Die gefangene Patres, welche mitt dem Lager von der Lippstatt[10] weggefürt und itzunder widerumb zu Paderborn sein, lassen E. Gestr. von Hertzen dem gecreutzigten Christo Jesu, unserm Seligmacher, trewlich und demütig befhlen. Geben zu Paderborn auß dem verwüsteten Collegio der Societet Jesu 14. Octob. a. 1622. E. Gestr. dienstwilliger in Christo Jesu Hermannus Bavingk auß der Societet Jesu.

Wie aus einem weiteren Schreiben Bavingks vom 4. November hervorgeht, hatte Heuwinkel den obigen Brief freundlich beantwortet. Seine Gesundheit war einigermaßen wiederhergestellt, auch die Freundschaft zwischen beiden so weit gediehen, daß Bavingk zur Stärkung ein ‚Trunklein Paderbornischen Bieres‘ übersandte, natürlich mit ähnlichen Ermahnungen, wie im vorhergehenden Briefe. Heuwinkel muß aber doch bald darauf unbekehrt gestorben sein, denn schon in den folgenden Monaten wurde der Prozeß gegen seine Erben, die Kinder seiner Schwester, wie auch gegen seine Genossen resp. deren Angehörige, ganz unbemittelte Leute, mit solcher Hartnäckigkeit fortgesetzt, daß es einmal sogar ihrem Vertreter, dem paderbornischen Oberstleutnant Blanckart, zu viel geworden zu sein scheint. Nach einem Schreiben vom 5. März 1623 waren die Jesuiten endlich durch Zahlung von 200 Tlrn. und Bürgerschaft für den Rest zufriedengestellt.

Wenn Heuwinkel schon vor seiner Teilnahme am Kriege und in seiner Heimat solche Gewalttaten verübte, so läßt sich leicht denken, was für Taten er unter Herzog Christian vollführte. So kamen denn auch später heftige Klagen über ihn an den Grafen Simon aus dem Stift Paderborn, besonders aber auch aus dem demals noch zur Grafschaft Pyrmont[11] gehörigen Städtchen Lüdge.[12] Hier quartierte sich am 15. März 1622 der Obristleutnant v. Uslar mit mehreren Reiterkompagnien, darunter auch der des Rittmeisters Heuwinkel, ein mit dem Versprechen, daß er gegen Zahlung von 500 Tlrn., die einstweilen auf dem Rathaus niedergelegt werden sollten, keinen Bürger beschweren wolle. Trotzdem fielen am Abend die Soldaten in den Ratsweinkeller kein, holten für mehr als 600 Tlr. Wein und Brantwein heraus und raubten neben dem Silberwerk und zinnernen vergoldeten Geschirr, welches auf dem Tresor stand, die in letzterem vorhandenen Weingelder wie auch die für den Oberstleutnant bestimmten 500 Tlr. Darauf brachen sie in das Rathaus, schlugen Türen, Fenster, Tische, Repositorien, Kachelöfen, Kisten und Kasten entzwei und nahmen das Geld und was ihnen sonst tauglich erschien, als gute Beute mit. Von hier ging es in die Kirche; man erstieg den Chor und raubte die dort aufbewahrten silbernen Kelche, so daß später eine Zeit lang bei der Kommunion ein Glas statt des Kelches gebraucht werden mußte. Die Bürger aber wurden in ihren Häusern ausgeplündert und gepeinigt, daß ‚es einen Stein hätte erbarmen mögen‘. Bei Beginn der Plünderung hatte der Bürgermeister den Oberstleutnant v. Uslar um Abhülfe gebeten und dieser wieder den ihm untergebenen Rittmeister Heuwinkel durch seinen Diener ersuchen lassen, die Plünderung zu verhindern. Nach Heuwinkels Darstellung hatte dieser alsbald seine Kleider umgeworfen, war mit bloßen Füßen aufs Rathaus geeilt und hatte ‚fast mit Gefahr und Gewalt‘ die Kostbarkeiten den plündernden Soldaten entrissen und in Sicherheit gebracht.

Nach der Darstellung der Gegenpartei war jedoch von ihm weder ein Wort der Mißbilligung gegen die Räuber und Freibeuter zu vernehmen noch von Leibesgefahr für ihn etwas zu verspüren gewesen, sondern er hatte nur in Gegenwart eines Ratsherrn und des Weinschenken den Kasten mit den Privilegien und Kostbarkeiten eröffnet, alles in einen Sack gesteckt und diesen versiegeln und in sein Haus bringen lassen. Man vermutete sogar, daß die Plünderung auf sein Anstiften geschehen sei, weil gerade die ihm am nächsten stehenden Leute sehr stark dabei beteiligt waren. Einer seiner Diener, auch aus Salzuflen, hatte, nachdem er ‚des Weinkellers ziemlich genossen‘, die zinnernen Geschirre, nämlich ein großes zinnern-vergoldetes Waschbecken mit einer vergoldeten Gießkanne, zwei zinnern-vergoldete Leuchter und zwei andere zinnerne Kannen, lauter Nürnberger Arbeit, mitgenommen. Zwei andere hatten die beiden Stadtfahnen von der Stange gerissen und in die Hosen gesteckt und waren damit davon gelaufen. Heuwinkel selbst aber hatte bei seinem Abzug im Beisein der beiden Bürgermeister und des Richters den versiegelten Sack mit den Kostbarkeiten der Stadt geöffnet, alles besehen, und da ihm an den Privilegien wenig gelegen war, diese großmütig zurückgegeben, aber eine große silberne Kanne, zwei silbern-vergoldete Pokale mit Deckel, einen silbern-vergoldeten Becher ohne Deckel und eine silbern-vergoldete Jungfrau für sich behalten. Da nämlich dem Oberstleutnant v. Uslar 500 Tlr. bewilligt worden waren, so hatte Heuwinkel das Versprechen erzwungen, ihm ebenfalls 400 Tlr. zu liefern, und wollte sich beim Abzug für die Erfüllung des Versprechens durch Mitnahme dieses Pfandes sichern. Da nun die Silbersachen nicht der Stadt oder den Herren Bürgermeistern gehörten, sondern nur von dem Juden Salomon zur Verwahrung auf das Rathaus gebracht worden waren, so scheinen die Bürgermeister sich zunächst nicht allzu energisch widersetzt zu haben, indem sie auf diese Weise von der Zahlung loszukommen hofften. Später aber, als die Gefahr vorüber war und der Jude und wohl noch mehr die vornehmen Leute, welche die Sachen bei ihm verwahrt hatten, auf Rückgabe drängten, wandte sich die Stadt Lüdge an den Grafen Simon und verlangte nicht nur die Herausgabe dieser und vieler anderer geraubten Sachsen, sondern auch die Bestrafung der Übeltäter, damit sie ’sein nachbarliches gnädiges Justizwerk ihrer Obrigkeit zu rühmen hätten, welche sonst auf unverhofften widrigen Fall andere verdrießliche Mittel auf ihr Anrufen unausbleiblich an die Hand nehmen würde“.[13]

[1] [Bad] Salzuflen [LK Lippe]; HHSD III, S. 48.

[2] Paderborn; HHSD III, S. 601ff.

[3] Schötmar, heute Ortsteil von Bad Salzuflen [LK Lippe].

[4] Uffeln, heute Ortsteil von Vlotho [LK Herford] ?

[5] Halle i. Westfalen [LK Gütersloh], HHSD III, S. 282.

[6] Tatenhausen bei Halle i. Westfalen [LK Gütersloh].

[7] Bielefeld; HHSD III, S. 73ff.

[8] Melle [Kr. Melle]; HHSD II, S. 326.

[9] Osnabrück; HHSD II, S. 364ff.

[10] Lippstadt; HHSD III, S. 474f.

[11] Pyrmont, HHSD II, S. 29f.

[12] Lüdge; HHSD III, S. 485f.

[13] STEGMANN, Lippe, S. 9ff.

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