„Salzburg“

„Salzburg“ war die Bezeichnung für das Fußvolk des Salzburger Erzbischofs Paris Graf Lodron, das 1633 von Piccolomini angeworben worden war, im Dienst der Liga stand und 1635 bayerischem Befehl unterstellt wurde.

„Am gleichen Tag, an dem die Veste Coburg[1] übergeben wurde, fiel nach mehr als sechsmonatiger Belagerung auch die protestantische Hochburg Augsburg[2] an die Kaiserlichen. Bereits am 12.9.1634, sechs Tage nach der Schlacht bei Nördlingen,[3] war die Stadt durch den Deutschordensmeister Kaspar von Stadion zur Übergabe aufgefordert worden. Das Aufforderungsschreiben war jedoch nicht beantwortet worden.[4] Dessen ungeachtet hatten Kommandant und Bürgerschaft sämtliche Vorbereitungen zur Verteidigung der Stadt getroffen. Augsburg wurde anfänglich nicht förmlich belagert, sondern durch bayerische Truppen blockiert. Zu diesem Zweck wurden die Lechübergänge bei Augsburg, Rain[5] und Landsberg[6] besetzt und somit die Stadt von möglichen Versorgungslinien, vor allem aus Memmingen[7] und Ulm,[8] fast vollständig abgeschnitten.

Die Belagerungstruppen bestanden aus den bayerischen Regimentern Stephan Binder (Arkebusiere), Caspar Schnetter (Fußvolk), Jan von Werth (Dragoner), Hans Wolf von Salis (Dragoner und Kroaten), Salzburg (Fußvolk, 1633 von Piccolomini geworben, ab 1635 unter bayerischen Befehl) und Hans Heinrich von Haslang (Fußvolk). Die Dragoner Werths wurden nach der Ankunft von Wahls Dragonern, welche aus der Oberpfalz anrückten, wieder abgelöst. Das Kommando über dieses Blockadekorps hatte seit dem 17. September der bisherige Kommandant der Oberpfalz, Feldmarschall-Leutnant Joachim Christian Graf von der Wahl, unterstützt durch den Obersten Sebastian von Pörring. Die Besatzung Augsburgs bestand aus dem Alten Blauen Regiment des seit April 1633 von Oxenstierna zum Augsburger Gouverneur ernannten Oberst Johann Georg aus dem Winckel und dem finnischen Savolax-Regiment unter dem Kommando des Obersten Caspar Ermes und des Majors Georg Paykull. Letzteres war im Juli 1634 durch den schwedischen Feldmarschall Gustav Horn von Königshofen[9] und Schweinfurt[10] hierhin verlegt worden. In den zeitgenössischen Berichten wird Winckel stets als ‚Gubernator‘, Ermes als der Kommandant oder einfach nur Oberst genannt. Die beiden Fußregimenter wurden noch durch 300 Dragoner ergänzt.

Als bewährtes Mittel der Blockade wurden kroatische Streiftrupps eingesetzt, um die Stadt hermetisch abzuriegeln, Sabotageakte durchzuführen und die umliegende Bevölkerung zu terrorisieren. Am 28. September wagten sich die Kroaten bis dicht vor die Mauern von Augsburg und raubten das Vieh der nächstgelegenen Dörfer. Die Tatsache, daß man sie aus der Stadt beschoß, auch einen Ausfall auf sie machte, machte keinerlei Eindruck: am 1. Oktober brannten sie 2 Mühlen in Göggingen[11] nieder. Am folgenden Tag begannen 9 Kompanien beim sogenannten Ablaß (Stauwehr am Lech mit Ableitungskanal zur Wasserversorgung) die Wehre mit Kies zu verschütten, so daß von dort kein Wasser mehr in die Stadt fließen konnte. Der Besatzung gelang es jedoch, diese am Abend wieder in Stand zu setzen. Gleichzeitig brannte sie vorsorglich die Brücke oberhalb des Ablaß ab, um das Übersetzen vom anderen Ufer zu erschweren. Die Belagerer ließen sich aber davon nicht von ihrer Strategie abbringen, zumal ihnen Kurfürst Maximilian von Bayern aufgetragen hatte, der Stadt ‚obverstandenermaßen das Wasser zu benehmen und sie dadurch verhoffentlich bald zur Ergebung zu bezwingen‘. Man begann deshalb am 4.10. den Brunnenbach und die Sinkel abzugraben. Auch diese wurden von der Besatzung wieder in ihren ursprünglichen Stand versetzt. Am 5.10. fand ein Gefecht mit den Kroaten statt, welche erneut versuchten, die Wasserversorgung zu stören. Um weitere Zwischenfälle dieser Art zu verhindern, ließ der Kommandant den Ablaß beim Siechenhaus St. Servatius sowie die dortige Kapelle abbrennen. Den hohen Ablaß brannten die Kroaten selbst nieder.

Feldmarschall-Leutnant von der Wahl hatte am 3. und am 16. Oktober der Stadt einen Akkord angeboten, worin er sich erbot, die Dinge dahin zu verhandeln, daß die Stadt bei ihren Privilegien und ihrer Religion belassen würde. Beide Schreiben Wahls wurden jedoch nicht beantwortet. Die Stadt hatte zu diesem Zeitpunkt Ursache, allen Übergabeangeboten kritisch gegenüberzustehen. Chemnitz erfaßt die Ausgangssituation wie gewöhnlich richtig, wenn er schreibt: ‚Zudeme war der Feind nach der Nördlinger Schlacht so hochmütig und vermessen, das er in denen hernachmahls occupirten Plätzen fast niemahls accord gehalten, sondern die gvarnisonen, wider gegebene parole ruinieret: Das also, war vor promesse und schriftliche Versicherung er geben könte oder möchte, auch mit was praetext Er es versprechen thete, der accord jedoch ohne völlige[n] ruin nicht würde abgehen‘. (Bd. II, S. 656). Die Augsburger setzten im November des Jahres 1634 deshalb auf Unterhandlung mit dem sächsischen Kurfüsten, um eventuell mit in die laufenden Pirnaer Friedenstraktate einbezogen zu werden. Diese Hoffnung zerschlug sich allerdings, da innerhalb dieses Verhandlungsspielraumes die Forderungen Augsburgs nicht erfüllt werden konnten.

Mittlerweile hatte Wahl den Belagerungsring um die Stadt enger gezogen, so daß Hunger und Infektionskrankheiten immer mehr um sich griffen. Gegen Ende des Jahres 1634 waren bereits 4664 Personen und Hunger und an der Pest gestorben. Dies war dennoch erst der Anfang. Mit Beginn des Jahres 1635 verschlimmerten sich die Zustände dramatisch. Da die Wege nach Ulm und Memmingen blockiert waren, machte die Augsburger Garnison am 1. Februar 1635 einen Ausfall und überfiel das Städtchen Aichach.[12] Die Tore wurden mit Petarden aufgesprengt und die dort liegende bayerische Besatzung vom Regiment des Obersten Friedrich von Schletz unter dem Obristwachtmeister Antonio Valtorto überwältigt. Der Major, sein Fähnrich, alle Unteroffiziere und 84 Gemeine wurden gefangengenommen. Der gesamte Proviantvorrat Aichachs wurde nach Augsburg transportiert. (Chemnitz II, S. 654). Dieser Vorrat war aber nur ein Tropfen auf einen heißen Stein und reichte nur wenige Tage. Als er aufgezehrt war, suchten die Menschen alles zusammen, was sie irgendwie verdauen konnten: ‚Hunde, Katzen, Mäuse und dergleichen waren nicht mehr zu bekommen. Das Pferdefleisch war bei den Vornehmsten ein allgemein, und das beste Gerichte. Der anderen Leute verschmachteten täglich viele vor Hunger, fielen und sunken auf freyer Gasse darnieder. Nicht nur die Todten, sondern mehr andere vnnatürliche Sachen wurden angegriffen vnd, das Leben damit ein zeitlang aufzuhalten, hervorgesucht‘. (Ebd. S. 655). Als auch hiervon nichts mehr zu bekommen war, kochten die notleidenden Menschen Leder, verzehrten Aas und menschliche Leichen. Es gab sogar Berichte, nach denen Eltern ihre gestorbenen Kinder aßen. ‚Es wandelten menschliche Gerippe auf der Gasse umher und priesen das Glück der Todten. Gegen die letzte Zeit starben gewöhnlich hundert und mehr Menschen an einem Tag‘. (Stetten, Geschichte von Augsburg II, S. 369). Nachdem schließlich auch die letzten Vorräte zur Neige gingen, trat man in Übergabeverhandlungen mit dem zu Stuttgart weilenden Generalleutnant Matthias Gallas. Zuvor hatte der weimarische Generalleutnant Lorenz von Hofkirchen, der sich nach seiner am Vortag der Nördlinger Schlacht erhaltenen Verwundung immer noch in Ulm aufhielt, dem Augsburger Gouverneur Winckel den Vorschlag gemacht, sich mit der Garnison ohne Akkord und unbemerkt, samt Munition, Geschützen und unter Mitnahme der Münchener Geiseln, nach Ulm zu begeben. Dieses Ansinnen wurde jedoch von Winckel vernünftigerweise als undurchführbar und unehrenhaft abgelehnt. (Chemnitz II, S. 656). Nach langwierigen Verhandlungen kam schließlich am 13. März 1635 ein Übergabevertrag zustande. Es wurde vereinbart, daß Augsburg eine freie Reichsstadt bleiben konnte, hingegen mußte es in Bezug auf auf Religion und Kirchengüter bei den vom Kaiser im Jahr 1629 im Zuge des Restitutionsediktes getroffenen Anordnungen bleiben. Die Stadt mußte 300.000 Gulden an den Kaiser und 80.000 Gulden zur Erstattung der Belagerungskosten an den bayerischen Kurfürsten zahlen. Die im Mai 1632 aus der Münchner Kunstkammer geraubten Schätze mußten zurückgegeben und die Münchner Geiseln ohne weitere Ansprüche freigelassen werden.

Am 28. März 1635 verließ die schwedische Garnison unter Winckel und Ermes die Stadt und marschierte nach Thüringen ab. Das finnische Regiment unter Caspar Ermes begab sich nach Erfurt. In Augsburg rückte eine Garnison von 14 Kompanien kaiserlichen und 6 Kompanien bayerischen Truppen unter Caspar Schnetter ein. Der bayerische Generalfeldzeugmeister Ottheinrich Graf Fugger wurde zum neuen Gouverneur ernannt, dem die Stadt monatlich 2000 Reichstaler zahlen mußte. Auch die ursprünglichen Akkordbedingungen wurden, wie zu erwarten war, nicht eingehalten. Der evangelische Stadtrat wurde abgesetzt und für einige Zeit im Rathaus arrestiert, dafür ein katholischer eingesetzt. Sämtliche Kanonen, welche die Schweden aus München mitgenommen und im Augsburger Zeughaus eingelagert hatten, mußten bis Ende April auf Kosten der Stadt wieder nach München gebracht, auch Umgießungs- und Reparaturkosten in Höhe von 9000 Gulden bezahlt werden. Die Bürgerschaft wurde am 2. April entwaffnet, die Besatzung auf 5000 Mann verstärkt, jedoch nach einiger Zeit auf 2600 und nach acht Monaten auf 1000 Mann verringert. Die evangelischen Kirchen wurden, bis auf eine, gesperrrt, so daß die Protestanten den Gottesdienst unter freiem Himmel halten mußten. Zudem wurden alle evangelischen Schulen geschlossen und die Schuldiener entlassen. Auch sonst hatte die Bürgerschaft noch lange zu leiden. Die Häuser wurden als frei erklärt, so daß nicht nur Garnisonssoldaten, sondern auch andere Personen sich nach Belieben einquartieren konnten. Schließlich waren von den 80.000 Einwohnern, die Augsburg zu Mitte des Jahres 1632 noch gezählt hatte, nur noch 18.000 Personen in 2400 Haushalten übrig. (Die Schilderung der Belagerung und Einnahme Augsburgs, wo nicht anders vermerkt, nach Chemnitz II, S. 653-663 und Heilmann II, S. 516-519)„.[13]

[1] Coburg; HHSD VII, S. 127f.

[2] Augsburg; HHSD VII, S. 44ff.

[3] Nördlingen [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 525ff.

[4] ROECK, Als wollt die Welt, S. 272: „Dem Deutschmeister Graf Stadion, der nach der Nördlinger Schlacht den Ausgleich zwischen der Reichsstadt und dem Kaiser vermitteln wollte, schrieb man: «Auf allen unverschuldeten und nicht hoffenden Fall aber sind wir alles dasjenige gewissenshalben zu erdauern gezwungen, was der liebe Gott in diesem schnöden Jammertal über uns in seinem göttlichen unwandelbaren Willen beschlossen: geströsten uns auch gegen Gott und eine ganze ehrbare Welt unserer Unschuld, und daß alle zeitliche Macht, Hab und Gut, Leid und Freud in dieser flüchtigen Zergänglichkeit gar bald ihre Endschaft gewinne, die Gewissensruhe und Seligkeit aber immerwährenden bestehe und rechtschaffener Christen ewiger Trost und erwünschtes Heil sei.» “

[5] Rain am Lech [LK Donau-Ries]; HHSD VII, S. 599f.

[6] Landsberg a. Lech; HHSD VII, S. 385f.

[7] Memmingen; HHSD VII, S. 439ff.

[8] Ulm; HHSD VI, S. 808ff.

[9] Bad Königshofen im Grabfeld [Stadt Bad Königshofen i. Grabfeld]; HHSD VII, S. 368.

[10] Schweinfurt; HHSD VII, S. 686ff.

[11] Göggingen [Stadt Augsburg]; HHSD VII, S. 239f.

[12] Aichach [LK Aichach-Friedberg]; HHSD VII, S. 3.

[13] ENGERISSER, Von Kronach, S. 419f.

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