Chastellmaur, N

Chastellmaur, N; Kapitän [ – ] Chastelmaur hatte 1634 als Kapitän[1] in Überlingen[2] in kaiserlichen Diensten gestanden. Über Reiter, die unter seinem Befehl gestanden hatten, wird von dem Überlinger Advokaten Dr. Johann Heinrich von Pflummern [1595 – 1655][3] in seinem Tagebuch unter dem 4.5.1635 berichtet: „Vmb dise zeitt daß rauben, stehlen vnd plündern auff dem landt, sonderlich vmb die statt Veberlingen daß tägliche handwerckh geweßt, dan nirgendts ein remedium,[4] kein zucht noch kriegsdisciplin, vnd hatt obrist von Ossa zu Lindaw[5] selbst denen, so vmb abstellung diser straßenraubereyen bei ihme angehalten (der jedoch auf dieses landts defension vom kayßer patenten empfangen) sollche abzustellen nicht möglich, dan wie er discurrirt, müeße der kayßer knecht haben, die knecht müeßen geessen haben, müeßen auch wol gemundirt seyn, vnd müeßen noch darzu fir andere ihr notturfft ein stuckh gellt im peüttel haben, ergo sollen vnd mögen sie stehlen, rauben vnd plündern, waß vnd wa sie finden. O tempora, o mores. Vor dreyen wochen hatt sich begeben, daß 7 zellische[6] reütter auch auf die freye beütt[7] gegen Veberlingen geritten vnd auf den salmanschweilischen[8] hof, Lügen[9] genant,[10] nhur ein halbe stundt von der statt den bauren, so mit seinen roßen zu ackher gangen, auf dem veld abgerennt vnd daß beßte roß ausgespant. Daran jedoch einer nicht vergnüegt geweßt, sonder alß die andere reütter mit dem ausgespanten roß beraitt fortgeritten geweßt, hatt derselb den bauren zwingen wollen noch ein roß auszusetzen vnd ihme an die handt zu geben. Deßen der baur sich gewidert, darauf sie an ein ander gewachßen, der soldat nach [S. 226] dem bauren geschossen, der baur die pistolen ergriffen, vnd alß der reütter ab dem pferdt sich gewehrt vnd die pistolen nicht laßen wollen, sich also in dem gezänckh waß genaigt, hatt der baur ihne bei seinem langen haar erwischt vnd gar von dem pferdt auf den boden herab gezogen. Daselbst beide mehr dan ein halb stundt lang ligendt auf dem boden mit einander gerungen, der reütter zuweiln oben ligendt den sebel zuckhen vnd darmit dem bauren die gurggel abhawen wollen, der baur sich mit der pistolen defendirt vnd den reütter so lang vmb den kopff geschlagen, biß er zu letzst vnderligen vnd den gaist aufgeben müeßen. Die andere vorgedachte reütter haben disem kampf von ferre zugesehen, vnd vermaint, daß der baur so dass veld erhallten, ihren spießgesellen nhur wol mit der pistolen abgetrückhnet vnd nicht gar ertödtet hette; weßwegen sie ihme dass außgespante pferdt wider zugeschickht mit begeren er solle den reütter in die stadt zu einem balbierer[11] führen vnd auf ihre bezahlung curirn laßen. Deren vorsorg aber sich nicht bedörfft: sonder es hatt der baur den todten cörper zuvor der beßen klaider spolirt hinder ein haag[12] begraben lassen. Daselbst aber, wie hernach das geschray[13] ergangen, der cörper nit růhw gehabt, sonder hatt die eine hand auß dem erdreich herfir gestreckht gleichsamb ob der todte einer andern statt begere; dahero der cörper widerum ausgraben vnd auf das geweyhte erdreich gelegt worden, dan so vil nachrichtung einkommen, dass dieser reütter verschinen sommer zu Veberlingen bei herrn capitan Castellmaur in diensten geweßt“.[14]

[1] Kapitän (schwed. Kapten): Der Hauptmann war ein vom Obristen eingesetzter Oberbefehlshaber eines Fähnleins der Infanterie, das er meist unter Androhung einer Geldstrafe auf eigene Kosten geworben und ausgerüstet hatte. Der Hauptmann warb daher Fähnriche, Kornetts und Unteroffiziere an, die Söldner mitbrachten. Adlige Hauptleute oder Rittmeister brachten zudem Eigenleute von ihren Besitzungen mit. In der Kompanie-Stärke wurden sogenannte „Passevolants“ mitgerechnet, nichtexistente Söldner, deren Sold ihm zustand, wenn er Deserteure und verstorbene Soldaten ersetzen musste.  Der monatliche Sold eines Hauptmanns betrug 160 fl. (Nach der Umbenennung des Fähnleins in Kompanie wurde er als Kapitän bezeichnet.) Der Hauptmann war verantwortlich für Werbung und Soldzahlung, für Disziplin, Ausrüstung und Verpflegung sowie für die Ernennung der untergebenen Führer. Er musste die standesgemäße Heirat seiner Untergebenen bewilligen. Oft war er in erster Linie für die materielle Versorgung der Truppe zuständig, und die eigentlich militärischen Aufgaben wurden von seinem Stellvertreter, dem Kapitänleutnant, übernommen. Der Hauptmann marschierte an der Spitze des Fähnleins, im Zug abwechselnd an der Spitze bzw. am Ende. Bei Eilmärschen hatte er zusammen mit einem Leutnant am Ende zu marschieren, um die Soldaten nachzutreiben und auch Desertionen zu verhindern. Er kontrollierte auch die Feldscher und die Feldapotheke. Er besaß Rechenschafts- und Meldepflicht gegenüber dem Obristen, dem Obristleutnant und dem Major. Dem Hauptmann der Infanterie entsprach der Rittmeister der Kavallerie. Junge Adlige traten oft als Hauptleute in die Armee ein.

[2] Überlingen [Bodenseekr.]; HHSD VI, S. 807f.

[3] KRUSENSTJERN, Selbstzeugnisse, S. 179f.

[4] remedium: Abhilfe.

[5] Lindau (Bodensee); HHSD VII, S. 414ff.

[6] Radolfzell [LK Konstanz], HHSD VI, S. 636ff.

[7] Beute: Beute war im allgemeinen Verständnis das Recht des Soldaten auf Entschädigung für die ständige Lebensgefahr, in der er sich befand und das Hauptmotiv für den Eintritt in die Armee. BURSCHEL, Söldner, S. 206ff. Für den lutherischen Theologen Scherertz galten allerdings nur der Bestand der Christenheit, die Reinheit des Glaubens und der Erhalt der Gerechtigkeit aus hinreichender Grund; BITZEL, Sigmund Scherertz, S. 153.  Dabei war Beute ein sehr weit gefasster Begriff, von Beutekunst wie sakralen Gegenständen, Altarbildern, Bildern, Büchern (wie etwa in der Mainzer Universitätsbibliothek; FABIAN u. a., Handbuch Bd. 6, S. 172), bis hin zu den Wertgegenständen der Bürger. STEGMANN, Grafschaft Lippe, S. 63: Interessant ist auch die Auflistung der von staatischen Truppen bei einem Überfall erbeuteten Wertsachen des ligistischen Generalproviantmeisters Münch von Steinach, darunter augenscheinlich auch Beutegut: „Ein gantz gülden Khetten mit zweyen Strengen. Daran ist gewesen ein gantz güldens Agnus Dei. Aber ein kleins auch güldens Agnus Dei Gefeß. Wieder eins von Silber und vergolt. Ein schönes Malekhidt-Hertz mit Goldt eingefast. Ein Goldtstückh mit einem Crucifix. Aber ein Goldstückh mit einem Kreutz. Aber ein Hertz von Jaspis vom Goldt eingefast, so für den bösen Jammer gebraucht wirdt. Ein großer Petschafftring von Goldt. Ein von Silber und vergolts Palsambüchsel. Ein Paternoster an silbern Tradt gefast. Ein Pethbuch. Dan an Geldt, so Herr General-Proviantmeister bey sich gehabt, 7 Thlr. 18 Gr. Von der Handt ein gülden verfachen Denckhring. Aber ein Petschafftring von Goldt, daß Wappen in Jaspisstein geschnidten. Ein gestickt Paar Handtschuch. Ein Paar von silberfarb Daffent Hosenbänder mit lang seiden Spitzen“. In Askola, einer Gemeinde in Südfinnland, nördlich der Hafenstadt Porvoo, befindet sich noch heute in der Holzkirche eine reich verzierte barocke Kanzel, die von finnischen Söldnern als Kriegsbeute mitgebracht wurde. Die Beutezüge wurden zum Teil mit Wissen der Offiziere unternommen, denen dafür ein Teil der Beute überlassen werden musste. Besonders wertvolle Stücke nahmen die Kommandierenden (oder auch die Marketender) den oft verschuldeten Soldaten gegen einen Bruchteil des Wertes ab. Auch Offiziersfrauen handelten mit Beute oder trieben damit Tauschhandel. Vgl. die Schadensliste vom März 1634 bei BARNEKAMP, Sie hausen uebell, S. 58ff.; HERRMANN, Aus tiefer Not, S. 32ff.; REDLICH, De Praeda; ZIEGLER, Beute; KAISER, „ … aber ich muß erst Beute machen“. Der Superintendent Braun (1589-1651), zit. bei ROTH, Oberfranken, S. 303f.: „Die Ursache dieses Übels wird jeder leicht verstehen, wenn er die völlig aufgelöste Disziplin der Armee näher bedenkt. Die Fürsten selber und die Heerführer bringen ihr Militär ohne Geld zusammen; das muß von schnödem Raub sich selbst erhalten. Sie öffnen ihnen damit die Tür zu aller Nichtswürdigkeit und Grausamkeit, und müssen zu allen abscheulichen Freveln die Augen zudrücken. Pünktlich bezahlte Löhnung erhält den Soldaten, auch den sehr unguten, durch die Furcht vor dem Kriegsrecht bei seiner Pflicht und hindert ihn an Übergriffen. Enthält man ihm hingegen die Löhnung vor, so verwildert er und ist zu jeder Schandtat bereit. Dazu kommt die schon erwähnte Lässigkeit der Führer beim Anwerben der Soldaten. Denen liegt ja an der reinen Lehre und an der Gottesfurcht gar nichts; sondern die blinde Beutegier treibt sie zum Kriegsdienst; dadurch geht alles zu grunde. Wird eine Stadt oder eine Festung eingenommen, so schenkt der Sieger den Mannschaften der Besatzung, wenn sie auch noch so sehr dem päpstlichen Aberglauben ergeben sind, ihr Leben und reiht die Feinde in seine Truppen ein, nicht ohne gewaltigen Schaden der evangelischen Verbündeten. Denn um ihre Niederlage gründlich zu rächen, speien diese Scheusäler unter dem Deckmantel der militärischen Freiheit alles Gift ihrer Seele aus gegen die Bekenner des evangelischen Glaubens und wüten auf alle Weise in unsäglicher Grausamkeit, Raub und Wegelagerei, zünden die Dörfer an, plündern die Häuser, zwingen die Bewohner mit Schlägen, zu tun, was sie verlangen und stehen in keiner Weise auch hinter den grimmigsten Feinden zurück. Wie viel unserer Sache durch den Zuwachs dieser ehrlosen Räuber gedient ist, sieht jedermann leicht ein“.

Bei der Plünderung Magdeburgs hatten die Söldner 10 % des Nominalwertes auf Schmuck und Silbergeschirr erhalten; KOHL, Die Belagerung, Eroberung und Zerstörung, S. 82. Profitiert hatten nur die Regimentskommandeure bzw. die Stabsmarketender. WÜRDIG; HEESE, Dessauer Chronik, S. 222: „Wie demoralisierend der Krieg auch auf die Landeskinder wirkte, ergibt sich aus einem fürstlichen Erlaß mit Datum Dessau, 6. März 1637, in dem es heißt: ‚Nachdem die Erfahrung ergeben hat, daß viele eigennützige Leute den Soldaten Pferde, Vieh, Kupfer und anderes Hausgerät für ein Spottgeld abkaufen, dadurch die Soldaten ohne Not ins Land ziehen und zur Verübung weiterer Plünderungen und Brandstiftungen auf den Dörfern, zum mindesten aber zur Schädigung der Felder Anlaß geben; sie auch oft zu ihrem eigenen Schaden die erkauften Sachen wieder hergeben müssen und dadurch das ganze Land dem Verderben ausgesetzt wird, befehlen wir (die Fürsten) hierdurch allen unseren Beamten und obrigkeitlichen Stellen, daß sie allen Einwohnern und Untertanen alles Ernstes auferlegen, Pferde, Vieh und sonstige Dinge von den Soldaten nicht zu kaufen“ ’. Gehandelt wurde mit allem, was nur einigermaßen verkäuflich war. Erbeutete Waffen wurden zu Spottpreisen an Städte und Privatleute verkauft; SEMLER, Tagebücher, S. 27f.

[8] Salem [Bodenseekr.]; HHSD VI, S. 684f. Vgl. BECKER, Salem.

[9] Lugenhof => Owingen [Bodenseekr.].

[10] SEMLER, Tagebücher, S. 199f.

[11] Balbierer: Barbier, Wundarzt. Im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit wurden Bartscherer, Badeknechte und Krankenpfleger als Barbiere (Balbiere) bezeichnet. Der Barbier pflegte die Haare und Bärte seiner männlichen Kundschaft. Zu seiner Aufgabe gehörte es, faule Zähne zu ziehen, zur Ader zu lassen, Klistiere zu verabreichen und ähnliche Behandlungen vorzunehmen. Die Barbiere haben sich vermutlich aus den Baderknechten entwickelt und auf einige bestimmte Aufgaben der Bader spezialisiert. Wie die Bader konnten auch die Barbiere die von ihnen genutzten Badestuben wegen der großen Kosten oft nur pachten und weil die Badestubengerechtigkeit gewahrt werden musste. Zwar gehörten Bader und Barbiere zum „Chirurgenhandwerk“, jedoch konnten Barbiere auch außerhalb der Barbierstuben arbeiten. Sehr riskante, aber gewinnbringende Eingriffe wie Steinschnitte (auch Matthias Gallas soll durch die Ungeschicklichkeit seines Steinschneiders ums Leben gekommen sein), Amputationen, Starstiche und sogar Geburtshilfe wurden von durchgeführt. Die Meisten aber lebten geringer bezahlten Tätigkeiten wie Aderlassen, Schröpfen, Rasieren, Zahnziehen sowie Wund- und Frakturbehandlung. Vgl. auch DANCKERT, Unehrliche Leute, S. 88ff.

[12] Hag: Einzäunung mit Sträuchern.

[13] Geschrei: Gerücht.

[14] SEMLER, Tagebücher, S. 199f.

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