„Grasteufel“

„Grasteufel“; Freikorpsführer [ – ] „Grasteufel“ war einer jener Kriegs- oder Übernamen,[1] wie sie des Öfteren von Freikorps-Führern[2] oder Freireitern[3] geführt wurden. Bezeichnet wurde damit ein hässlicher, Schrecken erregender, verkommen aussehender Mensch, Anfänger (im Handwerk).

Mit der abziehenden Besatzung[4] Osnabrücks[5] von 2.000 Mann und den Freikorps Bracht[6] und Daube[7] führten Bönninghausen[8] und Schelhammer,[9] der ehemalige Kommandant der Weser-Festung Hameln,[10] im Auftrag des Grafen Gronsfeld,[11] des ligistischen[12] Kommandierenden im Weser-Bereich, 1633/34 mit wechselndem Erfolg den „Kleinen Krieg“[13] kaiserlich[14]-ligistischer Truppen in Nordwestdeutschland, oft auch als „Bandenkrieg“ oder als „irreguläre Truppen“ bezeichnet, fort. Seinen Truppen gehörten Freikompanien[15] an, die von Grasteufel, Brandjohann,[16] Hasenbein[17] und Quadfasel[18] geführt wurden und zum Teil in Truppen von etwa hundert Söldnern[19] operierten. Ihre Stützpunkte lagen in Marsberg,[20] Brakel,[21] Warburg[22] und Salzkotten.[23]

Bei dem protestantischen Osnabrücker Schuhmacher, Amtsbote und Chronist Rudolf von Bellinckhausen [1567-19.3.1645] hieß es: „Paul Duve ist auch fur dießer zeyt verwundt und gefangen inn Paderborn[24] gebracht. Also bekom[men] die straßenräuber[25] ihren verdienten lohn. Nun sein noch drey bose straßen schinder, als der Heremita [Eremite = Bracht; BW], der Graßteufel aus dem Stift Colln[26] und der Tolleker,[27] aus der grafschaft Hoye[28] geboren & noch vorhanden, die werden auch ihrn lohn bekommen“.[29]

Grasteufel überfiel mit hundertzwanzig Berittenen im Juli 1634 Höxter.[30]

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[1] Übername: Söldner legten sich oft besondere Übernamen zu, die eine besondere Eigenschaft hervorheben sollten oder die sarkastisch gemeint waren, z. B. „Immernüchtern“ oder „Nimmernüchtern“, „kleiner Schwede“, „Schwanzhans“, „Haßdenteufel“, „Grasteufel“, „kleiner Finne“, „Er(e)mite“, „Schnapphahn Urban“. Zugleich sollte damit bei Beschwerden die wahre Identität verschleiert werden. Teilweise stammten diese Namen auch v. der drangsalierten Bevölkerung.

[2] „Freikorps“: eigentlich eine spätere Bezeichnung für ein Verbund v. Kompanien oder Fähnlein, die bei Umformungen aus dem eigentlichen Regimentsverband frei wurden u. keinem Regiment u. keinem Regimentsstab unterstellt waren. Sie operierten entweder selbstständig oder in Verbindung mit Regimentern. Sie führten teilweise einen recht erfolgreichen Kleinkrieg als Partisanen. Zum Teil wurden sie als „Hahnenfedern“ nach dem charakteristischen Schmuck am Hute des Teufels bezeichnet. Grasteufel, Brandjohann, Hasenbein u. Quadfasel waren bekannte Kompanieführer, die in Abteilungen v. bis zu 100 Mann operierten. Bei Gefangennahme riskierten sie die Hinrichtung. Teilweise wurden diese Freifahnen auch v. Städten zur Verteidigung aufgestellt.

[3] Freireiter: a) Söldner ohne Soldvertrag u. Kriegsherrn, der auf eigene Rechnung kämpfte (auch als => „aventurier“ bezeichnet; PETERS, Lars Wivallius) u. v. der jeweiligen Kriegspartei für seine gefährliche Arbeit z. B. als Kundschafter ad hoc entlohnt wurde. Darunter waren aber auch Adlige wie Herzog Ulrich v. Württemberg-Neuenbürg [1617-1671], der 1644 im Regiment Johann v. Werth als Rittmeister diente. Ein Avanturier musste nach damaliger Sitte so lange kämpfen, bis er Ruhm erlangte; SODEN, Gustav Adolph 3. Bd., S. 495 Anm. 1. Zum Teil operierten sie in eigenen Korps u. überfielen kleinere Städte; PEETZ, Christian, S. 286. 1634 veranlasste Bernhard v. Weimar angeblich die Abschaffung; RÖSE, Bernhard 2. Bd., S. 16. Vgl. dagegen LEUPOLD, Journal, S. 281, für den Frankreichfeldzug 1637. Vgl. (für den 2. Nordischen Krieg) die Memoiren eines solchen Freireiters; LAHRKAMP, Kriegsabenteuer; vgl. „Snapphanar och friskyttar“, unter: http://www.historiesajten.se/handelser2.asp?id=44. b) Soldat, der sich unerlaubter Weise einem Streifkorps angeschlossen hatte. c) „Freireuter“ waren zum einen Soldaten beweglicher Reiterverbände, die die Aufgabe hatten, über Stärke u. Stellung des Gegners sowie über günstige Marschkorridore u. Quartierräume aufzuklären. Sie wurden außerdem zur Verfolgung fliehender, versprengter oder in Auflösung begriffener feindlicher Truppen eingesetzt. Diese Aufgabe verhinderte eine Überwachung u. Disziplinierung dieser „Streifparteyen“ u. wurde von diesen vielfach dazu genutzt, auf eigene Rechnung Krieg zu führen. Zum anderen handelte es sich bei „Freireutern“ um bewaffnete u. berittene Bauern, die über Raubzüge Verwirrung hinter den feindlichen Linien schufen. Sie taten dies entweder mit Erlaubnis ihrer Kommandierenden, als integraler Bestandteil der kaiserlichen Kriegsführung oder aber unerlaubter Weise – nicht ohne dabei z. T. drakonische Strafen zu riskieren. Diese „Freireuter“ stahlen u. plünderten auf Bestellung der eigenen Kameraden sowie der Marketender, die ihrerseits einen Teil ihrer Einnahmen an die Obristen u. Feldmarschälle abzuführen hatten. An Schlachten nahmen sie in der Regel nicht teil oder zogen sogar auch in der Schlacht ab.

[4] Garnison: Besatzung in einer Festung (Kavallerie u. Infanterie). Die monatliche Löhnung der Soldaten, der Servis u. die Fourage mussten v. der betreffenden Garnisonsstadt aufgebracht werden u. waren genau geregelt; vgl. die „Königlich Schwedische Kammer-Ordre“ Torstenssons vom 4.9.1642 bei ZEHME, Die Einnahme, S. 93ff. Vgl. die Äußerungen des Grafen Philipp Moritz v. Hanau-Münzenberg von 1630 bei seinen Bemühungen, die Aufnahme einer kaiserlichen Garnison zu verhindern; THEATRUM EUROPAEUM 3. Bd., S. 8: „Welches wie Ihre May. allergnädigst zu erachten / jhm nicht unbillich schwere Gedancken machte / bevorab / da man vor Augen sehe / wie fast geringe Bestraffung der Excessen / sie weren auch so groß wie sie wolten / bey den vndern Officiern zu erlangen / sondern noch der Beleydigten darüber gespottet / hergegen wann ein Bürger oder Bawersmañ / einen Soldaten / auch auff gegebene starcke Veranlassung / nur sawer ansehe / wie jämmerlich man mit jhnen umbgienge / dessen vberflüssige Exempel vorhanden“. Der Garnisonsdienst wurde wegen der geringeren Aussicht auf Beute, Hunger u. Krankheiten bei längerer Einquartierung immer unbeliebter, so dass man dazu überging, neugeworbene Söldner im Felddienst einzusetzen. Der französische Diplomat François Ogier [um 1597-1670] schrieb 1635 über die schwedische Garnison in Marienburg [Malbork]: „Ich betrachtete das Lager und die Unterkünfte der Schweden und sah ein Bild von menschlichem Elend und Wahnsinn. Ich sah in die Gesichter der Männer, und da ich nicht erkennen konnte, dass sie sich unterhielten, zweifelte ich daran, ob sie überhaupt Männer waren, so barbarisch, schmutzig und krank waren sie. Alle waren in Lumpen gekleidet und barfuß, und zum größten Teil handelte es sich um unhöfliche, junge Bauern“. BRZEZINSKI; HOOK, Armee, S. 52. KELLER, Drangsale, S. 401ff.: „Ein Zeitgenosse, der in Philippsburg gezwungen als Garnisonssoldat zubringen mußte, gibt uns darüber folgende interessante Notizen, die auf jede Garnison passen dürften. ‚So mußte ich denn’, erzählt er uns, ‚Musquetirer werden wider meinen Willen. Das kam mir aber sauer an, weil der Schmalhanz da herrschte und das Commißbrod schrecklich klein war. Ich sage nicht vergeblich: schrecklich klein – denn ich erschrack auch alle Morgen, wenn ich’s empfing, weil ich wußte, daß ich mich den ganzen Tag damit behelfen mußte, da ich es doch ohne Mühe auf einmal aufreiben konnte. Und die Wahrheit zu bekennen, so ist’s wohl ein elend Creatur um einen armen Musquetiren (Garnisonssoldaten), der sich solcher Gestalt mit seinem Brod und noch dazu halb satt, behelfen muß, denn da ist keiner anders, als ein Gefangener, der mit Wasser und Brod sein armseliges Leben verzögert. Ja ein Gefangener hat’s noch besser, denn er darf seiner Ruhe pflegen und hat mehr Hoffnung, als so ein elender Garnisoner, mit der Zeit einmal aus solchem Gefängniß zu kommen. Zwar waren auch Etliche, die ihr Auskommen umb ein kleines besser hatten von verschiedener Gattung, doch keine einzige Manier, die mir beliebte, um solcher Gestalt mein Maulfutter zu erobern, anständig sein sollte. Denn Etliche nehmen, und sollten es auch verlaufene Personen gewesen sein, in solchem Elend keiner anderen Ursach halber Weiber, als daß sie durch solche entweder mit Arbeiten als Nähen, Waschen, Spinnen oder mit Krämpeln und Schachern oder wohl gar mit Stehlen ernähret werden sollen. Da war ein Fähndrich unter den Weibern, die hatte ihre Gage wie ein Gefreiter, eine andere war Hebamme und brachte sich dadurch selbsten und ihrem Manne manch guten Schmauß zuwege; eine andere konnte stärken und waschen, diese wuschen den ledigen Officieren und Soldaten Hemden, Strümpfe, Schlafhosen und ich nicht weiß nicht, was mehr, davon sie ihren besonderen Namen kriegten; andere verkiefen Taback und versahen den Kerlen ihre Pfeifen, die dessen Mangel hatten; andere handelten mit Brandtwein und waren im Rufe, daß sie ihn mit Wasser verfälschten; eine andere war eine Näherin und konnte allerhand Stich und Nadel machen, damit sie Geld erwarb; eine andere wußte sich blößlich aus dem Feld zu ernähren, im Winter grub sie Schnecken, im Frühling graste sie Salat, im Sommer nahm sie Vogelnester aus und im Herbst wußte sie tausenderlei Schnabelweid zu kriegen; etliche trugen Holz zu verkaufen, wie die Esel. Solchergestalt meine Nahrung zu haben, war für mich nichts. Etliche Kerl ernährten sich mit Spielen, weil sie es besser, als die Spitzbuben konnten und ihren einfältigen Cameraden das ihrige mit falschen Würfeln und Karten abzuzwacken wußten, aber solche Profession war mir ein Eckel. Andere arbeiteten auf der Schanz und sonsten, wie die Bestien, aber hierzu war ich zu faul; etliche konnten und trieben ein Handwerk, ich Tropf hatte aber keins gelernt. Zwar wenn man einen Musicanten nöthig gehabt hätte, so wäre ich wohl bestanden, aber dasselbe Hungerland behalf sich nur mit Trommeln und Pfeiffen; etliche schulderten vor andern und kamen Tag und Nacht nicht einmal von der Wacht. Ich aber wollte lieber hungern, als meinen Leib so abmergeln’ “.

[5] Osnabrück; HHSD II, S. 364ff.

[6] Johann [Jan] v. Bracht [Ermite, Eremite, Eremeite, Emerite, Hermita, Heremite] zur Hewb [1610-1675], kurkölnischer, kaiserlicher Obrist.

[7] Paul Daube [Daubt, Taube, Duve] [ -nach Juni 1634], kurkölnischer Obrist u. Freikorpsführer.

[8] Lothar Dietrich Freiherr v. Bönninghausen [Böninghausen, Boningshausen, Böninghausen, Benninghausen, Benningshausen, Benickhausen, Bennickhausen, Buninghausen, Bonighausen, Bönighaußen] [ca. 1598 Apricke-13.12.1657 Schnellenberg], Obrist in ligistischen, kaiserlichen, spanischen u. französischen Diensten, zuletzt Feldmarschallleutnant. 1630 übernahm Bönninghausen als Obrist ein Kürassierregiment unter dem Befehl Pappenheims u. war an der Belagerung u. brutalen Eroberung Magdeburgs (Mai 1631) beteiligt. Am 16.11.1632 nahm er als Befehlshaber der Reiterei an der Schlacht v. Lützen teil. Danach beförderte ihn Wallenstein zum Generalwachtmeister. 1633 erlitten Bönninghausen, Gronsfeld u. Mérode eine verheerende Niederlage in der Schlacht v. Oldendorf. 1636 trat er in den Dienst des kaiserlichen Feldmarschalls Ottavio Piccolomini. 1639 wurde er kaiserlicher Feldmarschallleutnant u. 1645 französischer „Marechal de Camp“. Ende des Krieges trat er wieder in kaiserliche Dienste. Bönninghausen u. seine Soldaten waren als rücksichtslose Plünderer bekannt. Vgl. LAHRKAMP, Bönninghausen.

[9] Hans Wilhelm Schelhammer [Schellhamer, Schelhamer, Scheelhauer] [ -1635 Speyer], ligistischer Generalwachtmeister. JÜRGENS, Chronik, S. 517, erwähnt unter dem 8.7.1634 Schellhammer beim Versuch des Entsatzes v. Hildesheim.

[10] Hameln; HHSD II, S. 192ff.

[11] Jost [Jobst] Maximilian Graf v. Gronsfeld [Gronsfeldt, Gronßfeld, Gronsfelt, Cronfeld, Cronsfeld, Kranigsfeld, Gransfeld] [6.11.1596 Rimburg-24.9.1662 Gronsveld], ligistisch-bayerischer Obrist, kurbayerischer Feldmarschall. Vgl. WARLICH, Für Bayern, Habsburg und Reich [Typoskript]; LAHRKAMP I-III.

[12] Liga: Die Liga war das Bündnis katholischer Reichsstände vom 10.7.1609 (vgl. ERNST; SCHINDLING, Union und Liga) zur Verteidigung des Landfriedens u. der katholischen Religion, 1619 neu formiert, maßgeblich unter Führung Maximilians I. v. Bayern zusammen mit spanischen u. österreichischen Habsburgern an der Phase des Dreißigjährigen Krieges bis zum Prager Frieden (1635) beteiligt, danach erfolgte formell die Auflösung. Das kurbayerische Heer wurde Teil der Reichsarmada. Zur Liga-Politik vgl. KAISER, Politik, S. 152ff.; KAISER, Angstgetriebene Politik, S. 101ff.

[13] „Kleiner Krieg“: Gegensatz zum „gehegten Krieg“: Krieg der kleinen Truppeneinheiten, Streifkorps u. verbündeten Bauernhaufen, mit Scharmützeln, „Rencontren“, kleineren Treffen, Überfällen etc., um den Gegner überraschend anzugreifen, ihm den Nachschub zu nehmen u. ihn auszuhungern.

[14] Vgl. auch BRNADIC, Imperial Armies (1) u. (2); HÖBELT, Von Nördlingen bis Jankau; REBITSCH; ÖHMAN; KILÍAN, 1648; ALLMAYER-BECK, Die kaiserlichen Kriegsvölker; SCHREIBER, Des Kaisers Reiterei.

[15] Freikompanie, „Freifahne“: Kompanie (auch Freifahne), die keinem Regiment u. keinem Regimentsstab unterstellt war. Bei den Kaiserlichen waren dies Hannemann, Unger u. Augustin. Vgl. KONZE, Stärke, S. 34f.

[16] N Brandjohann [ – ], kaiserlicher Freikorpsführer.

[17] Stadtarchiv Brakel A 1524, fol. 2 (Ausfertigung): Dietrich Hasenbein, Bellerden, 10.7.1634, zur Wiederaufstellung ligistischer Regimenter; jetzt auch NEUWÖHNER, Im Zeichen des Mars, 63. Nach GEYSO, Beiträge (1624), S. 88, „richtige Räuberbanden“; so auch TESKE, Bürger, Bauern, S. 104. Österreichisches Staatsarchiv Allgemeine Feldakten 1635/2/58 II: „Beschreibung aller kayserischen undt ligistischen regimenter von cavalleri undt infanteri compagnia“ unter Nr. 18: „Hosenbain neugeworben under maintzische patent“; vgl. die Erwähnungen bei ENGELBERT, Hatzfeldt; DAMBOER, Söldnerkapitalismus, S. 77; LUCKHARD, Homberg, S. 172, anlässlich der Belagerung v. Homburg a. d. Efze; bei SCHNEIDER, Recklinghausen, S. 175, „Hastenbein“ vom Regiment Merode-Westerholt.

[18] N Quadfasel [ – ], ligistischer Freikorpsführer.

[19] Söldner: Der Superintendent zu Halle, Arnold Mengering, schrieb 1638 in seiner „Perversa Ultimi Seculi Militia“, S. 431: „Vnsere heutige Krieger sind mehrteils fast nichts / als BeutemacheR / PlündereR / BawerBlacheR vnd LeutschindeR / TribulireR vnd PeinigeR / EngstigeR vnd LeutbetrübeR / Summa / BuschklöppeR vnd StrassenräubeR / etc“. So auch der spanische Offizier Francisco de Valdés: „An dem Tag, an dem ein Mann zur Pike greift, und Soldat wird, an diesem Tag hört er auf, ein Christ zu sein“. JUNKELMANN, Tilly, S. 27. Söldner rekrutierten sich zumeist aus den städtischen u. ländlichen Unterschichten aus ganz Europa, d. h. überschuldete Bauern, entflohene Leibeigene, nachgeborene Bauernsöhne, durch die engen Zunftordnungen quasi erwerbslose Handwerksgesellen u. arbeitslose Bergarbeiter. Teilweise erhielten sogar Straßenräuber bei ihrer Gefangennahme Pardon, wenn sie in die Armee eintraten. Vgl. RATHJEN, Soldaten im Dorf, S. 211ff. Aber auch Straftäter bzw. die, die dem Hexereiverdacht entgehen wollten (=> Hexenverfolgungen im Heer), ließen sich anwerben, u. Vagabunden wurden unter die Armee gesteckt, wie z. B. in England oder in Spanien. Söldnerführer wurden meist unter den Familienmitgliedern der Feudalherren u. deren Gefolge, den schottischen Clans, mitunter auch innerhalb der Bürgerschaften der Städte angeworben, zumeist aber im fremden Gebiet auf einem speziell dafür eingerichteten Musterplatz. Das war ein v. den Städten und Territorien gefürchteter Platz zur Musterung u. Einstellung v. Söldnern, dessen Einrichtung man nach Möglichkeit u. Zahlungen zu verhindern suchte. Der militärische Unternehmer richtete einen Platz, meist in der Nähe einer Stadt, in deren Wirtshäusern oder in Landstrichen ein, die wegen ihrer wirtschaftlichen Krisensituation als besonders geeignet galten, ein, an dem sich die v. Werbern mit einem Handgeld geworbenen Söldner oder Rekruten einfanden. Wenn sie gemustert u. für tauglich befunden wurden, wurden sie durch den Musterschreiber in Musterrollen eingeschrieben u. zum Teil durch Landschützen begleitet, um ein sofortiges Ausreißen zu verhindern, an ihren Bestimmungsort verbracht. Dazu wurden Fangprämien ausgelobt; CONRAD; TESKE, Sterbzeiten, S. 271. Die Heeresunternehmer hatten ein Werbepatent, das sie zur Stellung einer festgelegten Anzahl v. Soldaten verpflichtete. Konnte die Anzahl nicht erreicht werden, mussten die Werbegelder vom Kriegsunternehmer aus eigener Tasche zurückgezahlt werden. Im Laufe des Krieges wurden so viele Neuanwerbungen notwendig, dass die Werbung trotz steigender Werbegelder immer schwieriger wurde, so dass sich erzwungene Werbungen häuften. BURSCHEL, Söldner, S. 126f.). LANGER, Hortus, S. 92f. Vgl. die selbstkritischen Äußerungen des schottischen Söldners Sir James Turner [1615-1686; MURDOCH, SSNE ID: 63], Memoirs, S. 14: „I had swallowed without chewing, in Germanie, a very dangerous maximie, which militarie men there too much follow; which was, that so we serve our master honnestlie, it is no matter what master we serve; so, without examination of the justice of the quarrel, or regard of my dutie to either prince or countrey, I resolved to goe with that ship I first rencounterd”. Den Söldnern haftet immer noch negativer Ruf an. Oft werden sie als Totschläger angesehen, die für Geld töteten u. den Bauern ihre Existenzgrundlage nahmen. Die Söldnerhaufen immer wieder als Sammelbecken für Kriminelle, fahrendes Gesindel u. Ausgestoßene beschrieben. Erst in der letzten Zeit wird versucht, diese soziale Gruppe wertneutral zu betrachten u. ihre Herkunft, ihre Lebensweise u. ihre Motivation, Söldner zu werden, zu ergründen; vgl. das Tagebuch des Söldners Hagendorf; PETERS, Söldnerleben. Auch die simple Zuschreibung der Täterrolle ist zu hinterfragen, da sie in vielen Fällen selber von den Kriegsunternehmern oder ihren Offizieren ausgenutzt wurden. Allmählich bildete sich im Zuge der Aufstellung immer größerer Heere ein Offizierkorps heraus, das sich überwiegend aus dem Adel rekrutierte. Meist stammten ihre Offiziere je nach Rang aus dem niederen bis hohen Adel, jedoch aus verschiedenen Ländern. In wenigen Fällen war es sogar möglich, trotz niedriger Herkunft oder auch trotz eines verachteten Berufsstands durch Verdienst in den Adel aufzusteigen. Der jeweilige Kriegsherr schloss mit einem erfahrenen Söldner (Obrist, Obristleutnant, Hauptmann) einen Vertrag (das so genannte „Werbepatent“), in dem er ihn eine festgelegte Anzahl v. Söldnern anwerben ließ. Dafür wurde ihm einer der v. Städten u. Territorien wegen der Ausschreitungen gefürchteten „Musterplätze“ angewiesen. Zudem erhielt der Werbeherr eine vereinbarte Geldsumme, mit der er die Anwerbung u. den Sold der Geworbenen bezahlen sollte (=> Werbegeld). Manchmal stellte der Werbende auch Eigenmittel zur Verfügung, beteiligte sich so an der Finanzierung und wurde zum „Gläubiger-Obristen“ des Kriegsherrn. Zudem war der Werbeherr zumeist Regimentsinhaber der angeworbenen Truppen, was ihm zusätzliche beträchtliche Einnahmen verschaffte. Manche Rekruten wurden v. den Werbeoffizieren doppelt gezählt oder unerfahrene, z. T. invalide u. mangelhaft ausgerüstete Männer als schwerbewaffnete Veteranen geführt, um vom Obristen eine höhere Summe ausgezahlt zu erhalten. Auch Hauptleute, meist adliger Herkunft, stellten Kompanien oder Fähnlein auf eigene Kosten dem Kriegsherrn bzw. einem Obristen zur Verfügung, um dann in möglichst kurzer Zeit ihre Aufwendungen wieder hereinzuholen u. noch Gewinne zu erzielen, was zu den üblichen Exzessen führen musste. Teilweise wurde die Anwerbung auch erschlichen oder erzwungen. Auf der Straße eingefangene Handwerker wurden für Wochen ins Stockhaus gesteckt u. durch die Erschießung von Verweigerern zum Dienst gezwungen; SODEN, Gustav Adolph 2. Bd., S. 508. In einem Bericht aus Wien (Dezember 1634) heißt es: „Aus Schwaben und Bayern kommen wegen der großen Hungersnoth viele tausend Menschen auf der Donau herab, so dass man immer von Neuem werben und die Regimenter complettiren kann“. SODEN, Gustav Adolph Bd. 3, S. 129. JORDAN, Mühlhausen, S. 90f. (1637) über den Werbeplatz Sporcks: „Den 4. April ist er wieder mit etlichen Völkern zurückgekommen und hat sich mit denselben hier einquartiret und seinen Werbeplatz hier gehabt, hat auch viel Volk geworben, wie denn die Eichsfelder und andere benachbarte häufig zuliefen und Dienst nahmen, nur dass sie ins Quartier kamen und die Leute aufzehren konnte. Viele trieb auch der Hunger. Als es aber ans Marchiren gehen sollte, so wurde aus dem Marchiren ein Desertieren“. Für Anfang 1643 heißt es über die Werbemethoden des schwedischen Kommandanten in Erfurt, Caspar Ermes; JORDAN, Mühlhausen, S. 97: „In diesem Jahre legte abermals der Commandant von Erfurt einen Capitän mit einer Compagnie Infanterie in die Stadt, um Soldaten zu werben. Weil sie aber nicht viel Rekruten bekamen, so machten sie einen listigen Versuch. Sie warfen Geld in die Straße; wenn nun jemand kam und es aufhob, so sagten sie, er hätte Handgeld genommen, er müsse nun Soldat werden. Im Weigerungsfalle steckten sie solchen Menschen in den Rabenturm, wo er so lange mit Wasser und Brod erhalten wurde, bis er Soldat werden wollte“. Vgl. RINKE, Lippe, S. 20f.; PLATH, Konfessionskampf, S. 482. Das Werbegeld war Handgeld für neugeworbene Soldaten; eine Summe, die dem Werbeoffizier zur Ausführung v. Werbungen anvertraut wurde, die je nach Truppengattung u. Armee differierte u. oft v. Werbeoffizieren unterschlagen wurde. Üblich waren etwa 8 Rt., der Durchschnittssatz für Fußsoldaten. Für Kürassiere (mit ganzem Harnisch) erhielt ein Obrist 1635/37 15-20 Rt., für Kroaten 10-13.30 Rt., Kosaken (polnische Reiter) 20 Rt., Dragoner 12 Rt., Arkebusiere 15 Rt.; ERNST, Madrid und Wien, S. 301. 1633 wurden in Mühlhausen bis zu 34 Rt. für einen Söldner ausgegeben bzw. in Rechnung gestellt. Nach der Aufstellung v. KAPSER, Kriegsorganisation,  S. 271ff., entstammten v. den 1638-1648 in Kurbayern u. in der Oberen Pfalz Rekrutierten folgenden Beschäftigungsbereichen: 1, 6 % Handel, 16, 2 % Nahrungsmittel- und Gastgewerbe, 28 % Bekleidungs-, Textil- u. Lederverarbeitungssektor, 16, 7 % Baugewerbe, Holz- u. Metallverarbeitung, 17, 3 % Landwirtschaft, Gartenbau u. Viehzucht; alle anderen Gewerbe lagen bei max. 1, 7-1, 1 % oder niedriger. Nach SCHLÖGL, Bauern, S. 157, kam ein Dienstbote im bayerischen Raum auf etwa 12 Gulden pro Jahr (ohne Verpflegung), so dass der Militärdienst angesichts des Werbegeldes unter Umständen attraktiv erscheinen konnte. PARKER, Der Dreißigjährige Krieg, S. 284, vermutet, dass Handgeld, neue Kleidung sowie Aussicht auf Sold u. Beute als Alternative zur Unsicherheit der Existenz (bei rückläufiger Produktion) u. der Möglichkeit, v. Söldnern beraubt oder durch Steuern ruiniert zu werden, betrachtet wurden, u. dass trotz aller Umstände die Armee eine gewisse Sicherheit bot. Für die bayerische Armee 1648 trafen angesichts sinkender Preise u. steigender Löhne aber nur Handgeld u. die Aussicht auf Beute zu. Der einfache bayerische Soldat wurde mit 12 Dukaten abgefunden. Zur Motivation schottischer Söldner MAHR, Oberst Robert Monro, S. 54: „Hier ist auch zu sehen, dass der Baron von Foulis edlen Andenkens es nicht für eine Beeinträchtigung seines Ansehens hielt, zuerst meinem Lord Reay und seinem Regiment als Freiwilliger zu folgen, bis er einige Gefechte gesehen und einige Erfahrung gesammelt hatte. Dann begann er mit einer Kompanie und wurde zuletzt mit Ansehen Obrist eines Regiments zu Fuß und zu Pferd. So ermunterte er andere seines Namens und seiner Verwandtschaft, seinem Beispiel zu folgen und ehrenvoll im Ausland zu leben, anstatt ihren Freunden zu Hause, wie es viele tun, zur Last zu fallen. Dabei müssen sie, wie wir in Schottland sagen, für einen halben Laib Brot springen, während andere aufgrund ihrer Tapferkeit nobel im Ausland leben, sich Diener leisten können und von silbernen Tellern speisen“. Es wurden jedoch zuweilen auch bereits zehn- bis fünfzehnjährige Jungen als Soldaten rekrutiert (vgl. BURSCHEL, Söldner, S. 120). Bei den Schweden galten 15 Jahre als ideales Eintrittsalter. Im kursächsischen Fuß-Regiment Eustachius v. Löser fanden sich unter 1145 Mann 209 Weiber, 131 Kinder, 8 Mägde immerhin 80 Soldatenjungen; BORKOWSKY, Schweden, S. 64. Vgl. dazu die sehr positive Darstellung des französischen Gesandten d’Avaux; LORENTZEN, Die schwedische Armee, S. 84ff.: „die Schweden hatten die schönste und disziplinierteste Armee, welche man seit den Legionen des Cäsar gesehen hat. Sie waren beinahe sicher, alles, was sich ihnen entgegenstellte, entweder zu schlagen oder durch Beharrlichkeit zu vernichten. Sie waren im Felde zu allen Jahreszeiten gut, abgehärtet sowohl gegen die Hitze der Hundstage, als auch gegen die heftigste Kälte. Sie hielten drei Monate in den Quartieren aus, in welchen die kaiserliche Armee nicht acht Tage bestehen konnte, so dass mit der Zeit ihnen nichts entwischen konnte. Die Armee war ihr Hof, ihr Gut, sie war ihr wirkliches Vaterland, denn alle Kinder, welche sie seit zwanzig Jahren bekommen hatten, waren im Lager geboren, waren von der Wiege an an das Gewehrfeuer gewöhnt und trugen, erst sechs Jahre alt, ihren Vätern in den Laufgräben oder zur Schildwache das Essen hin. Trotzdem die Armee kein sehr geeigneter Platz ist, die Jugend zu erziehen, so achtete man doch sorgsam auf die Unterweisung, indem man sie in den kleinen Schulen, welche im Quartier, oder wenn man im Felde lag, im Lager waren, Lesen und Schreiben lehrte. Sobald die Armee ihr Lager aufgeschlagen hatte und die Quartiere verteilt waren, gingen die Kinder zu den besonders für die kleinen Schulen eingerichteten Plätzen. Da sind Dinge vorgekommen, welche kaum zu glauben wären, wenn sie nicht von allen Generälen bestätigt wären: es wurde erzählt, dass die Feinde manchmal so nahe gewesen wären, dass ihre Kanonen sogar die Schulen erreichen konnten. Da wären 3-4 Kinder von einer einzigen Kugel hingerafft worden, ohne dass die übrigen auch nur den Platz gewechselt hätten oder die Feder weggelegt hätten, welche sie in den Händen hatten. Solche Standfestigkeit war ganz anders, als die der jungen Lacedämonier, welche sich lieber die Eingeweide zerfleischen ließen, als ihren Diebstahl zu gestehen. Die Rekruten ihrer Infanterie wurden lediglich von diesen Lagerkindern genommen. Im Alter von 16 Jahren nahmen sie schon das Gewehr und desertierten niemals, weil sie kein anderes Leben, keine andere Beschäftigung kannten. Bei der Kavallerie wurden die Bedienten der Herren aufs Pferd gesetzt, wenn sie sieben oder acht Jahre bei der Armee gedient hatten, und waren schon vorher in den Waffen geübt und an den Krieg gewöhnt, bevor sie angeworben wurden, so dass man sagen konnte, dass unter ihnen ebenso viele Offiziere waren, als Soldaten“. Vgl. auch Trossbube; LAHRKAMP, Dreißigjähriger Krieg, S. 199. Söldner rekrutierten sich auch aus ehemaligen Trossbuben (oder Trossjungen). Diese wurden als Bedienung der unteren militärischen Chargen sowie zur Versorgung der Pferde u. für die Beaufsichtigung der Viehherden eingesetzt. Sie stammten häufig aus den Soldatenfamilien, die den Heereszug im Tross begleiteten. Sie wurden oft misshandelt u. von ihren Herrn sogar getötet, ohne dass Anklage erhoben wurde. Teilweise wurden sie auch aus Überlebensgründen v. den Eltern Soldaten mitgegeben. Da die Trossbuben ökonomisch vollkommen abhängig und zudem schlecht versorgt waren, lassen sie sich häufig als Diebe nachweisen. Vielfach gerieten die 13 bis 15 Jahre alten Jungen als Trommlerbuben u. Pferdejungen ins unmittelbare Kriegsgeschehen. Soweit sie eine Muskete bedienen konnten, konnten sie, falls erforderlich, auch im Kampf eingesetzt werden, was häufig bei spanischen Einheiten der Fall war. Trossbuben, die v. ihren Herren schon bei der geringsten Verfehlung totgeschlagen werden konnten (NEBE, Drangsale, S. 134), waren teilweise nur sechs oder sieben Jahre alt, wenn sie zum Militär kamen oder v. ihren Eltern dem Militär übergeben wurden, damit sie dort überleben konnten. Die Älteren wurden bei der Reformation der Bagage auch als Knechte in die Feldartillerie gesteckt, wenn sie dazu brauchbar erschienen (DAMBOER, Söldnerkapitalismus, S. 259). Sie wurden als Kindersoldaten u. Soldatenjungen missbraucht, die teilweise unter elendsten Umständen umkamen, v. erbitterten Bauern erschlagen wurden oder v. ihren Herren zurückgerlassen wurden. Vgl. die Pfarrchronik v. Vach (10./20.10.1632), GROßNER; HALLER, Zu kurzem Bericht, S. 27: „Ein Soldatenjung [Offiziersbursche] aus Holland, hat vom Pfarrhof nicht gewollt. Wird ohne Zweifel mit seinem Herrn sein Quartier im Pfarrhof gehabt haben, hab ihm Brot und frisches Wasser gereicht, denn er sonsten nichts trinken wollen, auch nichts zu bekommen gewesen; stirbt auf der Miststatt“. Vgl. auch die Erlebnisse des 16jährigen Curd Kästener, der sich mit 12 Jahren hatte der kaiserlichen Armee anschließen müssen u. am 25.11.1641 der Hungersnot in seinem Regiment nach Erfurt entfloh. BERG, Regulating war, S. 15f.; HAHN, Kriegserfahrungen, S. 9-14. Groß war die Anzahl der Frauen, die neben den Soldatenfrauen im Tross hinter den Soldaten herzogen. Der Jesuit J. Drexel, Hofbeichtvater und Begleiter Maximilians I. auf dem Böhmischen Feldzug (1620 X 04); MILGER, Gegen Land und Leute, S. 89: „Sonderbar anzusehen war eine Frau, die ihr Kind auf dem Kopf trug, weil ihre Hände mit Gepäck beladen waren. Es ist unglaublich, wieviel Last eine solche Soldatenfrau schleppen konnte. Rücken, Kopf, und beide Hände waren beladen, dazu beide Hüften mit Bündeln umbunden. Ich sah eine andere, die eine Muskete wie ein Mann vor sich trug und in gleicher Weise ging. Doch weshalb erzähle ich von diesen Absurditäten ? Es gibt sie ohne Ende”. Aufzeichnungen des Barbiers Hartmann Thomas [1588-nach 1623]; WAAS, Chroniken, S. 60: „Dieses 1621. Jahr haben die Soldatenweiber, welche alhier in der Garnison gelegen, alles Obs, auch Kraut und Rüben heimgetragen und gebraucht, zum Teil auch verkauft, also daß die Bürgersleut das wenigs Teil davon bekommen haben, dann fast ein jeglicher Soldat [Ernst I. Graf von Isenburgs Regiment; BW] Weib und Kinder gehabt hat, weil sie auch sieben Jahr zu Aachen in Besatzung gelegen haben, und des Faulenzens gewohnt seind gewesen”. Vgl. auch die Aufzeichnungen des Söldners Hagendorf; PETERS, Söldnerleben. 1623 sollen allein 140 Dienstmägde den Soldaten des Vitzthum’schen Regiments gefolgt sein; RITTER, Einfluss, S. 44; ZIMMERMANN, Tagebuch, S. 11. Doch sollte sich die lange Besatzungszeit der Ligisten in einer allgemeinen Verwilderung der Sitten z. B. auch in Hameln bemerkbar machen. In ihrer Werbung v. 1631 hatte sich die Bürgerschaft bitter über die immer mehr um sich greifende „Unzucht und Hurerei“, die wohl zum Teil auch aus Überlebensgründen heraus praktiziert wurde u. zur Stadtverweisung führte, über Felddiebstähle u. die sich in der Stadt herumtreibenden „ledigen Mannes- und Weibespersonen“ sowie über die übermäßige Heranziehung Hamelner Bürger zu den v. den Soldaten verachteten Schanzarbeiten, da nach Tillys »Schultheißeninstruktion« Huren und Trossleute wie auch verurteilte Verbrecher dazu verpflichtet waren, beklagt. Zum Kindsmord unter Soldatenfrauen vgl. JÜRGENS, Chronik, S. 517: „Den 21. Martii [1634] ist ein todtes Kind in dem Sode bey der Apotheken gefunden worden, welches ein Soldatenweib vom Andreasberge bürtig, Catharina Evers genant, und von einem andern, ehe sie sich verehelichet, geschwängert worden, und deshalben inscio marito darhinein geworfen hatte. Nach wenig Tagen kam es aus, und zwar vom Handtuch, darauf der Wirtinn Nahme gestanden gestanden, und ward das Weib eingezogen und den 25. April alhier auf dem Markte decolliret“. Schon KIRCHHOFF, Militaris Disciplina, S. 106, hatte geklagt: Das „seltzame / wüst und Gottloß gesindtlein / welches daheym Vatter und Mutter / Herren / Frawen / &c. nicht gehorchen / und niemandt redlich gut thun wil: aber den Kriegsleuten ihren Plunder nachträgt: Thut den armen Leuten / wo sie hinkommen / etwa manchmal / sonderlich die Niderländischen / mehr Uberdruß unnd Schaden / dann die Knecht selber: Jn Summa / mit einem kurtzen Nahmen / Hurn und Buben”. Anscheinend hatten sich auch die Soldatenfrauen u. Trossweiber der Konföderierten an dem Gemetzel an den Kaiserlich-Ligistischen in der Schlacht bei Hessisch-Oldendorf 1633 beteiligt; Staatsarchiv Bamberg C 48/195-196, fol. 117 (Abschrift, PS): August Erich an Johann Ernst v. Sachsen-Eisenach, Kassel, 1633 VI 30 (a. St.): „Unter andern sagt mann auch, dz ein solcher ewer unter den soldaten weibern gewesen sei, daß die Heßische und Schwedische sambt andern soldaten weibern die Merodischen und Gronsfeldischen mit meßern unnd gewehr darnieder gestoßen, und ihnen ihre kleider sambt andern außgezogen und abgenommen“. Mit dem Heerwurm zogen die einfachen Soldatenweiber, die die Ernährung der Familie sicherstellen mussten u. zum Teil 50-60 Pfd. geschleppt haben sollen. BURSCHEL, Himmelreich, S. 189: „Ehe, Familie – unter den Bedingungen eines Lebens in und vom Krieg hieß das in erster Linie Hilfs-, Not-, Versorgungs- und nicht zuletzt auch Beutegemeinschaft”. Am 15.2.1645 hatte Maximilian I. wieder einmal angeordnet, dass die Konkubinen u. nicht ehelichen Frauen der Offiziere u. Mannschaften abzuschaffen u. in den Quartieren der Obristleutnants Galgen zu errichten seien; HELML, Dreißigjähriger Krieg, S. 249. Am 24.5.1645 hatte Maximilian auch schon Franz v. Mercy befohlen, „ingleichen sollet Ihr die Concubinen bei der Armada nit gedulden, sondern, waß nit eheliche Weiber seindt, davon wekhschaffen“. HEILMANN, Kriegszüge, S. 230. Allem Anschein nach hatte der Versuch der Durchführung dieser neuerlichen Anordnung zur Verhinderung der „fleischlichen Verbrechen“ – teilweise lebten Soldaten mit Ehefrau u. Konkubine in den Lagern – das „ehrlose Gesinde, wie sie Luther nennt, die also alle Länder nach Kriegen auslaufen, und Seel und Leib und Geld – wie die Huren – feiltragen“ (Sebastian Franck; WOLLGAST, Friedensidee, S. 232) – zu Aufruhr unter den Soldaten geführt. Frauen, deren Männer in Gefangenschaft gerieten, erhielten, wenn sie Glück hatten, einen halben Monatssold ausgezahlt und wurden fortgeschickt. Zum Teil sollen doppelt so viele Frauen wie Soldaten mit den Regimentern gezogen sein; HOYOS, Kaiserliche Armee, S. 178. Auf der unerlaubte Entfernung vom Regiment stand in den Kriegsartikeln die Todesstrafe, die nur nicht verhängt wurde, wenn Bedarf an Soldaten herrschte. Vgl. WINTER, Möser, S. 19f.: „Den 21. März [1628] läßt Hauptmann Föckler einen Reiter, so bei dem Merodischen Regiment, und einen Soldaten, so unter Hauptmann Kestgens, und einen, so unter seiner Compagnie ausgerissen, henken an die Justiz auf dem Markte. Den 2. April aber hat er einem Corporal zu Roß den Kopf, auch der Ursache halben abschlagen lassen”. JORDAN, Mühlhausen, S. 90f., für 1637: „Den 31. März [10.4.; BW] ist der Oberst Spork mit seinen Völkern allhier vor die Stadt gekommen, hat Quartier begehret und daneben angedeutet, wie ihm Nordhausen auch assignirt worden; des andern Tages ist er wieder von hier nach Nordhausen gezogen. Den 4. [14.; BW] April ist er wieder mit etlichen Völkern zurückgekommen und hat sich mit denselben hier einquartiret und seinen Werbeplatz hier gehabt, hat auch viel Volk geworben, wie denn die Eichsfelder und andere benachbarte häufig zuliefen und Dienst nahmen, nur daß sie ins Quartier kamen und die Leute aufzehren konnte. Viele trieb auch der Hunger. Als es aber ans Marchiren gehen sollte, so wurde aus dem Marchiren ein Desertieren”. Teilweise ließ man Deserteure um ihr Leben würfeln; DOLZ, Versuch, S. 298. Zur Desertion trug auch die Praxis bei, untergesteckte Söldner „zue disem sturmb, wie andere mehr, wider wüllen […] vornen an die spüz” als Kugelfang zu stellen, wie ein kaiserlicher Soldat, der bei der Belagerung Überlingens 1634 verletzt wurde, nach Mitteilung Bürsters über seine Dienste nach der zwangsweisen Untersteckung unter die schwedische Armee berichtete; WEECH, Bürster, S. 67. Vgl. KAISER, Ausreißer; KAISER, Lebenswelt der Söldner. Das bayerische Memorial vom 16.4.1643 [Bayerisches Hauptstaatsarchiv Kurbayern Äußeres Archiv 2763, fol. 23, Punkt 9] bestimmte, dass, wenn ein Neugeworbener ausreiße, sofort nachzuforschen sei, welche besonderen Kennzeichen er habe; diese seien alsbald zu notieren. Wenn trotzdem einer nicht mehr aufgefunden werde, so solle sein Namen an den Galgen geschlagen, u. wenn er Handwerker sei, ein solches den Zünften alsbald zu notifizieren sei, damit dergleichen meineidige Gesellen über kurz oder lang v. Handwerks wegen aufgeschrieben u. zur Strafe gezogen werden könnten. Dies sei den Neugeworbenen, insbesondere den Handwerksgesellen, schon bei der Neuwerbung u. Eidesleistung zu eröffnen. DAMBOER, Krise, S. 264f. Vgl. SIKORA, Söldnergeschichte(n); neuerdings EICKHOFF; SCHOPPER, 1636; WILSON, Der Dreißigjährige Krieg, S. 942ff.

[20] Marsberg, Ober- u. Nieder- [LK Brilon]; HHSD III, S. 494ff.

[21] Brakel [LK Höxter]; HHSD III, S. 112f.

[22] Warburg [LK Warburg]; HHSD III, S. 752ff.

[23] Salzkotten [LK Hoya] HHSD II, S. 245ff.

[24] Paderborn; HHSD III, S. 601ff. Vgl. BRAUN, Paderborn im Dreißigjährigen Krieg; GÖTTMANN; HÜSER; JARNUT, Paderborn 2. Bd.

[25] Straßenraub: Straßenraub war eines der Grundübel dieses Krieges u. alltäglich. Die „Relationis Historicae Semestralis Continuatio“, S. 92 (Dezember 1648): „Den 15. 25. eiusdem, als der Schwedische Commissarius Faber zum Jauer / von Groß-Glogaw in der Rück-Reyse begriffen gewesen / ist selbiger von 13. Strassen-Räubern angefallen / vnd er sampt 3. Knechten / so ein Gespann Pferde geführt / mit Holtz-äxten zu tode geschlagen / vnd also jämmerlich ermordet worden“. KORSCHELT, Geschichte von Oderwitz, S. 232: „Besonders übte der Kurfürst von Sachsen große Strenge gegen die Excesse seiner Truppen. So wurde z. B. am 21. Februar 1637 ein Reiter, der beim Straßenraub überwunden, erschossen und von seinen Kameraden Schande halber schnell verscharrt worden war, auf kurfürstlichen Befehl wieder ausgegraben, nachträglich geköpft und, damit der Gerechtigkeit Genüge geschehe, aufs Rad geflochten. Später wurden in Dresden einmal sechs und ein andermal sieben Soldaten mit dem Schwert hingerichtet“. Straßenraub durch Soldaten geschah oft aus Not heraus. Osnabrück (1634) über die schwedische Garnison; BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischenn handlung, S. 275: „Die soldaten werden nicht bezahlt, bekommen keine leynung [=> Lehnung; BW], doch mußen die burger, einn jeder nach ihren stande, alle wochen gewiß ihr contribution außgeben. Die soldaten brechen des nachts den burgern ihn ihre heuser durch dycke mauren und fenster. Den armen hauß[leuthen] nehmmen sie butten [außerhalb; BW] der stad leynwand und was sie sonst fur war zur stad zu kaufe bringen. Ja, bey liechten tag berauben sie die haußleuth [Bauern; BW] mit gewalt auf denn straßen“. Die „Relationis Historicae Semestralis Continuatio“, S. 93, (1649): „Ein Nider-Oesterreichischer Bawer wolte seiner Obrigkeit den gebührenden Jahr-Zinß bringen / wurde aber auff freyem Felde von einem Reutter angesprengt / vnd jhme das Gelt abgenommen. Der Bawer / welcher sich gegen dem Soldaten beklagt / man würde jhm solches nicht glauben / bate den Reutter / daß er jhme ein Loch durch den Hut / vnnd eines durch den Rock schiessen wolte / damit er solche vorzeigen / vnd seine Sach damit gut machen möchte. In dem nun der Reutter sich hierzu bereden lassen / vnd beyde Pistolen gelöset / wurde er vom Bawren ab dem Pferd gezogen / tod geschlagen / vnnd das Gelt wieder zurück genommen / welches er dann seinem Herrn gebracht / vnd darneben den gantzen Casum erzehlt“.

[26] Kurköln, auch Erzstift u. Kurfürstentum Köln, war eines der ursprünglich sieben Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reiches. Es bildete den weltlichen Herrschaftsbereich der Erzbischöfe v. Köln u. ist von deren sehr viel größerem Erzbistum zu unterscheiden, zu dem mehrere Suffraganbistümer u. weitere Gebiete gehörten, die nur der geistlichen, nicht aber der staatlichen Gewalt des Erzbischofs unterstanden. Ebenfalls zu unterscheiden ist es ab dem Spätmittelalter v. der Stadt Köln, die sich 1288 (Schlacht v. Worringen) aus dem Erzstift löste u. vom Erzbischof nur noch zu religiösen Handlungen betreten werden durfte; die offizielle Erhebung der Stadt Köln zur Freien Reichsstadt erfolgte allerdings erst 1475.

[27] N Tolleker [ – ], Freikorpsführer.

[28] Hoya, Grafschaft: Celle hatte beim Aussterben der Grafen v. Hoya die untere Grafschaft mit den Ämtern Hoya, Nienburg, Liebenau, Westen, Altbruchhausen, Neubruchhausen u. Thedinghausen erhalten. KÖBLER, Historisches Lexikon, S. 281.

[29] TEGEDER, KREIENBRINK, „… der osnabrugischen handlung und geschicht“, S. 312.

[30] Höxter [LK Höxter]; HHSD III, S. 346ff.

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