Fendt [Fenden], Hans Jakob von

Fendt [Fenden], Hans Jakob von; Obrist [ – ] Fend stand als Obristleutnant bzw. Obrist in kurbayerischen Diensten.

Timon von Lintelos „Name taucht erstmals Mitte April 1632 in den Ratsprotokollen auf, als er von der Stadt zwei Eimer[1] Märzenbier begehrte. Ihn bei der Verteidigung  der Stadt zu unterstützen, kam um die gleiche Zeit der Obristleutnant Hans Jakob von Fendt als Kommandant nach Wasserburg.[2] Der Rat ordnete an, dass für ihn ain Losament [Wohnung] daran er zufriden, verschafft werden soll, doch so leicht konnte Fendt nicht zufriedengestellt werden; es gab mancherlei Unzuträglichkeiten mit ihm. Schon am 16. April beschwerte sich sein Quartiergeber, daß der Offizier alls essen 20 · Speisen begert, dazu für seine Pferde genügend Futter und Heu.

Anmaßend wie die Offiziere traten auch die Soldaten auf. Am gleichen Tag protollierte der Schreiber, daß die Soldaten auf der Wacht vnnder den Thoren die ein- und ausreisenden Leute drangsalieren, von ihnen Geld verlangen und den Pauersleithen so Victualien hereintragen, diese abnehmen. Eine Deputation der Stadt der Stadt sollte bei Lindelo Abhilfe erwirken.

Als Folge der starken Belegung mit Soldaten stellte sich Mangel an Lebensmitteln ein, und weillen aus dem Gericht Clinng,[3] Wasserburg und der Grafschaft Haag khaine Victualia, auch von Ättl[4] khainermassen hereinkhommen, sollten diese Orte gebeten werden, das Notwendige zu liefern. Ungeachtet der schwierigen Lage hatte man die Sorge wegen des Fleischessens an Freitagen und Samstagen. Der Stadtschreiber und ein Ratsmitglied erhielten Auftrag, beim Obristen Lindelo und beim kurfürstlichen Hofkammerrat Höck anzufragen, ob für die Soldaten Dispens gegeben werden könne“.[5] „In Verteidigungsangelegenheiten hatte der Kommandant zu bestimmen. So begehrte er am 4. Mai, daß ein blatten Pley aus der Statt Zeughaus ausgefolgt werde, um Kugeln gießen zu können. Zu der Zeit wurde auch schweres Kriegsgerät auf dem Inn befördert. Dabei ging Angang Mai ein Zillen mit einem großen Stuckh unter. Die vier jüngsten Aufleger mussten alsbald hinab und das Geschütz aus dem Wasser holen. Ob es gelang, wird nicht vermeldet“.[6]

„Trotz der großen Aufregung in Freising[7] ging es unter der Notregierung und in Gegenwart einer schwedischen lebendigen Salva Guardia noch verhältnismäßig geordnet zu. Man bangte jedoch nach wie vor sehr um die Erhaltung der Stadt. Alles stand unter dem Druck der harten Ranzionsforderung und zusätzlich in gespannt-fürchtender Erwartung des Kriegsherrn, des Königs Gustav Adolf von Schweden. Da pochte es am 5. Mai [1632; BW] morgens in aller Frühe zwischen 4 und 5 Uhr dröhnend an die Stadttore. Haufenweise erschienen Soldaten bis an die 1400 Mann zu Pferd und zu Fuß. Sie setzten etlich fueder päch und pulffer vor die Stadtmauer, drohten mit Brand und Raub, wenn sie nicht eingelassen würden. Um größeres Unheil zu verhüten, wurden ihnen die Tore geöffnet. Wild drangen die Soldaten in die Stadt hinein und fingen in rauher Landsknechtsart zu plündern und zu rauben an.[8] Es waren jedoch keine – wie man vermuten möchte – besonders rücksichtslose Vorausstruppen des erwarteten Schwedenkönigs, die sich noch schnell austoben und bereichern wollten, bevor  sie von ihrem gestrengen Herrn durch Galgen und Schwert wieder Manneszucht beigebracht bekämen, sondern es war – kurbayerisches Kriegsvolk, angeführt von Hans Jakob von Fendt, „der Churfürstlichen Durchlaucht in Bayrn bestelter obrister leutenambt und commendant des Instrambs“.[9] Zur großen Überraschung und zum noch größeren Schrecken der ohnehin erpreßten Freisinger haben tatsächlich kurbayerische Truppen auf die bischöfliche Haupt- und Residenzstadt Freising einen gezielten kriegerischen Anschlag verübt, und das einen Tag vor dem Einzug Gustav Adolfs. Den ganzen Umständen nach scheint es ein Racheakt dafür gewesen zu sein, daß Freising sich mit den Schweden in einen Akkord eingelassen hatte.

Fast den ganzen Tag über wüteten die Truppen Fendts und plünderten wahrscheinlich selbst den Dom, aus dem sie vermutlich vier Gemälde mitnahmen. Obendrein verlangten sie noch volle 5000 fl. Brandschatzung, wovon sie sofort 1300 fl. erpreßten[10] von solchen, die unter gleichzeitiger Branddrohung der Schweden 30000 fl. aufbringen sollten und schier verzweifelten, weil sie nicht wußten woher. Vom Bürgermeister und Rat erzwang Fendt die schriftliche Verpflichtung, den Rest innerhalb vierzehn Tagen vollends zu bezahlen mit der entstellenden Begründung: weil die Freisinger den Feinden ebenfalls 5000 fl. ‚guetwillig erlegt‘ hätten.[11] Der kurbayerische Obrist drohte sogar, wenn das Geld nicht aufgebracht werde, lasse er ‚die mehrere‘ von Freising ‚wie die hund zusamen kuplen und also nach Wasserburg fieren‘.[12] Die zwei schwedischen Salva Guardia-Soldaten in Freising nahm er als Gefangene mit.[13] Als sich Veit Adam [von Gepeckh; BW] später besonders über diesen ‚hochsträflichen muetwillen'[14] bei Kurfürst Maximilian beschwerte, erhielt er den belehrenden Hinweis, man müsse alles Gott befehlen, ‚der es also verhengt‘ habe“.[15] Maximilian I. hatte immer ein sehr gespanntes Verhältnis zu Veit Adam von Gepeckh gehabt.1632 war zudem kein Sold mehr an die Truppen gezahlt worden, was die Plünderung Freisings zum Teil erklären mag. Fendt selbst erhielt im November 1632 immerhin 300 Gulden.[16]

„Am 7. Mai wurde dem Rat erstmals von Schwedischen straiffenten Reitern berichtet, die bei Erding[17] operierten. Die Feindnähe löste beim Kommandanten Nervosität aus, und in seinem Auftrag befahl der Rat den Bürgern, allsbaldt mit Hacken in die Burgau zu gehen, um denn Waldt vnnd die Päss ze vmbhauen. Barrikaden aus Baumstämmen, zerstörte Wege, Stege und Zufahrten zur Stadt sollten das erreichen, womit man mehr als 300 Jahre glaubte, den Feind aufhalten zu können. Dem Kommandanten ging die Arbeit zu wenig schnell vor sich. Die Lage war bedrohlich geworden, denn es war bericht einkhommen, daß der Schwedt Erdinng … eingenommen. Auf Verlangen der Räte und des Kommandanten sollte den Bürgern von Haus zu Haus angesagt werden, daß sie morgen auf die Burgau zu kommen hätten, um die Weg vnnd Strassen besser zu verhauen.

Um die Abwehrkraft weiter zu stärken, veranlaßte der Rat, wahrscheinlich auf Betreiben des Kommandanten, daß die Bürger bewaffnet würden. Die ganze Bürgerschafft, heißt es in einem Ratsbeschluß vom 7. Mai, soll neben einem Rath, der von Inen nit weichen will, zur Verteidigung der Stadt ermahnt werden. Die Bürger seien so gut wie möglich zu bewaffnen, und jeder sollte bei dieser Gelegenheit tun, was die notdurfft erfordert. Auch sei ihnen zu sagen, daß sich der Kommandant von Fendt auf Ansuchen des Rates gnädigst erboten habe, bey der Statt zuleben vnnd zusterben. Er hoffe, die Stadt woll zu defendirn, das der Bürgerschaft bekanntzugeben sei. Den zur Verteidigung bestimmten Bürgern sollten noch gleichen Tages vmb. 1 · vhr auf Gemainer Statt Zeughaus die Waffen ausgehändigt werden. 180 waren von einer Stunde zur anderen Extra ordinari Soldaten geworden, die sicher weiterhin Beruf und häuslichen Pflichten nachgingen, Soldaten auf Abruf mit der Arkebuse hinter der Haustür.

Die Begehrlichkeit des Kommandanten richtete sich bald auf diese letzte Reserve, er wollte sie zur Wacht einteilen. Um diese zusätzliche Belastung von den Bürgern zu wenden, bat der Rat den Kommandanten, davon abzusehen, weiln Jeder ville einquartierte Soldaten hat, und vor ihnen wollten die Bürger ihre Frauen, Töchter und Mägde auch nicht eine Nacht unbeschützt lassen.

Bis zum 10. Mai war das Mögliche getan, um den Schweden den Zutritt zur Stadt zu verwehren: einige hundert Soldaten, fast 200 bewaffnete Bürger, verstärkte Befestigungsanlagen in der Burgau, vor ihnen zerstörte Wege und Stege, in der Stadt Vorräte für Mensch und Tier. Die äußere Abwehrbereitschaft genügte nicht, einen Feindeinfall zu verhindern; die Bürger mussten auch willens sein, ihre Stadt zu verteidigen und vor allem ihrer militärischen Obrigkeit zu gehorchen. Das nun war nicht bei allen Stadtbewohnern gegeben. Zur Bedrohung von außen kamen Unruhe und Unsicherheit in der Stadt, nicht zum wenigsten durch das anmaßende Verhalten des Kommandanten von Fendt selbst verursacht.

Ein kurfürstlicher Rat, der sich den festen Ort Wasserburg als Zufluchtsstätte ausgewählt hatte, erhob in einem Brief vom 9. Mai, gerichtet an Bürgermeister und Rat, schwere Vorwürfe gegen diejenigen, die sich wider den nach dem Ϋhnstromb verordneten Commandanten vnd lieben gethreuen, Hans Jacoben von Fenden … mit bösen reden vermerckhen lassen. Als Vertreter der Staatsmacht könne er keine Ursache hierfür finden und habe sie mit ungnädigsten Mißfallen zur Kenntnis genommen. Wenn der Kommandant zu Schutz und Schirm von Land und Leuten gut genug sei, möge er auch von der Bürgerschaft Wasserburgs respektiert werden. Daher seien die Bürger mit ernst vnd vleiß aufzufordern, sich aller gegen von Fendt gerichteten böser nur zum aufstandt zillender röden zu enthalten, andernfalls sie mit landesfürstlicher Ungnade und hoher Strafe zu rechnen hätten. Vielmehr sollten die Bürger dem Kommandanten allen respect, lieb, Ehr, vnd Threü erweisen und sich nicht mutwillig durch zum aufstandt vnd halsstärigkheit genaigte Vnderthanen aufwiegeln lassen. ob wirklich die Gefahr eines Aufstandes gegeben war oder ob der kurfürstliche Rat übertrieb und mit scharfen Worten vorbeugen wollte, läßt sich nicht feststellen. Jedenfalls gaben Bürgermeister und Rat die Weisungen fast wortgetreu an die Stadtbewohner weiter und stellten etwas abmildernd fest, daß vermaintlich aus antrieb etlicher beser gesöllen dem Herrn Kommandanten Schwierigkeiten bereitet würden. Zudem erging Befehl an die Bürger, am nächsten Tag, 9 Uhr, auf dem Rathaus zu erscheinen, um abgemant zu werden. Sich mit der Obrigkeit anzulegen, hatte keinen Sinn, und so leisteten die Männer von Wasserburg die Burgerpflicht, gelobten Gehorsam und Treue; der Rat versprach, die Bürger in dieser Stunde der äußersten Gefahr nicht zu verlassen und bei der Stadt zu bleiben. Daraufhin wurde ihnen der kurfürstliche Befehl denn Herrn Commendanten betr. bekanntgegeben und noch mal gegen Ime zu allem gehorsamb aufgefordert. Die übliche Androhung von kurfürstlicher vnngnadt vnnd hechster straff durfte nicht fehlen. Treue und Gehorsam mussten die Bürger dem Kommandanten geloben, er konnte sie dazu zwingen, nicht jedoch zur Liebe, die er begehrte. […] Der Siegeszug Gustav Adolfs ging unaufhaltsam vor sich, vom 6. bis 14. Mai eroberte er Erding, Moosburg,[18] Landshut,[19] Freising und stand am 16. Mai vor München. Obristleutnant von Fendt wurde gemeldet, daß die schwedischen Reiter gegen die Stadt Wasserburg starckh zuestraiffen. Da er für die nächsten Tage mit dem Erscheinen der schwedischen Hauptmacht rechnete, tat er dem Rat der Stadt zu wissen, das er die Pruggen dieserfals wöll weckbrennen vnnd die Schiff weckhfieren. Sollte es den Schweden gelingen, wollte ihnen Fendt wenigstens den Innübergang verwehren“.[20]

Anfang 1633 drohten Wasserburg neue Einquartierungen. „Bürgermeister und Rat wollten jedoch den Sammelplatz [der Regimenter Johann Christian von Wahl und Ott Heinrich Fugger; BW] nicht widerspruchslos hinnehmen und schrieben daher am 1. Februar dem Landesherrn nach Braunau.[21] Einleitend bestätigten sie die Kenntnisnahme der kurfürstlichen Maßnahme und kündigten dann einen Bericht an, wie man die Soldaten auf Wasserburg, Rosenheim[22] und Aibling[23] verteilen wolle. Die Stadt wies auch darauf hin, dass sie bereits die Knechte des Obristleutnants von Fendt zu unterhalten habe und schlug vor, diese auf deren Sammelplatz Ortenburg[24] in Niederbayern zu verweisen. Sollte es aber der kurfürstlichen Durchlaucht gnädigst gefallen, die fendtischen Soldaten in Wasserburg zu belassen, möge Durchlaucht die Stadt berihrter proportionalitet gdist. erlassen und alle für das fuggerische und wahlische Regiment zu werbenden Soldaten nach Rosenheim, Aibling und in deren Pfleggerichte schicken, also Wasserburg völlig verschonen. Im Umgang mit der Obrigkeit verstanden es die Wasserburger, geschickt zum eigenen Vorteil zu agieren.

Die Antwort ließ auf sich warten. Vermutlich eilte es Maximilian nicht, der Bitte nachzukommen. Also schickte der Rat am 8. Februar einen Boten mit einem Brief der Stattschreiberey nach Braunau, um Antwort zu einem Bericht des Pflegers und der Stadt zu holen, wie man sich mit den beiden Märkten und Gerichten Rosenheim und Aibling verglichen habe und ob die fendtischen neugeworbenen Soldaten nach Ortenburg abgezogen würden. Der Bote kehrte ohne Antwort zurück; es sei kheine befelch khomen, ließ der Innere Rat am 13. Februar protokollieren.  Die endgültige Lösung kam erst einen Monat später. Die Soldaten der Regimenter Fugger und Wahl waren für die Stadt eine schwere Bürde geworden“.[25]

„Am 14. Januar 1633 teilte der Pfleger von Kraiburg[26] mit, daß 170 Reiter nach Wasserburg kämen, für die Quartier zu machen sei; schon acht Tage später kündigte der Rentschreiber von Burghausen[27] 900 Fußknechte und eine Kompagnie Reiter an. Das allein waren so viele Menschen, wie die Stadt Bewohner zählte. Den Brauern, Metzgern und Bäckern wurde wieder einmal in ernst befohlen, sich mit Bier, Fleisch und Brot einzudecken, den zur Beschaffung von Futter verordneten Bürgern trug man ebenso nachhaltig auf, auf 100 . Pferdt die furagi zerichten, auf daß die Reiter ihre Tiere unverzüglich versorgen könnten. Die Stadtfuriere erhielten Weisung, Quartiere für die Soldaten zu bereiten; für die Offiziere wollte der Rat das selbst erledigen, und wo Ihrer churfürstlichen Durchlaucht Herzog Albrechts hohe Offiziere bereits wohnten, sollten sie (die Furiere) keine Soldaten unterbringen. Mit dem Ratsbeschluß war alles geregelt, die Herren hatten an alles gedacht: Verpflegung und Quartiere für die Soldaten, Futter für ihre Pferde und Wohnungen für die Offiziere. Obwohl der Rat Vorbereitungen für den Aufenthalt der 900 Fußsoldaten und 100 Reiter – es war Salzburgisch volckh[28] – getroffen hatte, versuchte er, daß der für die Truppen vorgesehene Rasttag abgestellt würde. Herzog Albrecht sollte gebeten werden, dies zu veranlassen. Die Abordnung, die schon wegen des Rekrutierungsplatzes zum Hofmeister [Simon Freiherr; BW] von Remersthal geschickt worden war, sollte diese Bitte vorbringen. Aber die Stadt blieb ohne Hilfe. Eintausend Mann und einhundert Pferde auch nur einen Tag lang zu versorgen, forderte den Bürgern das Äußerste ab, zumal schon eine ansehnliche Guarnison in Wasserburg lag. Eine Garnison, die von Tag zu Tag wuchs, weilen Herr Commendant Fendt imerdar volckh werbt, was der Bürgerschaft zunehmend beschwerlich wurde, hatte sie doch auch den Sammelplatz für die Regimenter Fugger und Wahl auf dem Hals. Darum bat der Rat am 2. Februar Herrn von Fendt, keine Soldaten mehr in die Stadt zu legen“.[29]

„Jeder Soldat, der in Wasserburg geworben wurde, fiel zunächst den Bürgern zur Last. Der Kurfürst wußte von diesen und anderen Bürden, die auf der Stadt lagen und war immer wieder bestrebt, weitere Unbill von ihr fernzuhalten. Besonders überzeugend wird das in einem Brief Maximilians vom 27. Februar 1633 an den lieben getreuen Hannß Jacoben von Fendten dargestellt. Der Kommandant hatte nach Braunau berichtet, daß er die Bürger zur Wache heranziehen müsse und bat dazu um kurfürstliche Erlaubnis. Welche Gründe es gewesen sein mögen, Bürger auf Wache zu schicken, wenn Hunderte von Soldaten in der Stadt lagen, zu deren Pflichten so etwas bekanntlich schon immer gehörte, wissen wir nicht, doch scheinen sie den obersten Kriegsherrn einigermaßen überzeugt zu haben. Er schrieb dem Kommandanten, wenn er, Fendt, die Bürgerschaft zu Wasserburg derzeit mit den Wachten nit völlig verschonen könne, dann möge es zwar für diesmal sein Bewenden haben, da aber immer mehr neugeworbene Knechte herzukämen, sollte er diese zur Wacht heranziehen und die Bürger, die viel Bürde tragen müßten, möglichst unbehelligt lassen. Dem Kurfürsten lag daran, sie nicht durch kleinliche Schikanen wie Wacheschieben zu verärgern, zumal die Stadt für ihn und das ganze Land bei der Verteidigung der Innlinie von überragender Bedeutung war. Nach dem Wunsche Maximilians sollte der Kommandant die Bürger sovil meglich schonen. Diese und ähnliche Aussagen des größten und erfolgreichsten wittelsbachischen Herrschers lassen auf Gerechtigkeitssinn schließen. Seinem Willen entsprechend sollte keine Stadt, kein Markt vmb gebührender Gleichheit willen bevorzugt oder benachteiligt werden, kein quartiergebender Bürger sich einer vngleichheit zu beschweren haben. Das Bild vom gerechten Herrscher wird durch sein Verhalten bei den Hexenverfolgungen, die als Folge seiner Erlasse von 1611 und 1622 zu einer schrecklichen Seuche wurden, freilich merklich getrübt. In Fendts Bericht an seinen Kriegsherrn ar auch die Frage gestellt, inwieweit Wasserburg für durchziehende Soldaten aufzukommen hätte. Maximilian meinte dazu, daß die Bürger nicht verpflichtet seien, den Knechten, die durch die Stadt zögen, etwas umsonst zu geben, doch sei er bei solchen, die von gelt allerdings bloß, vnnd ohne anderwertige Hilfe nit zuleben haben, anderer Ansicht. Er glaube doch, daß die Wasserburger von selbst so mitleidig sein würden und diesen Knechten auf ein nacht Quartier etwa ein maß Pier, ein stuckh fleisch vnnd Prodt verraichen lassen. Der Appell an das christliche Gewissen der Wasserburger verfehlte seine Wirkung nicht. Am 4. März – des Kurfürsten Brief war mit 27. Februar datiert – beschloß der innere Rat, allen durchmarschierenden Soldaten, die zum kurfürstlichen Heer gehörten, ohne Geld seien und auch sonst keine Hilfe hätten, aus Mitleid für eine Nacht Quartier, jedem eine Maß Bier, ein Stück Fleisch und Brot zu geben“.[30]

„Zur Drangsal mit den Einquartierungen kamen Meinungsverschiedenheiten mit den Nachbarorten. Anfang März 1633 verschärfte sich die Auseinandersetzung mit Rosenheim und Abling wegen der neugeworbenen Soldaten. In Wasserburg waren ihrer schon 125, und da weitere 50 in die Stadt kommen sollten, wollte man dem Kommandanten ersuchen, sie nach Rosenheim und Aibling zu schicken, bis beede ortt dem vergleich nach gegen hir proportioniret wären. Der Kurfürst hatte zur Bitte der Stadt vom 1. Februar (s. S. 41) noch immer nicht entschieden, man wollte aber die Soldaten schleunigst loszuwerden. So beschloß der Rat am 5. März, eine Abordnung nach Braunau zu schicken mit dem Auftrag, dort zu bitten, daß der Sammelplatz für die Regimenter Fugger und Wahl von Wasserburg zur Gänze nach Rosenheim und Aibling verlegt würde. Der Kommandant hatte sich erboten, ebenfalls in diesem Sinne tätig zu werden. Delegiert wurden Amtsbürgermeister Thomas Laibinger und Johann Talhammer als Mitglied des Inneren Rates, beides angesehene Bürger in schwerer Zeit, die zusammen mit dem Stadtschreiber in zahlreichen Ratsbeschlüssen als Beauftragte der Stadt bei Verhandlungen mit dem Pfleger und den örtlichen Befehlshabern erscheinen. Am 7. März schrieben die Rosenheimer an den Rat von Wasserburg, daß sie 70 · Soldaten wollten schickhen. Dazu beschloß der Innere Rat am Tage darauf, den Nachbarn zu schreiben, daß man keinen Soldaten in die Stadt lassen werde, da bereits 132 des Obristleutnants Fendt hier lägen, zu denen täglich neue geworben würden. Umgehend teilte man dies den Rosenheimern mit, auch daß man erst den Bescheid des Kurfürsten abwarten wolle. Das nun nahm man in Rosenheim nicht ohne Widerspruch hin, wie einem zwar freundlichen, aber recht deutlichen Brief des Pflegsverwalters Hipper aus Rosenheim vom 8. März 1633 zu entnehmen ist. Er schrieb an seine Insbesondere vil liebe herrn, freundt und Nachtbarn, er habe das Antwortschreiben zwar zurecht empfangen aber etwaß mit Verwunderung darauß verstanden, daß man in Wasserburg von den neugeworbenen fuggerischen und wahlischen Soldaten keinen aufgenommen und keinem Quartier gegeben habe. Besonders befremdet war Hipper darüber, daß man sich in Wasserburg sogar beim Kurfürsten beschwert habe, wo durch kurfürstliche Durchlaucht neulich erst wiederum ausdrücklich kundgetan habe, daß die beiden Märkte Rosenheim und Aibling samt ihren Pfleggerichten keinesfalls über die Proportion, also nicht mehr als vereinbart, belastet werden sollten. Man werde sich in Rosenheim solange daran halten, bis der Kurfürst anderes befohlen habe. Die 80 neugeworbenen Soldaten werde man der Vereinbarung gemäß zurückschicken.

Wie die mit Rosenheim und Aibling ausgehandelte Aufteilung der Soldaten, die vielzitierte und umstrittene proportionalitet aussah, erfahren wir aus einem Brief des Rates an den Pfleger zu Wasserburg, ebenfalls vom 8. März. Darin heißt es, der Vergleich sei dahin gangen, dass Aibling dreÿ, Rosenhaimb zwen und Wasserburg ain Soldaten haben solle. Der Kurfürst habe auf der Rosenheimer und Aiblinger Anbringen dieses Verhältnis zwar geändert, damit habe es derzeit auch sein Bewenden, doch hätten Bürgermeister und Rat den Landesherrn auf die jetzt bestehende Ungleichheit hingewiesen.

Zum Brief des Pflegsverwalters Hipper stellten die Wasserburger am 10. März abermals fest, daß man die 80 Soldaten nicht einlassen könne, da sie sich beim herunder  marschirn … vnbirlich verhalten, und außerdem kämen heute 160 andere Soldaten nach Wasserburg, die einzuquartieren seien.

Die Lage war für Wasserburg wieder einmal bedrückend. Nicht enden wollende Quartierplackereien, immer wieder durchziehendes Kriegsvolk. Hilfe konnten vielleicht die Herren Laibinger und talhamer bringen, die man an den Hof nach Braunau geschickt hatte. Ihnen schrieb der Rat noch am 10. März, legte ihnen die Streitsache mit Rosenheim und Aibling dar und teilte mit, dass zu den 80 Soldaten aus Rosenheim weitere 100 von Kraiburg und 60 aus Haag[31] nach Wasserburg kommen würden und einquartiert werden müssten. Man vergaß auch nicht, die Herren in Braunau über das schlechte Verhalten der von Rosenheim kommenden Soldaten in Kenntnis zu setzen und bat Laibinger und Talhamer, am kurfürstlichen Hof die sachen zum bessten zu dirigirn (Abb. 3). Der Bote war mit dem Brief kaum aus dem Brucktor, als die gemeldeten Soldaten aus Rosenheim, es waren ihrer neunzig geworden, in Wasserburg ankamen. Wir wissen aus einem zweiten, ebenfalls am 10. März geschriebenen Brief der Stadt an die zwei Räte in Braunau, aus dem sie erfuhren, daß von denen vonn Rosenhaimb 90· Soldaten alhero geschickht worden, denen man von heute (10. März) an Essen und Trinken und ab morgen das Lifergeld zu geben schuldig sei. Mit der schönen Schlußformel Gott mit uns endete das Schreiben an Laibinger und Talhamer.

Den Beistand des Herrgotts konnten die Wasserburger wohl brauchen an jenem 10. März 1633, einem der vielen schwarzen Tage in den Kriegsjahren 1632 bis 1634. Zu den in der Stadt liegenden 132 Soldaten des Kommandanten von Fendt kamen von heute auf morgen 250 weitere aus Nord und Süd, die verpflegt und untergebracht werden mußten. Doch schon einen Tag später wurde der Stadt Erleichterung angekündigt. Obristleutnant von Fendt erhielt ein Schreiben des Kurfürsten vom 11. März. Lieber, gethreuer, hieß es einleitend, welcher gestalt wür vom Burgermaister vndt Rath zue Wasserburg ersueht worden sind, den Rekrutenplatz für das fuggerische und wahlische Regiment zu verlegen, könne er, Fendt, aus dem beigelegten Schreiben ersehen. Ihre kurfürstliche Durchlaucht erinnerten sich zwar gnädigst, was für ein Vergleich zwischen denen von Rosenheim und Aibling mit Wasserburg geschlossen worden; da aber Wasserburg bei den bisherigen Kriegsläuften weit mehr als die Rosenheimer und Aiblinger ausgestanden, könne man sich denken, dass ihm diese Einquartierung besonders schwerfällt. Deshalb und auch aus anderen Gründen habe sich der Kurfürst gnädigst entschlossen, alle neugeworbenen fuggerischen und wahlischen Knechte nach Rosenheim und Aibling zu verweisen. Nur solche für das Graf Fürstenbergische[32] Regiment bereits geworbene oder noch zu werbende sollten in Wasserburg verbleiben und von den Bürgern unterhalten werden. Rosenheim und Aibling, so schrieb Maximilian, würden durch besonderen Befehl verständigt. Die Proportion war damit zurechtgerückt, allerdings nicht so, wie man das in Rosenheim und Aibling erwartet hatte“.[33]

„Die starke Garnison drückte weiterhin auf Stadt und Bürger, nicht nur wirtschaftlich, sondern brachte bei dem engen Zusammenleben auch zwischenmenschliche Probleme, die bis zum Küchenzettel reichten. Verschiedentlich wurden Beschwerden von Soldaten, die mit den von den Wasserburger Hausfrauen gebotenen Gerichten unzufrieden waren, an den Rat der Stadt herangetragen. Bürgermeister und Rat, die schon damals Kummerkasten waren, schienen die Klagen so wichtig, daß sie an den Kurfürsten weitergeleitet wurden. Ein Schreiben vom 11. Februar 1633 an Maximilian I. zeigt nicht nur, mit welchen Nichtigkeiten er behelligt wurde, sondern auch wie wenig eine so bedeutende Stadt wie Wasserburg selbst entscheiden konnte – oder wollte. In dem Brief heißt es, die Bürger, bei denen nunmehr 109 Fendtische Soldaten im Quartier lägen, hätten sich beklagt, daß selbige fleisch oder aber guete visch zu essen begehrten und mit den Speisen, wie sie die Quartiergeber böten, sich nicht zufrieden geben wollten. Die Bürger baten um Entscheid, was zu tun sei. Die Landesverteidiger wollten sich mit Hausmannskost nit contentiren lassen, sie waren mit ihr schlichtweg unzufrieden. Wie sollten die Hausfrauen dem Verlangen von Leuten nachkommen können, die ihre Ansprüche allein von Soldatsein ableiteten und vor ihrer Rekrutierung sicher nicht immer Fleisch und gute Fische zu essen bekommen hatten.

Den Kurfürsten bedrückte zu jener Zeit Schwereres als die Sorge um die Soldatenkost zu Wasserburg, und so riet er der Stadt, deshalb den Pfleger zu fragen. Am 20. Februar erhielt dieser einen Brief von Bürgermeister und Rat, in dem der bisherige Vorgang noch einmal umständlich dargelegt wurde. Zumal an Fastenspeisen und Fischen fast nichts zu bekommen sei, ging an den Pfleger die untertänigste Bitte, er wolle gdist consentiren, dass nicht nur die in Garnison liegenden fendtischen Soldaten, sondern auch die Rekruten des fuggerischen und wahlischen Regiments mit Fleisch dürften abgespeist werden. Dieser Bitte konnte sich der Pfleger kaum verschließen, denn woher hätte er Fisch und Fastenspeise nehmen sollen.

Für den Herrn Kommandanten stellte sich die Frage ob Fisch oder Fleisch nicht. Auf feine Art brachte er dem Rat bei, auf insinuiern sagte man damals, dass er für seine Küche gerne Fische hätte. Es war Fastenzeit und nichts wäre Herrn von Fendt ferner gelegen, als die Fastengebote zu brechen und Fleisch zu essen. Eine Ausnahmegenehmigung zum Fleischessen lag zwar vor – aber die hatte man nur für die Soldaten eingeholt. Als Gegenleistung zum Fisch versprach Fendt, bei der Garnison gute Disziplin halten zu wollen. Das nun wäre für den Kommandanten eigentlich selbstverständlich gewesen und hätte nicht der Belohnung bedurft. Nicht so bei Herrn von Fendt, er tat nichts umsonst. Die Stadt kaufte also ain halben Cennten khärpfen, nach heutigem Maß 56 Pfund, das Pfund zu 16 Kreuzer und lieferte die Karpfen in die Küche des Kommandanten. Am 9. März 1633, vermerkte der Schreiber der Stadtkammer, habe man dafür 13 Gulden und 20 Kreuzer zahlen müssen“.[34]

„Solange es sich nur um Fleisch oder Fisch handelte, lagen die Dinge einfach. Es gab schwerwiegendere Vorkommnisse. Am 4. Januar 1633 vermerkte der Innere Rat, daß der Kommandant mit den ihm wöchentlich zu liefernden Fuder heu für seine Pferde nicht zufrieden sei, ein merers haben will, auch wider ein habern begert, widrigenfalls er gegen die Bürger Gewalt gebrauchen wolle. Diese Drohung veranlaßte den Rat noch am gleichen Tag, die Bürger dazu aufzufordern, dem Herrn Kommandanten allen Gehorsam zu erweisen und keinen Anlaß zur Gewaltanwendung zu geben. Man wollte Ruhe in der Stadt, und wenn schon der Kommandant nicht friedfertig war, sollten es zumindest die Bürger sein. Sollte er aber wider verhoffen ein gewaldt brauchen, müßte man sich deswegen beim Kurfürsten beschweren. Die Hoffnung auf dessen Macht und Gerechtigkeitssinn blieb letzter Ausweg.

Obristleutnant von Fendt scheint ein schwieriger Mann gewesen zu sein; denn selbst der geachtete Bürger Friedrich Hauser, bei dem von Fendt seine Wohnung hatte, beschwerte sich am 10. Januar 1633 beim Rat der Stadt, dass er den Herrn Kommandanten Hans Jakob von Fendt schon 18 Wochen im Quartier habe und bat, ihn andernorts einzuquartieren. Bei ungetrübtem Verhältnis zum Kommandanten wäre ein solches Ansinnen kaum denkbar gewesen. Hauser wurde vertröstet mit dem Bescheid, er solle sich gedulden, von Fendt mecht etwann baldt amoviert werden. Da nichts geschah, wiederholte Hauser sechs Wochen später seine Bitte, den Herrn Kommandanten, den er nun schon 24 Wochen in seinem Hause habe, einem andern einzuquartieren. Auch auf diese Bitte fiel keine Entscheidung zugunsten des Bürgers Hauser, Fendt wurde erst Anfang Juni 1633 versetzt. Ersuchen von Bürgern, Soldaten auszuquartieren, kamen im Kriegsjahr 1633 sehr häufig vor, aber der Bescheid des Rates lautete meistens knapp Soll sich gedulden oder Ist zur geduldt gewisen. Kommandant von Fendt waltete in der Stadt recht selbstherrlich. Wer hätte ihm auch Widerstand leisten sollen ? Obrist von Lindelo ? Er war höchster Offizier im Pfleggerichtsbezirk, und in Ratsprotokollen oder Briefen ist nirgends zu lesen, daß er Fendt in die Schranken gewiesen hätte. Der Kurfürst ? Er war weit weg und hätte sicher nur bei schweren Verfehlungen eingegriffen.

Am 12. Januar 1633 klagte der Rat, dass er keine Gewalt mehr habe über die aus vnnd einlassung der Raisenden Persohnen so Tag so nachts in die Stadt kämen, denn der Kommandant maße sich darüber die Befehlsgewalt allein an, wie er auch die Schlüssel zum Brucktor ohne kurfürstlichen Befehl und ohne Wissen des Amtsbürgermeisters Gerstinger an sich gebracht habe. Dem Kommandanten dürfe in solchen Dingen – ausser was das khriegswesen betrifft – nicht soviel Gewalt zugestanden werden. Von Fendt befürchtete ebenso wie Herzog Albrecht, daß die Infection – eine der damals verbreiteten ansteckenden Krankheiten – in die Stadt geschleppt werden könnte und meinte, der Rat würde die Tore zuwenig bewachen lassen. Der Rat jedoch bestand auf seiner Schlüsselgewalt und der sauberen Trennung ziviler und militärischer Befugnisse. Sollten der Stadt die zwei Torschlüssel zurückgegeben werden, wollte sie dafür alle Verantwortung tragen und eine Infektionswache aufstellen. Im übrigen hätten Kommandant und Pfleger selbst auf die hereinlassung frembder Persohnen merer obacht zehaben. Der Kommandant sei es gewesen, der 50 Soldaten aus ingolstadt[35] hergebracht habe, von denen die meisten krank gewesen seien. Solches möge abgestellt werden, meinte der Rat. Die Stadt stellte eine Infektionswache auf, die ihr wöchentlich einen Gulden kostete; dennoch gab von Fendt die Torschlüssel nicht zurück.

Ungeachtet aller Spannungen war die Stadt stets um Mäßigung bemüht, trieb nichts auf die Spitze und versuchte sogar, sich den Herrn Kommandanten geneigt zu halten. Was konnte dazu besser beitragen als kleine Geschenke. Am 2. März beschloß der Rat, es solle dem Obristleutnant von Fendt wider ein muth[36] habern geben, auch … in die kuchel was verehrt werden. Damit war wohl der halbe Zentner Karpfen gemeint. Hafer für seine Pferde und Proviant für die Küche konnte der gestrenge Herr vermutlich immer braichen, vor allem, wenn sie nichts kosteten.

Am 1. Juni bat der Quartiergeber Fendts, Friedrich Hauser, den Rat wieder einmal, ihm den Kommandanten aus dem Haus zu nehmen, da er ihn mittlerweile an die 40 Wochen im Quartier hätte. Außerdem begehrte er vom Rat, ihm 57 Gulden zu bezahlen, die Fendt ihm schuldig war. Der ausquartierung halber abgewisen, lautete der Bescheid des Rates, und wegen der 57 Gulden möge er sich am Monatsende wieder melden. Der Wunsch Hausers, Fendt loszuwerden, erfüllte sich rascher als anzunehmen war. Schon tags darauf ging des Kommandantens Dienstzeit in Wasserburg zu Ende, er wurde samt seinen Soldaten nach Amberg[37] beordert. Zum Abschied verlangte er für sich und seine Truppe einen halben Monatssold, dazu für seine Person 2 lagl[38] wein und die Bezahlung seiner Schulden. Dabei blieb es nicht. Der Stadtkammerrechnung ist zu entnehmen, daß er nicht nur ·2· Lagl Rotten wein, sondern auf sein Verlangen auch anderes erhielt und sich sogar dafür bezahlen ließ, daß er die Schlüssel zum Brucktor, die er im Januar widerrechtlich an sich gebracht hatte, vor seinem Abmarsch an den Rat zurückgab. Ein feiner Mann war von Fendt nicht. Doch einmal spielte er den noblen Herrn, als er den Inneren Rat auf ein malzeit zu sich lud. Hier nun zeigten sich die Räte nicht als feine Herren. Sie verehrten zwar den Dienern ihres Gastgebers drei Gulden Trinkgeld, ließen sich diese aber bis auf den letzten Kreuzer von der Stadtkammer erstatten“.[39]

„Im Jahr 1633 fiel es der gemainen Statt Wasserburg und ihren Bürgern zunehmend schwer, die Quartierlasten zu tragen. Immer wieder wurden Truppen hierher verlegt oder marschierten durch, und immer wieder fragte der Rat, wer die durchziehenden Soldaten verpflegen solle und wer für sie zahlen werde. Anfang Februar waren es Kroaten, die mit ihrem Wachtmeister Canischer [Franz Siegmund Kanischer; BW] starckh marsiert waren, doch stellte sich die Frage, wer die Kosten für Speis und Trank zu tragen hätte, und zudem sollte beim Kurfürsten Weisung geholt werden, wie man sich in derartigen Fällen firohin verhalten solle.

Reibereien gab es nicht nur auf gehobener Ebene, sondern auch zwischen Bürgern und Soldaten. Dennoch sind Klagen über das Benehmen der Einquartierten nicht häufig, wenn man bedenkt, dass die Stadt ihrer viele beherbergte. Freilich war man nicht zimperlich, und nur schwere Übergriffe wurden an den Rat herangetragen. So war das am 7. Februar, als ein Soldat ohne jeden Grund den Lederer Irnkauf mit einer Muskete ybl vnnd geferlich geschlagen hatte. Derselbe Soldat hatte die Landleute, die durch das obere Tor und das Brucktor in die Stadt hereinfuhren, molestiert und stribuliert,[40] also belästigt und drangsaliert. Der Kommandant wurde gebeten, solche Ausschreitungen abzustellen. Ob bei einem Kommandanten, der selbst Gewalt androhte, etwas zu erreichen war, kann bezweifelt werden.

Der Streit mit den Nachbarorten wegen des Sammelplatzes war noch nicht beendet, als am 13. Februar zweihundert Soldaten des Regiments Wahl angekündigt wurden, von denen der Rat bei Kommandant und Pfleger wollte, woher solche khomen, vnnd wie sie etwann beschaffen seien. Letztere Frage war in der Angst vor ansteckenden Krankheiten begründet, die meist von Soldaten und deren Gefolge in die Städte geschleppt wurden. Wichtig war für die Stadt auch zu wissen, wer für die 200 aufzukommen hätte“.[41]

„Anders war es mit der heruntergekommenen Soldateska, die in die Stadt wollte. Man wusste, wie zügellos solches Volk war und wie hemmungslos es dort hauste, wo es etwas zu holen gab. So bat der Rat den Kommandanten, keine Reiter einzulassen, da sie etwann die burgerschafft begern auszeblinndern. Herrn von Fendt waren die desertierten und marodierenden Haufen ebenfalls nicht geheuer, uner ließ deshalb 50 Reiter, die am 25. April vor dem oberen Tor erschienen waren, nicht ein. Um Gewalttätigkeiten zu vermeiden, beschloß der Rat, es sollten 3 Eimer[42] Pier vmb 3 fl. Brod vnnd auf iedes Roß ·2· mässl[43] fueder hinausgegeben werden. Waren sie auch gefährliche Gesellen, wenn sie Hunger hatten bekamen sie das Notwendigste, auch vergaß man die Tiere nicht. Drei Eimer ergaben 4 Maß[44] Bier für jeden Soldaten, dazu Brot und zwei Liter Hafer je Pferd, zwar nicht viel, aber im April wuchs schon Gras“.[45]

„Nicht weniger gefährlich als die vor den Toren, waren die Soldaten in der Stadt. Der Amtbürgermeister bat den Kommandanten am 25. April die Reiter so herinen, weckhzeschaffen, da sie drohten, die Bürger zu plündern. […] In jenen Apriltagen bangte die Stadt um ihren Ziegelstadel in der Burgau. Die dort vor den Schanzen liegenden Wachtsoldaten brauchten für ihr Wachtfeuer Holz, das sie bei dem Vorrat besorgten, der für die Brennöfen bestimmt war. Vielleicht begannen sie auch die hölzernen Gebäulichkeiten zu zerlegen. Hilfesuchend wandte sich der Rat an Kommandant, Pfleger und Kastner und bat, der schildwacht bei dem Zieglstadt wachtholz zuzuteilen, da sonst von den Soldaten alles Spolirt [geraubt] vnnd verbrennt würde“.[46]

Nachtrag: die Einquartierung Fendts hinterließ ihre Spuren. Im Frühjahr 1634 musste Maximilian die in Burghausen verwahrten Kirchenschätze (vor allem die aus Altötting[47]) zu Geld machen, um damit Soldrückstände seiner Soldaten befriedigen zu können, die eine Ursache für den Bauernaufstand in Oberbayern 1633/34 gewesen waren. So hatten die Soldaten angeblich behauptet, man habe ihnen die „plinderung an stat ihrer besoldung bewilligt“.[48] Am 13.12.1633 hatten die Einwohner dem für Wasserburg  zuständigen Obristen Timan von Lintelo eine Beschwerdeschrift übergeben. Sie hätten „drei feindt, auß welichen der fürst der gröste, den sein hofart vnd geitz dahin getriben, auß der Jesuwittern Rath, das er vns zu disem erbarmlichen standt gebracht; der ander die gantze soldatesca zu roß vnd zu fueß, wellichs lauter erlose leitt, erger alß die strasrauber, dan sie vor wol wissen, daß sie vonn vnserm gottlosen fürsten nit bezalt werden, dannoch vmb deß raubs willen wider christliche lieb, wider Ehr vnd recht, wider die zehn gebott allein vmb des raubs willen sich vnderhalten lassen alß wie andere strasrauber, dieb vnd firsötzliche beswichter. Lintelo, den Dienstvorgesetzten von Fendt, nannten sie „alte padthuer vnd padernoster khnechtl“, [Hans Wolf von] Salis eine „bestia“. Angeblich war das Schreiben von dem Münchner Chirurgen Dr. Tobias Geiger, der Maximilian während des böhmischen Feldzuges begleitet hatte, verfasst worden.[49]

Sehr wahrscheinlich ist Fendt identisch mit jenem Hans Jakob von Fenden, der 1643 als kaiserlicher Kommandant in Neisse[50] amtierte.

[1] 1 Eimer ca. 64 Liter.

[2] Wasserburg; HHSD VII, S. 790ff.

[3] Das Land- und Pflegegericht Kling ist im 13. Jahrhundert aus der Grafschaft Kling, der Grafschaft Wasserburg am Inn und der Herrschaft Hartmannsberg entstanden.

[4] Attel, Ortsteil von Wasserburg am Inn [LK Rosenheim].

[5] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 21.

[6] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 26.

[7] Freising; HHSD VII, S. 209ff.

[8] Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien 3 Fasz. 304 a/609, fol. 9v; Fasz. 304 b/33.

[9] Erzbischöfliches Ordinariatsarchiv München B 16, fol. 27; Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien 3 Fasz. 304 a/528, 637, fol. 51 v: Veit Adam v. Gepeckh an die kurfürstl. Räte in München, Freising, 1632 XI 12. Fasz. 304 a/529 (Entwurf): Veit Adam v. Gepeckh an Maximilian, 1632 XII 20; Erzbischöfliches Ordinariatsarchiv München B 295, fol. 404.

[10] Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien 3 Fasz. 304 a/637, fol. 51 v:  Ranzionsrechnung 1632;  Fasz. 304 a/639: Ergänzung zur Ranzionsrechnung; Fasz. 304 a, 508, 509: Veit Adam von Gepeckh an die kurfürstlichen Anwälte und Räte zu München, Freising, 1632 XI 12; Fasz. 304 a/553: Veit Adam von Gepeckh an die Bürgerschaft Freisings, 1632 VI 28.

[11] Erzbischöfliches Ordinariatsarchiv München B 16, fol. 27 (Quittungskopie, 1652 V 05).

[12] Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien 3 Fasz. 304 a/528: Veit Adam v. Gepeckh an die kurfürstlichen Räte in München, Freising, 1632 XI 12.

[13] Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien Fasz. 304 a/637, fol. 53-54; Fasz. 304 b/33: Brief der Freisinger Bürgerschaft an Gustav Horn (möglicherweise nicht abgeschickt), Anfang Mai.

[14] Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien 3 Fasz. 304 a/529.

[15] Staatsarchiv München Hochstiftsliteralien 3 Fasz. 304 a/530. NACH WEBER, Gepeckh, S. 105f.

[16] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 74.

[17] Erding [LK Erding], HHSD VII, S. 178f.

[18] Moosburg [LK Freising]; HHSD VII, S. 461f.

[19] Landshut; HHSD VII, S. 386ff.

[20] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 26ff.

[21] Braunau a. Inn; HHSÖ I, S. 24ff.

[22] Rosenheim; HHSD VII, S. 632f.

[23] Bad Aibling [LK Bad Aibling]; HHSD VII, S. 56f.

[24] Ortenburg [LK Passau].

[25] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 41f.

[26] Kraiburg a. Inn [LK Mühldorf]; HHSD VII, S. 372.

[27] Burghausen [LK Altötting]; HHSD VII, S. 115.

[28] „Salzburg“ war die Bezeichnung für das Fußvolk des Salzburger Erzbischofs Paris Graf Lodron, das 1633 von Piccolomini angeworben worden war, im Dienst der Liga stand und 1635 bayerischem Befehl unterstellt wurde.

[29] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 42f.

[30] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 43f.

[31] Haag i. OB [LK Mühldorf a. Inn]; HHSD VII, S. 262f.

[32] Fürstenberg, Friedrich Rudolf Graf von [um 1602-1655]

[33] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 44ff.

[34] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 51f.

[35] Ingolstadt; HHSD VII, S. 326ff.

[36] Muth: 1 Muth = 889, 44 Liter.

[37] Amberg; HHSD VII, S. 20ff. Bei HELML, Dreißigjähriger Krieg, wird er nicht erwähnt. Wahrscheinlich war er nur kurzfristig dort einquartiert.

[38] Fässchen, von lat. lagona (lagoena); Falsche, Weinkrug: Inhalt 50 – 70 Liter.

[39] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 51ff.

[40] Gemeint ist „tribulieren“.

[41] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 55f.

[42] 1 Eimer = 64, 20 Liter.

[43] 1 Maßl = 0, 93 Liter.

[44] 1 Maß = 1, 07 Liter.

[45] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 57.

[46] WILDGRUBER, Die feste Stadt Wasserburg, S. 57.

[47] Altötting [LK Altötting]; HHSD VII, S. 17f.

[48] HEILMAIER, Burgrain, S. 84; zu den Verfahren BLICKLE, Rebellion, S. 56ff.; KRAUS, Maximilian I., S. 216ff.; RIEZLER, Aufstand.

[49] ZIEGLER, Dokumente Bd. 2, S. 1057f.

[50] Neisse [Nyssa]; HHSSchles, S. 331ff.

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