Merven, Heinrich van der

Merven, Heinrich van der; Obrist [ – ] Merven war Holländer und stand 1621/22 als Obrist in den Diensten der kurpfälzischen Regierung in Heidelberg.[1]

„Schon während seines Anmarsches am 29.10.[1621[2]; BW] hatte Tilly[3] die Heidelberger Regierung aufgefordert, sich dem Kaiser zu unterwerfen. Der Kommandant der Heidelberger Garnison, der holländische Oberst Heinrich van der Merven, antwortete hierauf am 9.11., er wolle Heidelberg bis auf den letzten Tropfen seines Bluts verteidigen.[4] Tilly besetzte an der Bergstraße die pfälzischen Städte Bensheim,[5] Heppenheim[6] und am 10.11. Weinheim.[7] Sein Plan war, zunächst die Verbindung zwischen Heidelberg und Mannheim,[8] wo General de Vere als Oberbefehlshaber der Truppen Friedrichs in der Rheinpfalz lag, abzuschneiden. Zu diesem Zweck besetzte er am 17.11. die Stadt Ladenburg[9] am Neckar, die gemeinsamer Besitz des Bistums Worms und der Kurpfalz war. Am 14.11. ging er über den Neckar, um Mansfeld, der in Wiesloch[10] lag, weil aber Córdoba sich weigerte, den Neckarübergang mitzumachen, mußte Tilly schwer enttäuscht auf das Nordufer zurückgehen“.[11]

„Nach dem Abzug des pfälzischen Feldheeres ins Elsaß, wo am 13.7.[1622] Pfalzgraf Friedrich seine Feldherren Mansfeld und Christian von Braunschweig aus seinen Diensten entließ, und der Auflösung des badischen Heeres waren in der rechtsrheinischen Pfalz nur noch die Garnisonen in Mannheim unter General de Vere, der zugleich das Oberkommando über die in der Pfalz verbliebenen Truppen Friedrichs V. führte, und in Heidelberg unter Oberst van der Merven, dem auch die Besatzung auf dem Dilsberg[12] unterstand, verblieben“.[13]

„Am 23.8.[1622] verlegte Tilly sein Hauptquartier aus Leimen[14] näher an die belagerte Stadt, nach Wieblingen[15] am Neckar, um die Endphase der Belagerung einzuleiten. Nach einem weitgehend wirkungslosen Sturmangriff auf das Schloß und einer intensiven Beschießung von Schloß und Stadt machte Tilly dem Heidelberger Gubernator von der Merven ein Verhandlungsangebot, das dieser ablehnte, indem er Tilly an seinen Vorgesetzten de Vere in Mannheim verwies.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Anstrengungen der Belagerer in keiner Weise vom Erfolg gekrönt gewesen. Auch ein Angriff auf den Trutzkaiser, die westliche Bastion der Stadtbefestigung, wurde am 29.8. abgeschlagen. Am 3.9. ersuchte Tilly den Bischof von Speyer[16] [Sötern; BW] um Hilfe mit Untertanen und Soldaten, woraufhin dieser sofort so viele seiner Untertanen wie möglich mit Hacken und Pickeln zur Ligaarmee schickte und zusätzlich noch eine Abteilung Soldaten in Aussicht stellte. Die speyerischen Verstärkungen brachten neuen Schwung in die Aktionen der Ligaarmee. Als es mit Hilfe der speyerischen Bauern am 6.9. gelang, auf den Berghöhen über dem Schloß und der Stadt, dem Königsstuhl und dem Gaisberg, Geschütze in Stellung zu bringen, wurde die Lage für die Verteidiger in Heidelberg kritisch. Am 10.9. forderte der Artilleriebeschuß die ersten Todesufer in der Stadt. Trotz zahlreicher Ausfälle der Belagerer konnten die Bayern ihre Laufgräben immer näher an die Befestigungen heranführen.

Ein erster Generalsturm auf Stadt und Schloß am 15.9. verlief noch erfolglos; nur zwei Schanzen jenseits des Neckars wurden erobert. Am Tag darauf erfolgte nach verstärkter Beschießung ein zweiter Generalsturm. Die Bayern drangen in die Vorstadt ein, woraufhin Merven ein Verhandlungsangebot an Tilly schickte. Der bayerische Generalleutnant ließ dem Gubernator aber ausrichten, daß es dafür jetzt zu spät sei; er könne seine Soldaten nicht mehr zurückhalten. Da auch die Altstadt vor dem Ansturm der Bayern nicht mehr gehalten werden konnte, zog sich Merven mit seiner Garnison und einigen wenigen Bürgern auf das Schloß zurück. Die Stadt überließ er der Plünderung durch die Ligatruppen, welche drei Tage andauerte“.[17]

Nach der Einnahme der kurpfälzischen Hauptstadt, deren Fortifikationen einer längeren Belagerung ohnehin kaum standgehalten hätten,[18] sei darin, so ein zeitgenössischer Bericht, „ein jämmerlich Zetergeschrey und Wehklagen, durch Niederhauen, Plündern und Geld heraus martern mit Däumeln, Knebeln, Prügeln, Peinigen, Nägelbohren, Sengen an heimlichen Orten, Aufhenken, Brennen an Fußsohlen, mit Schänd und Wegführung der Frauen und Jungfrauen gegangen“.[19]

„Am 17.9. schickte Tilly den Obersten Mortaigne aufs Schloß, um sich nach Mervens weiteren Plänen zu erkundigen. Dieser erklärte, daß er das Schloß nach Möglichkeit verteidigen wolle, bat aber darum, zunächst von de Vere in Mannheim Anweisungen einholen zu dürfen, was ihm auch gewährt wurde.

Als aus Mannheim tags darauf die Nachricht kam, daß de Vere keine Unterstützung nach Heidelberg senden könne und im übrigen die Entscheidung Merven anheimstellte, entschloß sich dieser, das Schloß mit Akkord an Tilly zu übergeben. Der Garnison wurde freier Abzug gewährt ‚mit fliegenden Fahnen, brennenden Lunten, Kugeln im Mund, Ober und Underwehren, auch Sack und Pack‘, der am 20.9. erfolgte“.[20]

Die abziehende Garnison – der englische Kommandant, Sir Gerard Herbert, war beim „dritten Secundiren durch den Kopf geschossen“ worden,[21] an seiner Stelle kommandierte Merven – wurde überfallen und misshandelt; wahrscheinlich, weil die Belagerung 400 Tote unter den Ligisten gefordert hatte. Die Ligisten rissen ihnen Unter- und Oberwehr [Degen und Schusswaffen; BW] ab, hatten „etliche auf ein Seil genommen und ihnen Riemen aus dem Leib geschnitten“ und verschonten auch den Kommandanten nicht, so dass Tilly selbst mit dem Degen in der Hand für Ordnung sorgen musste und den Abziehenden freies Geleit bis nach Frankfurt[22] geben ließ.[23] In einer Randbemerkung des über den mangelhaften Informationsfluss verärgerten Maximilian I. von Bayern[24] hieß es: „Denen Commissarien einen Fülz zu schreiben, das sie nicht eher berichtet haben; was sie dann dabei tun oder obs allein Äpfl braten, da am 16. u. 18. Stadt und Schloss übergangen sein und sie erst am 22. den Carbinier haben fortreiten lassen“.[25]

[1] Heidelberg; HHSD VI, S. 302ff.

[2] Nach KAYSER, Historischer Schau-Platz, S. 352, schon am 28.10. Freundlicher Hinweis von Herrn Thomas Ziebula.

[3] Heidelberg; HHSD VI, S. 302ff.

[4] „bis auf den letzten Bluttropfen verteidigen) legt KAYSER, Historischer Schau-Platz, dem Gouverneur der Festung Dilsberg, Bartholomäus Schmid, in den Mund, nachdem Tilly ihn „durch den Herrn von Montaigna“ [Levin v. Mortaigne] am 5. o. 6. April 1622 zur Übergabe aufgefordert hat. Nach KAYSER, Historischer Schau-Platz, S. 352, hieß es, Merven wolle „Gut und Blut dabei aussetzen, sich nach dem Exempel der Frankenthaler tapfer zu wehren.“ Freundlicher Hinweis von Herrn Thomas Ziebula.

[5] Bensheim [Kr. Bergstraße]; HHSD IV, S. 41f.

[6] Heppenheim [LK Bergstraße].

[7] Weinheim [Rhein-Neckar-Kr.]; HHSD VI, S. 870f.

[8] Mannheim; HHSD VI, S. 501ff.

[9] Ladenburg [Rhein-Neckar-Kr.]; HHSD VI, S. 439ff.

[10] Wiesloch [Rhein-Neckar-Kr.]; HHSD VI, S. 886f.

[11] MAIER, Unterpfalz, S. 21f.

[12] Dilsberg [Neckargemünd, Rhein-Neckar-Kreis]; HHSD VI, S. 147f.

[13] MAIER, Unterpfalz, S. 33.

[14] Leimen [Rhein-Neckar-Kr.]; HHSD VI, S. 461.

[15] Wieblingen; heute Stadtteil von Heidelberg.

[16] Speyer; HHSD V, S. 350ff.

[17] MAIER, Unterpfalz, S. 36f.

[18] Nach SCHÜTTE, Schloss, S. 98f., hatte Friedrich V. wenig Wert auf eine wirkliche Verteidigungsfähigkeit gelegt; zum Befestigungsplan v. 1622 ZANGEMEISTER, Ansichten 2. Einen guten Einblick vermittelt der im Kurpfälzischen Museum Heidelberg S 1302 vorhandene Kst eines unbekannten Künstlers: »Wahre abbildung dern Fortification vnd Außwercken an der Churfl haupt vnd Residentz Statt Heydelberg, vnd wie dieselbige von General Tilly Belägert vnd eingenommen worden Anno 1622«; Kurpfälzischen Museum Heidelberg S 58982 (M. Merian): »Wahre Contrafactur«.

[19] WIRTH, Schicksale Heidelbergs, S. 169; zit. in veränderter Form bei JESSEN, Dreißigjähriger Krieg, S. 144. FRITSCH, Tagbuch, S. 122, berichtet, dass es „ansehentliche Beutten an Gelt, Goldt vnnd Silber“ gegeben habe. Vgl. PFAFF, Heidelberg, S. 35; ferner den lateinischen Bericht Balthasar Venators bei REIFFERSCHEID, Briefe, S. 760, Anm. 101.

[20] MAIER, Unterpfalz, S. 37.

[21] Sir Gerard Herbert [ -17.9.1622 Heidelberg], kurpfälzischer Obrist; vgl. auch JESSEN, Dreißigjähriger Krieg, S. 143.

[22] Frankfurt/M.; HHSD IV, S. 126ff.

[23] WIRTH, Schicksale Heidelbergs, S. 31; OPEL, Niedersächsisch-Dänischer Krieg Bd. 1, S. 354. Beteiligt waren an den Ausschreitungen die Regimenter Schönburg, Truchsess v. Wetzhausen u. Johann Joachim von Wahl. KLOPP, Tilly Bd. 1, S. 157, bestreitet dagegen Gräueltaten in Heidelberg u. stellt auch die Plünderung in Frage. Nach WEISS, Die Unterstützung Friedrichs V., S. 53, sei der freie Abzug nicht behindert worden; ferner die Aufzeichnungen Dr. Heinrich Altings bei REEKEN, Handschriftliche Aufzeichnungen I, II.

[24] Vgl. ALBRECHT, Maximilian I.

[25] ZIEGLER, Dokumente Bd. 1, S. 653.

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