Mair, Jakob

Mair, Jakob; Jägermeister [ – ] Jakob Mair stammte aus Feldkirchen[1] in Kärnten und stand als Jägermeister in den Diensten Piccolominis.[2] Ottavio_Piccolomini

Seit der Schlacht bei Lützen[3] hatte Piccolomini offenbar das absolute Vertrauen des sonst sehr verschlossenen und eher abweisenden Wallenstein.[4] Er nahm an den Waffenstillstandsverhandlungen Wallensteins mit dem sächsischen Feldmarschall[5] Arnim[6] teil. Bei einer dieser Verhandlungen wurde Prinz Ulrich bei einem Gespräch mit Piccolomini von einem Jäger (Soldaten) Piccolominis erschossen.[7]

„Im Sommer 1633 kursierte bei den Protestanten das Gerücht, daß Wallensteins Friedensverhandlungen nur eine Finte seien, um Arnim, Thurn[8] und Prinz Ulrich von Dänemark, den Sohn Christians IV.[9] und regierenden Herzog von Holstein, gefangenzunehmen und zu ermorden. Wallenstein hatte zu dieser Zeit die besten Beziehungen zum dänischen König, man sprach sogar davon, daß Prinz Ulrich die Tochter des Herzogs heiraten würde. Bei einer Zusammenkunft Arnims mit Wallenstein im Juli, an der auch der dänische Prinz teilnahm, wurde an Piccolominis Tafel vom Gastgeber vorgeschlagen, am nächsten Tag ein Scheingefecht zu arrangieren; während des Mahls leistete sich Piccolomini grobe Beleidigungen des dänischen Gastes. Bei dem Kriegsspiel tags darauf erschoß ein Jäger Piccolominis den Prinzen aus einem Hinterhalt. Der Mörder verschwand, der Fall konnte nicht geklärt werden. In Wallensteins nächster Umgebung wußte man, was von diesem »unglücklichen Zufall« zu halten war, die Protestanten im Reich sahen dagegen ihr Gerücht bestätigt. Gleichgültig, welche Motive Piccolomini zu seinem Haß gegen Wallenstein getrieben haben – seine Methoden hinterlassen den übelsten Geschmack auf der Zunge“.[10] Der Hintergrund der Tat blieb angeblich im Dunkel. Wallenstein bekam zwar Anfang Januar 1634 vom Kaiser[11] den Auftrag, die Umstände des Todes des Prinzen zu untersuchen, bevor es aber zur Klärung kam, wurde Wallenstein selbst ermordet.

Der Schweriner[12] Dompropst und Ratzeburger[13] Domherr, Otto von Estorf [1566 – 29.7.1637], berichtet in seinem „Diarium belli Bohemici et aliarum memorabilium“: „Augustus [1633; BW]. Den . . . Aug. ist Hertzog Vlrich zue Holstein, deß Konings zue Dennemark jüngster Sohn, Bischoff deß Stifts Swerin vnredlich, stantibus induciis, von Piccolomini Schalksnarren mitt 2 Kugeln durch den leib geschossen davon Er in wenig stunden seinen geist vfgeben müssen. Diß ist in Silesia geschehn“.[14] Im „Theatrum Europaeum“[15] heißt es dazu: „Vnter wehrender Handlung [um einen Waffenstillstand; BW] hat der Käyserische Oberste Piccolomini den Jungen Printzen auß Dennemarck zu sich auff ein Gespräch ins Feld gefordert / da man von mancherley discouriret; Als aber der Junge Printz hierauff Abschied genommen / rufft ihm Piccolomini wider zu rück / sagend: Noch eines / der Printz aber / als er sich etwas wendet / vnd still hält / wird er von einem / so in einem Graben gelegen / auß einem gezogenen Rohr[16] geschossen / daß ihme die Kugel zum Rücken hinein / durch Leber vnd Lunge / vnd zum Bauch wider herauß kommen. Den Thäter hat man nicht wollen herauß geben / solle deß Obersten Piccolomini Schalcks Narr[17] / wie vorgegeben / eygentlich aber sein Jäger gewesen seyn / vnnd sich darnechst eine gute zeittweil zu Wien auffgehalten“.[18] Der schwedische Hofhistoriograph Bogislaw Philipp von Chemnitz [9.5.1605 Stettin-19.5.1678 Hallsta, Gem. Västerås] berichtet dazu: „Diese tractaten vnd gemachet Stillstand fiengen sich alsbald mit einem nicht geringen vnglücke an. Dan als vnter wehrender handlung der Keyserl: Obriste / Piccolomini Hertzog Ulrich aus Holstein zu sich auf ein gesprech ins feld gefordert / vnd mit Ihm von allerhand discurriret / auch der Hertzog vom Piccolomini schon seinen abscheid genommen gehabt / ward Er von einem / so im graben ohnfern davon gelegen / aus einem gezogenen rohr geschossen / das ihm die Kugel / durch leber vnd lunge gegangen / vnd Er innerhalb weinig stunden Todes verblichen“.[19]Während der Belagerung Nördlingens[20] im August 1634 wird dieser Leibjäger Piccolominis, Jakob Mair, erwähnt, der ein ausgewiesener Scharfschütze war. „Um die Belagerten gegen die Musketenschüsse der Angreifer zu schützen, wurden die Öffnungen auf den Stadtmauern und unter den Torbrücken mit Tüchern verhängt. Der Überlieferung nach setzte besonders der Leibjäger des kaiserlichen Feldmarschalls (und damals noch Grafen) Octavio Piccolomini vom Emmeramsberg her den Belagerten zu, welcher mit seinem gezogenen ‚Pürschrohr'[21] jedes Mal seinen Mann traf“.[22] In der sogenannten „Nürnberger Handschrift“ heißt es über ihn: „In die Kirchhofsmauern (wurden) ringsherum für die Musketierer[23] Löcher eingebaut und viele Soldaten darein gelegt, welche, wenn wir ausfallen, uns wieder in die Stadt zurückdrängen sollten. Dort hat sich auch dero Exzellenz, Herrn Piccolominis Jäger, welcher zuvor schon den jungen König von Dänemark[24] erschossen, anjetzo aufem Berg Kirchen Thurm (auf dem Emmeransberg) befunden. Selbiger hat mit falschen Kugeln ständig auf die Bürger in der Stadt, immer wenn er einen zu Gesicht gebracht, geschossen. Seine Kugeln haben gepfiffen, und man hat sich vor ihnen wohl vorsehen müssen“.[25] Beim Brescheschießen[26] wird er noch mal erwähnt: „Auch der Leibjäger (General Piccolominis) hat sich mit seinen pfeifenden Kugeln ziemlich getummelt“.[27]

Mair selbst blieb nach der Einnahme Nördlingens in der Stadt und heiratete dort am 12.10.1634 eine Schneiderstochter.

[1] Feldkirchen [Bez. Feldkirchen].

[2] Ottavio Fürst Piccolomini-Pieri d’Aragona, Herzog v. Amalfi [11.11.1599 Florenz-11. 8.1656 Wien], kaiserlicher Feldmarschall. Vgl. BARKER, Piccolomini. Eine befriedigende Biographie existiert trotz des reichhaltigen Archivmaterials bis heute nicht. Hingewiesen sei auf die Arbeiten von ELSTER (=> Literaturregister).

[3] Lützen [Kr. Merseburg/Weißenfels]; HHSD XI, S. 286f. Schlacht bei Lützen am 16.11.1632 zwischen den Schweden unter Gustav II. Adolf (18.000 Mann) und den Kaiserlichen (16.000 Mann) unter Wallenstein. Die für die Schweden siegreiche Schlacht endete mit dem Tod Gustav Adolfs und dem Rückzug Wallensteins, der etwa 6.000 Mann verloren hatte, nach Böhmen. Nach Lützen schlug Wallenstein keine Schlacht mehr. Vgl. dazu HAPPES ausführliche Schilderung und Reflexion der Ereignisse [HAPPE I 295 v – 302 r; mdsz.thulb.uni-jena]. Vgl. SIEDLER, Untersuchung; STADLER, Pappenheim, S. 729ff.; WEIGLEY, Lützen; BRZEZINSKI, Lützen 1632; MÖRKE, Lützen als Wende; WALZ, Der Tod, S. 113ff.

[4] Vgl. auch CATALANO, Ein Chamäleon; REBITSCH, Wallenstein; MORTIMER, Wallenstein; SCHUBERTH; REICHEL, Die blut’ge Affair’.

[5] Feldmarschall: Stellvertreter des obersten Befehlshabers mit richterlichen Befugnissen und Zuständigkeit für Ordnung und Disziplin auf dem Marsch und im Lager. Dazu gehörte auch die Organisation der Seelsorge im Heer. Die nächsten Rangstufen waren Generalleutnant bzw. Generalissimus bei der kaiserlichen Armee. Der Feldmarschall war zudem oberster Quartier- und Proviantmeister. In der bayerischen Armee erhielt er 1.500 fl. pro Monat, in der kaiserlichen 2.000 fl., die umfangreichen Nebeneinkünfte nicht mitgerechnet, war er doch an allen Einkünften wie Ranzionsgeldern, den Abgaben seiner Offiziere bis hin zu seinem Anteil an den Einkünften der Stabsmarketender beteiligt.

[6] Hans Georg v. Arnim-Boitzenburg [1583 Boitzenburg-28.4.1641 Dresden], polnische, dann schwedische Dienste, 1627 kaiserlicher Obrist, Feldmarschall, 1630 kurbrandenburgischer u. kursächsischer Feldmarschall, 1635 Ausscheiden wegen Prager Frieden, 1637 Verschleppung nach Schweden u. Flucht, ab 1641 Reorganisation der kursächsischen Armee.

[7] SPORSCHIL, Geschichte der Deutschen, S. 409.

[8] Heinrich Matthias Graf v. Thurn-Valvassina [24.2.1567 Schloss Lipnitz/Lipnice nad Sázavou-28.1.1640 Pernau], böhmischer Ständeführer, schwedischer Generalleutnant.

[9] Vgl. HEIBERG, Christian 4.

[10] DIWALD, Wallenstein, S. 528. Vgl. auch QUETZ, Kurtze Erzehlung, fol. 18 r.

[11] Vgl. BROCKMANN, Dynastie.

[12] Schwerin; HHSD XII, S. 114ff.

[13] Ratzeburg [Kr. Herzogtum Lauenburg]; HHSD I, S. 216f.

[14] DUVE, DIARIUM BELLI BOHEMICI ET ALIARUM MEMORABILIUM 3, S. 35.

[15] Vgl. BINGEL, Das Theatrum Europaeum; SCHOCK; ROßBACH; BAUM, Das Theatrum Europaeum.

[16] Scharfschützengewehr: Kleinkalibrige Waffe mit 8 bis 10 mm Kaliber, während die Muskete in der Regel 19 mm Kaliber hatte, mit langem Lauf, um die Treffsicherheit zu erhöhen. Auch mit gezogenen Vogelbüchsen erzielten Bürger bei Belagerungen gute „Erfolge“. STEIGE, Bolkenhainische Denkwürdigkeiten, S. 231.

[17] Schalksnarr: „falscher narr, scheinnarr, einer, der ein narr zu sein vorgibt, sich als narr geberdet, den narren spielt, besonders von den berufsmäszigen possenreiszern, hofnarren“ [DWB].

[18] THEATRUM EUROPAEUM 3. Bd., S. 114f.

[19] CHEMNITZ, Königl. Schwedischen in Teutschland geführten Kriegs Ander Theil, 1. Buch, S. 214.

[20] Nördlingen [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 525ff.

[21] Pürschrohr: Jagdflinte mit gezogenem Lauf. Nach dem „Kriegsbüchlein“ von Hans Conrad Lavater (65) hatten folgende Soldaten bei Gefangennahme keinen Anspruch auf Quartier (Pardon): „wann ein Soldat ein eysen, zinne, in speck gegossen, gekäuete, gehauene oder gevierte Kugel schiesset, alle die gezogene Rohr und französische Füse [Steinschloßflinten] führen, haben das Quartier verwirkt. Item alle die jenigen, die von eysen geschrotete, viereckige und andere Geschröt vnd Stahel schiessen, oder geflammte Dägen, sollt du todt schlagen“.

[22] ENGERISSER, Von Kronach, S. 311.

[23] Musketier: Fußsoldat, der die Muskete führte. Für den Nahkampf trug er ein Seitengewehr – Kurzsäbel oder Degen – und schlug mit dem Kolben seiner Muskete zu. In aller Regel kämpfte er jedoch als Schütze aus der Ferne. Deshalb trug er keine Panzerung, schon ein leichter Helm war selten. Eine einfache Muskete kostete etwa 3 ¼ Gulden, die qualitativ besseren Suhler Waffen das Doppelte, so dass seine Ausrüstung nicht so kostenintensiv war. Im Notfall wurden die Musketiere auch als Dragoner verwendet, die aber zum Kampf absaßen. Der Hildesheimer Arzt und Chronist Dr. Jordan berichtet den einzigen bisher bekannten Fall (1634), dass sich unter den Gefallenen eines Scharmützels auch ein weiblicher Musketier in Männerkleidern gefunden habe. SCHLOTTER; SCHNEIDER; UBBELOHDE, Acta, S. 194. Allerdings heißt es schon bei Stanislaus Hohenspach (1577), zit. bei BAUMANN, Landsknechte, S. 77: „Gemeiniglich hat man 300 Mann unter dem Fenlein, ist 60 Glied alleda stellt man welsche Marketender, Huren und Buben in Landsknechtskleyder ein, muß alles gut seyn, gilt jedes ein Mann, wann schon das Ding, so in den Latz gehörig, zerspalten ist, gibet es doch einen Landsknecht“. Bei Bedarf wurden selbst Kinder schon als Musketiere eingesetzt (1632); so der Benediktiner-Abt Gaisser; STEMMLER, Tagebuch Bd. 1, S. 181f.; WALLHAUSEN, Kriegskunst zu Fuß; BRNARDÍC, Imperial Armies I, S. 33ff.; Vgl. KEITH, Pike and Shot Tactics;  EICKHOFF; SCHOPPER, 1636, S. 59ff.

[24] Ulrich III. von Dänemark, Herzog von Holstein; Obrist [2.2.1611 – 12.8.1633]

[25] KESSLER, Belagerung, S. 20.

[26] Bresche, Breche, brescia, bresica: durch Geschützfeuer erreichte Sturmlücke in der Stadtmauer oder auch in einer Verschanzung. Die damals angewandte Methode, eine Mauerbresche zu schießen, sah so aus, daß man eine Geschützbatterie frontal auf die zu brechende Mauer richtete und zwei kleinere Batterien im Winkel von ca. 30-45 Grad zu beiden Seiten anlegte, durch welche die gelockerte Mauersubstanz zusätzlich herausgehebelt wurde. [ENGERISSER]

[27] KESSLER, Belagerung, S. 57.

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