Conraeds [Conrads, Conradts, Conratz], Dederich [T(h)eodorus]

Conraeds [Conrads, Conradts, Conratz], Dederich [T(h)eodorus]; Rittmeister [ – ] Dederich [T(h)eodorus] Conraeds [Conrads, Conradts, Conratz] stand als Rittmeister[1] des Regiments[2] Otto Christoph von Sparr[3] in kaiserlichen Diensten.

„Gegen Ende 1642 wurden die Eppischen[4] von den wilden, wüsten und zügellosen Söldnern des Rittmeisters Dederich Conraeds vom Regiment Otto Christoph Sparr abgelöst. Diese randalierten nächtlicherweise durch Dülken,[5] drangsalierten die Bewohner und ‚vergaßen‘ in den Wirtshäusern ihre Zeche zu bezahlen. So hatte einer der Soldaten, so klagte ein Bürger, als sein Kind alt, auf der Straße die Notdurft verrichtete, dieses da hineingestoßen, und als sich die Mutter beklagte, mit der Demolierung ihres Hauses beantwortet wurde“.[6]

„Im April 1643 sind wieder Reiter des kaiserlichen Obristen[7] Sparr in Dülken und die Bürger wandten sich mit einer energischen Klageschrift an den Landesherrn Wolfgang Wilhelm[8] … Ungefahr dreytzigh soldaten seynt uns in nahmen, daß vnß beschutzen sollen, eingeschickt, welche nun im funfften Monat vff vnsere kosten verpflegt worden, die dann monathlichs mit Einhondert Reichsthlr. mit verpflegt vnd vnterhalten werden konnen, vnd neben deme die kaiserliche assignationen nunmehr den funfften monath vnß zu zahlen uffgezwungen werden, Statt vnd kirspelsleuthen[9] daß funffte theill abgeforderdt wirdt, ist also ein solcher erbärmlicher zustandt, so Ew. Dchlt. [ Ehrwürdige Durchlaucht] nit genugsam remonstrirt werden können, … damit bei hauß und hoff pleiben konnen,[10] und dahern solches … nit geschehen mogen, ohne verzugh samtlich exulirend [in Verbannung lebend] den bettelstab in die händt zu nehmen genottzwungen werden.

Herzog Wolfgang Wilhelm wandte sich am 17. Mai mit der Bitte um Erleichterung der Lasten Dülkens und Süchtelns[11] an den Grafen von Vehlen[12] und an den Obersten Sparr, dass sich die Bewohner in einer Not befänden, welchen ein Stein in der erden erbarmen mogten, er möge doch seinem in Dülken befindlichen Rittmeister[13] befehlen, sich mit dem Servis[14] zufrieden zu geben.

Die Bitte hatte allerdings unerwarteter Folgen negativer Art.

In der Nacht vom 3. zum 4. Juli geschah ein verräterischer Überfall, bei dem Rittmeister Conrads eine einig ehrenhafte Rolle spielte. Eine Notiz des Bürgermeisters Johann Kirchhof berichtete über die Ereignisse die ihn unmittelbar betrafen, wie folgt: Dis Jahr 1643 op. St. Vlrikus[15] nacht ist des h. Obristen volck 2 oder 3 companien hie ingefahlen mit behulf des H. Rittmeister Teodorus Conratz, vnd als ich solches vernohmen, ich also bald mit meinem Sohn zu den Rittmeister gegangen, um zu hoeren die beschaffenheit, daruff der Rittmeister mich heißen die geminßleuth[16] also balt bie einand zu bringen, vmb ihnen die Order, die er vom h. Obrist hat, fürzuhalten, vnd weill nun in der eill keinen botten hab haben konnen, ich selber die gemeinßleith ihn der eill hab hie einander geruffen, vnd binnen der zeit, weil ich sulches thett, mich mein hauß mit gewalt vffgebrochen vnd mich uber die fünff und zwanzigh Rx. geschedigt.

Was aber Bürgermeister Kirchhof noch mehr traf, waren die weiteren Vorfälle dieser Nacht, die er sorgfältig notierte. Auch hier hatte der Rittmeister wieder eine unrühmliche Rolle inne. So berichtete der Bürgermeister: Als van dem 3. July biß auff den 4. des Nachts ein vereidter vom Kirspell Thonis Riemes genant, sich mit seinem Knecht an der Stadt Pfortzen angeben, Sagend, das die Heßische[17] bei Ihme vnnd seinen Nachbaren waren, das viehe hinwegnehmen, vnnd deren nur 7 oder 8, Mit begehren, Sollten ihme aus der Stadt zu hulff kommen, So ist der gefreyter von den Burgeren, Veit Roelen genannt, in guter bereitschaft gewesen, aber die Soldaten verbotten einigen tumult oder alarm zu machen. Als nun der gefreyter zum Rittmeister, vmb solchs erkennen zu geben, gehen wollen, Ist Ihme der korierer Merten auff Markt begegnet vnnd einig alarm zu machen verbotten, Ehe vnnd beuor der feindt keme auf die Stadt an. Vnter deme hat der alhie logierende Rittmeister Theodorus Conradts sich mit seinen Soldaten bei der Linden Pfortzen angeben, die Pfortzen eroffnet haben wollte, wie beschehen, vnnd sich verlauten laßen, Er wollte dem feyndt entgegen gehen. Als nun durch die erste Pfortz passiert vnnd selbige vom Pfortzner wieder uerschloßen vnnd die zweite eroffnet, so der Pfortzner auch wieder versperren wollte, aber Ihme vom Ritmeister befohlen, solche offen zu laßen, vnnd seindt alß die ubrige Pfortzen auch geofnet vnnd nit zugemacht, aber mit den Soldaten besetzt, vnnd der Rittmeister am schlagbaum bleiben stehen vnnd den korierer zu Pferdt mit etzlichen Soldaten etwas voraußgehen laßen, alsbald wieder zurugk auff die Stadt mit einem großen anzahl fueßvolck vnnd einem trop Reuter an vnnd einkommen. Als nun die Wacht anders nit gemeint, dan es die Heßen weren, die kaum einen Schuß weges von der Stadt wären, So waren doch selbige vom Gladbacher Guarnisaunen, Nahmen zu sich die Schlosser der Pfortzen, die Burger, so die Wacht hatten, alßbald mit haven, stechen wehrloß zu machen vnnd tödtlichen Verwundungen attaquirt, benentlich Henrichen Hanßen in ein Schulder verwundt, das zu besorgen lam verpleiben sol, darbei wehrloß gemacht, blaw vnnd schwartz geschlagenn.

Auch der wachhabende Veit Roelen machte eine Aussage zu den Ereignissen: Sagt wie oben, wie den allarm machen wollen vnnd solches Ihme von den korierter Merten verbotten worden, sei er die Rondt gangen vnndt als an die Gladbacher Pfortz kommen vnnd anders nit wuste, als die burger hetten die Wacht noch gehabt, aber von der Newer Wacht angeruffen ‚wer dae‘, ‚Rondt‘ geantwortet, die Newe Wacht Ihnen mit schlagen dergestalt tractirt, daß er sich entflich innt der flucht salviren müßen‘.

Einer solchen Kriegslist – mit dem Feind gemeinsame Sache zu machen, und dann noch durch einen kaiserlichen Rittmeister, der kein Feind war – waren die als Wachen eingesetzten Bürger nicht gewachsen. Nachdem das Glabacher- oder Lindentor kein Hindernis mehr darstellte, besetzte die feindliche Soldateska auch das Süchtelner- oder Steinentor und die Stadt war der abermaligen Plünderung preisgegeben. Aus den Läden wurden alle Vorräte geraubt, Leinen von den Betten und aus den Truhen gerissen, Lebensmittel und Geld, sofern vorhanden, weggeschleppt. Die Mehrzahl der Bürger floh wieder ins nahe Holland und die Zurückgebliebenen schwebten in steter Sorge und Furcht, dass die Hessen, wie schon Graf Eberstein[18] angedroht hatte, ihren Statgen auff den frontieren allernegst Kempen[19] gelegen wieder zurückkommen und erneut plündern würden. Alle Bemühungen der Stadtoberen an den Feldzeugmeister Graf von Vehlen, den ihm nachgeordneten Obersten Sparr, zum Verlassen Dülkens zu bewegen, scheiterten an der Hartnäckigkeit Sparrs“.[20] In diesem Juli unterrichtete G. B. Velbrück[21] aus Köln[22] Velen über die Beschwerden der Einwohner von Dülken über das Regiment Sparr.[23]

[1] Rittmeister (Capitaine de Cavallerie): Oberbefehlshaber eines Kornetts (später Esquadron) der Kavallerie. Sein Rang entspricht dem eines Hauptmannes der Infanterie (vgl. Hauptmann). Wie dieser war er verantwortlich für Werbung und Soldzahlung, für Disziplin, Ausrüstung und Verpflegung sowie für die Ernennung der untergebenen Führer. Oft war er in erster Linie für die materielle Versorgung der Truppe zuständig, und die eigentlich militärischen Aufgaben wurden von seinem Stellvertreter, dem Leutnant, übernommen. Bei den kaiserlichen Truppen standen unter ihm Leutnant, Kornett, Wachtmeister, 2 oder 3 Korporale, 1 Fourier oder Quartiermeister, 1 Musterschreiber, 1 Feldscherer, 2 Trompeter, 1 Schmied, 1 Plattner. Bei den schwedischen Truppen fehlten dagegen Sattler und Plattner, bei den Nationalschweden gab es statt Sattler und Plattner 1 Feldkaplan und 1 Profos, was zeigt, dass man sich um das Seelenheil als auch die Marsch- und Lagerdisziplin zu kümmern gedachte. Zudem wurde der Rittmeister, der in einer Kompanie Kürassiere 150 fl. Monatssold beanspruchte, bei seiner Bestallung in der Regel durch den Obristen mit Werbe- und Laufgeld zur Errichtung neuer Kompanien ausgestattet. Junge Adlige traten oft als Rittmeister in die Armee ein.

[2] Regiment: Größte Einheit im Heer: Für die Aufstellung eines Regiments waren allein für Werbegelder, Laufgelder, den ersten Sold und die Ausrüstung 1631 bereits ca. 135.000 fl. notwendig. Zum Teil wurden die Kosten dadurch aufgebracht, dass der Obrist Verträge mit Hauptleuten abschloss, die ihrerseits unter Androhung einer Geldstrafe eine bestimmte Anzahl von Söldnern aufbringen mussten. Die Hauptleute warben daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. Wegen der z. T. immensen Aufstellungskosten kam es vor, dass Obristen die Teilnahme an den Kämpfen mitten in der Schlacht verweigerten, um ihr Regiment nicht aufs Spiel zu setzen. Der jährliche Unterhalt eines Fußregiments von 3.000 Mann Soll-Stärke wurde mit 400- 450.000 fl., eines Reiterregiments von 1.200 Mann mit 260.-300.000 fl. angesetzt. Zu den Soldaufwendungen für die bayerischen Regimenter vgl. GOETZ, Kriegskosten Bayerns, S. 120ff.; KAPSER, Kriegsorganisation, S. 277ff. Ein Regiment zu Fuß umfasste de facto bei den Kaiserlichen zwischen 650 und 1.100, ein Regiment zu Pferd zwischen 320 und 440, bei den Schweden ein Regiment zu Fuß zwischen 480 und 1.000 (offiziell 1.200 Mann), zu Pferd zwischen 400 und 580 Mann, bei den Bayerischen 1 Regiment zu Fuß zwischen 1.250 und 2.350, 1 Regiment zu Roß zwischen 460 und 875 Mann. Das Regiment wurde vom Obristen aufgestellt, von dem Vorgänger übernommen und oft vom seinem Obristleutnant geführt. Über die Ist-Stärke eines Regiments lassen sich selten genaue Angaben finden. Das kurbrandenburgische Regiment Carl Joachim v. Karberg [Kerberg] sollte 1638 sollte auf 600 Mann gebracht werden, es kam aber nie auf 200. Karberg wurde der Prozess gemacht, er wurde verhaftet und kassiert; OELSNITZ, Geschichte, S. 64. Als 1644 der kaiserliche Generalwachtmeister Johann Wilhelm v. Hunolstein die Stärke der in Böhmen stehenden Regimenter feststellen sollte, zählte er 3.950 Mann, die Obristen hatten 6.685 Mann angegeben. REBITSCH, Gallas, S. 211; BOCKHORST, Westfälische Adlige.

[3] Otto Christoph Freiherr v. Sparr [1605 Lichterfelde-9.5.1668 Prenden], kaiserlicher, brandenburg-preußischer  Generalfeldmarschall. Vgl. GÖSE, Der erste brandenburgisch-preußische Generalfeldmarschall.

[4] [Johann] Wilhelm [Wennemar] v. Epp[e] [ -Dezember 1643], ligistischer, dann hessen-kasselischer, kaiserlicher Obrist.

[5] Dülken [LK Kempen-Krefeld]; HHSD III, S. 179f.

[6] Arbeitsgruppe für Orts- und Heimatgeschichte und Stadtarchiv Viersen [Hg.): ‚… was bereits hundert Tonnen Teutscher Gulden gekostet hat‘. Die Region Viersen im Dreißigjährigen Krieg, Viersen 2004, S. 124.

[7] Obrist: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Zum Teil wurden Kriegskommissare wie Johann Christoph Freiherr v. Ruepp zu Bachhausen zu Obristen befördert, ohne vorher im Heer gedient zu haben; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2398, fol. 577 (Ausfertigung): Ruepp an Maximilian I., Gunzenhausen, 1631 XI 25. Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S. 388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Dazu beanspruchte er auch die Verpflegung. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide. Zum Teil führte er auch seine Familie mit sich, so dass bei Einquartierungen wie etwa in Schweinfurt schon einmal drei Häuser „durch- und zusammen gebrochen“ wurden, um Raum zu schaffen; MÜHLICH; HAHN, Chronik Bd. 3, S. 504. II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.

[8] Wolfgang Wilhelm v. Pfalz-Neuburg [4.11.1578 Neuburg a. d. Donau-20.3.1653 Düsseldorf]. Vgl. KÜCH, Die Politik des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm. Wolfgang Wilhelm war wohl doch ein „offenbar recht beschränkter und unbeweglicher Geist, starr an einmal bezogenen Positionen festhaltend und von einem durch nichts zu erschütternden Bewußtsein wirklicher oder vermeintlicher Rechtspositionen durchdrungen, auf deren buchstäblicher Einhaltung er zu bestehen pflegte, ohne sich zu fragen, ob die Erreichung dieses Zieles nach Lage der Dinge möglich sei oder nicht“. SCHMIDT, Philipp Wilhelm, Bd. 1, S. 25f. KÜHN-STEINHAUSEN, Korrespondenz, S. 9, charakterisiert ihn wohl zu positiv. Vgl. LEFFERS, Neutralitätspolitik.

[9] Kirchspiel: die räumliche Grundlage der Pfarrorganisation, dazu gehörten außer dem Kirchdorf meist mehrere Bauerschaften. Diese wurden dann zur Grundlage der unteren landesherrlichen Verwaltungsebene, der Vogteien.

[10] Flucht: Überlebensstrategie in Kriegszeiten. Der Schuhmacher Hans Heberle listet in seinem „Zeytregister“ 30 Fluchten nach Ulm auf. ZILLHARDT, Zeytregister, S. 225; DEMURA, Flucht, S. 187ff. Der Bieberauer Pfarrer  Johann Daniel Minck; KUNZ/LIZALEK, Südhessische Chroniken, S. 253f.: „Viele verkrochen und versteckten sich zwar in Wälder, Höhlen, Klippen etc., waren aber ausgespähet, denn die [kaiserlich-bayerischen] Soldaten hatten bei sich menschenspürige Hunde, welche, wann sie an Mensch und Vieh kamen, mit ihrem Bellen die Leute verrieten und den Räubern Anzeig gaben. Darumb flohe alles auf die Schlösser. Da lagen alle Gassen, Höfe und Winkel voller Leute, besonders zu Lichtenberg, welches ein kleiner Behelf. Und derhalben auch viele im Regen, Schnee und Kälte unter dem freien Himmel lagen, teils lagen in Fässern und Bütten. Die Stuben waren Winterszeit so voll, dass wegen der Menge keines sitzen, sondern dicht ineinander stehen müssen. War ein groß Jammer und Elend anzusehen, zu geschweigen, selbst mit darin begriffen sein“. BENTELE, Protokolle, S. 192 (1634): „Des andern Tags, als man vernommen, dass die ganze Armee marchiere, haben sich Mann und Weib mit den Kindern in das Feld, Weinberg, Hülen, Klüften und Wäld mehistentails begeben, in Hoffnung, daselbsten sicher zue sein, bis das Ungewitter fürübergieng. Aber die wurden allerorten durch die Hund der Soldaten ausgespürt, gehetzt, gejagt, gefangen, ranzioniert, übel tractiert, und tails erbärmlich ermordet. War auch zu solcher Zeit Tag und Nacht schön und warm Wetter auf vierzehn Tag aneinander, daß doch also mancher dessentwegen desto besser in einem verborgenen Winkel durch Gottes väterliche Obacht bewahret gewesen, und sein Leben wie eine Ausbeut darvon gebracht hat“. Abt Veit Höser (1577 – 1634) von Oberaltaich bei Straubing berichtet; SIGL, Wallensteins Rache, S. 142f.: „In diesen Tagen [Dezember 1633; BW] trieben es die Schweden überall ganz arg. Sie streiften in alle Richtungen und Gegenden herum, durchstöberten sogar die menschenleeren Ödnisse und Wälder, alle Berghänge, jedes Tal, jede Schlucht, jeden Schlupfwinkel, daß die Menschen sich vor Todesängsten überhaupt nicht mehr auskannten, sich nicht mehr helfen und raten konnten. Unter dem eigenen Dache gab es ja ohnehin keine Sicherheit. In ihrer Bedrängnis flohen alle aus ihren Wohnungen, als wären das selbst Räuberhöhlen, flüchteten in die Berge, versteckten sich in Hecken, im Dickicht, in der Wildnis, obgleich sie auch dort nirgends bleiben konnten wegen der Winterkälte, die in unserer Waldgegend noch viel ärger ist. Wenn sie sich überhaupt ein Feuer machen konnten, verriet sie schon von weitem der aufsteigende Rauch bei Tag und bei Nacht der Feuerschein; ja, die Flucht in ein Versteck verriet sie selbst schon wieder durch die unvermeidlich im Schnee hinterlassenen eigenen Spuren. Die schlauen Spürhunde folgten mit ihrer Nase diesen tiefen Fußstapfen und spürten den Flüchtlingen fleißig nach, ohne deren Todesängste zu spüren. Schau, laß dir sagen, was diese ungemein scharfsinnigen Bösewichte nicht alles aushecken, damit ihnen ja kein einziger Mensch entwischt. Überall in den Wäldern, in Dickichten, auf Viehtriften, wo sich einer geflissentlich verstecken könnte, veranstalteten sie blutige Treibjagden (veneticam tragediam). Sie stellten Reihen von Scharfschützen in einem größeren Abstand voneinander auf und durchstreiften so das vom Eingang her das Gelände, indem sie obendrein noch abgerichtete Jagd- und Spürhunde vor sich herhetzten. Diese reizten sie mit ihrem Hussa-Hussa zum Bellen, ließen sie durchs Dickicht und Gebüsch stöbern, nach Feuerstellen schnüffeln, schickten sie in unzugängliche Stellen, damit sie überall die versteckten Menschen ausmachen, mit ihrem Verbellen verraten und heraustreiben. In undurchdringliches Heckengestrüpp (truteta) schossen sie mit ihren Gewehren hinein, um die allenfalls darin verborgenen Menschen zu zwingen, dass sie herauskriechen oder herausspringen. Wollten solche arme „Angsthasen“ jedoch sofort bei dem Hussa-Geschrei der Jäger und dem Hundegebell der unausbleiblichen Flucht zuvorkommen und davonlaufen, wurden sie dort von den Musketieren zur Strecke gebracht, die den Wald von draußen in regelmäßigen Abständen voneinander umzingelt hatten, sodaß die ohnehin schon zu Tode geängstigten Menschen, wohin sie auch immer flüchten wollten, in die Fänge und Fallen dieser Menschenjäger fielen“. Auch die Heranziehung zu schwersten Schanzarbeiten veranlasste Bürger zur Flucht. Das Einfliehen in die nächsten Städte war allerdings nicht umsonst. Im März 1636 verlangte die Reichsstadt Nordhausen von hereingeflüchteten Adligen über 20 Jahren 2 Reichstaler, von Bürgern und Bürgerinnen 1 Reichstaler, von einem Bauern je nach Vermögen 12 oder 6 Groschen. Für ein fremdes Pferd waren 12 Groschen zu zahlen. KUHLBRODT, Clara von Heringen, S. 82. Dazu kamen in der Regel auch Abgaben für Ochsen, Kühe etc. In Weimar hielten sich 1640 außer 2863 Einwohnern 4103 Fremde auf. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte, S. 14. Zum Teil ließ der Rat wie in Augsburg die Flüchtlinge aus der Stadt bringen (SIGL, Geschichte, S. 47) oder verweigerte die Aufnahme. Zur Migration allgemein ASCHE, Krieg, Militär und Migration, S. 11ff. Die Flucht in die nächsten Städten war nicht umsonst. Im März 1636 verlangte die Reichsstadt Nordhausen von hereingeflüchteten Adligen über 20 Jahren 2 Reichstaler, von Bürgern und Bürgerinnen 1 Taler, von einem Bauern je nach Vermögen 12 oder 6 Groschen. Für ein fremdes Pferd waren 12 Groschen zu zahlen. KUHLBRODT, Clara von Heringen, S. 82. Dazu kamen in der Regel auch Abgaben für Ochsen, Kühe etc. KLUGE, Hofer Chronik, S. 180 (1641): „Den 11. januarii wurde der sächßischen von adel hier eingeflehet rindt- und schaafvieh, so theils zum thor hinaus, alles wieder hereingetrieben und aufs neue verarrestiret, und solten von einem stück rindvieh 1 thaler, von einem schaaf aber 1 groschen geben, unangesehen, daß das liebe vieh zum theil dermassen verhungert, daß es kaum gehen konnte, wie dann auch viel dahingefallen und aus mangel futters umkommen müßen“. In Weimar hielten sich z. B. 1640 außer 2863 Einwohnern 4103 Fremde auf. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte, S. 14.

[11] Süchteln [LK Kempen-Krefeld]; HHSD III, S. 711ff.

[12] Alexander II. Graf v. Velen u. Megen, Freiherr zu Raesfeld u. Bretzenheim, Graf (1642) [1599-10.10.1675], kurkölnischer Generalwachtmeister. Bedauerlicher Weise gibt es keine zureichende Biographie, trotz des umfangreichen Archivmaterials.

[13] Dederich [T(h)eodorus] Conraeds [Conrads, Conradts, Conratz] [ – ], kaiserlicher Rittmeister.

[14] Servis: Servis war das Holz, das Licht und die Liegestatt (Heu und Streu), die ein Hauswirt den bei ihm im Krieg einquartierten Soldaten zu gewähren hatte, sowie die Steuer dafür. Im Niedersächsischen kam noch Salz dazu. Darüber hinaus wurden verbotener Weise auch Kleidung und Ausrüstung sowie zahlreiche Gänge an Essen und Trinken eingefordert bzw. erpresst, da dem einfachen Soldaten von der Verpflegungsordnung her nur 2 Pfd. Brot (zu 8 Pfg.), 1 Pfund Fleisch (zu 16 Pfg.) und 1 Kanne Dünnbier (2,02 Liter zu 8 Pfg.) zustanden. Selbst diese Grundration wurde in Krisensituationen noch gekürzt. In der schwedischen Armee nannte man Servis auch „Tractament“. Der Servis und die Fourage mussten von der betreffenden Garnisonstadt aufgebracht werden und waren genau geregelt; vgl. die „Königlich Schwedische Kammer-Ordre“ Torstenssons vom 4.9.1642 bei ZEHME, Die Einnahme, S. 93ff.

[15] 4.7.

[16] Gemeinsmann, Gemeiner: in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes. 1. Das Glied einer Gemeinde, besonders einer Dorfsgemeinde, welches an einigen Orten auch ein Gemeinsmann genannt wird. 2. Eine Art eines Vorstehers einer Dorfsgemeine, so vielleicht eben das ist, was in Thüringen ein Heimbürge ist. In dem bareuthischen Dorfe Werndorf werden die zwey Dorfsgemeiner von Alters her Bürgermeister genannt. Im Bißthume Augsburg kommen auf den Dörfern Gemeindsführer vor, welche vermuthlich eben das sind. Wenigstens sind die Gemeindemeister in Sachsen, Heimbürgen oder Syndici der Dorfsgemeinde. 3. Ein gemeinschaftlicher Schiedsrichter, im Oberdeutschen. 4. Der mit einem Andern in Gemeinschaft steht, ein Compagnon, auch nur im Oberdeutschen“ [KRÜNITZ].

[17] „Armee ohne Land“: PRESS, Hessen, S. 312, über die Armee der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Nach den Zahlen bei BETTENHÄUSER, Die Landgrafschaft Hessen, S. 17, müsste jeder 4. Einwohner der Landgrafschaft Soldat gewesen sein.  Hessen-Kassel unterhielt bei einer Einwohnerzahl v. 70.-80.000 eine Armee v. insgesamt 18.000 Mann, die nur durch Kontributionen in den besetzten Gebieten erhalten werden konnte; ein typischer Fall v. Überrüstung. Laut Dorstener Vertrag hatte Amalie von Hessen-Kassel eine Armee v. 7.000 Mann zu Fuß u. 3.000 Reitern zu unterhalten; dafür zahlte Frankreich jährlich 200.000 Rt.; Staatsarchiv Marburg 4 f Frankreich Nr. 55; Bibliothèque Nationale Paris Manuscrit français Nr. 17885. Vgl. auch SODENSTERN, Die Anfänge.

[18] Kaspar Graf v. Eberstein [Everstein] [6.1.1604-18./28.10. oder 11./21.10.1644 Oldersum], hessen-kasselischer Generalleutnant.

[19] Kempen [LK Kempen-Krefeld]; HHSD III, S. 384ff.

[20] Arbeitsgruppe für Orts- und Heimatgeschichte und Stadtarchiv Viersen [Hg.): ‚… was bereits hundert Tonnen Teutscher Gulden gekostet hat‘. S. 128ff., nach Hugo DOERGENS, Chronik der Stadt Dülken, Dülken 1925.

[21] Möglicherweise Wilhelm Freiherr v. Velbrück [ – ], kaiserlicher Obrist.

[22] Köln; HHSD III, S. 403ff.

[23] WOLF, Manfred (Bearb.), Staatsarchiv Münster Findbuch Nr. 9: Quellen zur Militärgeschichte der Frühen Neuzeit aus dem Archiv Landsberg-Velen, Münster 1995, Nr. 34009, S. 93.

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