Schlitz, Georg Sittig von, genannt Görtz

Schlitz, Georg Sittig von, genannt Görtz; Obristwachtmeister [ – ] Georg Sittig von Schlitz, genannt Görz, stand als Obristwachtmeister in den Diensten des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Weimar.

„Wir wenden uns nun wieder den Truppen des Generalwachtmeisters Wilhelm von Lamboy zu, die wir am Sonntag, dem 29. Oktober 1634, bei ihrem Abzug aus dem geplünderten  Kulmbach[1] verlassen hatten. Am 30. 10. (n. St.) kamen diese, 2500 Mann in 6 Regimentern stark, mit zwei Feldstücken im Herzogtum Coburg an. Lamboy, der über Kronach herangezogen war, schlug sein Hauptquartier in Großheirath südlich von Coburg auf. Durch ein mittels eines Trompeter überbrachtes Schreiben ließ er noch am gleichen Tag Bürgermeister und Rat der Stadt zur Übergabe auffordern. Die Stadt schickte daraufhin eine Deputation, bestehend aus dem Obristwachtmeister Felix Rauschart, Kommandant über die Bürgerschaft und Stadtgarnison, sowie den Räten Ludwig Wilhelm von Streitberg, Dr. Bonaventura Gauer (Assessor des Schöppenstuhls), Dr. Andreas Peter Wolfrum (Assessor des Consistoriums) und Andreas Hohnbaum (Bäcker auf dem Steinweg) in das Lamboy’sche Hauptquartier. Der wollte allerdings die Delegation überhaupt nicht empfangen, sondern ließ die Verhandlungen durch seinen Bruder, Georg von Lamboy, führen. Lediglich den Oberstwachtmeister Rauschart, den er gut kannte, empfing er persönlich. Lamboy forderte für 5 Kompanien zu Fuß und seine Leibkompanie zu Pferd Quartiere in der Stadt, Proviant für die gesamten Truppen und eine Ranzion von 10.000 Gulden. Die Deputierten, welche die Unmöglichkeit der Forderungen erklärten, wurden bei ihrem Abzug bedroht, daß, sollte man sich am folgenden Tag nicht zugänglicher erzeigen, man mit Coburg wie mit Hof[2] und Kulmbach verfahren wolle. Die geforderte Ranzion konnte nach einigen Tagen schließlich auf 5000 Gulden heruntergehandelt werden, worauf am 26.10./ 5.11. ein aus 8 Punkten bestehender Übergabevertrag unterzeichnet wurde und Lamboy mit den oben erwähnten Kompanien in die Stadt einzog. Das übrige Volk wurde in die Dörfer rund um Coburg einquartiert, wo alle Dorfschaften zu deren Verpflegung beitragen mußten. Der vereinbarte Übergabevertrag besagte, daß Stadt und Land Coburg bei ihren Herrschaften, Privilegien, Rechten und Gerechtigkeiten sowie Religion und Profan-Frieden belassen werden sollten. Die fürstliche Residenz, Kirchen, Schulen, Sekretariate, das Rathaus, die Kanzlei und das Gymnasium wie auch alle herzoglichen Beamten, Räte, Diener sowie alle Einwohner und Untertanen sollten unbeschadet bleiben und auf dem Lande Plünderungen und andere Insolentien unterbleiben. Auch wurde zugesagt, die Stadt mit keiner weiteren Ranzion zu belegen und Güter und Vermögen der Räte und der in der Stadt befindlichen Adligen unangetastet zu lassen. Wie diese Zugeständnisse eingehalten wurden, wurde sofort nach dem Einzug der kaiserlichen Truppen in die Stadt ersichtlich. Lamboy ließ die Bürgermeister in der Ehrenburg, wo er auch persönlich einzog, festhalten und verlangte von diesen wöchentlich 1000 Taler zu seiner Unterhaltung, nebst Viktualien und Vieh, welche Summe er jedoch aus realistischen Gründen auf 600 und schließlich auf 450 Taler wöchentlich reduzierte.

Auf der Veste Coburg war der Oberst Georg Philipp von Zehm Festungshauptmann im Dienste Johann Ernsts von Sachsen-Eisenach, der seit dem Tod Herzog Johann Casimirs Hausherr der Festung war. Zehm, der eigentlich zu den Truppen Herzog Wilhelms von Weimar gehörte, war von diesem am 9. September 1634, kurz nach Bekanntwerden der Nördlinger Niederlage, erneut als Kommandant der Veste Coburg bestätigt worden (Huschke, S. 235). Das dortige Oberkommando beanspruchte jedoch der von Herzog Johann Ernst bestellte Oberstwachtmeister Georg Sittig von Schlitz, genannt Görtz, welcher die bisherige Garnison befehligt hatte. Von der ehemaligen Taupadel’schen Besatzung war, nach dessen Abzug im Februar 1633, eine Kompanie Dragoner unter dem Kapitän Michael Griesheim verblieben, über dessen und seiner Untergebenen Verhalten allerdings in den vergangenen beiden Jahren vielfältige Beschwerden eingekommen waren. Griesheim fühlte sich dem Major Görtz unterstellt, was zu vielfältigen Kompetenzstreitigkeiten führte.

Die gesamte Besatzung der Veste sollte Zehm im August 1634 auf Befehl Herzog Wilhelms von Weimar auf 800 Mann zu Fuß und 100 Reiter komplettieren. Davon waren allerdings 500 Mann aus der Landesdefension (Ausschuß) abzustellen, 200 Mann davon sollten die Veste Heldburg besetzen. Die bewaffnete Bürgerschaft Coburgs zählte gegen 530 Mann, von denen sich aber nur ein kleiner Teil auf die Festung begeben hatte. Obwohl die Stärke der Festungsgarnison im Oktober 1634 nirgends explizit angegeben ist, darf man aus den vorhandenen Zahlen annehmen, daß die geworbene Besatzung nicht mehr als 100-120 Musketiere unter dem Hauptmann Michel (meist aus den Truppen Herzog Wilhelms von Weimar, die dieser ebenfalls am 9. September 1634 dorthin kommandiert hatte) und 70 berittene Dragoner Griesheims umfaßte, wozu noch etwa 120 Ausschuß aus Coburg, Neustadt,[3] Sonnefeld,[4] Neuhaus (am Rennweg)[5] und Hildburghausen[6] vorgesehen waren. Die Ausschußkompanie kommandierte der Hauptmann von Birkig. Insgesamt umfaßte die Festungsbesatzung wohl 250-300 Mann. Im Laufe der Belagerung erkrankten ca. 60 Personen, 16 kamen zu Tode. Oberst Zehm bat während der Belagerung Herzog Wilhelm mehrmals um eine Verstärkung von 100-150 guten Musketieren, welche zwar öfters zugesagt wurde, tatsächlich jedoch nie ankam. Jedenfalls schreibt der auf die Veste geflüchtete Kommandant der Heldburg, Joachim Ludwig von Seckendorf in einer Rechtfertigungsschrift, es wäre ‚rühmlicher gewesen, es hätten 300 junge Mannschaften in Coburg die Resolution gefaßt und sich auf die Festung, dem Feind zu resistiren begeben, statt alte verlebte Krämer und dergleichen Gesellen hinaufzuschicken‘. (T. Krieg, S. 34, 35, 42, 45).

Das Lamboy’sche Belagerungskorps war zahlenmäßig starken Schwankungen unterworfen. Als Lamboy die Stadt mit einer Anzahl berittener Truppen am 16.11. für einige Tage in Richtung Römhild[7] verließ, ließ er nur 500 Mann zu Fuß und 60 Reiter zurück. Wenig später wurde jedoch eine Verstärkung Hatzfeldischer Truppen von dem nun quasi verbündeten sächsischen Oberst [später Generalleutnant] Albrecht von Kalckstein[8] herangeführt. Lamboy verfügte damit, außer dem Kürassierregiment Hatzfeld und den Fußregimentern Gallas,[9] Johann von Adelshofen und Graf Rudolf von Thun[10] (letzterer ab Dezember), über zusätzliche Kompanien aus dem Fußregiment [Johann v.; BW] Götz und den Kavallerieregimentern Forgách (Kroaten) sowie Johann Wilhelm von Willich (Arkebusiere), die ihm Piccolomini[11] zur Verfügung gestellt hatte (DBBTI V/1188; Karche III, 137). Offensichtlich ist, daß es in Lamboys Truppenzusammensetzung seit seinem Anmarsch über Kulmbach (s. vorgehendes Kapitel) erhebliche Verschiebungen gegeben hatte. Zehm schätzte die Verstärkungen einschließlich der angekommenen Bergknappen und ‚Minirer‘ auf 1200.

Unmittelbar nach der Einnahme der Stadt am 5.11. begannen die Truppen Lamboys mit der Einschließung und Belagerung der Festung. Oberst Zehm, der abwesend war und von Steinheid[12] her anreiste, gelangte gerade noch rechtzeitig in die bereits umstellte Burg. Die Dragoner, welche gerade in Richtung Cortendorf[13] und Lützelbuch[14] zum Furagieren ausgeritten waren, waren durch einen Losungsschuß zum Rückzug ermahnt worden, wurden aber vom Feind umringt und hatten 3 Tote und etliche Verletzte zu beklagen, bevor sie sich in die Festung zurückziehen konnten. Rüger, der gerne zu Übertreibungen neigt, berichtet, daß einer der Verwundeten namens Eucharius aus Hildburghausen ‚also gestochen worden, daß der durch die Wunde gehende Wind sein Licht ausgelöscht‘. Der solchermaßen Verletzte wurde jedoch wundersamer Weise wieder geheilt. Oberst Zehm beklagte sich heftig über die seiner Meinung nach allzu schnelle Übergabe der Stadt und über diejenigen, ‚so accordiert und die Stadt so liederlich übergeben‘.

Die ersten Tage und Wochen der Belagerung vergingen, da die feindlichen Truppen noch relativ schwach waren, mit verschiedenen Plänkeleien und Scharmützeln. Die Einschließung scheint zu diesem Zeitpunkt noch nicht so konsequent gewesen zu sein, denn vom Landvolk wurden allerhand Viktualien in die Festung getragen. Unter anderem kamen zwei Schuster aus Sonneberg[15] zum Verkauf von zwei Tragen Schuhen in die Burg, welche man für Spione hielt und verhaftete. Eine Frau, die eine Bürde mit Heu in die Festung tragen wollte, wurde allerdings auf dem Rögnersberg erstochen. Am 9. November wurde ein Bäckerjunge als heimlicher Bote mit der Bitte nach Verstärkung zu Herzog Wilhelm von Weimar abgefertigt. Dieser sollte zum Zeichen dafür, daß er den Belagerungsring erfolgreich überwunden hatte, ein Feuer auf dem Mühlberg machen, was auch gelang. Am 16. November versuchten die Belagerer zum ersten Mal an die Tore der Burg zu kommen um dort Feuer einzulegen, wurden aber durch die beiden auf der Brustwehr stehenden Konstabler Conrad Rüger und Hans Jakob Seidenschanz mit Granaten und Sturmtöpfen[16] abgetrieben. Am 19. November kam der an Herzog Wilhelm abgesandte Bote wieder zurück und machte zum Zeichen seiner Ankunft auf dem Mühlberg wieder ein Feuer, worauf man ihn über den Burggraben in die Festung geleitete. Er brachte die Nachricht, daß Herzog Wilhelm unweigerlich Sukkurs schicken wolle, der jedoch nie eintraf.

Die Belagerung der Veste ging indessen, da Lamboy sich für einige Tage zu Konsultationen mit Forgách nach Römhild[17] begeben hatte (am 16.11.), mit relativ geringem Engagement weiter. Rüger berichtet unter dem 20. November von einer merkwürdigen Exkursion von 5 Landesdefensionern, die zum Holzholen in die abgebrannte Schäferei ausrückten. Dabei mußte ihnen die Jungfer Katharina Krug die Gewehre nachtragen. Auf dem Rückweg wurde die Gruppe von einer feindlichen Streifpartei überrascht. Die Männer ‚riefen gedachter Jungfer, welche schon etwas vorgegangen, um Gotteswillen zu eilen und ihnen ihre Gewehre zu bringen, worauf sie wieder zurückgesprungen und den Männern dieselben überbracht, welche nun auf den Feind los gingen. Zu ihrer Defension wurde aus der Festung mit Doppelhaken und Musketen Feuer unter die Feinde gegeben, daß sie ausreißen mußten und kamen die 5 Männer ohne Schaden durch Gottes Hilfe davon, nahmen ihr Holz wieder auf den Hals und brachten es in die Vestung‘. Kommandant Zehm unternahm nun einen Versuch die in der Stadt liegenden feindlichen Truppen zu verunsichern. Er ließ zwei Geschütze auf die geheime Ratsstube in der Ehrenburg, in der Lamboy sein Quartier hatte, zwei auf den Markt und zwei auf das Rosenauschlößchen richten und diese abfeuern. Gleichzeitig ließ er einen Ausfall beim Heiligkreuztor und Steintor machen, der allerdings wenig Erfolg hatte, sonderlicher Schaden ‚sei in der Stadt nicht geschehen‘. (T. Krieg, S. 35).

Wegen des ausbleibenden Sukkurs wurde der Bote am 4. Dezember erneut mit der dringlichen Bitte um Unterstützung zum Herzog geschickt. Dieses für Herzog Wilhelm, zu diesem Zeitpunkt ja noch schwedischer Generalleutnant, typisch unzuverlässige Verhalten hatten wir bereits bei der am 22.11. ausbleibenden Unterstützung für die heranziehenden Hessischen Truppen unter Kurt von Dalwig erlebt. Wilhelm schien zu dieser Zeit bereits zu taktieren, da er davon ausging, daß sich die Coburger Besatzung länger halten würde und durch das sich abzeichnende Pirnaer Friedensabkommen zwischen dem Kaiser und Sachsen (23.11.1634) die Veste Coburg in die Neutralität aufgenommen werden könnte. Daß jedoch Wilhelm den Entsatz der Veste zumindest plante, geht aus den Verhandlungen mit dem schwedischen Feldmarschall Johann Banér vom 9.12. hervor, den er, wie sich herausstellen sollte erfolglos, zu einem Vorstoß gegen Franken zu überreden versuchte. Der Coburger Kommandant Zehm hatte Wilhelm durch den abgesandten Boten gemeldet, daß die Kaiserlichen durch die erfolgte Beschießung der Stadt und den Ausfall so in die Furcht geraten seien, ‚daß sie, hätte es nur etwas stärker ausfallen können, die Stadt sollten quittiert haben‘. Auch, daß die in der Stadt liegenden kaiserlichen Truppen Furcht vor einem neuen Überfall hätten und der Herzog mit 2000 Reitern und 1000 Mann zu Fuß diese leicht über-wältigen und die Festung entsetzen könne (Huschke, S. 264). Der Kurier kam am 12. Dezember mit der Botschaft zurück, daß die Unterstützung innerhalb der nächsten beiden Tage nun unweigerlich eintreffen sollte. Die Konstabler Rüger und Seidenschwanz wurden deshalb ‚mit 2 halben Karthaunen und 50 Kugeln, 13 Ctr. Pulver und 6 Pfd. Pirschpulver,[18] zum Zündkraut zu gebrauchen‘ in Stellung gebracht um der herannahenden Verstärkung Feuerschutz geben zu können und dem Feind ‚bei der Stahlhütte in Gotsmanns Garten Pahre [Barré] zu schießen‘, diesen also abzuriegeln (Die Stahlhütte, also das Schießhaus für die Armbrustschützengilde, stand an der Stelle des heutigen Landestheaters).

Die erwartete Verstärkung blieb natürlich aus. Am 23.12. (2.1.) ordnete Zehm einen größeren Ausfall mit 100 Mann an. Diese kamen bis unter die Tore der Ehrenburg, mußten sich aber nach kurzem Gefecht unter Mitnahme eines Gefangenen wieder in die Festung zurückziehen. Rüger erwähnt diesen Vorfall seltsamerweise nicht, berichtet jedoch von einigen Ausfällen der Dragoner unter dem 21. und 24. Dezember, welche einen Gefangenen einbrachten, der vorgab, ein geborener Grieche zu sein und deshalb nicht antworten wollte. ‚Da wardt befohlen, man solle ihn todt schießen; da konnte er gut deutsch reden‘. Während der nun folgenden Weihnachtsfeiertage hielten sich beide Seiten ruhig.

Im Januar 1635 kam Johann Ludwig Fueß, der Kommissar des kaiserlichen Feldmarschalls Piccolomini nach Coburg. Er ließ etliche Mandate wegen monatlicher Kontributionen von 1000 Gulden, Lieferung von Proviant und Beschaffung von Quartieren publizieren. Er selbst verlangte monatlich 200 Taler neben Kost und Futter. Fueß wurde durch den kaiserlichen Oberkommissär Daniel Wolff abgelöst, der eine eigene Vergütung von monatlich 600 Reichstalern und eine sofortige Kontribution von 8000 Talern für die Kriegskasse forderte. Den Beamten und Räten der Coburgischen Städte wurde bei Nichtzahlung mit Arrest und militärischer Exekution gedroht, so daß sie schließlich eine Obligation über 6000 Taler ausstellten. Als die Stadt Coburg diese Kontributionen nicht mehr aufbringen konnte, wurden die Mitglieder des Rates 8 Tage lang in die Regimentsstube auf dem Rathaus auf dem Rathaus eingeschlossen. Kaum hatten sie sich gegen eine goldene Kette und eine Anzahl von Wertgegenständen freigekauft, wurden sie erneut, neben dem Kanzler Dr. Ernst Fomann auf Waldsachsen und dem fürstl. Rat Dr. Peter Wolfrum, in der großen Ratsstube der fürstlichen Regierung inhaftiert und von Soldaten bewacht, bis sie schließlich eine Obligation über 3400 Reichstaler ausstellten, worauf sie freigelassen wurden.

Rüger berichtet unter dem 2. Januar von etlichen Ausfällen der Dragoner, die dabei einen Toten und 2 Gefangene zu beklagen hatten. Die Gefangenen wurden von den Belagerern grausam umgebracht. Der eine, weil er zwei Glaskugeln bei sich trug, was als abergläubisches Mittel galt, um das ‚Festmachen‘ also die Unverwundbarkeit des Gegners aufzuheben. Diesem stachen sie die Augen aus, schnitten ihm ein Kreuz auf die Stirn und erschossen ihn. Der zweite, ein Knecht des Dragonerfähnrichs Klaus Börzinger, weil er eine Pirschbüchse bei sich trug, also als Scharfschütze galt.[19] Dieser Knecht sollte, weil er in das Zeughaus eingebrochen war, bereits am Vortag in der Veste erschossen werden, war jedoch von der Schwester Georg Christophs von Taupadel, die sich noch auf der Veste befand, freigebeten worden. Am 20. Januar streuten die Dragoner sogenannte Lähmeisen, also vierzackige Fußangeln, aus und legten Lähmbretter (Bretter mit durchgeschlagenen Nägeln). Der in diesen Hinterhalt gelockte Feind hatte dadurch zahlreiche Verluste an lahmen Pferden.

Die Nachrichten des Festungskommandanten Zehm an seinen Landesherren Herzog Johann Ernst von Sachsen-Eisenach und den de facto schwedischen Generalleutnant Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar wurden im Februar des Jahres 1635 zunehmend dringlicher. Wilhelm legte nach wie vor seine Verzögerungstaktik an den Tag. Am 9./19. Februar wies er Zehm auf die laufenden Friedensverhandlungen hin und erklärte, daß ein solcher Frieden nicht nur einen Waffenstillstand, sondern den Wegzug aller kaiserlicher Truppen aus der Grafschaft Henneberg[20] und dem Herzogtum Coburg nach sich zöge. Sein mangelndes Eingreifen entschuldigte Wilhelm damit, daß der Feind nördlich des Thüringer Waldes keine Feindseligkeiten zeige, er deshalb diesen Zustand gleichfalls nicht durch feindselige Haltungen gefährden wolle. Dem Kommandanten empfahl er, einen Unterhändler zu Lamboy zu schicken und ihn über den bestehenden Waffenstillstand zu unterrichten, der zwangsläufig auch die Festung Coburg einbeziehen würde.

Während Herzog Wilhelm zumindest noch produktive Vorschläge machte, beschränkten sich die Ratschläge Johann Ernsts, der keinen militärischen Einfluß hatte, auf reine Durchhalteparolen. Bereits im Januar hatte Zehm geklagt, daß er von seinem Landesherren und dessen Räten keine Antwort bekomme. Zu Anfang Februar legte er diesem die militärische Situation dar. Danach hatte Lamboy umfangreiche Vorbereitungen für einen Sturm machen lassen. Dafür seien zahlreiche Schanzkörbe, Faschinen und Sturmleitern etc. verfertigt worden. Zudem habe man mit der Unterminierung der Veste begonnen, zu welchem Zweck zwei ‚Minierer‘ (Bergbauingenieure in Militärdiensten) und eine große Anzahl an Bergknappen angekommen wären. Zehms kontinuierliches Klagen und die durch seine eigene Hilflosigkeit bedingte Wut veranlaßten Johann Ernst am 10./20. Februar dazu, einen außergewöhnlich scharfen Durchhaltebrief an den Kommandanten zu richten: ‚Herr Obrister, ich weiß nicht, wie ihr gar so verzagt schreibet, Ihr sagt, Ihr seid so lange blockiert gewesen, Ihr müsset aber wissen, Blockierung ist nicht Attackierung, wenn sie Euch etwas tun wollen, so müssen sie Euch auf den Leib, es ist auch die Festung so hoch, daß sie nicht werden so bald hineinsteigen, auf den gesetzten Fall kommen sie hinein, ist es doch nichts Neues, daß man sie wieder herausschlagen [muß]. Es ist leicht von einem Kavalier geredet, daß man Leib und Leben zusetzen will; wenn alles dabei in Acht genommen wird, ists wohlgetan; der Herr Obriste betrachte, es ist kein Geringes, ein Kommando zu begehren und auf sich zu nehmen, man muß auch danach tun, was sein Amt mit sich bringet. […] ich verstehe mich zu Euch als einem Kavalier, Ihr werdet tun, was Euch gebühret, befehle Euch hiermit ernstlich, für mich und mein Haus, daß Ihr unsre Festung bis auf den letzten Mann und letzten Blutstropfen verteidiget, und man will von keinem Akkord wissen; tut Ihr nun wohl, so versichere ich Euch, es soll Euch mit solchem Dank belohnet werden, daß ihr damit sollet zufrieden sein, tut Ihr aber übel, und lebet dem Allen nicht nach, so wird man es von Eurem Kopf fordern‘. (T. Krieg, S. 36).

Zehm schrieb seinem Landesherren im Verlauf des Februar, daß die Blockade der Festung nun vehement vorangetrieben würde, ‚fast nicht ein Hund könne mehr herauskommen‘. Die Belagerer hätten zudem mit dem Vorantreiben der der unterirdischen Stollen erhebliche Fortschritte gemacht. Am 17./27. habe man deshalb einen Ausfall unternommen, den Feind aus den Laufgräben geschlagen und eine der Minen einbekommen. Dabei seien 25 der Feinde gefallen, zwei Minierer und etliche Bergknappen habe man gefangengenommen und mit ihren Werkzeugen und Waffen in die Festung gebracht. Ein ‚vornehmer Minierer‘, der sich für einen Fähnrich ausgebe, nach Aussage der anderen aber der Hauptmann sein soll, habe bekannt, deß der ‚Principal Minierer‘, ein Italiener, fest entschlossen sei, unter den Stock der Veste zu minieren. Man habe die dritte Mine bereits angefangen und nach dem Willen Lamboys wolle man alle drei Minen zugleich springen lassen. (Ebd. S. 37).

Diese Vorbereitungen werden in einem Brief Lamboys am 22. Februar an Octavio Piccolomini bestätigt. In diesem schreibt Lamboy, daß die Vorbereitungen zu Unterminierung der Festung beendet seien. Durch die Minenstollen könne man bereits die feindlichen Schanzen erreichen. Die Sappeure hätten 40 Tonnen Schießpulver unter die Festung gelegt, falls diese nicht innerhalb von 3 Tagen übergeben werde, solle die Sprengung erfolgen. Am 24. Februar muß Lamboy in einem weiteren Schreiben allerdings zugeben, daß sich die Verteidiger nicht ergeben wollten, sondern auf Hilfe warteten. Der zweite Minenstollen sei nun auch beendet. Am 28. Februar berichtet er, daß die Belagerung der Feste durch Regenfälle und Ausfälle der Verteidiger erschwert würde. Diese warteten auf Hilfe von Johan Banér. Gleichzeitig verteidigt er sich gegen Vorwürfe Piccolominis, der die Sappen[21] und Minen für nicht wirksam genug hielt. (DBBTI V/1160, 1167, 1172).

Rüger berichtet von der nun gänzlichen Einschließung der Veste unter dem 26. Februar. Am 28.2. richtete er eine mit Hagel (Hackblei und Eisenstücken) geladene viertel Kartaune auf den von den Belagerern besetzten Hohlweg und provozierte dadurch einen artilleristischen Gegenangriff. Dabei wurde die Schießscharte seiner Geschützstellung getroffen, so daß ihn ein Steinsplitter am Ohr traf und etliche Tage außer Gefecht setzte. Unter dem 5.3. schreibt er von einem Ausfall der Dragoner, welche von der blauen Kemenate mit Doppelhaken, Musketen und Gewehren unterstützt wurden. Die Schildwache der Belagerer, ein geborener Schwede und ehemals zur auf der Veste liegenden Kompanie des Hauptmanns Michel zugehörig, wurde überrascht und wollte fliehen. ‚Sein Hauptmann aber mit Namen Krebs versuchte ihn aufzuhalten, indem er ihm zurief: Wohin ? Wohin ? er aber stößt ihn in den Koth, sagend: Da liegst du und der Teufel !‘ Die Dragoner, die zu Fuß angriffen, machten etliche der fliehenden Belagerer mit Schlachtschwertern (Zweihändern) und kurzem Gewehr (Helmbarten) nieder und nahmen den Rest gefangen, darunter den Hauptmann Krebs.

Von einem besonderen Kabinettstücklein berichtet Rüger unter dem 7. März. Die Belagerer hatten zwei 1/4-pfündige Stücklein[22] in einen Garten unterhalb der neuen Bastei gepflanzt und begannen die Festung zu beschießen (diese Bastei, im Süden der Veste, hatte der Konstabler Rüger unter seinem Kommando). ‚Die Feinde gaben nach mir Feuer, fehlten aber die ganze Vestung nicht mehr als 26 mal, welches die darinnen liegenden wohl lachten und folgendes Blendwerk brauchten. So oft sie schossen, warf Caspar Radschmidt mit einem Sturmhäfelein, so mit Kalk und Aschen angefüllt war, an die Mauer, daß es stäubte, wodurch sie vermeinten, sie hätten getroffen. Wie sie aber den Betrug merkten, so trafen sie besser und schossen in die Schießaugen und durch die Blendung auf der neuen Bastei, daß ich aber übel zufrieden war und gedachte sie wieder zu bezahlen, richtete deshalb eine halbe Karthaune auf sie zu und gab Feuer auf ihre Schanzgräben und Batterien und lähmte ihre Stücke gänzlich, welches sie aber bald wieder reparirten und Feuer auf die Basteien gaben, welches noch zu ersehen, aber sie konnten nichts Schadhaftes effekutieren‘.

Eine weitere Episode über den anscheinend besonders gewieften Caspar Radschmidt berichtet Rüger wenig später: ‚Den 12. März kommandierte der Hr. Capitän 3 Männer mit Schlachtschwerdtern und kurzem Gewehr auf die vordere Mine, welche im Herrenberg angefangen war [unter der neuen Bastei]. Darunter war auch Caspar Radschmidt, eine Rundtasche habend [Rondartsche = schußfester Rundschild]. Diese gingen auf die Minirer los, bekamen ihrer 4 gefangen und führten sie auf die Vestung. Als sie fast hinan waren, vermerkte Caspar Radschmidt, daß er in der Furie seine Rundtasche verloren habe, dem der Capitän alsbald 6 Mann gab, dieselbe wieder zu holen. Sie gingen hin und bekamen wieder 7 Minirer und ihren Hauptmann, wie auch alle ihre eisernen Keile und Hämmer, nebst einer Flasche, mit welcher sie Vormittag 9 Uhr die in der Vestung genug gehöhnet, indem sie selbige auf eine Stange steckten und uns einen Trunk präsentirten, dem wir Bescheid thun sollten, welches auch durch einen Jäger geschahe, der sie mit einer Pirschbüchse anzäpfte‘.

Zu einem spektakulären Zwischenfall kam es am 22. März, als Rüger erneut die Ehrenburg beschoß. Dort hielt sich gerade der Generalwachtmeister Lamboy mit dem Grafen Miklós Forgách und noch 5 Oberstleutnants, angeblich zum Kartenspielen, in der geheimen Ratsstube auf, als eine von Rüger abgefeuerte Geschützkugel einschlug, die steinerne Fenstersäule zerschmetterte, den Tisch um kaum einen Meter verfehlte und zum anderen Fenster wieder hinausfuhr. Rüger berichtet über diesen Vorfall, zwar unter falschem Datum, aber in gewohnt launiger Manier: ‚Den 21. Nov. spielte ich auf den Abend mit einer Feldschlange von der neuen Bastei auf die geheime Rathstube in der Ehrenburg, denn es war berichtet worden, daß der General Lamboy sein Quartier in selbiger genommen, welches auch zugetroffen. Am selbigen Abend war General Lamboy am Tisch gesessen, gespielt, getrunken und lustig gewesen und habe ich von gedachter Stube eine Säule vom Fenster sammt dem Gebäu vom Stuhl, auf welchem Lamboy gesessen, nebst Leuchter und Pocalen von der Tafel weggeschossen, daß Herr und Diener aus dem Gemach gesprungen und wollten diesen fremden gast, weil er ganz seltsam und ihnen übel gefallen, nicht mitspielen lassen‘. (Rügers Relation bei Karche I, S. 477).

Der Kommandant Zehm war zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich frustriert. Da sich Herzog Wilhelm von Weimar am 3./13. auf eine Reise zu Kurfürst Johann Georg I. nach Dresden[23] begeben hatte (Huschke, S. 286), wandte sich Zehm noch am 12./22.3. an Herzog Johann Ernst mit der Bitte, dieser möge doch wegen etwaigen Sukkurses bei dem Generalmajor Georg von Uslar in Waltershausen[24] anfragen, dem Herzog Wilhelm Weisungen hinterlassen habe. Er beschwerte sich auch bei dieser Gelegenheit über Herzog Wilhelm, dem er etliche Male den Zustand der Festung geschildert habe, auch daß die Besatzung gar zu schwach und durch die stetigen Wachten und die große Kälte sehr abgemattet sei. Viele wären dadurch krank geworden und stürben dahin. Von Herzog Wilhelm habe er bisher nur Vertröstungen erhalten. Außerdem sprach Zehm, trotz der Drohungen Johann Ernsts, diesem gegenüber nochmals die ‚Traktationsmöglichkeiten‘, also Verhandlungsmöglichkeiten zu einer Übergabe an. Wenn nicht spätestens in 4 Tagen Unterstützung zu erwarten sei, ‚werde kein anderes Mittel sein, [als] den Ort zu übergeben und eher mit einem ehrlichen Soldatenakkord abzuziehen, als großer Schand und Extremitäten neben Verlierung des Platzes gewärtig zu sein‘. (T. Krieg, S. 38).

Am 12.3. hatte man bereits mit ersten Übergabeverhandlungen, die im Namen Zehms von dem Kapitän Michel geführt wurden, begonnen. Mit welcher Gesinnung Lamboy und der jederzeit informierte Piccolomini dabei vorgingen, zeigt ein Brief Lamboys an Piccolomini vom 12. März. Hierin berichtet Lamboy, Arnim (der kursächsische Generalleutnant) habe einen Eilboten hergeschickt, mit der Anweisung, das ganze Haus Coburg und die gesamte Besatzung innerhalb des Schlosses in den Waffenstillstand aufzunehmen; es handle sich dabei freilich um Schweden und Kompanien des Herzogs (Wilhelm) von Weimar. Kapitän Michel, der als Unterhändler auftrete, sei von seiner eigenen (Wilhelms) Kompanie. Er warte auf Instruktionen. Seine Stellung in Thüringen sei jetzt, nach dem Anmarsch der Regimenter Forgách, Götz und Willich, stark genug, um allen Angriffen standzuhalten. (DBBTI V/ 1188). Piccolomini und Lamboy wußten also sehr genau, daß die Festung bereits in den Waffenstillstand zwischen dem Kaiser und Kursachsen aufgenommen war, wollten aber vorher noch vollendete Tatsachen schaffen.

Tatsächlich hätte Zehm nur noch wenige Wochen durchhalten müssen. Die nachgiebige Haltung der Belagerten erscheint besonders vor dem Hintergrund unverständlich, als die Festung, mit der Ausnahme von Brennholz, noch mit genügend Vorrat versehen war. Über 1800 Simmern Weizen und 1200 Simmern Korn (Roggen) waren noch vorhanden (ein Coburger Korn-Simra entsprach 0, 4 bayer. Scheffel oder 88, 94 Liter). Dazu ein großer Vorrat an Erbsen und jede Menge Pulver und Munition. Zudem waren die Dragoner und Soldaten allesamt guten Mutes und gaben vor, ‚eher die von Adel niederschießen zu wollen, als daß die Festung solchergestalt aufgegeben werden sollte‘. Die Schwiegermutter Zehms, eine Rittmeisterin von Luchau, äußerte sich ihrem Schwiegersohn gegenüber, wenn sie gewußt hätte, daß er die Festung also übergeben wolle, so hätte sie ihm ihr Kind nimmermehr übergeben und wollte es wieder zu sich nehmen. (T. Krieg, S. 38, 40).

Als Ergebnis der Verhandlungen Michels wurde vorerst vom 16. bis zum 21. März ein Waffenstillstand abgeschlossen. Die Kommandantur der Belagerten nutzte während dieser Zeit ein Angebot Lamboys, den Zustand der Minen zu besichtigen, die gegen die rote und blaue Kemenate vorangetrieben worden waren. Bereits im Januar hatte Lamboy den Vorschlag eines Übergabevertrages ausarbeiten lassen und ihn an den Festungskommandanten übermittelt. Nun wollte er ihm vor Augen führen, daß ein weiteres Verharren der Belagerten aussichtslos sei. Die Besichtigung erfolgte durch den Major von Seckendorf und drei Hauptleute. Diese erkannten zwar, daß die Minen noch nicht so weit fertiggestellt waren, als daß sie eine Gefahr für die Festung dargestellt hätten. Trotzdem wurde, nach erneutem Drängen Lamboys, am 9./19. März 1635 ein Akkord[25] von beiden Seiten unterzeichnet.

Dieser erste Übergabevertrag (wörtlich abgedruckt im Theatrum Europaeum III, S. 450) sah den Abzug der Garnison für Mittwoch den 21./21. März gegen Mittag vor. Vorher bat sich jedoch der Kommandant Zehm noch eine Besichtigung der Minen aus. Auch er erkannte die Unzulänglichkeit der bisherigen Vorbereitungen und entschloß sich, nach Befragung eines Kaufmannes, der sichere Nachricht von der Nichteinhaltung des Vertrages durch Lamboy hatte, den Übergabetermin aufzukündigen. Als am Donnerstag, dem 22. März, 40 Pferde Vorspann an der Veste anlangten, um die Besatzung mitsamt Gepäck abzuführen, wurde ihnen ein Tambour mit ablehnendem Bescheid entgegengeschickt, worauf diese wieder abrücken mußten, widrigenfalls das Feuer auf sie eröffnet werden sollte. Piccolomini, der sich in (Bad) Neustadt[26] aufhielt, schrieb am 25.3. verärgert an Gallas, daß die Besatzung von Coburg in letzter Minute die Kapitulation unter dem Vorwand abgelehnt habe, daß sich der (Pirnaer) Waffenstillstand auch auf sie beziehe. Er werde daher Lamboy befehlen, die Festung unter Beschuß zu nehmen. Gallas war eigentlich der Meinung, daß bis zum endgültigen Abschluß des Waffenstillstandes (Prager Frieden) die Festung geschont werden müsse. Lamboy setzte sich jedoch darüber hinweg, mit dem Argu-ment, dieser Waffenstillstand wäre eine fertige Sache, deshalb müsse man vorher noch die Verwirrung der Schweden ausnutzen und diese vertreiben. (DBBTI V/1201, 1203).

Lamboy verfiel nun auf eine List. Am 24. März ließ er ein angebliches Schreiben Herzog Johann Ernsts auf die Festung schicken, mit der Behauptung, dieses hätten seine Reiter einem Boten von Eisenach[27] abgenommen, den sie erschossen hätten. In dem Schreiben befahl Johann Ernst, die Festung aufzugeben bevor sie durch die angelegten Minen ruiniert würde. Den Brief hatte Lamboy von seiner Kanzlei fälschen lassen. Dazu hatte man im fürstlichen Rentamt einen alten Befehl gefunden, das Siegel nachstechen lassen und die Handschrift und die Unterschrift des Herzogs nachgemacht. Der Kommandant Zehm war argwöhnisch, auch viele der Umstehenden äußerten Verdacht: ‚Die einen wollte es dünken, es sei eine österreichische Hand, ein anderer meinte, wie kann das richtig zugehen, es ist Neuseser[28] Papier, zu Eisenach hat man dessen nicht. Zehmen hielt den Brief, sobald er ihn bekam, für verdächtig, warf ihn mit einem großen Fluch auf den Tisch, hielt auch das Papier gegen das Fenster und fand das Neuseser Zeichen daran. Seckendorf aber redete es ihm stark aus und beteuerte hoch, es sei richtig. Vor einem anderen Zeugen, der seinen Verdacht äußerte, ergriff er den Kommandanten am Arm und führte ihn weg‘.

Tatsächlich spielte von Seckendorf, der mit Nachdruck auf eine Kapitulation hinarbeitete, beim Zustandekommen der Übergabe eine zweifelhafte Rolle. Als der Zeugmeister Philipp Reinhardt sich an Zehm und Seckendorf mit der Frage wandte: ‚Herren, wollt ihr akkordieren, da wir doch an Munition keinen Mangel, auch zu leben haben‘, soll Seckendorf geantwortet haben: ‚wenn sich der alte Narr in die Luft sprengen ließe, sei an ihm nicht viel gelegen, es sei aber um die von Adel und andere ehrliche Leute zu tun‘. Nach Aussage des Hauptmanns von Birkig habe Seckendorf die Dragoner und die Bürger gefragt, ob sie fechten wollten, was diese entschieden bejaht hätten. Darauf hätte Seckendorf eingewandt: ‚Die hinterste Mine sei schon hinein, durch die rote Kemenate durch [den späteren Kongreßbau, heute Carl-Eduard-Bau], biß schon an die Roßmühle, die vorderste Mine durch die blaue Kemenate [das Untere Zeughaus, heute Hohes Haus] bis mitten in den Hof, wenn nun die Mine geht, zersprengt sie die Festung in zwei Teile und verdirbt die zwei Mühlen, was wollet ihr darnach zu fressen haben‘. Darüber wurden die Dragoner sehr zaghaft, welche bis auf den letzten Mann gefochten hätten, ‚wann sie nicht abgeschreckt worden‘. Der Zeugmeister Reinhard sagte aus, die Festung hätte auf jeden Fall erhalten werden können, da es ‚so große Gefahr mit dem Miniren im geringsten nicht gehabt‘. (T. Krieg, S. 39, 40).

Zuletzt nutzte alles Argumentieren nichts. Seckendorf drängte mit Vehemenz auf eine Übergabe und die Uneinigkeit zwischen Zehm, Görtz und Griesheim tat ihr übriges dazu. Am 17./27. März wurde der neue Übergabevertrag, bis auf die geänderten Datumsangaben gleichlautend mit dem 1. vereinbarten Akkord, von Wilhelm von Lamboy, Georg Philipp von Zehm und Georg Sittig von Schlitz, genannt Görtz, unterschrieben. Danach sollte die Garnison am 18./28. März ‚früh um 8 Uhr mit fliegenden Fähnlein, brenenden Lunten, Kugeln im Mund, ober= und unter=Gewehr, gefüllten bandelieren, klingendem Spiel, Sack und Pack und aller Bagage [Troß], wie die auch Namen haben mögen, abziehen‘. Die Mobilien des regierenden Landesfürsten (Johann Ernst), der fürstlichen Witwe (Johann Casimirs) und der fürstlichen Erben sollten unangetastet bleiben und die fürstlichen Kanzlei-Unterlagen dem Kanzler und Räten der Stadt zugestellt werden. Dem Obersten Zehm sollten alle seine Mobilien, ‚so er mit seiner Bagage nicht fortbringen kann, unverrückt bleiben und ihm so weit vergönnt und zugelassen sein, daß er solche in seine Behausung in der Stadt [Haus No. 134 in der Herrengasse] oder auf das Haus, die Roßenau genannt [Rosenauschlößchen …] sicherlich abführen lassen solle und möge‘. Außerdem sollten der auf der Veste gefangengehaltene Obrist Frh. von Haslang und der Oberstleutnant Klepping ohne Forderungen aus ihrem Arrest freigelassen werden. Alle Coburgischen Bürger und Einwohner des Landes sollten sich mit Weib, Kind und allem Hausrat wieder unangestatet in ihre Wohnungen begeben dürfen. (Karche III, S. 139f.).

Ein interessanter Sachverhalt findet sich noch unter Punkt 8 des Vertrages: ‚Hierinnen ist auch in specie begrif-fen des Obrist Taupadels Junger Schwester, welcher mit aller bey sich habenden Bagage, Mobilien, so Ihrem Herrn Bruder und ihr zuständig, es habe Namen wie es wolle, neben sein des Taupadels Kind und dero bei sich habenden Angehörigen, mit der Guarnison frey sicher abziehen, erlaubt seyn solle, wozu ihr denn mit nothwendiger Vorspann zu ihrer Kutschen fortgeholfen werden wird‘. Georg Christoph von Taupadels Schwester befand sich also (seit Oktober 1632) noch Anfang des Jahres 1635 zusammen mit dessen Kind auf der Veste Coburg.

Am 28. März 1635 wurde die Veste an Lamboy übergeben und die Besatzung (bzw. Herzog Wilhelm von Weimars Kompanie unter Hauptmann Michel) wurde unter Konvoi durch die Grafschaft Henneberg an Meiningen[29] vorbei nach Eisenach geleitet. Die Akkordvereinbarungen wurden natürlich nicht eingehalten, was Lamboy damit begründete, daß der erste, am 9./19. März vereinbarte Akkord ohne Ursache gebrochen worden war, ‚folglich sei er in dem zweiten nach ‚aller verstendiger General vndt Cavallier judicio‘ auch nicht zu halten schuldig gewesen‘. Die in die Veste eingeflohenen Bürger wurden noch beim Hinuntergehen in die Stadt geplündert, viele mußten sich mit ‚Wachtgeld‘ loskaufen, einige wurden umgebracht. Lamboy ließ die beiden Befehlshaber Oberst Zehm und Major Görtz entgegen den im Akkord getroffenen Vereinbarungen gleich nach ihrem Auszug in der Ehrenburg gefangensetz[t]en – wohl auf deren eigenes Ersuchen hin, da sie sich aufgrund ihres leichtfertigen Handelns vor möglichen Repressalien der eigenen Seite fürchteten. Desgleichen wurde der Wagen mit dem Silbergeschirr des Herzogs Johann Ernst im Wert von 21.000 Gulden beschlagnahmt. Obwohl der Herzog seinen Kämmerer Christoph von Herstall an Lamboy und Piccolomini schickte, sich sogar beim Kaiser beschwerte, konnte er sein Eigentum nicht mehr zurück erhalten. Das Tafelsilber hatte mittlerweile der Feldmarschall Piccolomini in seinen Besitz genommen, dem Lamboy noch am 20. April eine genaue Inventarliste davon zuschicken mußte (DBBTI V/1220). Bei Kenntnis der Habgier Piccolominis, der sich sofort nach Coburg begab, um die Beute zu besichtigen, wird klar, daß hier nichts mehr zu bekommen war.

Die Festung wurde mit einer kaiserlichen Garnison von 280 Mann aus dem Adelshofischen Regiment unter dem Hauptmann und Kommandanten Amman belegt (derselbe Hans Wilhelm Amman, der im Juni 1633 von Melchior von Hatzfeld der Kronacher Bürgerschaft als Stadthauptmann vorgestellt worden war, siehe dort). Dieser wurde am 3./13. Juli anläßlich der Ankunft des kaiserlichen Truppenkontingents unter der Marchese Francesco del Caretto di Grana, von dem Hauptmann Ott von Otten mit 360 Mann aus dem Neu-Hatzfeldischen Regiment abgelöst, welchem die Bürgerschaft wöchentlich 724 Gulden zu ihrem Unterhalt beisteuern mußte. Erst gegen Ende des Jahres 1635 gelangte die Veste aufgrund der Vereinbarungen des Prager Friedens an das Haus Sachsen zurück. Am 12./22. Dezember wurde der neue Kommandant und Festungshauptmann Hanns Hartmann von Erffa bestätigt. Dieser konnte mit seinen Soldaten die Festung allerdings erst am 7./17. März 1636 beziehen, nachdem die Hatzfeldische Garnison unter Hauptmann Otten am selbigen Tag abgezogen war“.[30]

[1] Kulmbach; HHSD VII, S. 379f.

[2] Hof; HHSD VII, S. 302f.

[3] Neustadt b. Coburg (OFr.); HHSD VII, S. 516.

[4] Sonnefeld [LK Coburg]; HHSD VII, S. 702f.

[5] Neuhaus am Rennweg [Kr. Neuhaus]; HHSD IX, S. 302f.

[6] Hildburghausen [Kr. Hildburghausen]; HHSD IX, S. 198ff.

[7] Römhild [Kr. Hildburghausen]; HHSD IX, S. 353ff.

[8] Vgl. SENNEWALD, Das Kursächsische Heer (ab Dezember 2012).

[9] Vgl. REBITSCH, Matthias Gallas; KILIÁN, Johann Matthias Gallas.

[10] Vgl. MOSCA, La croce, le armi, il cavallo.

[11] Vgl. BARKER, Piccolomini. Eine befriedigende Biographie existiert trotz des reichhaltigen Archivmaterials bis heute nicht.

[12] Steinheid [Kr. Sonneberg]; HHSD IX, S. 423.

[13] Cortendorf, heute Stadtteil von Coburg.

[14] Lützelbuch, heute Stadtteil von Coburg.

[15] Sonneberg [Kr. Sonneberg]; HHSD IX, 408ff.

[16] Diese Granaten und Sturmtöpfe können, als selten erhaltene Beispiele damaliger Feuerwerkerkunst, noch heute in den Kunstsammlungen der Veste Coburg besichtigt werden. Während die Handgranaten aus runden, mit Pulver gefüllten Eisenkugeln bestanden, und mit einer Lunte gezündet wurden, gab es auch schon Fallgranaten, die beim Aufschlag mittels eines Reibungszünders explodierten. Die Sturmtöpfe bestanden aus gebranntem Ton und waren mit ungelöschtem Kalk und Asche, meist zusätzlich mit Fußangeln gefüllt. Die Herstellung solcher ‚Sturmhäfelein‘ beschreibt Hans Conrad Lavater in seinem ‚Kriegsbüchlein‘ aus dem Jahre 1644 (70): „Die Häfelein werden flach, breit und rund, aber nich hoch gemachet: in der mitte hol, […] die füllet man mit gerädenem, reinem, wohlgedörretem, vngelöschtem Kalck, und stecket Lämeysen [Fußangeln] darzwischen. Sie seind in dem Sturm gut zu gebrauchen: dann da sie vnder die Feind geworfen werden, zerfallen sie, vnd stäubt alßdann das Kalck dem Feind in das Gesicht: vnd ist solcher staub dem gesicht, vnd die Lämeysen den füssen schädlich und verhinderlich“. Ebenso beschreibt Lavater die Verwendung sogenannter ‚Sturmschlägel‘, schnurumflochtener Ballen mit einem Brandmittel gefüllt, in die kurze, mit Bleikugeln geladene Rohrabschnitte, sogen. Mordschläge, eingebunden wurden, „welche durch Harnast [Harnisch] und Pantzer schlagen, nicht leichtlich zu löschen, vnd hefftig brennen“. Ferner empfahl Lavater das Werfen von „Fässern voll Kalck vnd äschen, auff daß die Feinde darvon nicht sehen, vnd halb ersticken“. (78).

[17] Römhild [Kr. Hildburghausen]; HHSD IX, S. 353ff.

[18] Pürschpulver: „Bürschpulver, ein feines Schießpulver, welches besonders geglättet und von dem Schmutze gereinigt wird“. [http://www.kruenitz1.uni-trier.de/xxx/p/kp05346.htm].

[19] Nach dem „Kriegsbüchlein“ von Hans Conrad Lavater (65) hatten folgende Soldaten bei Gefangennahme keinen Anspruch auf Quartier (Pardon): „wann ein Soldat ein eysen, zinne, in speck gegossen, gekäuete, gehauene oder gevierte Kugel schiesset, alle die gezogene Rohr und französische Füse [Steinschloßflinten] führen, haben das Quartier verwirkt. Item alle die jenigen, die von eysen geschrotete, viereckige und andere Geschröt vnd Stahel schiessen, oder geflammte Dägen, sollt du todt schlagen“.

[20] Die Grafschaft Henneberg-Schleusingen wurde nach dem Tod des letzten Grafen auf Grund der Erbverbrüderung von 1554 (de facto seit 1583) von den beiden wettinischen Linien, den sächsischen Albertinern und den thüringischen Ernestinern, bis 1660 gemeinsam verwaltet. Die Grafschaft Henneberg gehörte 1631 zu den von den Truppendurchzügen und Einquartierungen am schlimmsten betroffenen Territorien. An das Aufbringen der Kontribution nach Erfurt war kaum zu denken, das Rentamt in Schleusingen verfügte über keine Mittel. Die Landstände wurden bewogen, innerhalb der nächsten zwei Monate 2.500 Rt. aufbringen zu wollen. Ein weiterer schwerer Schlag wurde nach dem Bericht des kursächsischen Oberaufsehers Marschalk der Grafschaft im Oktober 1634 durch den Einbruch der Truppen Piccolominis versetzt. Vgl. HEIM, Leiden; HUSCHKE, Herzog Wilhelm, S. 255; KÖBLER, Lexikon, S. 247f. [mdsz]

[21] Approchen ist die Bezeichnung für die Laufgräben (Annäherungswege) bei der militärischen Belagerung von Festungen. Das Wort ist eine Eindeutschung des französischen Verbes s’approcher, sich nähern. Es handelt sich um eine Anlage, die der Angreifer einer Festung anlegen musste, bevor die Festung erstürmt werden konnte. Mit Hilfe einer Erdwalze (Sappe) konnte sich der Angreifer an die Festungsmauern heranarbeiten, um sie durch ein anschließendes Unterminieren zum Einsturz zu bringen. Mit Hilfe der Approchen konnte der Angreifer das Vorgelände gedeckt überschreiten. Sappen wurden von den zu den ingenieurtechnischen Truppen gehörenden => Sappeuren angelegt, die über besondere Ausrüstung wie z. B. Schanzkörbe verfügten oder den typischen, breitkrempigen Eisenhelm zum Schutz vor Geschossen, welche die Verteidiger von oben abschossen. [wikipedia]

[22] Rüger meint hier wohl zwei 4-pfündige Stücklein, denn 1/4 Pfund Blei schoß bereits ein Doppelhaken mit einem Kaliber von 28 mm, womit man wohl kaum eine Festungsbastion beschossen hätte.

[23] Dresden; HHSD VIII, S. 66ff.

[24] Waltershausen [Kr. Gotha]; HHSD IX, S. 460f.

[25] Lamboy schloss am 19.3.1635 mit Zehm und Georg von Schlitz, genannt Görz, den Übergabevertrag von Stadt und Festung Coburg. ENGELBERT, Hatzfeldt, Nr. 13.

[26] [Bad] Neustadt/Saale [LK Rhön-Grabfeld], HHSD VII, S. 59f.

[27] Eisenach [Kr. Eisenach]; HHSD IX, S. 88ff.

[28] Neuses, heute Ortsteil von Kronach.

[29] Meiningen [Kr. Meiningen]; HHSD IX, S. 269ff.

[30] ENGERISSER, Kronach, S. 401ff.

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