Senno [Seni, Zenno], Giovanni Battista

Senno [Seni, Zenno], Giovanni Battista; Astrologe [1600 Padua-1656 Genua] Giovanni Battista Senno [Seni, Zenno] [1600 Padua-1656 Genua] (bei Schiller Seni), von Gallas[1] Zenno genannt, war Wallensteins[2] Astrologe und – wie es heisst – Professor aus Genua. Golo Mann bezeichnet ihn als „Sumpfblüte“ aus Padua[3] und kommt damit den Umtrieben dieser großen und kleinen Scharlatane, die man zu dieser Zeit an jedem Fürstenhof finden konnte, wohl am nächsten. Senno war weder nachweislich wissenschaftlich etabliert noch alt und weise, wie ihn uns Schiller in seinem Drama schildert. Senno war geldgierig, käuflich, charakterlos und falsch. Er wurde 1629 als 27-jähriger am Hofe Wallensteins[4] von Ottavio Piccolomini[5] eingeführt.[6]

Wallenstein hat als Persönlichkeit seiner Zeit eifrig Studien der Astrologie betrieben. Auf seinen Reisen 1608 z. B. begleitete ihn als Hofmeister Johannes Keplers[7] Freund, der Astronom und Mathematiker Paul Virdung[8] aus Kitzingen.[9] In Padua soll der Herzog Schüler des Astrologen Andreas Argoli[10] gewesen sein, der allerdings erst 1632 nach Padua kam. Wallenstein wusste um die wichtigsten Regeln der Erstellung und Deutung von Horoskopen. Auch gab er selbst welche in Auftrag: für sich an Kepler und auch über seine Gegner, wie z. B. Gustav II. Adolf, ließ er Horoskope anfertigen. Die Ergebnisse waren für Wallenstein in jedem Fall brauchbar: Einerseits hat er in Keplers für seine Person angefertigten Horoskop seine Mittel und Methoden und die sich daraus ableitenden Ergebnisse bestätigt gefunden. Andererseits war die Horoskope für die täglich zu fällenden Entscheidungen jedoch nicht detailliert genug.

Diese Lücke füllte Senno aus. Wahrscheinlich war Senno Nachfolger Keplers, der seit 1628 in Wallensteins Diensten gestanden hatte, nur mit besseren kommerziellen Fähigkeiten ausgestattet als dieser. Als der Festungsbaumeister, Architekt und Astrologe Giovanni Pieroni[11] Senno als außerordentlichen Astrologen für 40 Taler monatlich einstellen lassen wollte, war Wallenstein empört. Er befahl Pieroni, seine „florentinische Sparsamkeit“ nicht gegen gelehrte Männer anzuwenden und Senno 50 Taler allein für die nur neun Meilen lange Anfahrt zu zahlen. Ferner wurden 2.000 Taler jährliches Gehalt im Voraus bewilligt, dazu freie Tafel, später eine Kutsche mit sechs Pferden. Da Sennos Voraussagen Tageshoroskope waren, nahm ihn Wallenstein auf alle seine Kriegszüge mit. Senno muss demzufolge einer der am besten Informierten aus der Entourage Wallensteins gewesen sein. Das wussten auch die Gegner des Herzogs.

„Blind war der Aufzuopfernde gegenüber dem allen, noch immer blind. Er wartete auf Aldringen;[12] er ließ Gallas ziehen, um Aldringen zu holen, und Piccolomini, um Gallas zu holen, und wartete dann auf alle drei. Sie hatten köstlichen Spaß daran.

Hier wird der Ausdruck »mangelnde Menschenkenntnis« ein wenig dürftig. Es mußte einer hilflos versunken sein in seiner Abgetrenntheit, um so sich betrügen zu lassen. Zum Mißtrauen gehört Beteiligtsein, zum Beteiligtsein vitale Kraft. Er nahm nicht mehr teil, außer in kurzen Momenten. Von Verrätern umgeben, spürte er nichts. Einer von ihnen war sein Astrolog, Battista Senno, die junge Sumpfblüte aus Padua. Immer in des Herzogs Nähe, stattlich ausgehalten mit Honorar, Pferden und Dienerschaft, zu Rat gezogen mit seiner Sternenkunde – davon ist nichts Geschriebenes übriggeblieben, aber es muß ja wohl so gewesen sein; heimlich in der Gunst des Grafen Gallas, der ihm seit wenigsten einem Jahr periodische Geldgeschenke machte, 3 000 Gulden mit einem Mal. Für welche Gegenleistungen ? Man weiß es nicht; Berichte aus Wallensteins innerstem Kabinett, vermutlich. Es gab da in Pilsen[13] einen Finanz-Assistenten und kaiserlichen Kammerrat, Putz von Adlersthurn,[14] der gleichfalls spionierte und darüber Tagebuch führte, sogar in aller Stille schon an einer Geschichte von Wallensteins Hochverrat arbeitete, später vollendet und herausgegeben unter dem schönen Titel ALBERTI FRIDLANDI PERDUELLIONIS CHAOS. Am 13. Januar hätte Rat Putz gar zu gern ein Exemplar des Schwurs der Obersten gesehen, den Pilsener Schluß. Wer hielt ihm das Staatsdokument hin, daß er’s abschreibe, schnell und unbemerkt ? Meister Giovanni Battista Senno. Gleich saß er wieder über seinen Berechnungen und gab Aufschlüsse, von sie vom Herzog gefordert wurden, gelehrt, demütig und feierlich“.[15] In Breslau[16] wurde kolportiert, Wallenstein habe Senno zu einem anderen Astrologen in Breslau gesandt, um zu erfahren, ob er auf das Zustandekommen eines Friedens hoffen dürfe.[17]

Dass Senno von diesen am Sturz Wallensteins interessierten Kreisen bestochen wurde, ist belegt. Ein Betrag von 3.000 Gulden ist dokumentiert. Wofür ist nicht klar, aber es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat Senno die Horoskope und damit Wallensteins Entscheidungen manipuliert oder er hat Informationen verraten. Sicher hat er beides getan. Andere Quellen behaupten, er sei bestochen worden, um sein Wissen um den Plan zu Ermordung Wallensteins nicht weiterzugeben. Tatsächlich hat er Wallenstein erst im letzten Augenblick gewarnt.

Die Behandlung, die Senno nach der Exekution Wallensteins erfuhr, zeigt den Einfluss seiner Gönner bei Hofe: Senno wurde zwar verhaftet und vom Wachpersonal um 4.000 Kronen, die er gerade bei sich hat, erleichtert, aber wieder laufen gelassen. Am 4.3.1634 hatte sich der Genueser Bankier Giovanni Stefano Sepossi[18] aus Wien an Gallas gewandt und die Freilassung Sennos befürwortet: „mi vien significato chel il Signor Giovanni Battista Senno sia stato messo in arresto a Egra. E perché è persona che dipende de casa nostra ed è divoto servitore di V. E., la supplico per amor di Dio, quando non si intricato nelli interessi del già Duca di Fridlant, ad averlo per raccomandato e favorirlo in tuto quello che è lecito poterlo agiutare, poiche l’autorità di V. E. sarà bastantissima per la sua liberazione, le quale desidero, quanto se si tratasse di me stesso, poichè è mio paesano a galantuomo”.[19]

Erst am 6.3.1634 forderte der Kaiser[20] Gallas auf, Senno in Haft nehmen und „examinieren“ zu lassen. Justus Gebhard[21] in Eger[22] unterzog Senno einem formellen Verhör. Gallas, der über Sepossi Zahlungen an Senno geleistet hatte, schrieb sofort an den Kaiser: „Des Friedländers Nativitätsteller Johann Babtista Zenno (also nicht Seni oder Seppi !) ist Ew. May. allergnädigsten Anschaffung zufolge alsbald in Arrest genommen worden, soll auch fleißig examinirt und was vermittelst dessen befindlichen brieflichen uhrkunden oder mündlichen aussagen aus Ihm zu bringen: Ew. Kay. May. mit nähisten allerunterthänigst berichtet werden“.[23]

Die anti-kaiserlichen „Wochentliche[n] Postzeittungen“ Nr. 23 vom 13.6.1634 berichten unter dem 20.5. aus Wien: „Die Friedländische Conspiranten seindt theils von hinnen auf Prag vnd Pilsen[24] geführt worden / sein gewesener Astronomus aber / sambt seinẽ Cantzler Oelß[25] / Obr.[26] Schaffgotsch[27] / Obr. Leutenant[28] Jacob Freyiunger[29] / Schlieff[30] vnd andere mehr / bleiben noch allhie in guter Verwahr sitzen / vnd täglich scharff Examinirt“.[31]

„Man hatte ihn eingesperrt in der Mordnacht, setzte ihn aber schon ein paar Tage später wieder auf freien Fuß. Als am 1. März ein melancholischer Zug sich von Eger[32] auf Pilsen zu in Bewegung setzte, die Körper der Ermordeten in roh gezimmerten Truhen auf einem Lastwagen, die Witwen Trčka[33] und Kinsky,[34] der gefangene Lauenburger,[35] Piccolomini satt und stolz voran, reiste auch Senno mit, in eigener Kutsche, wie er es gewohnt war, samt seinen Instrumenten und Papieren. Die Särge wurden zu Mies[36] abgestellt, in einem Gewölbe des Minoritenklosters, bis aus Wien Befehl käme. Senno reiste weiter nach Pilsen. Kaiser Ferdinand,[37] begierig auf die verschwörerischen Kenntnisse des Menschen, die vier Jahre lang in Wallensteins nächster Nähe gewesen war, verlangte seine genaueste Bewahrung und Examinierung. Gallas tat so, als ob er Folge leistete, wich aber aus; Senno durfte frei sich nach Wien begeben, wo sein Verhör flüchtig und milde geriet bis zum Lächerlichen“.[38]

Das „Theatrum Europaeum“[39] berichtet unter 1634: „Daß deß Friedländers Cantzler / einer von Elß / beneben des Friedländers Astronomo[40] vnter andern auch gefänglich naher Wien gebracht / dessen ist hiebevor vnderschiedlich meldung geschehen / vnd zwar der gute feyge Sterngucker ist zeitlich widerumb ledig worden / mit angeregten Cantzler von Elß aber hat es ein mehrers Bedencken gehabt / derowegen auch zu seiner so wol auch anderer manumittirung[41] schlechte Apparentz,[42] es hat aber sich auch gegen ihme die Gnaden-Thür in etwas offen blicken lassen. Dieser nun hat auff Newen Jahrs Tag dieses 1635. Jahrs in der Jesuiter Kirchen zu Wien sich gut Catholisch erkläret / vnd in den Schoß der heiligen Römischen Mutter Kirchen begeben“.[43]

Wieder auf freiem Fuß, reiste er Anfang 1635[44] sechsspännig in seiner Kutsche nach Wien. Sennos weiteres Schicksal ist unbekannt. Einige Autoren behaupten, er sei in Italien untergetaucht. Im „Theatrum Europaeum“ heißt es: „Am 1. Apr. [1643; BW] hat in Wien / auff S. Stephans Freihoff / Herr Biboni[45] / Königlicher Polnischer Resident / einen Astrologum / welcher hiebevorn bey dem Hertzogen von Friedland gewesen / wegen etlicher Wort / zweymal durchstochen / vnd ihm hernacher viel Wunden und Stich / durch seine Diener geben lassen / daß er für todt weggetragen worden / weßwegen die Käyserliche May. für dessen Logament Wachten stellen lassen. Damit gedachter Resident nicht außgehe / vnd die Diener so Hand mit angelegt / bekommen werden möchten“.[46]

Senno hatte wieder einmal Glück: Er erlag seinen Wunden nicht, er verstarb erst 1656 in Genua, wahrscheinlich an der Pest.

[1] Matthias [Matteo] [di] Gallas [Galas, Galasso], Graf v. Campo, Herzog v. Lucera] [17.10.1588 Trient-25.4.1647 Wien], kaiserlicher Generalleutnant. Vgl. REBITSCH, Matthias Gallas; KILIÁN, Johann Matthias Gallas.

[2] Vgl. REBITSCH, Wallenstein; MORTIMER, Wallenstein.

[3] MANN, Wallenstein, S. 563. Vgl. die Erwähnungen bei SRBIK, Wallensteins Ende; SCHUBERTH, Wallenstein, S. 102.

[4] Vgl. auch CATALANO, Ein Chamäleon; REBITSCH, Wallenstein; MORTIMER, Wallenstein; SCHUBERTH; REICHEL, Die blut’ge Affair’; MORTIMER, Wallenstein.

[5] Ottavio Fürst Piccolomini-Pieri d’Aragona, Herzog v. Amalfi [11.11.1599 Florenz-11. 8.1656 Wien], kaiserlicher Feldmarschall. Vgl. BARKER, Piccolomini. Eine befriedigende Biographie existiert trotz des reichhaltigen Archivmaterials bis heute nicht. Hingewiesen sei auf die Arbeiten von ELSTER (=> Literaturregister).

[6] Nach: koni.onlinehome.de/kurzbiographien/seni-frames.htm.

[7] Johannes Kepler [27.12.1571 Weil der Stadt-15.11.1630 Regensburg], Astronom u. Mathematiker. Vgl. MANN, Wallenstein, S. 564ff.

[8] Paul Virdung [ – ], Astronom u. Mathematiker.

[9] Kitzingen; HHSD VII, S. 357ff.

[10] Andrea Argoli [1570 Tagliacozzi-27.9.1657 Padua], Jurist, Mathematiker u. Astrologe.

[11] Giovanni de Galliano Pieroni [1586 Florenz-1654], Festungsbaumeister, „astrologischer Architekt“ u. Astrologe.

[12] Johann Graf v. Aldringen [Aldringer, Altringer] [10.12.1588 Diedenhofen-22.7.1634 Landshut], ligistischer Obrist, später kaiserlicher Feldmarschall. Vgl. HALLWICH, Gestalten aus Wallenstein’s Lager II. Johann Aldringen; DUCH, Aldringen (Aldringer), Johann Frhr.

[13] Pilsen [Plzeň]; HHSBöhm, S. 444ff.

[14] Johann Putz v. Adlersthurn [1595 Trier-1660 Wien], seit 1633 königlicher Rentmeister in der böhmischen Kammer.

[15] MANN, Wallenstein, S. 915.

[16] Breslau [Wrocław]; HHSSchl, S. 38ff.

[17] KREBS, Hans Ulrich Freiherr von Schaffgotsch, S. 34.

[18] Giovanni Stefano Sepossi [ – ], Bankier u. Kaufmann in Wien.

[19] TOEGEL, Der Schwedische Krieg, Nr. 773, S. 257f.

[20] Vgl. BROCKMANN, Dynastie.

[21] Dr. Justus v. Gebhard [ -1656], kaiserlicher Geheimrat, Reichshofrat.

[22] Eger [Cheb]; HHSBöhm, S. 119ff.

[23] Nach: koni.onlinehome.de/kurzbiographien/seni-frames.htm.

[24] Pilsen [Plzeň]; HHSBöhm, S. 444ff.

[25] Johann Eberhard Sohn v. der [zur] Eltz [Elz, Oelß] [1594-1655] Wallensteins protestantischer Kanzler, nach dessen Ermordung konvertiert.

[26] Obrist [schwed. Överste]: I. Regimentskommandeur oder Regimentschef mit legislativer und exekutiver Gewalt, „Bandenführer unter besonderem Rechtstitel“ (ROECK, Als wollt die Welt, S. 265), der für Bewaffnung und Bezahlung seiner Soldaten und deren Disziplin sorgte, mit oberster Rechtsprechung und Befehlsgewalt über Leben und Tod. Dieses Vertragsverhältnis mit dem obersten Kriegsherrn wurde nach dem Krieg durch die Verstaatlichung der Armee in ein Dienstverhältnis umgewandelt. Voraussetzungen für die Beförderung waren (zumindest in der kurbayerischen Armee) richtige Religionszugehörigkeit (oder die Konversion), Kompetenz (Anciennität und Leistung), finanzielle Mittel (die Aufstellung eines Fußregiments verschlang 1631 in der Anlaufphase ca. 135.000 fl.) und Herkunft bzw. verwandtschaftliche Beziehungen (Protektion). Zum Teil wurden Kriegskommissare wie Johann Christoph Freiherr v. Ruepp zu Bachhausen zu Obristen befördert, ohne vorher im Heer gedient zu haben; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Kurbayern Äußeres Archiv 2398, fol. 577 (Ausfertigung): Ruepp an Maximilian I., Gunzenhausen, 1631 XI 25. Der Obrist ernannte die Offiziere. Als Chef eines Regiments übte er nicht nur das Straf- und Begnadigungsrecht über seine Regimentsangehörigen aus, sondern er war auch Inhaber einer besonderen Leibkompanie, die ein Kapitänleutnant als sein Stellvertreter führte. Ein Obrist erhielt in der Regel einen Monatssold von 500-800 fl. je nach Truppengattung, 500 fl. zu Fuß, 600 fl. zu Roß [nach der „Ordnung Wie es mit der verpflegung der Soldaten“ (1630)] in der kurbrandenburgischen Armee 1.000 fl. „Leibesbesoldung“ nebst 400 fl. Tafelgeld und 400 fl. für Aufwärter. Daneben bezog er Einkünfte aus der Vergabe von Offiziersstellen. Weitere Einnahmen kamen aus der Ausstellung von Heiratsbewilligungen, aus Ranzionsgeldern – 1/10 davon dürfte er als Kommandeur erhalten haben – , Verpflegungsgeldern, Kontributionen, Ausstellung von Salvagardia-Briefen – die er auch in gedruckter Form gegen entsprechende Gebühr ausstellen ließ – und auch aus den Summen, die dem jeweiligen Regiment für Instandhaltung und Beschaffung von Waffen, Bekleidung und Werbegeldern ausgezahlt wurden. Da der Sold teilweise über die Kommandeure ausbezahlt werden sollten, behielten diese einen Teil für sich selbst oder führten „Blinde“ oder Stellen auf, die aber nicht besetzt waren. Auch ersetzten sie zum Teil den gelieferten Sold durch eine schlechtere Münze. Zudem wurde der Sold unter dem Vorwand, Ausrüstung beschaffen zu müssen, gekürzt oder die Kontribution unterschlagen. Vgl. BELLINCKHAUSEN; TEGEDER; KREIENBRINK, der osnabrugischen handlung, S. 277: „Wir burger mußen alle wochen unse contribution zahlen, die obristen nehmmens geldt zu sich, und die gemeinen soldaten mußen hunger leyden“. Der Austausch altgedienter Soldaten durch neugeworbene diente dazu, ausstehende Soldansprüche in die eigene Tasche zu stecken. Zu diesen „Einkünften“ kamen noch die üblichen „Verehrungen“, die mit dem Rang stiegen und nicht anderes als eine Form von Erpressung darstellten, und die Zuwendungen für abgeführte oder nicht eingelegte Regimenter („Handsalben“) und nicht in Anspruch genommene Musterplätze; abzüglich allerdings der monatlichen „schwarzen“ Abgabe, die jeder Regimentskommandeur unter der Hand an den Generalleutnant oder Feldmarschall abzuführen hatte; Praktiken, die die obersten Kriegsherrn durchschauten. Zudem erbte er den Nachlass eines ohne Erben und Testament verstorbenen Offiziers. Häufig stellte der Obrist das Regiment in Klientelbeziehung zu seinem Oberkommandierenden auf, der seinerseits für diese Aufstellung vom Kriegsherrn das Patent erhalten hatte. Der Obrist war der militärische ‚Unternehmer‘, die eigentlich militärischen Dienste wurden vom Major geführt. Das einträgliche Amt – auch wenn er manchmal „Gläubiger“-Obrist seines Kriegsherrn wurde – führte dazu, dass begüterte Obristen mehrere Regimenter zu errichten versuchten (so verfügte Werth zeitweise sogar über 3 Regimenter), was Maximilian I. von Bayern nur selten zuließ oder die Investition eigener Geldmittel von seiner Genehmigung abhängig machte. Im April 1634 erging die kaiserliche Verfügung, dass kein Obrist mehr als ein Regiment innehaben dürfe; ALLMAYER-BECK; LESSING, Kaiserliche Kriegsvölker, S. 72. Die Möglichkeiten des Obristenamts führten des Öfteren zu Misshelligkeiten und offenkundigen Spannungen zwischen den Obristen, ihren karrierewilligen Obristleutnanten (die z. T. für minderjährige Regimentsinhaber das Kommando führten; KELLER, Drangsale, S. 388) und den intertenierten Obristen, die auf Zeit in Wartegeld gehalten wurden und auf ein neues Kommando warteten. Zumindest im schwedischen Armeekorps war die Nobilitierung mit dem Aufstieg zum Obristen sicher. Zur finanziell bedrängten Situation mancher Obristen vgl. dagegen OMPTEDA, Die von Kronberg, S. 555. Da der Obrist auch militärischer Unternehmer war, war ein Wechsel in die besser bezahlten Dienste des Kaisers oder des Gegners relativ häufig. Der Regimentsinhaber besaß meist noch eine eigene Kompanie, so dass er Obrist und Hauptmann war. Auf der Hauptmannsstelle ließ er sich durch einen anderen Offizier vertreten. Ein Teil des Hauptmannssoldes floss in seine eigenen Taschen. Dazu beanspruchte er auch die Verpflegung. Ertragreich waren auch Spekulationen mit Grundbesitz oder der Handel mit (gestohlenem) Wein (vgl. BENTELE, Protokolle, S. 195), Holz, Fleisch oder Getreide. Zum Teil führte er auch seine Familie mit sich, so dass bei Einquartierungen wie etwa in Schweinfurt schon einmal drei Häuser „durch- und zusammen gebrochen“ wurden, um Raum zu schaffen; MÜHLICH; HAHN, Chronik Bd. 3, S. 504. II. Manchmal meint die Bezeichnung „Obrist“ in den Zeugnissen nicht den faktischen militärischen Rang, sondern wird als Synonym für „Befehlshaber“ verwandt. Vgl. KAPSER, Heeresorganisation, S. 101ff.; REDLICH, German military enterpriser; DAMBOER, Krise; WINKELBAUER, Österreichische Geschichte Bd. 1, S. 413ff.

[27] Hans Ulrich Freiherr v. Schaffgotsch [28.8.1595 Schloss Greiffenstein (bei Greiffenberg, Niederschlesien)-23.7.1635 Regensburg], kaiserlicher General. Vgl. KREBS, Hans Ulrich Freiherr von Schaffgotsch; HENKEL, Schaffgotsch.

[28] Obristleutnant [schwed. Överstelöjtnant]: Der Obristleutnant war der Stellvertreter des Obristen, der dessen Kompetenzen auch bei dessen häufiger, von den Kriegsherrn immer wieder kritisierten Abwesenheit – bedingt durch Minderjährigkeit, Krankheit, Badekuren, persönliche Geschäfte, Wallfahrten oder Aufenthalt in der nächsten Stadt, vor allem bei Ausbruch von Lagerseuchen – besaß. Meist trat der Obristleutnant als militärischer Subunternehmer auf, der dem Obristen Soldaten und die dazu gehörigen Offiziere zur Verfügung stellte. Verlangt waren in der Regel, dass er die nötige Autorität, aber auch Härte gegenüber den Regimentsoffizieren und Soldaten bewies und für die Verteilung des Soldes sorgte, falls dieser eintraf. Auch die Ergänzung des Regiments und die Anwerbung von Fachleuten oblagen ihm. Zu den weiteren Aufgaben gehörten Exerzieren, Bekleidungsbeschaffung, Garnisons- und Logieraufsicht, Überwachung der Marschordnung, Verproviantierung etc. Der Profos hatte die Aufgabe, hereingebrachte Lebensmittel dem Obristleutnant zu bringen, der die Preise für die Marketender festlegte. Um all diese Aufgaben bewältigen zu können, waren umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen notwendig. Nicht selten lag die eigentliche Führung des Regiments in der Verantwortung eines fähigen Obristleutnants, der im Monat je nach Truppengattung zwischen 120 [nach der „Ordnung Wie es mit der verpflegung der Soldaten“ (1630)] und 150 fl. bezog, in der brandenburgischen Armee sogar 300 fl. Voraussetzung war allerdings in der bayerischen Armee die richtige Religionszugehörigkeit. Maximilian I. hatte Tilly den Ersatz der unkatholischen Offiziere befohlen; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Dreißigjähriger Krieg Akten 236, fol. 39′ (Ausfertigung): Maximilian I. an Tilly, München, 1629 XI 04: … „wann man dergleich officiren nit in allen fällen, wie es die unuorsehen notdurfft erfordert, gebrauchen khan und darff: alß werdet ihr euch angelegen sein lassen, wie die uncatholischen officiri, sowol undere diesem alß anderen regimentern nach unnd nach sovil muglich abgeschoben unnd ihre stellen mit catholischen qualificirten subiectis ersezt werden konnde“. Der Obristleutnant war zumeist auch Hauptmann einer Kompanie, so dass er bei Einquartierungen und Garnisonsdienst zwei Quartiere und damit auch entsprechende Verpflegung und Bezahlung beanspruchte oder es zumindest versuchte. Von Piccolomini stammt angeblich der Ausspruch (1642): „Ein teutscher tauge für mehrers nicht alß die Oberstleutnantstell“. HÖBELT, „Wallsteinisch spielen“, S. 285.

[29] Albrecht v. Freiberg [Freyberg, Freiberger, Freyiunger] [ – ], kaiserlicher Obrist.

[30] Anton v. Schlief(f)en [Schleif] [21.7.1576 Köslin-17.9.1650 Stettin] kaiserlicher, anschließend ständisch-böhmischer, dann wieder bis 1627 kaiserlicher, ab 1628 pommerscher, dann kursächsischer u. schwedischer Obrist.

[31] Archives Municipales Strasbourg AA 1065.

[32] Eger [Cheb]; HHSBöhm, S. 119ff.

[33] Maximiliana Gräfin Trčka z Lipy [1608-1662], Tochter des kaiserlichen Rats Karl von Harrach u. der Maria Elisabeth v. Schrattenbach.

[34] Elisabeth Magdalena [Alžbĕta Majdaléna] Gräfin Kinský [ -vor 1645 Greifswald], Schwester des Adam Erdmann Graf Trčka z Lipy [1584, 1599, 1600-25.2.1634 Eger], kaiserlicher Obrist, Feldmarschallleutnant.

[35] Franz Albrecht Herzog v. Sachsen-Lauenburg [10.11.1598 Lauenburg-10.6.1642 Schweidnitz], kaiserlich-kursächsischer Feldmarschall.

[36] Mies [Stříbro, Bez. Tachau]; HHSBöhm, S. 372f.

[37] Vgl. BROCKMANN, Dynastie.

[38] MANN, Wallenstein, S. 950.

[39] Vgl. BINGEL, Das Theatrum Europaeum; SCHOCK; ROßBACH; BAUM, Das Theatrum Europaeum.

[40] Giovanni Battista Senno [Seni, Zenno] [1600 Padua-1656 Genua], Astrologe.

[41] Manumittierung: Freilassung.

[42] Apparenz: Anschein, Erscheinung, Wahrscheinlichkeit.

[43] THEATRUM EUROPAEUM 3. Bd., S. 415.

[44] Nach REBITSCH, Gallas, S. 84, war Senno dagegen 1 ½ Jahre (!) in Untersuchungshaft.

[45] Baron Francesco Biboni [ -1664], polnischer Resident in Wien.

[46] THEATRUM EUROPAEUM 5. Bd., S. 38.

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